BSG Urteil v. - B 4 AS 50/09 R

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LSG Schleswig-Holstein, L 3 AS 11/07 vom SG Schleswig, S 7 AS 717/05

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II im Zeitraum vom bis im Streit.

Der Kläger ist alleinstehend. Er bewohnt eine 53,63 qm große Zweizimmerwohnung in - , für die er im streitigen Zeitraum eine Kaltmiete von 250 Euro, eine Nebenkostenvorauszahlung von 80 Euro und eine Heizkostenvorauszahlung von 20 Euro monatlich - zusammen 350 Euro - zu leisten hatte.

Der Kläger bezieht seit dem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Beklagte bewilligte ihm zunächst bis zum (Bescheide vom und ) eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 350 Euro monatlich. Durch Schreiben vom machte sie den Kläger darauf aufmerksam, dass seine Kaltmiete incl Nebenkosten unangemessen hoch sei. In analoger Anwendung der Wohngeldtabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) habe der Kläger nur Anspruch auf 245 Euro monatliche Unterkunftskosten (zweite Spalte von rechts der Tabelle - Bezugsfertiger Wohnraum ab bis zum - Mietstufe III) zuzüglich Heizkosten. Die bisherigen tatsächlichen Aufwendungen würden bis zum weiterhin übernommen und alsdann auf die angemessene Höhe abgesenkt. Auf den Einwand des Klägers, dass seine Wohnung nach dem (1995/1996) bezugsfertig geworden und damit die rechte Spalte der Tabelle heranzuziehen, folglich ein Wert von 300 Euro Kaltmiete incl Nebenkosten zu Grunde zu legen sei, setzte die Beklagte durch Schreiben vom die "Angemessenheitsgrenze" auf 300 Euro hoch. Diese Angabe widerrief sie durch Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom mit der Begründung, es könne nicht auf die konkrete Bezugsfertigkeit der Wohnung eines Hilfebedürftigen abgestellt werden, da zur Feststellung der Angemessenheitsgrenze iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II die Tabelle zu § 8 WoGG lediglich analog anzuwenden sei. Dem Mietniveau in F. entsprechend sei der Wert, wie im Schreiben vom benannt, zu Grunde zu legen. Damit seien im konkreten Fall lediglich 265 Euro Warmmietkosten vom Grundsicherungsträger zu übernehmen (245 Euro Kaltmiete incl Nebenkosten und 20 Euro Heizkosten). Die Beklagte belegte ihre Auffassung zudem durch eigene Auswertungen von Mietangeboten aus der 25. bis 27. Kalenderwoche des Jahres 2005.

Durch Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Existenzsicherung nach dem SGB II für den Zeitraum vom bis in Höhe von 610 Euro monatlich (345 Euro Regelleistung und 265 Euro Warmmietzins).

Vor dem SG Schleswig und dem Schleswig-Holsteinischen LSG hat der Kläger erfolglos Leistungen für Unterkunftskosten in Höhe von 330 Euro - ohne Heizkosten - begehrt ( und ). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen auf die Ausführungen des SG Bezug genommen. Zusammenfassend hat es ausgeführt, dass die sechsmonatige Übergangsfrist für Maßnahmen der Kostensenkung am abgelaufen sei, sodass die tatsächliche Absenkung der Leistungshöhe durch Bescheid vom habe durchgeführt werden dürfen. Die Beklagte habe auch die Angemessenheitsgrenze zutreffend bestimmt. Im Suchbereich F. gebe es eine hinreichende Menge an Wohnungen im "unteren Bereich" mit einer Wohnraumgröße zwischen 35 bis 65 qm bis zu der von der Beklagten bestimmten Referenzmiete von 245 Euro. Die Beklagte habe durch diverse Wohnungsangebote belegt, dass sich die Verhältnisse auf dem Mietwohnungsmarkt in F. in den Tabellenwerten zu § 8 WoGG zutreffend widerspiegelten. Nach dem von ihr vorgelegten Marktmietmonitor 2007 bewege sich das Mietspektrum für Wohnungen zwischen 35 und 50 qm zwischen 201 bis 225 Euro (319 Wohnungen) bzw 226 bis 250 Euro (233 Wohnungen). Es sei nicht davon auszugehen, dass sich der Mietwohnungsmarkt 2007 wesentlich anders darstelle als in den Jahren 2005/2006. Der Kläger hingegen habe keine hinreichenden Eigenbemühungen zur Kostensenkung an den Tag gelegt. Ihm sei zwar zuzugeben, dass er niedrige Heizkosten habe und nach einem Umzug in eine hinsichtlich der Kaltmietkosten günstigere Wohnung möglicherweise die von ihm zur Zeit zu zahlende "Warmmiete" annähernd erreicht werden könnte. Hierauf komme es jedoch nicht an, denn nach der dogmatischen Konstruktion von § 22 Abs 1 SGB II sei die Angemessenheit von Unterkunfts- und Heizkosten getrennt zu betrachten.

