BGH Beschluss v. - IX ZB 67/09

Restschuldbefreiungsverfahren: Voraussetzungen eines zulässigen Versagungsantrags

Gesetze: § 295 Abs 1 InsO, § 296 Abs 1 InsO

Instanzenzug: LG Mainz Az: 802 T 254/08 Beschlussvorgehend AG Mainz Az: 290 IK 168/05 Beschluss

Gründe

I.

1In dem auf Eigenantrag am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde diesem mit Beschluss vom die Restschuldbefreiung angekündigt. Dieser Beschluss wurde dem Schuldner am zugestellt, das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom aufgehoben.

2Nach einem Bericht des Treuhänders vom , dass der Schuldner seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, setzte das Amtsgericht dem Schuldner mit Verfügung vom eine Frist, bis spätestens die verlangten Unterlagen zu übergeben und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Die Verfügung wurde dem Schuldner am zugestellt. An diesem Tag beantragte die Gläubigerin die Versagung der Restschuldbefreiung unter Bezugnahme auf den genannten Bericht des Treuhänders.

3Das die Restschuldbefreiung versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Aufhebung dieser Beschlüsse und die Zurückweisung des Gläubigerantrags.

II.

4Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 6, 7, 296 Abs. 3 Satz 1 InsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Zurückweisung des Gläubigerantrags.

51. Das Landgericht hat gemeint, die Restschuldbefreiung sei auf Antrag der Gläubigerin zu versagen, weil der Schuldner seine Obliegenheiten nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO verletzt habe. Zum einen sei der Schuldner bereits am unter seiner alten Anschrift nicht mehr erreichbar gewesen; die neue Anschrift habe das Gericht erst Ende Juli 2007 ermitteln können. Damit habe der Schuldner seinen Wohnsitzwechsel jedenfalls dem Gericht gegenüber nicht unverzüglich angezeigt.

6Zum anderen sei der Schuldner der Aufforderung des Gerichts, sich bis spätestens mit dem Treuhänder in Verbindung zu setzen, nicht nachgekommen. Die erst nach Ablauf der gesetzten Frist am dem Treuhänder übergebenen Unterlagen seien verspätet eingereicht und unvollständig gewesen.

72. Diese Ausführungen tragen die getroffene Entscheidung nicht. Der Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung ist schon unzulässig.

8Amtsgericht und Landgericht haben die Restschuldbefreiung nicht von Amts wegen gemäß § 296 Abs. 2 Satz 2 bis 4 InsO versagt, sondern auf Antrag der Gläubigerin gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3, § 296 Abs. 1 InsO. Hierfür fehlte es an einem zulässigen Antrag.

9a) Ein Antrag des Gläubigers ist gemäß § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO glaubhaft gemacht wurden. Der Gläubiger muss in seinem Antrag sowohl die Obliegenheitsverletzung als auch die darauf beruhende Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger glaubhaft machen; Letzteres liegt nur vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung eine konkrete messbare Schlechterstellung der Gläubiger wahrscheinlich ist (, ZInsO 2006, 547, 548 Rn. 4; v. - IX ZB 88/06, ZInsO 2007, 322, 323 Rn. 5; v. - IX ZB 91/06, VuR 2008, 434 Rn. 3).

10Der erforderliche Sachvortrag des Gläubigers und die erforderliche Glaubhaftmachung können zwar auch mittels einer konkreten Bezugnahme auf einen Bericht des Treuhänders erfolgen (, ZInsO 2008, 920, Rn. 7 m.w.N.; v. - IX ZB 73/08, NZI 2009, 253 Rn. 6). Dies setzt allerdings voraus, dass der Bericht des Treuhänders seinerseits den genannten Anforderungen genügt.

11Auf andere als die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe des § 295 Abs. 1 InsO darf das Insolvenzgericht die Versagung der Restschuldbefreiung auf Antrag nicht stützen ( aaO S. 323 Rn. 6, 8).

12aa) Die Obliegenheitsverletzungen, auf die das Beschwerdegericht die Versagung der Restschuldbefreiung gestützt hat, waren von der Gläubigerin nicht glaubhaft gemacht:

13In ihrem Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung macht diese geltend, der Schuldner habe seine Obliegenheiten verletzt, insbesondere seine pfändbaren Einkommensteile nicht abgeführt. Zur näheren Konkretisierung wird allein auf den Bericht des Treuhänders vom Bezug genommen. Die Obliegenheitsverletzungen, auf die das Landgericht die Versagung der Restschuldbefreiung gestützt hat, sind dort dagegen weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

14(1) Zu dem Umstand, dass der Schuldner im Juni und Juli 2007 die Änderung seines Wohnsitzes nicht mitgeteilt hat, finden sich Ausführungen weder im Antrag der Gläubigerin noch im Bericht des Treuhänders.

