EuGH Urteil v. - C-260/08

Nichtpräferenzieller Ursprung von Waren - Begriff der wesentlichen Be- oder Verarbeitung

Leitsatz

Im Hinblick auf die in die Position 7312 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom 27. Oktober 2005 (ABl. L 286, S. 1) geänderten Fassung eingeordneten Waren können die wesentlichen Be- oder Verarbeitungen im Sinne von Art. 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften nicht nur Be- oder Verarbeitungen erfassen, die dazu führen, dass die Ware, die einem Be- oder Verarbeitungsvorgang unterzogen worden ist, in eine andere Position der Kombinierten Nomenklatur eingeordnet wird, sondern auch diejenigen, die - ohne einen solchen Wechsel der Tarifposition - zur Schaffung einer Ware führen, die besondere Eigenschaften besitzt und von einer spezifischen Beschaffenheit ist, die diese Ware vor diesem Vorgang nicht hatte.

Instanzenzug:

Gründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex) im Hinblick auf die Bestimmung des Ursprungs von Waren der Position 7312 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom (ABl. L 286, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bundesfinanzdirektion West (im Folgenden: Bundesfinanzdirektion) und der HEKO Industrieerzeugnisse GmbH (im Folgenden: HEKO) wegen der Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs von in Nordkorea aus Litzen mit Ursprung in China hergestellten Stahlseilen.

Rechtlicher Rahmen

Übereinkommen über Ursprungsregeln

Mit Beschluss 94/800/EG des Rates vom über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) genehmigte der Rat der Europäischen Union u. a. das der am in Marrakesch unterzeichneten Schlussakte beigefügte Übereinkommen über Ursprungsregeln (WTO-GATT 1994) (ABl. 1994, L 336, S. 144). Dieses Abkommen soll die Ursprungsregeln harmonisieren und stellt für eine Übergangszeit ein Arbeitsprogramm für die Harmonisierung auf.

Art. 2 ("Disziplinen während der Übergangszeit") dieses Abkommens sieht vor:

"Bis zur Erfüllung des Arbeitsprogramms für die Harmonisierung der Ursprungsregeln in Teil IV stellen die Mitglieder sicher, dass

a) bei Erlass von Verwaltungsvorschriften mit allgemeiner Geltung die zu beachtenden Erfordernisse klar definiert werden. Insbesondere muss

i) in Fällen, in denen das Kriterium des Wechsels der zolltariflichen Einreihung angewendet wird, eine solche Ursprungsregel sowie jede Ausnahme dazu eindeutig die Unterpositionen oder Positionen der Zollnomenklatur angeben, auf die sich die Regel bezieht;

..."

Zollrecht der Gemeinschaft

Art. 24 des Zollkodex lautet:

"Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, ist Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt."

Kapitel I ("Nichtpräferenzieller Ursprung") des Titels IV der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung zum Zollkodex) umfasst die Art. 35 bis 40.

Art. 35 der Durchführungsverordnung lautet:

"Unter diesem Kapitel werden für Spinnstoffe und Waren daraus des Abschnitts XI der [KN] einerseits und für bestimmte andere Waren als Spinnstoffe und Waren daraus andererseits die Be- und Verarbeitungen festgelegt, die als den Kriterien des Artikels 24 des Zollkodex entsprechend angesehen werden und den genannten Erzeugnissen den Ursprung des Landes verleihen, in dem sie stattgefunden haben.

..."

Artikel 39 dieser Vorschriften lautet:

"Für die in Anhang 11 genannten hergestellten Waren gelten als Be- oder Verarbeitungen, die gemäß Artikel 24 des Zollkodex den Ursprung verleihen, die in Spalte 3 des genannten Anhangs aufgeführten Be- oder Verarbeitungen.

..."

