Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Karlsruhe, 6 S 61/06 vom AG Karlsruhe, 2 C 16/06 vom
Tatbestand
1. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom (BAnz. Nr. 1 vom ) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem vorweisen kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Die Anwartschaften der übrigen ca. 1,7 Millionen rentenfernen Versicherten berechnen sich demgegenüber nach den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem rentennahen oder einem rentenfernen Jahrgang erhalten Beschäftigte, die am mindestens 20 Jahre pflichtversichert waren, als Startgutschrift für jedes volle Kalenderjahr der Pflichtversicherung bis zum mindestens 1,84 Versorgungspunkte (VP), bei Teilzeitbeschäftigung gemindert durch Multiplikation mit dem am maßgebenden Gesamtbeschäftigungsquotienten (§§ 9 Abs. 3 ATV, 37 Abs. 3 VBLS).
2. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung für rentennahe Versicherte, die Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten, die Zulässigkeit der Festschreibung von Berechnungselementen (Steuerklasse, Einkünfte) zum Umstellungsstichtag, die Höhe der der Klägerin erteilten Startgutschrift von 53,73 Versorgungspunkten (das entspricht einem Wert von monatlich 214,92 €) und die Höhe der der Klägerin mittlerweile gezahlten Betriebsrente.
Die am geborene und somit einem rentennahen Jahrgang zugehörige Klägerin hat als Beschäftigte im öffentlichen Dienst bis zum Umstellungsstichtag () 301 Umlagemonate und bis zum Rentenbeginn am weitere 37 Umlagemonate bei der Beklagten zurückgelegt. In der gesetzlichen Rentenversicherung hat sie darüber hinaus weitere 193 Umlagemonate vorzuweisen, während derer sie nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt war (so genannte Vordienstzeiten). Sie nimmt seit im Rahmen einer vorgezogenen Altersrente Rentenleistungen in Anspruch. Dabei bezieht sie seither vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine monatliche Altersrente und von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von zunächst 225,56 € netto, seit von 227,83 € netto (vgl. Rentenmitteilung der Beklagten vom ). Deren Höhe wurde auf der Grundlage der neuen Satzung der Beklagten in der Weise errechnet, dass zunächst nach den vorgenannten Übergangsbestimmungen für rentennahe Versicherte die Startgutschrift (53,73 Versorgungspunkte) für den ermittelt und sodann die seit dem bis zum Rentenbeginn nach dem neuen Punktemodell erworbenen Versorgungspunkte (3,52 Versorgungspunkte) hinzugerechnet wurden. In der Rentenberechnung ist die so genannte Mindestgesamtversorgung (§ 79 Abs. 2 VBLS i.V. mit § 41 Abs. 4 VBLS a.F.) mitberücksichtigt, zur Hälfte berücksichtigt sind die Vordienstzeiten der Klägerin. Wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente ist ein Abschlag von 1,5% vorgenommen worden (vgl. § 35 Abs. 3 VBLS).
3. Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Betriebsrente müsse nach den früheren, vor der Systemumstellung gültigen Satzungsbestimmungen ermittelt werden. Darüber hinaus erstrebt sie eine Verpflichtung der Beklagten, bei der Ermittlung der Startgutschrift bestimmte, in verschiedenen Klageanträgen näher konkretisierte Berechnungselemente zugrunde zu legen und ihre Vordienstzeiten in vollem Umfang zu berücksichtigen. Schließlich wendet sie sich dagegen, dass die grundsätzlich bruttobezogene Gesamtversorgung auf einen nettobezogenen Betrag begrenzt werde, bei dem etwa Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vom gesamtversorgungsfähigen Entgelt in Abzug gebracht würden. Die mit der 19. Satzungsänderung am in Kraft getretene Nettobegrenzung möge zwar seinerzeit dem Abbau einer Überversorgung gedient haben, doch könne davon angesichts der inzwischen eingetretenen Rentenkürzungen keine Rede mehr sein.
4. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen hat das Landgericht auf einen hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet,
der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalles mindestens eine Betriebsrente zu gewähren, die dem geringeren Betrag aus der Berechnung der Zusatzrente nach ihrer früheren Satzung (in der Fassung der 41. Satzungsänderung) zum Umstellungsstichtag () oder zum Eintritt des Versicherungsfalles entspricht.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie erstrebt die Wiederherstellung des klageabweisenden amtsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision ihre bisherigen Anträge vollen Umfangs weiter.
Gründe
Nur die Revision der Beklagten hat Erfolg.
