Zeitpunkt für die Ausübung des Wahlrechts für den Ansatz des Betriebsvermögens bei Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft; Bilanzberichtigung und Bilanzänderung
Gesetze: EStG § 4 Abs. 2, EStG § 6b, UmwStG § 24 Abs. 2, UmwStG § 24 Abs. 3, FGO § 96, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob stille Reserven eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Zuge der Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft aufgedeckt wurden.
2 Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) betrieb eine Landwirtschaft als Einzelunternehmer. Mit Wirkung ab nahm er einen anderen Landwirt (S.) mit einer Einlage von 858.836 DM als atypisch stillen Gesellschafter in analoger Anwendung der §§ 230 ff. des Handelsgesetzbuchs auf.
3 S. hatte im Jahr 1989 einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verkauft und dabei eine Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gebildet. Diese Rücklage wollte er in Höhe von 858.836 DM durch Abzug von den Anschaffungskosten der Beteiligung am Betrieb des Klägers auflösen.
4 Die Beteiligungsquoten an der atypisch stillen Gesellschaft ermittelten der Kläger und S. aus dem Verhältnis des Wertes der Einlage zum Gesamtwert des Unternehmens, ohne dabei jedoch die Verstärkung des Betriebskapitals durch die Einlage des S. zu berücksichtigen. Auf dieser Basis errechneten sie Beteiligungsquoten für den Kläger von 51 % und für S. von 49 %. Entsprechend wurde auch die Ergebnisbeteiligung des S. mit 49 %, höchstens jedoch 15 % jährlich des Wertes der Einlage vereinbart.
5 In der Eröffnungsbilanz der atypisch stillen Gesellschaft zum , die mit dem Gesellschaftsvertrag beim Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt —FA—) eingereicht wurde, wurden unter den Aktiva das vom Kläger eingebrachte Anlagevermögen mit dem gemeinen Wert (insgesamt 1.752.726 DM) und als Umlaufvermögen die Einlage des S. (858.836 DM) ausgewiesen. Auf der Passivseite der Bilanz wurde dem Tatbestand des angefochtenen Urteils zufolge für den Kläger ein Kapital von 893.890 DM und für S. ein solches in Höhe von 858.836 DM ausgewiesen. Nach der eingereichten Bilanz, auf die das Finanzgericht (FG) ausdrücklich Bezug genommen hat, betrug das Kapital des Klägers 1.696.468 DM, davon als festes Kapitalkonto 893.890 DM und als variables Kapitalkonto 802.578 DM.
6 Der eingereichten Eröffnungsbilanz beigefügt waren negative Ergänzungsbilanzen, in denen für den Kläger ein Minderkapital von 665.387 DM und für S. ein Minderkapital von 858.836 DM ausgewiesen wurden. Nach den Erläuterungen zur Ergänzungsbilanz des Klägers wählte dieser die Buchwertfortführung gemäß § 24 Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG). Die Minderwerte ergaben sich danach als Differenz zwischen den in der Bilanz der Gesellschaft ausgewiesenen Zeitwerten und den Buchwerten im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers vor Einbringung in die Personengesellschaft, insoweit als sie nach der Einbringung zu 51 % auf den Kläger entfielen. In den Erläuterungen zur negativen Ergänzungsbilanz für S. wurden diesem 49 % des Anlagevermögens zugerechnet (858.836 DM) und in derselben Höhe ein Minderkapital „aufgrund Übertragung von Veräußerungsgewinnen i.S. von § 6b des Einkommensteuergesetzes” ausgewiesen.
7 Nachdem der Kläger für das Jahr 1994 (Streitjahr) noch keine Einkommensteuererklärung eingereicht hatte, ermittelte das FA die Besteuerungsgrundlagen im Wege der Schätzung. Dabei errechnete es u.a. einen durch die Aufnahme des S. als Gesellschafter bedingten Veräußerungsgewinn des Klägers in Höhe von 639.293 DM, der durch die Auflösung der stillen Reserven des von S. in Höhe von 49 % übernommenen Betriebsvermögens entstanden sei.