Die Position 7312 KN, d. h. "Litzen, Kabel, Seile, Seilschlingen und ähnliche Waren, aus Eisen oder Stahl, ausgenommen isolierte Erzeugnisse für die Elektrotechnik", ist in Anhang 11 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex nicht aufgeführt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Im Mai 2005 beantragte HEKO bei der Bundesfinanzdirektion verbindliche Ursprungsauskünfte (im Folgenden: vUA) für verschiedene Arten von Stahlseilen der Position 7312 KN, die in Nordkorea aus Litzen mit Ursprung in China hergestellt wurden, die ebenfalls zur Position 7312 KN gehören.

Aus den Akten ergibt sich, dass zur Herstellung dieser Seile aus mehreren Drähten bestehende Litzen in einem dazu eingerichteten Unternehmen in Nordkorea auf Verseilmaschinen zusammengedreht werden. Die Stahlseile werden dort zudem je nach ihrem späteren Verwendungszweck abgelängt, gespleißt, verpresst, imprägniert, endlos gelegt, verknotet und/oder mit Beschlägen versehen.

Am erteilte die Bundesfinanzdirektion fünf vUA, mit denen die Volksrepublik China zum Ursprungsland der Stahlseile erklärt wurde, da das in Nordkorea vorgenommene Verseilen der Stahllitzen, das zur Herstellung der Stahlseile führe, ohne einen Wechsel der Tarifposition keine wesentliche Be- oder Verarbeitung im Sinne von Art. 24 des Zollkodex darstelle.

Zur Stützung ihres Standpunkts berief sich die Bundesfinanzdirektion auf die so genannten Listenregeln, die die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur näheren Bestimmung der in Art. 24 des Zollkodex enthaltenen Begriffe erstellt habe und die auf der Homepage der Kommission abrufbar seien. Nach diesen Regeln könne nur dann davon ausgegangen werden, dass Waren der Position 7312 KN ihre letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung erhalten hätten, wenn sich ihre Tarifposition ändere.

HEKO erhob gegen die Entscheidungen der Bundesfinanzdirektion Klage beim Finanzgericht Düsseldorf. Mit Urteil vom Mai 2007 hob dieses die streitigen vUA auf und verpflichtete die Bundesfinanzdirektion, vUA des Inhalts zu erteilen, dass als Ursprungsland der Stahlseile die Demokratische Volksrepublik Korea angegeben werde. Die Listenregeln seien nämlich mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu vereinbaren und stellten auch keinen verbindlichen Rechtsakt der Gemeinschaft dar.

Mit ihrer Revision beim vorlegenden Gericht macht die Bundesfinanzdirektion geltend, dass die Listenregeln zwar keine unmittelbare Rechtswirkung hätten, dass sie aber eine bestimmte Auslegung von Art. 24 des Zollkodex vorgäben.

Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind den nichtpräferenziellen Ursprung begründende wesentliche Be- oder Verarbeitungen von Waren der Position 7312 KN nur solche, die zur Folge haben, dass das aus der Be- oder Verarbeitung hervorgegangene Erzeugnis in eine andere Position der KN einzureihen ist?

Zur Vorlagefrage

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der in Art. 24 des Zollkodex enthaltene Begriff der wesentlichen Be- oder Verarbeitung dahin auszulegen ist, dass die in die Position 7312 KN eingeordneten Waren davon nur erfasst werden, wenn die aus den Be- oder Verarbeitungen hervorgehenden Erzeugnisse in eine andere Position der KN einzureihen sind.

Was vorab die Anwendbarkeit der Listenregeln im Allgemeinen anbelangt, trägt HEKO vor, dass diese, da sie nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden seien, keine zwingende Wirkung hätten und für die Gerichte der Mitgliedstaaten nicht bindend sein könnten.

