BAG Urteil v. - 10 AZR 102/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: Tarifvertrag über eine Zuwendung vom zwischen der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG und ver.di § 3

Instanzenzug: LAG Berlin-Brandenburg, 6 Sa 1974/08 vom ArbG Berlin, 54 Ca 7571/08 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Höhe einer tariflichen Zuwendung für die Monate Dezember 2005 bis Mai 2008.

Die Klägerin ist Altenpflegerin und seit dem Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Sie ist seit dem für die Pro Seniore B gGmbH und nach einem Betriebsübergang zum für die Beklagte im Ostteil Berlins tätig. Zwischen der Muttergesellschaft der Beklagten, der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG, und ver.di wurden am ein Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV), ein Vergütungstarifvertrag (im Folgenden: VTV) sowie ein Tarifvertrag über eine Zuwendung (im Folgenden: ZTV) vereinbart.

§ 3 ZTV regelt die Höhe der Zuwendung wie folgt:

"(1) Die Höhe der Zuwendung beträgt 82 % (für Beschäftigte nach § 13 Abs. 2 des Manteltarifvertrages) bzw. 65 % (für Beschäftigte nach § 13 Abs. 3 des Manteltarifvertrages) der Bemessungsgrundlage.

(2) Bemessungsgrundlage ist die Vergütung die dem Arbeitnehmer für den Monat September zustand oder zugestanden hätte, wenn er gearbeitet hätte.

...

(5) Die Zuwendung gem. § 3 Abs. 1 wird in zwölf gleichen monatlichen Beträgen für jeden vollen Beschäftigungsmonat gezahlt. Beginn der Zahlung ist jeweils der November des Kalenderjahres.

..."

Nach § 12a Abs. 1 MTV besteht die Vergütung des Angestellten aus der Grundvergütung, dem Ortszuschlag und der allgemeinen Zulage, deren Beträge nach Abs. 2 in einem besonderen Tarifvertrag (VTV) vereinbart werden. Nach § 13 MTV richtet sich die Höhe der Vergütung nach den Vergütungstabellen. Diese sind als Anlagen zum VTV vereinbart und weisen die Höhe der Vergütung, des Ortszuschlags und der allgemeinen Zulage aus. Nach § 10 Abs. 1 MTV erhält der Arbeitnehmer neben seiner Vergütung (§ 13) der Höhe nach näher bestimmte Zuschläge.

Die Höhe der Zuwendung beträgt für die Klägerin nach § 3 Abs. 1 ZTV, § 13 Abs. 3 MTV 65 % der Bemessungsgrundlage. Die Verdienstabrechnung der Klägerin für den Monat September 2005 weist neben einer Grundvergütung einen Nachtzuschlag von 144,50 Euro, einen Sonntagszuschlag von 72,00 Euro und einen Zeitzuschlag Krank von 19,20 Euro, die Verdienstabrechnung für den Monat September 2006 an Zuschlägen einen Nachtzuschlag von 104,50 Euro und einen Sonntagszuschlag von 96,00 Euro und die Verdienstabrechnung für den Monat September 2007 an Zuschlägen einen Nachtzuschlag von 91,50 Euro, einen Sonntagszuschlag von 48,00 Euro und einen Zeitzuschlag von 20,40 Euro aus.

Die Beklagte hat im Streitzeitraum monatlich eine gezwölftelte Sonderzuwendung in Höhe von 98,15 Euro brutto ohne Berücksichtigung der in den Monaten September 2005, 2006 und 2007 gezahlten Nacht-, Sonntags- und Zeitzuschläge gezahlt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Bemessungsgrundlage der Zuwendung nach § 3 Abs. 2 ZTV sei jeweils der gesamte im Monat September gezahlte Lohn einschließlich aller Zuschläge. Sie hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 333,28 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, Bemessungsgrundlage der Zuwendung sei lediglich die in § 12a MTV geregelte Vergütung.