Mit seiner vom BSG zugelassenen Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II geltend. Er trägt vor, dass nur dann auf die Tabellenwerte zu § 8 WoGG zurückgegriffen werden dürfe, wenn keine lokalen Erkenntnismöglichkeiten vorhanden seien. Zunächst sei der Grundsicherungsträger verpflichtet, die abstrakte Angemessenheitsgrenze an Hand eines schlüssigen Konzepts differenziert nach angemessener Wohnungsgröße sowie Lage und Ausstattung zu ermitteln. Dabei dürfe nicht nur auf Mietangebote abgestellt werden, sondern es seien auch bereits bestehende Mietverträge in die Auswertung einzubeziehen. Gemessen an diesen Kriterien habe die Beklagte der Leistungsabsenkung keine die örtlichen Gegebenheiten widerspiegelnde Angemessenheitsgrenze zu Grunde gelegt. Zudem seien Unterkunfts- und Heizkosten nicht getrennt zu betrachten. Es müsse insoweit von einer erweiterten Produkttheorie ausgegangen werden.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Schleswig vom aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu ändern und die Beklagte zu verurteilen ihm im Zeitraum vom bis Leistungen für Unterkunft (Mietzins plus kalte Nebenkosten) in Höhe von 330 Euro monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen in den Urteilen von SG und LSG für zutreffend.

II

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Der Senat vermochte an Hand der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend zu entscheiden, ob die Beklagte verpflichtet war, die vom Kläger im streitigen Zeitraum geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft (Nettomietzins und kalte Nebenkosten) in Höhe von 330 Euro monatlich als Leistungen nach dem SGB II zu übernehmen. Es liegen bereits keine hinreichenden Erkenntnisse dazu vor, ob diese Aufwendungen angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II waren. Zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze ist von dem Grundsicherungsträger eine örtliche Referenzmiete auf Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu ermitteln. Hieran mangelt es im vorliegenden Fall. Da mithin bereits die abstrakt angemessene Referenzmiete nicht feststeht, kann auch nicht beurteilt werden, ob die Beklagte das Kostensenkungsverfahren zu Recht eingeleitet hat und wenn ja, in welchem Umfang der Kläger ggf verpflichtet war, seine Unterkunftskosten zu senken.

1. Streitig sind im vorliegenden Fall alleine Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Der Kläger hat sein Klagebegehren von vornherein zulässigerweise auf diese Leistungen beschränkt (vgl B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Streitig sind zudem nur Leistungen für den Zeitraum vom bis . Der Kläger hat mit seiner Klage vor dem SG Schleswig den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom angefochten. Zutreffend sind SG und LSG davon ausgegangen, dass die Folgebescheide - entgegen der Rechtsansicht des Klägers - nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind. § 96 SGG greift in diesen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht durch (s nur B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; B 7b AS 4/06 R; B 11b AS 45/06 R).

2. Der Kläger war Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom (BGBl I 2014). Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II). Zwar fehlt es an ausdrücklichen Feststellungen des LSG zur Erwerbsfähigkeit und zum gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers. Aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG, das nach § 153 Abs 4 SGG Bezug auf die Entscheidungsgründe im Urteil des SG nimmt, ist jedoch davon auszugehen, dass auch diese Voraussetzungen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II und § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II gegeben waren. Der Kläger war auch hilfebedürftig iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II.

3. Nach den Feststellungen des LSG konnte der Senat jedoch nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger Anspruch auf Unterkunftskosten in Höhe von 330 Euro monatlich im streitigen Zeitraum hat. Als grundsicherungsrechtlicher Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zwar grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen anzuerkennen. Die Vorschrift begrenzt die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen jedoch zugleich auf die nach dem SGB II angemessenen Kosten.

Die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für eine Wohnung ist nach der Rechtsprechung des BSG in mehreren Schritten zu prüfen ( B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2; B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; stRspr): Es ist die Größe der Wohnung des Hilfebedürftigen festzustellen und zu überprüfen, ob diese angemessen ist. Dabei erfolgt die Bemessung der angemessenen Größe nach den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom (WofG, BGBl I 2376). Angemessen ist eine Wohnung ferner nur, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Nach der Rechtsprechung des BSG genügt es jedoch insoweit, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist ( B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2), also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet.