Auch die Kommission misst diesen Listenregeln, deren Inhalt zwischen den Vertretern der Mitgliedstaaten im Ausschuss für den Zollkodex vereinbart worden sei, keine rechtsverbindlichen Wirkungen bei. Nach Ansicht der Kommission sollten sie aber berücksichtigt werden, um eine Anwendung des Gemeinschaftszollrechts in Übereinstimmung mit den von der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) eingegangenen Verpflichtungen sicherzustellen. Die Listenregeln enthielten nämlich konkrete Kriterien, um der Forderung des Art. 2 des Übereinkommens über Ursprungsregeln nachzukommen, wonach bei Erlass von Verwaltungsvorschriften über Ursprungsregeln die zu beachtenden Erfordernisse klar zu definieren seien.

Hierzu ist festzustellen, dass die von der Kommission aufgestellten Listenregeln, auch wenn sie zur Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren beitragen, rechtlich nicht verbindlich sind.

Daher muss der Inhalt dieser Regeln den Ursprungsregeln, wie in Art. 24 des Zollkodex enthalten, entsprechen und darf deren Bedeutung nicht verändern (vgl. entsprechend zu den Erläuterungen zur KN Urteile vom , Algemene Scheeps Agentuur Dordrecht, C-311/04, Slg. 2006, Randnr. 28, und vom , Kamino International Logistics, C-376/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 48).

Hinzuzufügen ist, dass das einschlägige Sekundärrecht zwar im Licht der WTO-Übereinkünfte ausgelegt werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Dior u. a., C-300/98 und C-392/98, Slg. 2000, I-11307, Randnr. 47, sowie vom , Anheuser-Busch, C-245/02, Slg. 2004, I-10989, Randnr. 55), das Abkommen über die Ursprungsregeln derzeit aber nur ein Arbeitsprogramm für eine Harmonisierung während einer Übergangszeit vorsieht. Da dieses Abkommen keine vollständige Harmonisierung darstellt, verfügen die WTO-Mitglieder im Hinblick auf die Anpassung ihrer Ursprungsregeln über einen Beurteilungsspielraum. Dazu ergibt sich aus dem WTO-Panelbericht vom (Vereinigte Staaten) - Ursprungsregeln über Spinnstoffe und Bekleidungswaren (DS243), Nrn. 6.23 und 6.24, dass es den WTO-Mitgliedern frei steht, die den Ursprung verleihenden Kriterien festzulegen, diese Kriterien im Lauf der Zeit zu ändern oder unterschiedliche Kriterien auf unterschiedliche Erzeugnisse anzuwenden.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten bei der Auslegung von Art. 24 des Zollkodex auf Kriterien, die sich aus den Listenregeln ergeben, zurückgreifen können, soweit diese Vorschrift dadurch nicht geändert wird.

Was insbesondere die Auslegung des in Art. 24 des Zollkodex enthaltenen Begriffs der wesentlichen Be- oder Verarbeitung anbelangt, macht HEKO in Bezug auf Waren der Position 7212 KN geltend, dass das sich aus den Listenregeln ergebende Kriterium des Wechsels der Tarifposition dieser Vorschrift nicht entspreche, da es nicht auf einer objektiven und tatsächlich feststellbaren Unterscheidung zwischen dem Ausgangserzeugnis und dem aus der Verarbeitung hervorgegangenen Erzeugnis beruhe, bei der wesentlich auf die spezifischen Beschaffenheitsmerkmale eines jeden dieser Erzeugnisse abzustellen sei.

Dagegen sind die griechische Regierung und die Kommission der Auffassung, dass eine letzte ursprungsbegründende wesentliche Be- oder Verarbeitung für die Waren der Tarifposition 7312 KN voraussetze, dass ein Wechsel der Tarifposition stattgefunden habe. Das auf den Tarifwechsel gestützte Kriterium ermögliche zum einen die einheitliche Anwendung von Art. 24 des Zollkodex im Zollgebiet der Gemeinschaft und zum anderen die Berücksichtigung der technischen Be- oder Verarbeitungsschritte bei der Herstellung der Seile. Die Kommission fügt hinzu, die Umwandlung von Litzen in Stahlkabel führe nicht zu einer ausgeprägten qualitativen Änderung des Ausgangserzeugnisses und stelle nur einen Montagevorgang dar, der diesen Waren keinen Ursprung verleihe. Demgegenüber führe die Herstellung von Kabeln aus Stahldrähten zu einem Wechsel der Tarifposition und sei damit ursprungsbegründend.