8 Dagegen wandte sich der Kläger nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage und machte geltend, stille Reserven seien aufgrund der Buchwertfortführung nicht aufgedeckt worden. Der Sachverhalt sei allerdings dahingehend zu korrigieren, dass von einem Beteiligungsverhältnis von 33,61 % (S.) zu 66,39 % (Kläger) auszugehen sei. Das bisherige Verhältnis von 49 % zu 51 % sei Folge eines Rechenfehlers. Nachdem der Kläger diesen bemerkt habe, sei mit Schreiben vom die Anfechtung der entsprechenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag erfolgt und § 9 des Gesellschaftsvertrages im Wege einer Ergänzungsvereinbarung vom geändert worden. Der Kläger legte entsprechend geänderte Bilanzen für die Gesellschaft vor.
9 Das FG gab der Klage statt. Mit der Aufnahme des S. als atypisch stiller Gesellschafter sei steuerrechtlich eine Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG entstanden. Der Kläger habe seinen landwirtschaftlichen Betrieb in die Gesellschaft eingebracht, während S. eine Bareinlage erbracht habe. Die steuerlichen Folgen eines solchen Einbringungsvorgangs richteten sich nach § 24 UmwStG. Der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der Gesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen angesetzt werde, gelte für den Einbringenden als Veräußerungspreis (§ 24 Abs. 3 UmwStG). Ein Veräußerungsgewinn für den Einbringenden, im Streitfall den Kläger, entstehe daher nur dann, wenn und soweit in der Bilanz der stillen Gesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen in Ausübung des gesetzlich eingeräumten Wahlrechts ein höherer Wert als die bisherigen Buchwerte angesetzt werde. Dies sei nach der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Bilanz der Gesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für den Kläger und S. nicht der Fall, so dass der vom FA versteuerte Veräußerungsgewinn nicht entstanden sei. Über die Frage der Zulässigkeit der Übertragung der steuerfreien Rücklage nach § 6b EStG durch S. im Rahmen des Eintritts als atypisch stiller Gesellschafter sei vorliegend ebenso wenig zu entscheiden wie über die Problematik eines vom Kläger behaupteten Irrtums bei der Vereinbarung der Beteiligungsquote an der Gesellschaft.
10 Die Revision ließ das FG nicht zu.
11 Mit der vorliegenden Beschwerde beantragt das FA die Zulassung der Revision.
12 Es macht geltend, die Revision sei nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorliege. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Außerdem beruhe das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), weil der Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde liege.
13 Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
14 II. Die Beschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 FGO), weil es auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruht. Dahinstehen kann bei dieser Sachlage, ob weitere Gründe für die Zulassung der Revision vorliegen und in der gebotenen Form dargelegt wurden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
15 1. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel, weil das FG bei der Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat.
16 a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG seine Überzeugung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen. Insbesondere muss das FG den Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Beteiligten (quantitativ) vollständig und (qualitativ) einwandfrei berücksichtigen (im Einzelnen , BFH/NV 2007, 741, unter II.1.a der Gründe). § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist allerdings nur verletzt, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem schriftlich festgehaltenen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 106/05, BFH/NV 2006, 975, m.w.N.; vom IX B 194/03, BFH/NV 2005, 1354).
17 b) Das FG hat im angefochtenen Urteil entschieden, ein Veräußerungsgewinn sei nicht entstanden, weil nach der vorgelegten Bilanz der Gesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen kein höherer Wert als die bisherigen Buchwerte angesetzt worden sei. Nach den Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils wurde in der Ergänzungsbilanz für den Kläger, die der Prozessbevollmächtigte im Veranlagungsverfahren eingereicht hat, ein Minderkapital gemäß § 24 UmwStG von 665.387 DM ausgewiesen. Nach Aktenlage steht jedoch fest, dass die stillen Reserven des eingebrachten Betriebs 1.304.680 DM betrugen. Deren Aufdeckung wurde somit durch das ausgewiesene Minderkapital nur zu 51 % vermieden. Das ergibt sich auch aus der Ergänzungsbilanz für den Kläger, die sich ebenfalls bei den Akten befindet. Die Höhe der stillen Reserven ist eine den Akten zu entnehmende und zwischen den Beteiligten nicht streitige Tatsache, die das FG nicht berücksichtigt hat.
18 c) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Ausführungen im angefochtenen Urteil auf eine der geänderten Eröffnungsbilanzen mit beigefügten Ergänzungsbilanzen beziehen, in denen für den Kläger ein Minderkapital in voller Höhe der aufgedeckten stillen Reserven (1.304.680 DM) ausgewiesen wird.
