Gemeinsamer Zolltarif - Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 - Apfelsaftkonzentrat
Leitsatz
Die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in ihrer Fassung aufgrund der Verordnungen (EG) Nr. 1776/2001 der Kommission vom 7. September 2001, (EG) Nr. 2031/2001 der Kommission vom und (EG) Nr. 1810/2004 der Kommission vom zur Änderung des Anhangs I der Verordnung Nr. 2658/87 ist ungültig, soweit sie konzentrierte natürliche Fruchtsäfte von der Position 2009 ausschließt.
Instanzenzug: FG Düsseldorf - (Vorlage) Beschluss vom - 4 K 1248/06 Z
Gründe
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Gültigkeit der Zusätzlichen Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: KN) in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2658/87).
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Dinter GmbH (im Folgenden: Dinter) und dem Hauptzollamt Düsseldorf sowie der Europol Frost-Food GmbH (im Folgenden: Europol) und dem Hauptzollamt Krefeld über die Einreihung konzentrierter Apfelsäfte in die KN.
Rechtlicher Rahmen
Das am in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen, mit dem das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) eingeführt wurde, und das Änderungsprotokoll vom (im Folgenden: Übereinkommen über das HS) wurden durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom (ABl. L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt.
Nach Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens über das HS verpflichtet sich jede Vertragspartei, ihre Zolltarifnomenklatur und ihre Statistiknomenklaturen mit dem HS in Übereinstimmung zu bringen, alle Positionen und Unterpositionen des HS sowie die dazugehörigen Codenummern zu verwenden, ohne etwas hinzuzufügen oder zu ändern, und die Nummernfolge des HS einzuhalten. Die Vertragsparteien verpflichten sich außerdem, die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS sowie alle Anmerkungen zu den Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen des HS anzuwenden und die Tragweite der Abschnitte, Kapitel, Positionen oder Unterpositionen des HS nicht zu verändern.
Art. 9 der Verordnung Nr. 2658/87 nennt die Grenzen des Ermessens, die die Kommission beim Erlass zusätzlicher Anmerkungen zu beachten hat:
"(1) Nach dem in Artikel 10 festgelegten Verfahren werden alle Maßnahmen erlassen, die nachstehende Fragen betreffen:
a) Anwendung der Kombinierten Nomenklatur und des TARIC [Integrierten Tarifs der Europäischen Gemeinschaften], insbesondere in Bezug auf:
- die Einreihung von Waren in die in Artikel 8 genannten Nomenklaturen;
- die [zusätzlichen] Erläuterungen;
- ...;
b) Änderungen der Kombinierten Nomenklatur, um Veränderungen der statistischen und handelspolitischen Anforderungen Rechnung zu tragen;
c) Änderungen des Anhangs II;
d) Änderungen der Kombinierten Nomenklatur und Anpassungen der Zollsätze aufgrund von Beschlüssen des Rates oder der Kommission;
e) Änderungen der Kombinierten Nomenklatur mit dem Ziel, sie der Entwicklung der Technik oder des Handels anzupassen oder mit dem Ziel einer Angleichung oder Klärung der sprachlichen Fassungen;
f) Anpassungen der Kombinierten Nomenklatur, die sich aufgrund von Änderungen der Nomenklatur des Harmonisierten Systems ergeben;
g) Fragen in Bezug auf die Anwendung, Durchführung und Verwaltung des Harmonisierten Systems, die im Rahmen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens erörtert werden sollen, sowie ihre Durchführung durch die Gemeinschaft.
(2) Die nach Absatz 1 beschlossenen Maßnahmen dürfen zu keiner Änderung führen in Bezug auf:
- die Zollsätze,
- die Abschöpfungen, Erstattungen und anderen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik anwendbaren Beträge sowie die auf bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse anwendbaren besonderen Regelungen,
- die gemäß den Gemeinschaftsbestimmungen erlassenen mengenmäßigen Beschränkungen,
- die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik festgelegten Nomenklaturen.