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

Aus dem Wortlaut von Art. 24 des Zollkodex geht hervor, dass als Ursprungsland einer Ware, bei deren Herstellung mehrere Länder beteiligt waren, dasjenige angesehen wird, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.

Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung des dem Art. 24 des Zollkodex vorausgegangenen, aber gleichlautenden Art. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 802/68 des Rates vom über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung (ABl. L 148, S. 1), dass die letzte Be- oder Verarbeitung nur wesentlich im Sinne dieser Bestimmung ist, wenn das daraus hervorgegangene Erzeugnis besondere Eigenschaften besitzt und von einer spezifischen Beschaffenheit ist, die es vor dieser Be- oder Verarbeitung nicht hatte. Vorgänge, welche die Aufmachung eines Erzeugnisses im Hinblick auf seine Verwendung betreffen, nicht aber zu einer erheblichen qualitativen Änderung seiner Eigenschaften führen, können nicht den Ursprung dieses Erzeugnisses bestimmen (Urteile vom , Gesellschaft für Überseehandel, 49/76, Slg. 1977, 41, Randnr. 6, und vom 23. Februar 1984, Zentrag, 93/83, Slg. 1984, 1095, Randnr. 13).

Aus dieser Rechtsprechung geht ferner hervor, dass es nicht genügt, die Kriterien für die Bestimmung des Warenursprungs der tariflichen Einordnung der verarbeiteten Erzeugnisse zu entnehmen, da der gemeinsame Zolltarif für eigene Zwecke und nicht für die Bestimmung des Warenursprungs geschaffen wurde. Vielmehr muss die Bestimmung des Warenursprungs auf einer objektiven und tatsächlich feststellbaren Unterscheidung zwischen dem Ausgangserzeugnis und dem aus der Verarbeitung hervorgegangenen Erzeugnis beruhen, bei der wesentlich auf die spezifischen Beschaffenheitsmerkmale eines jeden dieser Erzeugnisse abzustellen ist (vgl. Urteile Gesellschaft für Überseehandel, Randnr. 5, und vom , Cousin u. a., 162/82, Slg. 1983, 1101, Randnr. 16).

Außerdem hat der Gerichtshof zu der Frage, ob die Montage verschiedener Teile eine wesentliche Be- oder Verarbeitung darstellt, bereits entschieden, dass es Sachverhalte geben kann, bei denen sich der Ursprung einer Ware nicht anhand technischer Kriterien bestimmen lässt. In diesen Fällen sind hilfsweise andere Kriterien heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Brother International, C-26/88, Slg. 1989, 4253, Randnr. 20, vom , Thomson und Vestel France, C-447/05 und C-448/05, Slg. 2007, I-2049, Randnr. 27, und vom , Asda Stores, C-372/06, Slg. 2007, I-11223, Randnr. 37).

So hat der Gerichtshof die Heranziehung eines eindeutigen und objektiven Kriteriums wie das des Mehrwerts zugelassen, anhand dessen für komplex zusammengesetzte Waren bestimmt werden kann, worin die den Ursprung verleihende wesentliche Verarbeitung besteht (vgl. u. a. Urteil Thomson und Vestel France, Randnr. 39).

Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Anwendung eines einzigen Kriteriums, nämlich desjenigen des Wechsels der Tarifposition, zur Ursprungsbestimmung von Waren der Position 7312 KN der in den Randnrn. 28 und 29 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung entspricht und auf jeden Fall die Feststellung ermöglicht, ob die Herstellung von Stahlkabeln aus Litzen eine wesentliche Be- oder Verarbeitung im Sinne von Art. 24 des Zollkodex darstellt.