Die Vorinstanzen haben dem genannten Klageantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht beschränkt auf den Anspruch auf Zuwendung zugelassenen Revision greift die Beklagte das Urteil insoweit an und begehrt Klageabweisung.

Gründe

Die Revision ist weitgehend begründet und lediglich aufgrund von Rechenungenauigkeiten zu einem kleinen Teil nicht begründet.

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 3 Abs. 1 ZTV für die Monate Dezember 2005 bis Mai 2008, soweit dieser sich aus dem Einbezug gezahlter Zuschläge in die Bemessungsgrundlage ergeben soll.

1. Der ZTV, der MTV und der VTV finden kraft beiderseitiger Tarifbindung nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Beklagte ist Tarifvertragspartei dieser Tarifverträge, welche die Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG in Vertretung auch für sie mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat (vgl. - BAGE 124, 240, 245 ff.).

2. Für den Streitzeitraum bestehende Zuwendungsansprüche nach § 3 Abs. 1 ZTV sind durch Zahlung erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) bzw. der Klägerin rechtskräftig zugesprochen worden. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht. Die der Klägerin im September 2005, 2006 und 2007 gezahlten Zuschläge sind nicht nach § 3 Abs. 2 ZTV Teil der Bemessungsgrundlage der Zuwendung.

a) Zwar lässt der Wortlaut von § 3 Abs. 2 ZTV ("die Vergütung") auch eine Auslegung der Norm zu, dass im Monat September gezahlte Zuschläge in die Bemessungsgrundlage einfließen können. Der Begriff "Vergütung" bedeutet nach allgemeinem Verständnis "Bezahlung" oder "Entlohnung". "Bezahlt" worden sind der Klägerin auch Zuschläge.

b) Der Wortlaut ist jedoch nicht eindeutig. Er steht einer Auslegung nicht entgegen, dass Bemessungsgrundlage der Zuwendung nach § 3 Abs. 2 ZTV lediglich die Vergütung nach § 12a MTV, bestehend aus Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeiner Zulage ist. Für diese Auslegung spricht der tarifliche Gesamtzusammenhang.

c) Die Tarifvertragsparteien differenzieren in den Bestimmungen des MTV sowie des VTV nahezu durchgängig zwischen einer "Vergütung" und einem "Zuschlag".

aa) Beide Tarifverträge sind zur Auslegung im Rahmen des tariflichen Gesamtzusammenhangs heranzuziehen. Sie sind zeitgleich mit dem ZTV vereinbart worden. Der ZTV nimmt zudem in § 1 und § 3 Abs. 1 auf den MTV Bezug. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Tarifvertragsparteien von einheitlichen Begrifflichkeiten ausgehen und sie dementsprechend angewendet wissen wollen ( - EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 34). Dies gilt erst recht, wenn die Tarifverträge zeitgleich verhandelt und vereinbart worden sind.

bb) § 12a MTV definiert für die Tarifverträge den Begriff der "Vergütung". Danach besteht die Vergütung aus der Grundvergütung, dem Ortszuschlag und der allgemeinen Zulage. Die Höhe ergibt sich nach § 13 Abs. 1 MTV aus den Vergütungstabellen. In den Anlagen zu § 2 VTV werden die Grundvergütung, der Ortszuschlag und die allgemeine Zulage ausgewiesen. Zuschläge sind dagegen in § 10 MTV separat geregelt. Nach § 10 Abs. 1 MTV erhält der Arbeitnehmer ausdrücklich "neben seiner Vergütung (§ 13)" Zuschläge. Diese begriffliche Differenzierung zwischen einer "Vergütung" und einem "Zuschlag" spricht dafür, dass Bemessungsgrundlage der Zuwendung nach § 3 Abs. 2 ZTV die Vergütung nach §§ 12a, 13 MTV ist.

cc) Für eine Zuschläge einbeziehende Auslegung des Vergütungsbegriffs finden sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Zwar ist nach § 13a MTV (Berechnung und Auszahlung der Vergütung) "die Vergütung" für den Kalendermonat zu berechnen und spätestens am fünften Werktag eines jeden Monats (Zahltag) für den vergangenen Monat nach dort näher bestimmten Modalitäten zu zahlen. Die gemeinsame Regelung der Fälligkeit sowie der Zahlungsmodalitäten der Vergütung nach § 13 MTV und der Zuschläge nach § 10 MTV lassen aber keinen Rückschluss auf einen auch im Übrigen einheitlichen tariflichen Vergütungsbegriff zu.

