Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung: Wirkung einer Revision des Nebenklägers; Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges bei Einsatz eines Tatmittels als "Requisite"
Gesetze: § 301 StPO, § 224 Abs 1 Nr 2 StGB
Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 162 Js 26766/07 - 21 Ks 16/07 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Nebenklägerin strebt mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags an. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten ergeben, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Jedoch ist das Urteil in entsprechender Anwendung des § 301 StPO zugunsten des Angeklagten im Schuldspruch abzuändern und im Strafausspruch aufzuheben, weil es einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, der auf die Revision der Nebenklägerin zu beachten ist, obwohl das Rechtsmittel nur zuungunsten des Angeklagten eingelegt wurde (BGH, Beschl.vom - 2 StR 394/95, NStZ-RR 1996, 130).
21. Nach den Feststellungen legte der Angeklagte der vor dem Computer sitzenden Nebenklägerin ein etwa ein Meter langes Elektrokabel locker um den Hals, ohne es allerdings zuzuziehen und ohne dass das Kabel mit ihrem Hals in Berührung kam. Er wollte ihr lediglich einen heftigen Schrecken einjagen. Die Nebenklägerin bemerkte das Kabel, ergriff es von oben mit beiden Händen und zog es mit einem heftigen Ruck dem Angeklagten aus der Hand, so dass es auf den Fußboden fiel. Spätestens jetzt rief der Angeklagte: “Ich bringe dich um.“ Die Nebenklägerin, der es im weiteren Verlauf gelang, den Angeklagten aus dem Zimmer zu drängen und in die Küche zu flüchten, erlebte Todesängste, verspürte eine Beklemmung und litt noch geraume Zeit nach der Tat unter Angstzuständen.
32. Diese Feststellungen belegen zwar noch die Annahme einer vorsätzlichen (einfachen) Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB). Die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung kann jedoch keinen Bestand haben. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Angeklagte die Körperverletzung nicht mittels eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB begangen.
4a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein gefährliches Werkzeug jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. nur Senat, Beschl. vom - 4 StR 313/06, NStZ 2007, 95). Bereits diese Eignung erscheint hier zweifelhaft. Zwar kann ein Kabel, wenn es zum Würgen eingesetzt wird, nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Verwendung erhebliche Verletzungen herbeiführen. Hier legte der Angeklagte der Nebenklägerin jedoch das Kabel lediglich locker um den Hals, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Wird eine Strangulation aber nur vorgetäuscht, sind erhebliche Verletzungen regelmäßig nicht zu befürchten. Dass es sich hier ausnahmsweise, etwa aufgrund einer besonderen Disposition der Nebenklägerin, anders verhielt, ist nicht festgestellt.
5b) Darüber hinaus verlangt § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass die Körperverletzung “mittels“ eines solchen Werkzeugs begangen wird. Das Tatmittel muss hierbei unmittelbar auf den Körper des Opfers einwirken (Senat, Urt. vom - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572, 573, Beschl. vom - 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405; Fischer StGB 57. Aufl. § 224 Rdn. 7). Jedenfalls daran fehlt es hier. Das Kabel kam zwar mit dem Körper der Nebenklägerin in Berührung. Es entfaltete jedoch als bloße “Requisite“ bei der Inszenierung einer scheinbar lebensbedrohlichen Situation seine Wirkung nicht unmittelbar körperlich, sondern psychisch vermittelt. Dies vermag den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB aber ebenso wenig zu erfüllen wie der Einsatz einer Maske oder die Vorlage einer gefälschten Todesbescheinigung mit dem Ziel, das Opfer in Schrecken zu versetzen. Diese Auffassung liegt auch der bisherigen Rechtsprechung zugrunde (vgl. ; Urt. vom - 1 StR 393/85, NStZ 1986, 166; im Ergebnis ebenso Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 224 Rdn. 3; a.A. Hardtung in MK StGB § 224 Rdn. 21; differenzierend Eckstein NStZ 2008, 125, 128). An ihr wird festgehalten.
63. Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend um. Er schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die das Handeln des Angeklagten als eine das Leben gefährdende Behandlung i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erscheinen lassen könnten. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
74. Die Änderung des Schuldspruchs zieht angesichts des gegenüber § 224 StGB milderen Strafrahmens des § 223 StGB die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Aschersleben zurück, da dessen Strafgewalt hier ausreicht.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 2968 Nr. 40
EAAAD-39141