(3) Änderungen in Bezug auf Unterpositionen KN werden - soweit erforderlich - sofort als Unterpositionen in den Taric aufgenommen. Sie werden nur unter den Bedingungen des Artikels 12 in die KN aufgenommen."
Die Verordnung (EG) Nr. 2388/2000 der Kommission vom 13. Oktober 2000 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung Nr. 2658/87 (ABl. L 264, S. 1) trat am in Kraft. Durch eine Berichtigung dieser Verordnung (ABl. L 276, S. 92) wurde die ursprüngliche Nr. 2263/2000 durch die Nr. 2388/2000 ersetzt.
Mit der Verordnung Nr. 2031/2001 der Kommission vom (ABl. L 279, S. 1) wurde Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 geändert; sie trat am in Kraft.
Die letzte den Sachverhalt der Ausgangsverfahren betreffende Änderung des Anhangs I der Verordnung Nr. 2658/87 erfolgte mit der Verordnung Nr. 1810/2004 der Kommission vom 7. September 2004 (ABl. L 327, S. 1), die am in Kraft trat.
Gemäß der Verordnung Nr. 2388/2000 lautet die Unterposition 2009 70 ("Apfelsaft"):
"2009 70 - Apfelsaft:
- - mit einer Dichte von mehr als 1,33 g/cm3 bei 20 °C:
2009 70 11 - - - mit einem Wert von 22 € oder weniger für 100 kg Eigengewicht
2009 70 19 - - - anderer:
- - mit einer Dichte von 1,33 g/cm3 oder weniger bei 20 °C:
2009 70 30 - - - mit einem Wert von mehr als 18 € für 100 kg Eigengewicht, zugesetzten Zucker enthaltend
- - - anderer:
2009 70 91 - - - - mit einem Gehalt an zugesetztem Zucker von mehr als 30 GHT [Gewichtshundertteile]
2009 70 93 - - - - mit einem Gehalt an zugesetztem Zucker von 30 GHT oder weniger
2009 70 99 - - - - keinen zugesetzten Zucker enthaltend."
Die Verordnungen Nrn. 2031/2001 und 1810/2004 sehen identische Zollpositionen für die Unterpositionen der Unterposition "Apfelsaft" vor.
Nach diesen Verordnungen lautet die betreffende Unterposition, die früher die Nr. 2009 70 trug:
"Apfelsaft:
2009 71 - - mit einem Brixwert von 20 oder weniger:
2009 71 10 - - - mit einem Wert von mehr als 18 € für 100 kg Eigengewicht, zugesetzten Zucker enthaltend
- - - anderer:
2009 71 91 - - - - zugesetzten Zucker enthaltend
2009 71 99 - - - - keinen zugesetzten Zucker enthaltend
2009 79 - - anderer:
- - - mit einem Brixwert von mehr als 67:
2009 79 11 - - - - mit einem Wert von 22 € oder weniger für 100 kg Eigengewicht
2009 79 19 - - - - anderer
- - - mit einem Brixwert von mehr als 20, jedoch nicht mehr als 67:
2009 79 30 - - - - mit einem Wert von mehr als 18 € für 100 kg Eigengewicht, zugesetzten Zucker enthaltend
- - - - anderer:
2009 79 91 - - - - - mit einem Gehalt an zugesetztem Zucker von mehr als 30 GHT
2009 79 93 - - - - - mit einem Gehalt an zugesetztem Zucker von 30 GHT oder weniger
2009 79 99 - - - - - keinen zugesetzten Zucker enthaltend."
Die Zusätzliche Anmerkung 5 zu Kapitel 20 KN wurde zu der in den Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit mehrmals geändert.
Nach der Verordnung Nr. 2388/2000 lautet diese Anmerkung:
"Als Gehalt an zugesetztem Zucker gilt bei Waren der Position 2009 der 'Zuckergehalt', vermindert um die folgenden für die verschiedenen Säfte aufgeführten Werte:
- Säfte aus Zitronen oder Tomaten: 3,
- Säfte aus Äpfeln: 11,
- Säfte aus Weintrauben: 15,
- Säfte aus anderen Früchten oder Gemüsen einschließlich Mischungen von Säften: 13."