Hierzu ist hervorzuheben, dass das Kriterium des Wechsels der Tarifposition weder auf einer objektiven und tatsächlich feststellbaren Unterscheidung zwischen dem Ausgangserzeugnis, den Stahllitzen, und dem bearbeiteten Erzeugnis, den Stahlkabeln, noch auf den spezifischen Beschaffenheitsmerkmalen jedes dieser Erzeugnisse beruht und nicht auf besondere Be- oder Verarbeitungsvorgänge abstellt, die zur Herstellung des bearbeiteten Erzeugnisses geführt haben.

Zwar hat der Gerichtshof in Bezug auf die Präzisierung der abstrakten Begriffe der besonderen Be- oder Verarbeitung bereits festgestellt, dass es nicht mit Art. 5 der Verordnung Nr. 802/69 unvereinbar ist, wenn die Kommission eine Regelung anwendet, wonach der Wechsel der Tarifposition einer Ware als Grundregel dient, die ihrerseits durch ergänzende Listen vervollständigt und berichtigt worden ist, um den Besonderheiten bestimmter Be- oder Verarbeitungsvorgänge Rechnung zu tragen (vgl. Urteil Cousin u. a., Randnr. 17).

Doch kann, auch wenn der durch die Bearbeitung einer Ware herbeigeführte Wechsel ihrer Tarifposition für ihre wesentliche Be- oder Verarbeitung spricht, auch ohne einen solchen Positionswechsel eine wesentliche Be- oder Verarbeitung gegeben sein. Wie die Kommission selbst einräumt, erfasst das in den Listenregeln vorgesehene Kriterium des Wechsels der Tarifposition zwar die meisten Sachverhalte, es ermöglicht jedoch nicht, alle Sachverhalte festzustellen, in denen eine wesentliche Be- oder Verarbeitung der Ware vorliegt. Daher sind zur Bestimmung, ob die in Art. 24 des Zollkodex vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind, andere Kriterien heranzuziehen.

Daraus folgt, dass der ausschließliche Rückgriff auf das Kriterium des Wechsels der Tarifposition bei Auslegung des in Art. 24 des Zollkodex enthaltenen Begriffs der wesentlichen Be- oder Verarbeitung für die Waren der Position 7312 KN ohne jeden Hinweis auf die besonderen Be- oder Verarbeitungsvorgänge, denen diese Waren unterzogen worden sind, die Tragweite dieser Vorschrift einschränken kann.

Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass im Hinblick auf die in die Position 7312 KN eingeordneten Waren die wesentlichen Be- oder Verarbeitungen im Sinne von Art. 24 des Zollkodex nicht nur Be- oder Verarbeitungen erfassen können, die dazu führen, dass die Ware, die einem Be- oder Verarbeitungsvorgang unterzogen worden ist, in eine andere Position der KN eingeordnet wird, sondern auch diejenigen, die - ohne einen solchen Wechsel der Tarifposition - zur Schaffung einer Ware führen, die besondere Eigenschaften besitzt und von einer spezifischen Beschaffenheit ist, die diese Ware vor diesem Vorgang nicht hatte.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Im Hinblick auf die in die Position 7312 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom (ABl. L 286, S. 1) geänderten Fassung eingeordneten Waren können die wesentlichen Be- oder Verarbeitungen im Sinne von Art. 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften nicht nur Be- oder Verarbeitungen erfassen, die dazu führen, dass die Ware, die einem Be- oder Verarbeitungsvorgang unterzogen worden ist, in eine andere Position der Kombinierten Nomenklatur eingeordnet wird, sondern auch diejenigen, die - ohne einen solchen Wechsel der Tarifposition - zur Schaffung einer Ware führen, die besondere Eigenschaften besitzt und von einer spezifischen Beschaffenheit ist, die diese Ware vor diesem Vorgang nicht hatte.

Fundstelle(n):
YAAAD-36791