I. Den Angriffen der Revision der Klägerin hält das Berufungsurteil stand.
1. Die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte sind wirksam. Der Senat hat bereits mit Urteil vom (IV ZR 74/06 - BGHZ 174, 127 Tz. 25 ff.) entschieden, dass die Satzung der Beklagten auch ohne Zustimmung der Versicherten und im Wege einer umfassenden Systemumstellung geändert werden konnte. Mit Urteil vom (IV ZR 134/07 - BGHZ 178, 101) hat er dies bestätigt und die Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Systemumstellung von den rentennahen Versicherten erworbenen Rentenanwartschaften sowie deren Übertragung in das neu geschaffene Betriebsrentensystem gebilligt. Die von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraumes getroffene Regelung ist jedenfalls vertretbar und schon aus diesem Grunde verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere auch für Zugrundelegung der fiktiven, sich bei Vollendung des 63. Lebensjahres ergebenden Versorgungsrente (BGHZ 178, 101 Tz. 39-45), die Festschreibung der Rechengrößen, wie etwa des Entgelts, des Familienstandes und der Steuerklasse, zum Umstellungsstichtag (BGHZ aaO. Tz. 46 ff.). Im Falle der Klägerin ist hierzu im Übrigen anzumerken, dass sie nicht geltend gemacht hat, dass sich bei ihr persönlich zwischen dem Umstellungsstichtag und dem Renteneintritt Änderungen der Steuerklasse oder nennenswerte Gehaltserhöhungen ergeben hätten.
Weiter begegnet es keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass den rentennahen Versicherten lediglich im Rahmen einer Besitzstandsregelung die Vorteile aus der Halbanrechnung von Vordienstzeiten belassen werden, eine Vollanrechnung aber nicht stattfindet (BGHZ aaO. Tz. 54-59). Im Einzelnen wird ergänzend auf die Ausführungen in den genannten Senatsurteilen, die sich auch zu den weiteren Revisionsangriffen der Klägerin verhalten, verwiesen.
2. Es liegt keine unzulässige Rückwirkung darin, dass die am im Bundesanzeiger veröffentlichte neue Satzung der Beklagten die Systemumstellung bereits mit Wirkung zum Ablauf des vorgenommen hat. Denn die Tarifvertragsparteien hatten sich schon vor dem Umstellungsstichtag am im so genannten Altersvorsorgeplan auf die Systemumstellung geeinigt und dies auch ausreichend öffentlich gemacht. Insofern war ein schutzwürdiges Vertrauen der Versicherten darauf, dass die Regeln der alten Satzung über den hinaus Bestand hätten, nicht mehr begründet.
3. Anders als die Revision meint, verstoßen die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte in der neuen Satzung der Beklagten auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip der Normenklarheit oder das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Allerdings hat das - VersR 2000, 835 unter 2 c, cc) angemerkt, dass das frühere Satzungswerk der Beklagten eine Komplexität erreicht habe, die es dem einzelnen Versicherten kaum mehr ermögliche, zu überschauen, welche Leistungen er zu erwarten habe und wie sich berufliche Veränderungen im Rahmen des Erwerbslebens auf die Höhe der Leistungen auswirkten. Eine weitere Zunahme dieser Komplexität könne an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen, sei es weil die Arbeitnehmer dadurch in der freien Wahl ihres Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG) in unzumutbarer Weise behindert würden, sei es weil sich die sachliche Rechtfertigung für Ausdifferenzierungen im Normengeflecht nicht mehr nachvollziehen lasse und somit die Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr gewährleistet werden könne. Das Bundesverfassungsgericht hat die frühere Satzung der Beklagten aber trotz dieser Bedenken als gerade noch rechtlich hinnehmbar bewertet. Soweit die Übergangsregelungen der §§ 78 und 79 VBLS darauf zurückgreifen, kann insoweit nichts anderes gelten. Im Übrigen ist das seit der Systemumstellung gültige Punktesystem dadurch gekennzeichnet, dass es die Rentenentwicklung im Gegensatz zum früheren Gesamtversorgungssystem weitgehend von externen Faktoren abgekoppelt und damit eine insgesamt überschaubarere Regelung getroffen hat. Dass die Übergangsvorschriften für rentennahe Versicherte dennoch auf die komplizierten Bestimmungen der früheren Satzung der Beklagten zurückgreifen, dient allein dem Ziel, dieser Gruppe von Versicherten einen weitergehenden Besitzstandsschutz zu gewähren als der Gruppe der rentenfernen Versicherten.
4. Wegen der Angriffe der Klägerin auf die mit der 19. Satzungsänderung vom (BAnz Nr. 53 vom ) ab dem eingeführte Nettobegrenzung der Versorgungsrente nach § 41 Abs. 2c Satz 1 lit. ae VBLS a.F. und die insoweit zu berücksichtigenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verweist der Senat auf seine Entscheidung BGHZ 103, 370, 383 ff. und das Senatsurteil vom (IV ZR 217/02 - VersR 2004, 319 unter II 2 b, bb).
III. Auf die Revision der Beklagten waren das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, und die Klage abzuweisen. Insoweit wird auf die oben stehenden Ausführungen verwiesen. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, ist ein unzulässiger Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechte der Klägerin nicht ersichtlich.
Fundstelle(n):
SAAAD-38092