BGH Urteil v. - 4 StR 399/09

Heimtückemord: Fehlendes Ausnutzungsbewusstsein bei affektivem Impulsdurchbruch

Gesetze: § 21 StGB, § 211 StGB

Instanzenzug: LG Essen Az: 22 Ks 29/08 - 70 Js 318/08 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft sowie die Nebenkläger mit ihren jeweils auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Während sich das Rechtsmittel des Angeklagten, mit dem dieser Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 213 StGB beanstandet, allein gegen die Strafzumessung richtet, streben die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren Rechtsmitteln eine Verurteilung des Angeklagten wegen Heimtückemordes an. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

2Nach den Feststellungen tötete der nicht bestrafte, seinerzeit 21 Jahre alte Angeklagte die im Tatzeitpunkt 19jährige Abiturientin Sarah L., zu der er "eine Art Ersatzbeziehung" unterhielt, in der Nacht zum , indem er ihr insgesamt 49 Messerstiche versetzte. Unmittelbarer Auslöser für die Gewaltattacke war eine abfällige Äußerung des Tatopfers über die bisherige Freundin des Angeklagten, mit der er seine bisherige Beziehung fortsetzen zu können hoffte.

3Das Landgericht ist - dem psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Le. sowie dem psychologischen Sachverständigen Dr. S. folgend - davon ausgegangen, der Angeklagte habe die Tat infolge eines Affekts im Zustand nicht ausschließbar erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen.

II. Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger

4Die Schwurgerichtskammer hat das Vorliegen der mordqualifizierenden Merkmale der Heimtücke, der niedrigen Beweggründe und der Grausamkeit geprüft, diese aber im Ergebnis verneint. Zwar erfülle die Tat objektiv die Voraussetzungen der Heimtücke, weil sich Sarah keines Angriffs durch den Angeklagten versehen habe. Es blieben aber - so das Landgericht - in subjektiver Hinsicht Zweifel, dass der Angeklagte die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkannt und diese zur Tat ausgenutzt habe. Diese Zweifel gründeten sich auf den affektiven Impulsdurchbruch beim Angeklagten als Folge einer von ihm als Provokation empfundenen Äußerung Sarahs. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte Sarah bereits mit der Erwägung, sie zu töten, an den Tatort gelockt haben könnte, bestünden nicht.

5Die dieser Wertung zu Grunde liegende Beweiswürdigung des Tatrichters weist keinen Rechtsfehler auf. Die Schwurgerichtskammer hat nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung (BGH NStZ 2008, 510, 511) allein auf Grund eines relevanten Affekts vom Schweregrad des § 21 StGB nicht ohne Weiteres auf das Fehlen des Ausnutzungsbewusstseins geschlossen werden darf. Wenn das Gericht angesichts der besonderen äußeren und inneren Umstände des Tatgeschehens in Übereinstimmung mit den Sachverständigen eine sichere Überzeugung von der subjektiven Tatseite der mordqualifizierenden Merkmale nicht zu gewinnen vermochte, so hält sich dies im Rahmen der in erster Linie dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und ist deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger zeigen demgegenüber durchgreifende Lücken oder Widersprüche in der Beweiswürdigung nicht auf. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom .

6III. Revision des Angeklagten

7Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom Bezug.

8IV. Damit hat es bei dem angefochtenen Urteil sein Bewenden.

9Zu der Kosten- und Auslagenentscheidung verweist der Senat auf den (NStZ-RR 2006, 128, nur LS).

Fundstelle(n):
WAAAD-37301