BFH Beschluss v. - II B 121/09

Keine Verwirkung des Steueranspruchs wegen einer wesentlichen Rechtsprechungsänderung

Gesetze: FGO § 76 Abs. 1, FGO § 90 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, GrEStG § 5 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet. Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen, soweit sie überhaupt in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise vorgetragen worden sind, nicht vor.

2 1. Einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bereits nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargetan.

3 a) Die ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensmangels verlangt, dass diejenigen Tatsachen —ihre Richtigkeit unterstellt— genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil —nach der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des Finanzgerichts (FG)— auf ihm beruhen kann. Nach ständiger Rechtsprechung (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII B 141/99, BFH/NV 2001, 463; vom VIII B 60/06, BFH/NV 2007, 1341) ist für eine schlüssige Rüge, mit der die Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung durch Nichtvernehmung eines beantragten Auslandszeugen nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend gemacht wird, darzulegen, dass die Klägerin ihren abgaberechtlichen Mitwirkungspflichten genügt hat. Nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) haben Beteiligte Beweismittel, die sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO beziehen, selbst zu beschaffen, mithin einen im Ausland ansässigen Zeugen in die Sitzung zu stellen, sofern es sich um den Nachweis eines im Ausland verwirklichten Sachverhalts handelt. Die Klägerin kann daher nicht geltend machen, es sei Aufgabe des FG gewesen, auch hinsichtlich der genannten Auslandszeugen eine Ladung auszubringen. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG scheidet deshalb dann aus, wenn —wie im Streitfall— dem FG nicht die entsprechende Absicht angezeigt worden ist (, BFH/NV 2006, 1444). Der Prozessvertreter der Klägerin hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom die Einvernahme der von ihm benannten Auslandszeugen nicht erneut beantragt und zu keiner Zeit bekundet, sie —ggf. nach Vertagung— zur Sitzung zu stellen. Vielmehr hat er lediglich durch Schriftsatz vom mitgeteilt, dass die Auslandszeugen wegen ihres fortgeschrittenen Alters nicht teilnehmen würden und eine Anreise nur erfolgen werde, falls sich die Sachlage nicht auf andere Weise klären lasse. Es fehlt mithin an einem ordnungsgemäßen Beweisantrag.

4 b) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe dadurch gegen seine Hinweispflichten verstoßen, dass es sie trotz des Schriftsatzes vom nicht darauf hingewiesen habe, es komme rechtlich auf die Absichten der handelnden Personen der X-S.A. an, rügt sie einen Verfahrensverstoß nicht schlüssig. Eine derartige Hinweispflicht besteht regelmäßig nicht, wenn der Verfahrensbeteiligte —wie im Streitfall— in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertreten ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1444).

5 c) Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis mit Blick auf den von der Klägerin benannten Zeugen Y. Insoweit fehlt es bereits am Vortrag, dass die Nichterhebung des Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist.

6 d) Soweit die Klägerin schließlich mit Blick auf die vom FG vorgenommene Beweiswürdigung Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind von vornherein unbeachtlich und können nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein, weil das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu dient, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten. Das gilt insbesondere auch für die Rüge unrichtiger Beweiswürdigung (, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).

7 2. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Steueranspruch bei einer „Verfahrensdauer von über 20 Jahren” weiterhin besteht oder verwirkt ist, ist nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO von grundsätzlicher Bedeutung.

8 a) Unabhängig davon, dass die Klägerin nicht dargelegt hat, dass im Streitfall überhaupt vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) zu vertretende Umstände gegeben sein könnten, die zu einer Verwirkung des Steueranspruches hätten führen können, ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Verwirkung von Steueransprüchen in Betracht gezogen werden kann, bereits höchstrichterlich geklärt, so dass eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht in Betracht kommt (vgl. BFH-Entscheidungen vom VII B 39/07, BFH/NV 2007, 2062; vom X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975; vom II R 9/01, BFH/NV 2006, 478; vom II B 84/02, BFH/NV 2003, 1534, und vom VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123, m.w.N.).

9 b) Auch die Frage, ob sich nicht daraus eine Verwirkung ergeben kann, dass sich die Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes innerhalb der vergangenen 20 Jahre so wesentlich geändert hat, dass —wie die Klägerin meint— von einer reinen „Rechtsschöpfung” auszugehen wäre, auf die sie sich nicht hätte einstellen können, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Es ist insoweit bereits geklärt, dass die Berücksichtigung entsprechender Umstände nicht durch die Annahme einer Verwirkung des Steueranspruchs, sondern unter Vertrauensschutzgesichtspunkten zu erfolgen hat (vgl. , BVerfGE 74, 129, 152, m.w.N., sowie Beschluss des Großen Senats des , BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608).

10 c) Es ist schließlich auch bereits geklärt, wann bei juristischen Personen in Verschmelzungsfällen von einer zu berücksichtigenden Absicht zur Aufgabe ihrer gesamthänderischen Mitberechtigung auszugehen ist. In seinem Urteil vom II R 37/01 (BFHE 208, 59, BStBl II 2005, 303) hat der BFH für den —dem Streitfall entsprechenden— Fall einer grundstückseinbringenden Aktiengesellschaft (AG) als an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Gesamthänderin ausgeführt, diese habe bereits im Zeitpunkt der betroffenen Grundstückseinbringung die Absicht der Verschmelzung auf eine weitere AG und damit auch diejenige der Aufgabe ihrer gesamthänderischen Mitberechtigung gehabt. Der BFH hat dazu weiter klargestellt, dass eine Kapitalgesellschaft als solche keine „Absichten” und „Vorstellungen” haben kann, weshalb es auf die Absichten und Vorstellungen derjenigen natürlichen Personen ankommt, die rechtlich oder aber auch nur faktisch über die Aufrechterhaltung der gesamthänderischen Mitberechtigung befinden können. Zu diesen Personen gehören zum einen die Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder als gesetzliche Vertreter der Kapitalgesellschaft, zum anderen aber auch solche Gesellschafter, die wegen ihrer Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung solche Entscheidungen durchsetzen können.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 682 Nr. 4
BAAAD-37710