Die angemessene Größe einer Wohnung eines Hilfebedürftigen nach dem SGB II in Schleswig-Holstein hat das LSG nach Ziffer 8.5.1. der Verwaltungsvorschrift zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung nach dem Wohnraumbindungsgesetz und Wohnraumfördergesetz (VwVSozWo 2004, Amtsbl Schl-H, S 548) zutreffend mit 50 qm bestimmt. Die Wohnungsgröße im konkreten Fall überschreitet diesen Wert um 3,63 qm. Inwieweit diese Überschreitung noch innerhalb einer offensichtlich von der Beklagten in Einzelfällen angenommenen Toleranzgröße liegt, kann hier dahinstehen. Ist das Produkt, ausgedrückt in der Höhe des Mietzinses gleichwohl angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, etwa, weil der Standard der Wohnung nach unten abweicht, kann ggf die Überschreitung der Wohnungsgröße ausgeglichen werden. Dazu ist es jedoch erforderlich, die Referenzmiete oder die Angemessenheitsobergrenze im Vergleichsraum zu bestimmen.

Zu den Grenzen des Vergleichsraums im vorliegenden Fall hat das LSG keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Das SG, auf dessen Entscheidungsgründe sich das LSG bezieht, geht vom "Suchbereich" F. aus und legt dar, dass eine weitere Eingrenzung etwa nach Stadtteilen nicht erforderlich sei. Der erkennende Senat geht daher davon aus, dass nach den Vorstellungen des LSG das gesamte Stadtgebiet F. als Vergleichsraum heranzuziehen ist. Diese Annahme ist dann zutreffend, wenn es sich bei dem Stadtgebiet F. um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handelt, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (vgl ). Wenn es auch naheliegend ist, davon auszugehen, dass mit der Festlegung auf das Stadtgebiet F. diese Voraussetzungen erfüllt werden, so wird das LSG dennoch eine entsprechende Feststellung im ohnehin wieder eröffneten Berufungsverfahren zu treffen haben.

Wenn danach die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für einen Alleinstehenden in Schleswig-Holstein 50 qm beträgt und der örtliche Vergleichsmaßstab auf das Stadtgebiet Flensburg zu begrenzen wäre, ist weiter festzustellen, wie hoch die angemessene Miete für Wohnungen einfachen Standards - die Referenzmiete - in diesem Raum ist. Nur auf dieser Grundlage kann beurteilt werden, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers diese Angemessenheitsobergrenze überschreiten.

Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, also ein ausfüllungsbedürftiger Wertungsmaßstab. Ihm wohnt der Gedanke der Begrenzung inne (vgl Voelzke/Knickrehm/Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, DSGT Praktikerleitfaden, S 25), hier der der Bestimmung einer Mietobergrenze. Diese Mietobergrenze ist unter Berücksichtigung der Bedingungen eines existenzsichernden Leistungssystems festzulegen (S. Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 22 RdNr 7). Sie soll dabei die Wirklichkeit, also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums abbilden, denn der Hilfebedürftige soll durch die Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in die Lage versetzt werden, sein elementares Grundbedürfnis "Wohnen" zu grundsicherungsrechtlich angemessenen Bedingungen zu befriedigen (s auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand IX/09, § 22 RdNr 2; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 15c). Sein Lebensmittelpunkt soll geschützt werden. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Da die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen sind, kann die Mietobergrenze weder der Höhe nach pauschal noch überregional definiert werden. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG vielmehr auf Grundlage eines dieses beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (vgl B 14/7b AS 44/06 R; ).

Hieran mangelt es im konkreten Fall. Nach den Feststellungen des LSG lag der Bestimmung der Referenzmiete von 245 Euro im konkreten Fall bereits kein Konzept zu Grunde.

Ein Konzept liegt nach der Rechtsprechung des 4. Senats nur dann vor, wenn der Grundsicherungsträger planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (). An derartigen systematischen Ermittlungen und Bewertungen des generalisierbaren grundsicherungsrechtlichen Bedarfs fehlt es hier. Die Beklagte hat vielmehr, wie sie selbst ausgeführt hat, auf den Tabellenwert der zweiten Spalte von rechts in der Mietstufe III - Einpersonenhaushalte - zurückgegriffen. Nur soweit es an lokalen Erkenntnismöglichkeiten mangelt, dürfen jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die Tabellenwerte zu § 8 WoGG zu Grunde gelegt werden. 7b. und 14. Senat des BSG haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der mit der Gewährung von Wohngeld verfolgte Zweck ein anderer als derjenige der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II ist. Bei der Gewährung von Wohngeld wird von der Wohnung ausgegangen, wie sie der Wohngeldberechtigte angemietet hat, ohne dass im Einzelfall nachgeprüft wird, inwieweit die Wohnung als solche im Sinne eines notwendigen Bedarfs angemessen ist (s nur B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; vom - B 14/7b AS 44/06 R).