Mit der Verordnung (EG) Nr. 1776/2001 der Kommission vom 7. September 2001 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung Nr. 2658/87 (ABl. L 240, S. 3) wurde sodann Kapitel 20 KN die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b hinzugefügt, die bestimmt:
"Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker und einer Dichte von 1,33 g/cm3 oder weniger bei 20 °C und mit einem Gehalt von weniger als 50 GHT Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand, hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft, verlieren den ursprünglichen Charakter eines Fruchtsafts der Position 2009."
Mit der Verordnung Nr. 2031/2001 erhielt die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b folgende Fassung:
"Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker und einem Brixwert von 67 oder weniger und mit einem Gehalt von weniger als 50 GHT Fruchtsaft verlieren den ursprünglichen Charakter eines Fruchtsafts der Position 2009."
Die Zusätzliche Anmerkung 5 der Verordnung Nr. 1810/2004 bestimmt:
"a) Als Gehalt an zugesetztem Zucker gilt bei Waren der Position 2009 der 'Zuckergehalt', vermindert um die folgenden für die verschiedenen Säfte aufgeführten Werte:
- Säfte aus Zitronen oder Tomaten: 3,
- Säfte aus Weintrauben: 15,
- Säfte aus anderen Früchten oder Gemüsen, einschließlich Mischungen von Säften: 13.
b) Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker und einem Brixwert von 67 oder weniger bei 20 °C und mit einem Gehalt von weniger als 50 GHT Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand, hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft, verlieren den ursprünglichen Charakter eines Fruchtsafts der Position 2009."
Die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN wurde kürzlich durch die Verordnung (EG) Nr. 360/2008 vom (ABl. L 111, S. 9) wie folgt geändert:
"Die nachfolgenden Bestimmungen sind anzuwenden auf die gestellten Erzeugnisse als solche:
...
b) Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker und einem Brix-Wert von 67 oder weniger und mit einem Gehalt von weniger als 50 GHT Fruchtsaft verlieren den ursprünglichen Charakter eines Fruchtsafts der Position 2009.
Buchstabe b gilt nicht für konzentrierte natürliche Fruchtsäfte. Somit sind konzentrierte natürliche Fruchtsäfte nicht von Position 2009 ausgeschlossen."
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C-522/07
Am nahm die Zollstelle die Zollanmeldung von konzentriertem Apfelsaft ohne zugesetzten Zucker mit einem Brixwert von 66,8, eingeführt von Dinter, unter der Unterposition 2009 79 99 KN an. Dem Apfelsaft war nur Wasser entzogen worden.
Am erließ das Hauptzollamt Düsseldorf einen Bescheid über die Nacherhebung von Eingangsabgaben für den von Dinter eingeführten Apfelsaft, da er nach den Zusätzlichen Anmerkungen 2 Buchst. a, 5 Buchst. a und 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN nicht der Position 2009, sondern der Unterposition 2106 90 98 KN zuzuweisen sei, weil er den ursprünglichen Charakter eines Fruchtsafts verloren habe.
Gegen diesen Bescheid erhob Dinter Sprungklage zum Finanzgericht Düsseldorf, der das Hauptzollamt Düsseldorf zustimmte.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat unter diesen Umständen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN dahin gehend zu verstehen, dass mit dem Begriff "Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker" auch Fruchtsäfte gemeint sind, denen zwar tatsächlich kein Zucker zugesetzt wurde, deren jeweiliger Gehalt an zugesetztem Zucker aber rechnerisch nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 Buchst. a zu Kapitel 20 KN ermittelt wurde?
2. Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN dahin gehend zu verstehen, dass der dort genannte "Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand" durch die Formulierung "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft" nur näher erläutert wird, tatsächlich aber auf alle Arten von Fruchtsäften (nicht gegoren und ohne Zusatz von Alkohol) im jeweiligen Zustand ihrer Gestellung Anwendung findet?