19 aa) Während des Klageverfahrens hat der Kläger zwar eine am berichtigte Fassung der Eröffnungsbilanz eingereicht, der die wegen des geltend gemachten Irrtums geänderten Beteiligungsquoten von 33,61 % für S. und 66,39 % für den Kläger zu Grunde liegen. Das FG hat die Einreichung dieser berichtigten Bilanz auch erwähnt. Feststellungen zu deren Inhalt hat es jedoch —anders als für die ursprünglich eingereichte Fassung— nicht getroffen. Aus dem angefochtenen Urteil ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass das FG seiner Beurteilung die geänderte Fassung vom zugrunde legen wollte. Insofern fehlt es nicht nur an einer Begründung; das FG hat vielmehr ausdrücklich entschieden, die mit den geänderten Beteiligungsquoten in Zusammenhang stehende Problematik unberücksichtigt zu lassen.
20 bb) Mit der Beschwerdeerwiderung hat der Kläger im vorliegenden Verfahren außerdem eine berichtigte Fassung der Eröffnungsbilanz vom vorgelegt. Diese wird jedoch im angefochtenen Urteil überhaupt nicht erwähnt. Entsprechend enthält das Urteil weder Feststellungen zu ihrem Inhalt noch finden sich andere Anhaltspunkte, denen sich entnehmen ließe, dass das FG diese Fassung für maßgeblich hielt.
21 2. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das FG das in der Ergänzungsbilanz für S. ausgewiesene Minderkapital in die Berücksichtigung miteinbezogen hat. Denn dieses beruhte —wie das FG zutreffend festgestellt hat— auf der Übertragung der von diesem anderweitig gebildeten § 6b-Rücklage, nicht auf der Festschreibung der stillen Reserven nach § 24 Abs. 2 UmwStG, die vorliegend ausschließlich dem Kläger zuzuordnen waren.
22 3. Bei dieser Sachlage hält der Senat es für zweckmäßig, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO). Das FG erhält damit Gelegenheit, Feststellungen zu der Frage zu treffen, welche Fassung der Eröffnungsbilanz einschließlich jeweiliger Ergänzungsbilanzen vorliegend maßgeblich ist. Zur Beschleunigung des Verfahrens, jedoch ohne Bindungswirkung weist der Senat auf die folgenden rechtlichen Gesichtspunkte hin:
23 a) Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung darf die Personengesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen in ihrer Bilanz einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter mit dem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen. Der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen angesetzt wird, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis (§ 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG). Die Regelung räumt somit das Wahlrecht für den Ansatz des Betriebsvermögens der aufnehmenden Personengesellschaft ein. Anders als andere Wahlrechte kann dieses Wahlrecht nach der Rechtsprechung nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft der auf der Bilanz beruhenden Gewinnfeststellung ausgeübt werden; maßgebend ist der Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung nebst Steuerbilanz (vgl. , BFHE 214, 40, BStBl II 2006, 847, unter II.B.3.b der Gründe). Daraus folgt zugleich, dass es —entgegen der Auffassung des FA— nicht auf die Bestandskraft des Feststellungsbescheids, sondern auf die von der Personengesellschaft mit der Steuererklärung eingereichte Bilanz einschließlich der Ergänzungsbilanzen ankommt.
24 b) Das Wahlrecht gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG kann auch nicht im Wege der Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) nachträglich anderweitig ausgeübt werden. Eine Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG) kommt nur in Betracht, soweit die ursprünglich eingereichte Steuerbilanz unzulässige Ansätze enthält (vgl. , BFHE 221, 215, BStBl II 2008, 916, unter II.5. der Gründe zu § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995).
25 c) Der Feststellungsbescheid für die Personengesellschaft enthält deshalb —worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat— keine Feststellung der Werte, mit denen diese das eingebrachte Betriebsvermögen angesetzt hat. Dementsprechend lässt sich weder der Änderung des Feststellungsbescheids vom noch der darauf beruhenden Änderung des streitigen Einkommensteuerbescheids entnehmen, von welchen Eröffnungsbilanzwerten das FA bei der Veranlagung ausgegangen ist. Der vorliegend streitige Einkommensteuerbescheid des Klägers ist daher insoweit —anders als das FA in der Beschwerdebegründung geltend gemacht hat— auch nicht Folgebescheid des Feststellungsbescheids für die atypisch stille Gesellschaft.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 625 Nr. 4
LAAAD-37711