Lediglich in § 17 Abschn. I Abs. 3 Buchst. b und § 19 Abs. 1 Buchst. b MTV ist in Bezug auf die Berechnung der Krankenbezüge und der Urlaubsvergütung von einer "Vergütung für Überstunden-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gemäß § 10" die Rede. Auch in diesem Zusammenhang nennt der MTV aber in erster Linie die "Vergütung gemäß § 13" (§ 17 Abschn. I Abs. 3 Buchst. a und § 19 Absch. I Abs. 1 Buchst. a MTV).

Für die Berechnung der Urlaubs- und Krankenvergütung stellt der MTV zudem auf einen Referenzzeitraum von zwölf Monaten ab (§ 17 Absch. I Abs. 3, § 19 Abs. 1 MTV). Weil unstete Vergütungsbestandteile in die Bemessungsgrundlage einfließen, definiert der Tarifvertrag einen Referenzzeitraum, der Zufälligkeiten in der Vergütungsberechnung ausschließt. Es ist fernliegend, dass die Bemessungsgrundlage der Zuwendung demgegenüber von der Zufälligkeit der Dienstplaneinteilung abhängig gemacht werden sollte. Eine solche Auslegung entspräche auch nicht einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren tariflichen Regelung.

dd) Soweit § 3 Abs. 2 ZTV als Bemessungsgrundlage der Zuwendung die Vergütung heranzieht, die dem Arbeitnehmer zugestanden hätte, wenn er gearbeitet hätte, ergibt sich daraus kein anderes Ergebnis. Die Krankenbezüge nach § 17 MTV und die Urlaubsvergütung nach § 19 MTV, in deren Berechnung nach § 17 Absch. I Abs. 3 MTV bzw. § 19 Abs. 1 MTV die Zuschläge für Überstunden-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 10 MTV einfließen, sollten gerade nicht maßgebend für die Berechnung der Höhe der Zuwendung sein.

3. Ohne Einbezug der im September 2005, 2006 und 2007 gezahlten Zuschläge ergibt sich ein Differenzbetrag zulasten der Klägerin iHv. monatlich 12,77 Euro zuzüglich darauf entfallender Zinsen für die Monate Dezember 2005 bis Oktober 2006, iHv. monatlich 10,86 Euro zuzüglich darauf entfallender Zinsen für die Monate November 2006 bis Oktober 2007 und iHv. monatlich 8,66 Euro zuzüglich darauf entfallender Zinsen für die Monate November 2007 bis Mai 2008, insgesamt somit ein Betrag von 331,41 Euro. Für die Monate November 2007 bis April 2008 greift die Beklagte das Urteil des Landesarbeitsgerichts lediglich iHv. 8,55 Euro monatlich an. Daran ist der Senat gebunden (§ 557 Abs. 1 ZPO), so dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich eines Betrags von 330,75 Euro brutto aufzuheben und unter entsprechender Abänderung das Teilurteil des Arbeitsgerichts in Ziff. III bis XIII klarstellend neu zu fassen war. Soweit die Beklagte aufgrund von Rechenungenauigkeiten für andere Monate eine weitergehende Abänderung iHv. insgesamt 2,53 Euro begehrt, war die Revision zurückzuweisen.

II. Die Kostenentscheidung für die Revisionsinstanz folgt aus § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO. Das Obsiegen der Klägerin ist geringfügig. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts war hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben. Das Arbeitsgericht wird mit dem Schlussurteil eine einheitliche Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu treffen haben.

Fundstelle(n):
RAAAD-37252