3. Bei Bejahung der beiden vorgenannten Fragen: Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN gültig?
Rechtssache C-65/08
Vom bis 11. Oktober 2002 führte Europol Apfelsaftkonzentrat mit einem Brixwert von 65 unter den Unterpositionen 2009 70 30 (im Jahr 2001) und 2009 79 19 KN (im Jahr 2002) ein.
Am erließ das Hauptzollamt Krefeld einen Bescheid über die Nacherhebung von Eingangsabgaben, da es der Ansicht war, dass der eingeführte Saft nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 zu Kapitel 20 KN den Charakter eines Fruchtsafts der Position 2009 verloren habe und der Unterposition 2106 90 98 KN zuzuweisen sei.
Der von Europol dagegen eingelegte Einspruch wurde am als unbegründet zurückgewiesen.
Europol hat beim Finanzgericht Düsseldorf beantragt, die ablehnende Entscheidung aufzuheben.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat am beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN in der Fassung der Verordnungen (EG) Nrn. 2388/2000 und 2031/2001 gültig?
Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom sind die Rechtssachen C-522/07 und C-65/08 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen
Mit seinen Fragen, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN in ihrer Fassung aufgrund der Verordnungen Nrn. 1776/2001, 2031/2001 und 1810/2004 gültig ist. Insbesondere fragt es, ob diese Anmerkung dahin auszulegen ist, dass der Begriff "Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker" auch konzentrierte Fruchtsäfte ohne Zusatz von Zucker umfasst, und ob mit der Wendung "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft" alle Fruchtsäfte in ihrem natürlichen Zustand im jeweiligen Zustand ihrer Gestellung gemeint sind.
Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. u. a. Urteile vom , Olicom, C-142/06, Slg. 2007, I-6675, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom , C-362/07, Kip Europe u. a., Slg. 2008, I-0000, Randnr. 26).
Sowohl die Anmerkungen zu den Kapiteln der KN als auch die Erläuterungen zum HS sind nämlich wichtige Hilfsmittel, um eine einheitliche Anwendung des Zolltarifs zu gewährleisten, und können deshalb als wertvolle Erkenntnismittel für die Auslegung des Tarifs angesehen werden (vgl. Urteile vom , Siemens Nixdorf, C-11/93, Slg. 1994, I-1945, Randnr. 12, vom , Techex, C-382/95, Slg. 1997, I-7363, Randnr. 12, vom , Peacock, C-339/98, Slg. 2000, I-8947, Randnr. 10, und Olicom, Randnr. 17).
Der Inhalt dieser Erläuterungen muss daher mit den Bestimmungen der KN in Einklang stehen und darf deren Bedeutung nicht verändern (vgl. u. a. Urteile vom 9. Februar 1999, ROSE Elektrotechnik, C-280/97, Slg. 1999, I-689, Randnr. 23, vom , Eru Portuguesa, C-42/99, Slg. 2000, I-7691, Randnr. 20, und vom , Intermodal Transports, C-495/03, Slg. 2005, I-8151, Randnr. 48).
Insoweit ist an eine ständige Rechtsprechung zu erinnern, wonach der Rat der Kommission, die mit den Zollsachverständigen der Mitgliedstaaten zusammenarbeitet, ein weites Ermessen bei der näheren Angabe des Inhalts der Tarifpositionen eingeräumt hat, die für die Einreihung einer bestimmten Ware in Frage kommen. Ihre Befugnis zum Erlass von Maßnahmen gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, b, d und e der Verordnung Nr. 2658/87 in Form von Zusätzlichen Anmerkungen gibt der Kommission jedoch nicht das Recht, den Inhalt der Tarifpositionen zu ändern, die auf der Grundlage des durch das Übereinkommen über das HS eingeführten HS geschaffen worden sind, denn die Gemeinschaft hat sich gemäß Art. 3 dieses Übereinkommens verpflichtet, die Tragweite dieser Tarifpositionen nicht zu verändern (Urteile vom , Frankreich/Kommission, C-267/94, Slg. 1995, I-4845, Randnrn. 19 und 20, sowie vom , Kawasaki Motors Europe, C-15/05, Slg. 2006, I-3657, Randnr. 35).