15Davon abgesehen durfte auf diesen vom Beschwerdegericht zugrunde gelegten Umstand die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch deshalb nicht gestützt werden, weil die Restschuldbefreiung mit Beschluss vom (zugestellt am ) angekündigt und das Insolvenzverfahren am (rechtskräftig seit ) aufgehoben worden ist. Denn die Obliegenheiten des Schuldners gemäß § 295 InsO beginnen erst ab Ankündigung der Restschuldbefreiung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens (, ZInsO 2009, 299 Rn. 8 ff.).

16Dabei kann hier dahinstehen, ob auf die Bekanntgabe dieser Beschlüsse an den Schuldner oder ihre Rechtskraft abzustellen ist. Denn nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat sich die dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder bekannte Anschrift des Schuldners jedenfalls nicht mehr geändert, weshalb insoweit Obliegenheiten nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 ohnehin nicht verletzt sein können.

17(2) Zu der weiteren Begründung des Landgerichts, der Schuldner sei der Aufforderung des Gerichts nicht gefolgt, sich bis spätestens mit dem Treuhänder in Verbindung zu setzen, ist in dem Antrag der Gläubigerin und dem Bericht des Treuhänders ebenfalls nichts ausgeführt. Das war auch zeitlich gar nicht möglich, weil der Bericht des Treuhänders vom stammt, die Aufforderung des Gerichts aber erst am erlassen und am zur Post gegeben wurde.

18bb) Konkret angesprochen ist in dem Bericht des Treuhänders lediglich, dass der Schuldner seine Einkommensnachweise nicht vorgelegt und sein pfändbares Einkommen nicht an den Treuhänder abgeführt habe. Hierauf hat das Beschwerdegericht nicht abgestellt; wegen unterschiedlicher Darstellung des Sachverhalts durch den Schuldner und den Treuhänder hat es diese mögliche Obliegenheitsverletzung offen gelassen.

19Ob die Obliegenheitsverletzung als hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht angesehen werden kann, so dass hierauf eine Versagung der Restschuldbefreiung gestützt werden könnte, erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen.

20Die Gläubigerin hat jedenfalls - auch insoweit - nicht glaubhaft gemacht, dass die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt worden ist. Die erforderliche konkret messbare Schlechterstellung ist nicht dargelegt worden. Der Antrag der Gläubigerin enthält ohne konkreten Sachverhalt die schlichte Behauptung, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger sei nicht unerheblich beeinträchtigt, weil der Schuldner seine pfändbaren Einkommensteile nicht abgeführt habe. Der Bericht des Treuhänders enthält keine Ausführungen hierzu. Es fehlen damit schon Darlegungen, ob pfändbares Einkommen überhaupt erzielt wurde.

21Versagungsanträge "ins Blaue hinein", bei denen die Gläubigerbenachteilung lediglich pauschal vermutet wird, genügen jedoch nicht, ebenso wenig wie eine bloße Gefährdung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (, aaO Rn. 3).

223. Das Amtsgericht wird zu prüfen haben, ob eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 2 Satz 2 bis 4 InsO in Betracht kommt. Dies setzt weder einen Gläubigerantrag noch eine Schlechterstellung der Gläubiger voraus. Der Schuldner muss jedoch in der Regel ausdrücklich belehrt worden sein, dass er mit der Versagung der Restschuldbefreiung rechnen muss, falls er auch gegenüber dem Gericht untätig bleibt (, ZInsO 2009, 1268, 1269 Rn. 9). Diese Belehrung muss hinreichend klar sein. Das Schreiben des Amtsgerichts an den Schuldner vom ist aber widersprüchlich, weil es zwei miteinander nicht vereinbare Fristen setzt (Stellungnahme innerhalb einer Woche; Frist von einem Tag) und unklar bleibt, wem gegenüber der Schuldner zu handeln hat.

23Die zum gesetzte Frist ist jedenfalls unwirksam, weil sie unangemessen kurz ist. Das Schreiben ist dem Schuldner erst am zugestellt worden. Hierdurch ist allenfalls die angemessene Frist von einer Woche in Lauf gesetzt worden.

24Ob die vom Schuldner am an den Treuhänder übergebenen Unterlagen unvollständig sind, hat das Gericht gegebenenfalls selbst festzustellen. Die Übernahme einer entsprechenden rechtlichen Wertung des Treuhänders, ohne dass das Gericht den zugrunde liegenden Sachverhalt und den Umfang der übergebenen Unterlagen kennt, ist unzulässig.

Ganter                                    Raebel                                    Vill

                      Lohmann                                   Pape

Fundstelle(n):
GAAAD-37623