Keine notwendige Beiladung eines Miterben
Gesetze: ErbStG § 20 Abs. 1, ErbStG § 20 Abs. 3, ErbStG § 20 Abs. 5, FGO § 60 Abs. 3
Instanzenzug:
Gründe
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sowie ihr Bruder sind die beiden Miterben nach ihrer 1994 verstorbenen Mutter. Diese hatte wesentliche Teile ihres Vermögens (Grundbesitz, Gesellschaftsbeteiligungen) testamentarisch den Kindern jeweils konkret zugeordnet und zugleich den Willen bekundet, keinen zu bevorzugen sowie eine „Gleichstellung” zu erreichen. Das Nachlassgericht erteilte einen Erbschein, wonach die Geschwister Miterben je zur Hälfte seien.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) setzte gegen die Klägerin eine nach der Hälfte des Nachlasswerts bemessene Erbschaftsteuer fest. Zwischen den Miterben war es allerdings zu einem Zivilrechtsstreit darüber gekommen, ob die Klägerin durch die Nachlassteilung weniger als die Hälfte erhalten habe. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich, wonach der Bruder der Klägerin einen Ausgleichsbetrag zu zahlen hatte.
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Die Klägerin hat den gegen sie ergangenen Steuerbescheid mit der Begründung angefochten, sie habe wertmäßig weniger als die Hälfte des nach Verkehrswerten bewerteten Nachlasses erworben, so dass ihre Erbquote laut Erbschein nicht zugrunde zu legen sei. Zu diesem Finanzrechtsstreit hat das Finanzgericht (FG) gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Bruder beigeladen. Die Klägerin hält die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung für nicht gegeben. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
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II. Die Beschwerde ist begründet; der Beiladungsbeschluss war daher aufzuheben.
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1. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom II B 1/68 (BFHE 93, 127, BStBl II 1968, 748) entschieden hat, ist verfahrensrechtlich die Steuerschuld jedes Erwerbers (nunmehr § 20 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes —ErbStG—) selbständig. Es gibt außerhalb des Bereichs der Haftung (nunmehr § 20 Abs. 3 und 5 ErbStG) kein streitiges Rechtsverhältnis derart, dass die Entscheidung mehreren an dem Erbfall Beteiligten gegenüber i.S. des § 60 Abs. 3 FGO nur einheitlich ergehen könnte, sofern diese nicht ihrerseits —wie etwa die Gesellschafter bei einem Vermächtnis an einer Personengesellschaft— bürgerlich-rechtlich verbunden sind. Daran hat sich seither nichts geändert.
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2. Da das FG demgegenüber angenommen hat, die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung lägen vor, hat es sein Ermessen, eine einfache Beiladung i.S. des § 60 Abs. 1 FGO zu beschließen, nicht ausgeübt. Bei einer etwaigen Ermessensentscheidung könnte bedeutsam sein, dass die Klägerin der Beiladung ihres Bruders widersprochen hat und der Bruder ein den Belangen der Klägerin entgegengesetztes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat (, BFHE 126, 7, BStBl II 1979, 25).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 677 Nr. 4
ZAAAD-37339