Zu prüfen ist hier demnach, ob die Kommission mit den Zusätzlichen Anmerkungen 5 Buchst. b in den Verordnungen Nrn. 1776/2001, 2031/2001 und 1810/2004 die Position 2009 7 KN geändert und dadurch ihre Befugnisse aus Art. 9 der Verordnung Nr. 2658/87 überschritten hat.
Nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN in ihrer zu der in den Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit anwendbaren Fassung verlieren Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker und einem Brixwert von 67 oder weniger und mit einem Gehalt von weniger als 50 GHT Fruchtsaft den ursprünglichen Charakter eines Fruchtsafts der Position 2009. Eine Dichte von 1,33 g/cm3 oder weniger bei 20 °C entspricht einem Brixwert von 67, so dass die Zusätzlichen Anmerkungen 5 Buchst. b in den Verordnungen Nrn. 1776/2001, 2031/2001 und 1810/2004 den gleichen Inhalt haben. Insoweit ist unstreitig, dass die Anwendung dieser Anmerkung konzentrierte Apfelsäfte mit einem Brixwert leicht unter 67 von der Position 2009 ausschließt.
Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vertreten die Ansicht, nach dem Wortlaut der Tariflinien der Position 2009 sei der Gehalt an fruchteigenem Zucker nicht begrenzt. Hier sei durch Anwendung der Zusätzlichen Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN der Gehalt an zugesetztem Zucker von den nationalen Stellen fiktiv berechnet worden. Der importierte konzentrierte Apfelsaft habe einen Gehalt von 100 GHT Fruchtsaft gehabt und sei keiner anderen Bearbeitung als dem Entzug von Wasser unterzogen worden, die keine Auswirkung auf seinen ursprünglichen Charakter als Fruchtsaft gehabt habe. Tatsächlich sei die betreffende Anmerkung auf konzentrierten Apfelsaft ohne Zusatz von Zucker nicht anwendbar. Ferner sehe das HS keinen Ausschluss konzentrierter Apfelsäfte mit einen Brixwert leicht unter 67 von der Position 2009 vor.
Die Kommission führt in der Rechtssache C-522/07 aus, Ziel der Zusätzlichen Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN sei es, Erzeugnisse auszuschließen, die aufgrund ihres hohen Zuckergehalts den ursprünglichen Charakter von Fruchtsäften verlören. Nach den Erwägungsgründen 1 und 5 der Verordnung Nr. 1776/2001 liege in Anbetracht des angestrebten Ausschlusses von Waren, deren Gehalt an natürlichem Fruchtsaft weniger als 50 GHT betrage, eine Auslegung, nach der der zugesetzte Zucker rein rechnerisch ermittelt werde, näher.
Die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN finde auf alle Arten von Fruchtsäften im jeweiligen Zustand ihrer Gestellung, also auch auf Konzentrate, Anwendung. Im Hinblick auf die Struktur der Position 2009 und die ständige Rechtsprechung, wonach ein Fruchtsaft aufgrund seines Geruchs und Geschmacks seinen ursprünglichen Charakter als Fruchtsaft behalte, sei diese Anmerkung jedoch in einem Fall wie dem der Ausgangsverfahren, in dem das in Rede stehende Erzeugnis seinen Charakter als Apfelsaft nach Geruch und Geschmack behalte, nicht anwendbar.