Der Auffassung der Beklagten, es könne auch ohne Ausfall der örtlichen Erkenntnismöglichkeiten "analog" auf die Werte der Tabelle zu § 8 WoGG zurückgegriffen werden, folgt der Senat nicht. Ferner kann das schlüssige Konzept auch nicht gleichsam durch eine "Gegenprobe" ersetzt werden, ob es möglich ist, innerhalb eines Vergleichsraums Wohnungen bis zur Höhe der Tabellenwerte anzumieten. Es ist vielmehr grundsätzlich ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung der erforderlichen Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum erforderlich.

Der erkennende Senat hat die Schlüssigkeitsanforderungen wie folgt zusammengefasst ():

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

- Angaben über den Beobachtungszeitraum,

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Ein Konzept ist nur schlüssig, wenn es nach den oben benannten Kriterien erstellt worden ist. Die Sozialgerichte überprüfen insoweit, ob der Grundsicherungsträger zutreffende Wertungen vorgenommen hat, also das von ihm gewählte Konzept schlüssig ist und somit die Wertungen rechtfertigt. Prüfungsansatz des Gerichts sind mithin die Ergebnisse des Grundsicherungsträgers unter Beachtung der oben aufgezeigten Mindeststandards, die gewährleisten, dass dem Zweck der Leistungsgewährung entsprechend dem Hilfebedürftigen im konkreten Umfeld bezahlbarer und dem ihm zustehenden Standard entsprechender Wohnraum finanziert wird. Erweist sich im Rahmen dieser Prüfung das Konzept als mangelbehaftet, ist es wiederum Aufgabe des Grundsicherungsträgers hier nachzubessern.

Die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts ist Angelegenheit des Grundsicherungsträgers und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Der für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständige kommunale Träger muss die bei ihm vorhandenen Daten sowie die personellen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellen ().

Hierzu wird das LSG die Beklagte im wiedereröffneten Berufungsverfahren aufzufordern haben. Alsdann wird das LSG an Hand der von der Beklagten gelieferten Daten bzw der von ihm zusätzlich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von der Beklagten angeforderten Daten festzustellen haben, ob die von der Beklagten gewählte Mietobergrenze im streitigen Zeitraum angemessen iS des § 22 Abs 1 SGB II war bzw welche andere Referenzmiete hätte zu Grunde gelegt werden müssen. Sollte sich dabei erweisen, dass sich keine hinreichenden Feststellungen für den Zeitraum vom bis und den Vergleichsraum mehr treffen lassen, es also an lokalen Erkenntnismöglichkeiten fehlt, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers zu übernehmen.

Allerdings kann die Übernahme der tatsächlichen Kosten nicht unbegrenzt erfolgen. Es gibt eine "Angemessenheitsgrenze" nach "oben". Durch sie soll verhindert werden, dass extrem hohe und damit nicht nur nach Auffassung des Grundsicherungsträgers, sondern per se unangemessene Mieten durch den Steuerzahler zu finanzieren sind. Die Heranziehung der Tabellenwerte ersetzt mithin die für den Vergleichsraum und den konkreten Zeitraum festzustellende Referenzmiete nicht. Sie dient lediglich dazu, die zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen zu begrenzen. Die Grenze findet sich insoweit in den Tabellenwerten zu § 8 WoGG bzw nunmehr § 12 WoGG. Da insoweit eine abstrakte, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum unabhängige Begrenzung vorgenommen wird, ist - anders als im vorliegenden Fall geschehen - auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen. Ferner wird ein "Sicherheitszuschlag" zum jeweiligen Tabellenwert im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraumes als erforderlich angesehen. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch tatsächlich die angemessene Referenzmiete war. Insoweit schließt sich der erkennende Senat dem 7b. Senat an ( B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

4. Da die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung mit insgesamt 350 Euro höher sind als der von ihm eingeklagte Betrag (330 Euro), der lediglich seinen Aufwendungen für die Nettomiete und den kalten Nebenkosten entspricht, brauchte der Senat nicht über die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der gemeinsamen Angemessenheitsprüfung von Unterkunfts- und Heizkosten zu befinden. Der Senat verweist insoweit im Übrigen auf die Ausführungen des 14. Senats vom (B 14 AS 36/08 R), denen er sich anschließt (vgl ). Danach ist die Angemessenheit der beiden Kostenarten unabhängig voneinander zu beurteilen. Dieses gilt auch für das Kostensenkungsverfahren. Solange die Heizkosten jedoch nicht die Angemessenheitsgrenze nach dem jeweils einschlägigen Heizkostenspiegel, bezogen auf Heizart und angemessene Wohnungsgröße überschreiten, sind sie vom Grundsicherungsträger zu übernehmen und es scheidet ein Kostensenkungsverfahren wegen der Heizkosten aus.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Fundstelle(n):
ZAAAD-39199