Ferner räumt die Kommission in der Rechtssache C-65/08 ein, dass sie mit der Zusätzlichen Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN ihre Befugnisse aus Art. 9 der Verordnung Nr. 2658/87 überschritten habe. Deshalb habe sie diese Anmerkung geändert, indem sie die Verordnung Nr. 360/2008 erlassen und eine neue Bestimmung hinzugefügt habe, aus der hervorgehe, dass Buchst. b der Anmerkung für konzentrierte natürliche Fruchtsäfte nicht gelte.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Position 2009, die sich aus den Verordnungen Nrn. 2388/2000, 2031/2001 und 1810/2004 ergibt, im HS wie in der KN konzentrierte Fruchtsäfte erfasst. Die Verordnungen Nrn. 2031/2001 und 1810/2004 sehen identische Tariflinien für die Unterpositionen der Unterposition "Apfelsaft" vor und schließen die in Rede stehende Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN ein. Die Verordnung Nr. 2388/2000 enthält diese Anmerkung nicht und verwendet das Kriterium einer Dichte von 1,33 g/cm3 bei 20 °C, die einem Brixwert von 67 entspricht. Folglich weisen die in der Verordnung Nr. 2388/2000 vorgesehenen Tarifpositionen die gleichen Unterscheidungen auf wie diejenigen in den Verordnungen Nrn. 2031/2001 und 1810/2004.
Nach dem Wortlaut der Bezeichnung der verschiedenen Arten von Apfelsaft, die unter die Position 2009 fallen, wird nämlich unterschieden zwischen Erzeugnissen mit einem Brixwert von 20 oder weniger, die in die Unterposition 2009 71 fallen, und "anderen", die zur Position 2009 79 gehören. Die Unterposition 2009 79 umfasst die beiden Kategorien von Apfelsaft: diejenigen mit einem Brixwert von mehr als 67 und diejenigen mit einem Brixwert von mehr als 20, jedoch nicht mehr als 67. Die Unterpositionen 2009 71 und 2009 79 enthalten beide jeweils Unterkategorien mit der Bezeichnung "keinen zugesetzten Zucker enthaltend". Weder der Wortlaut noch die Struktur dieser Position 2009 schließen ihre Anwendung auf konzentrierte Apfelsäfte mit bestimmten Brixwerten aus.
Aus der Systematik der Unterposition 2009 79 folgt somit eindeutig, dass konzentrierte natürliche Apfelsäfte mit einem Brixwert leicht unter 67, anders als es in der in Rede stehenden Zusätzlichen Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN heißt, die diese Säfte von der genannten Unterposition ausschließt, nicht ihren Charakter als Fruchtsaft verlieren. Diese Anmerkung schließt konzentrierte Fruchtsäfte durch eine fiktive Berechnung des Gehalts an zugesetztem Zucker, bei der sich mehr als 50 GHT ergeben, aus. Die streitigen konzentrierten Apfelsäfte, denen Wasser entzogen wurde und die deshalb hohe Brixwerte erreichen, behalten ihren natürlichen Charakter. In den vorliegenden Fällen wurde kein Zucker zugesetzt. Der hohe Gehalt an zugesetztem Zucker, der sich in mehr als 50 GHT niederschlägt, rührt allein von der Konzentration infolge des Wasserentzugs her. Indem die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN konzentrierte Fruchtsäfte von der Position 2009 ausschließt, verändert sie folglich eindeutig den Inhalt der in Rede stehenden Tarifpositionen, womit die Kommission ihre Befugnisse aus Art. 9 der Verordnung Nr. 2658/87 überschritten hat.
Nach alledem ist festzustellen, dass die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 KN in ihrer Fassung aufgrund der Verordnungen Nrn. 1776/2001, 2031/2001 und 1810/2004 ungültig ist, soweit sie konzentrierte natürliche Fruchtsäfte von der Position 2009 ausschließt.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Die Zusätzliche Anmerkung 5 Buchst. b zu Kapitel 20 in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in ihrer Fassung aufgrund der Verordnungen (EG) Nr. 1776/2001 der Kommission vom 7. September 2001, (EG) Nr. 2031/2001 der Kommission vom und (EG) Nr. 1810/2004 der Kommission vom zur Änderung des Anhangs I der Verordnung Nr. 2658/87 ist ungültig, soweit sie konzentrierte natürliche Fruchtsäfte von der Position 2009 ausschließt.
Fundstelle(n):
NAAAD-36786