Unterbrechung einer Betriebsaufspaltung; Grundsatz der Abschnittsbesteuerung; Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheids
Leitsatz
Eine Betriebsaufspaltung wird nicht dadurch beendet, dass der Besitzunternehmer und Mehrheitsgesellschafter sowie Geschäftsführer der Betriebs-GmbH zugunsten des Minderheitsgesellschafters ein - zeitlich befristetes - unwiderrufliches Kaufangebot auf den Erwerb der restlichen Anteile an der GmbH abgibt.
Im Hinblick auf die Ungewissheit der Optionsausübung, auf den Fortbestand des Mietvertrags über das Betriebsgrundstück und insbesondere auf das Fehlen einer Aufgabeerklärung des Besitzunternehmers ist vielmehr eine bloße Unterbrechung der Betriebsaufspaltung und der gewerblichen Vermietungstätigkeit des Besitzunternehmers anzunehmen.
Gesetze: EStG § 16 Abs. 3, AO § 173, AO § 164
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb 1984 ein Grundstück und bebaute es. Ab Januar 1986 vermietete er es an die X-GmbH (GmbH), an der er zu 80 %, später zu 100 % beteiligt und deren Geschäftsführer er war. Auf dem Grundstück hatte die GmbH ihren Fertigungsbetrieb und ihr Lager.
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Von Beginn an behandelte der Kläger seine Einkünfte aus der Vermietung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Bis einschließlich 1992 folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) dieser Beurteilung. Ab dem Veranlagungszeitraum 1993 nahm das FA abweichend von der Steuererklärung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an. Die entsprechenden Bescheide enthielten insoweit keine Einschränkung. Dem schloss sich der Kläger ab dem Veranlagungszeitraum 1995 an; er ermittelte die Einkünfte jedoch noch bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1996 durch Betriebsvermögensvergleich. Dies ergibt sich aus der am beim FA eingegangenen Steuererklärung.
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Am verkaufte der Kläger einen Geschäftsanteil von 20 % an den Erwerber E. Zugleich gab er in einem weiteren notariellen Vertrag vom selben Tag zugunsten des E ein bis zum unwiderrufliches Kaufangebot für die restlichen Anteile von 80 % ab. Bis zum Ablauf der Bindungsfrist sollte E das Angebot jederzeit annehmen können. Im Januar 1998 nahm E das Angebot mit Wirkung zum an. Im Mai 1998 verkaufte und übereignete der Kläger dem E das Grundstück.
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Der Kläger wurde im Juli 2000 für den Veranlagungszeitraum 1998 zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß seiner Erklärung zur Einkommensteuer veranlagt.
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Im April 2001 kam das FA nach einer Außenprüfung über die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 zu der Auffassung, die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung hätten noch vorgelegen. Erst die Veräußerung der GmbH-Anteile zum habe zum Wegfall der personellen Verflechtung und damit zur Beendigung der Betriebsaufspaltung geführt. Somit sei der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks als Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Veranlagungszeitraum 1998 zu erfassen.
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Im Bescheid vom setzte das FA den Veräußerungsgewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb mit 941.117 DM an. Der Veräußerungserlös betrug lt. Betriebsprüfung für die GmbH-Anteile 40.000 DM, für das Grundstück 1.400.000 DM. Die Mieteinnahmen erfasste das FA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Ebenfalls mit Bescheiden vom wurde erstmals ein einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag für 1996 und 1997 auf 620 DM bzw. 774 DM festgesetzt.
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Im Klageverfahren bestritt der Kläger das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung. Zudem sei die personelle Verflechtung bereits mit dem unwiderruflichen Kaufangebot an E weggefallen. E habe ab diesem Zeitpunkt die GmbH tatsächlich (faktisch) beherrscht. Schließlich sei das FA aufgrund langjähriger Übung nach Treu und Glauben an seine alte Rechtsauffassung gebunden, wonach die Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks als solche nach § 21 EStG und nicht als solche nach § 15 EStG zu qualifizieren seien. Der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1996 und 1997 stehe Festsetzungsverjährung entgegen.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 970 veröffentlichten Urteil ab.
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Es ging von einer ab bestehenden und bis 1998 andauernden Betriebsaufspaltung aus. Die personelle Verflechtung habe nicht durch die Einräumung der Kaufoption geendet. E habe vor Ausübung seines Optionsrechtes das Betriebsunternehmen nicht beherrscht, weil er am Besitzunternehmen nicht beteiligt gewesen sei.
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Aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung bejahte das FG die jederzeitige Änderungsmöglichkeit des FA. Das FA sei infolgedessen nicht nach Treu und Glauben an den Bescheid gebunden gewesen. Am Erlass der Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1996 und 1997 vom sei das FA nicht gehindert gewesen. Weil der Kläger keine Gewerbesteuererklärung abgegeben habe, habe die Festsetzungsverjährungsfrist erst mit Ablauf des begonnen und erst am geendet.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts hinsichtlich der Annahme einer Betriebsaufspaltung und das Vorliegen von Verfahrensmängeln.
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Er vertritt die Ansicht, die Tätigkeit der Vermietung des Grundstücks und der Betrieb der GmbH seien von Anfang an sachlich nicht verflochten gewesen. Der Kläger beansprucht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung die Anwendung der Übergangsregelung gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 2001, 634), vom (BStBl I 2002, 88) und vom (BStBl I 2002, 647). Der Kläger verneint auch die personelle Verflechtung. Durch die Übertragung der Minderheitsbeteiligung und gleichzeitige Einräumung der Option auf den Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile sei die Betriebsaufspaltung —wenn sie überhaupt bestanden habe— bereits 1996 beendet worden. Ein Veräußerungsgewinn wäre daher in diesem Jahr und nicht 1998 angefallen.
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Der Kläger führt weiter an, das angefochtene Urteil missachte den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Gewerbesteuermessbescheide 1996 und 1997 hält er für unrechtmäßig, weil von Anfang an keine Betriebsaufspaltung vorgelegen habe und für 1996 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei.
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Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1998 vom sowie die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 1996 und 1997 vom selben Tag aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision wird gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hinsichtlich der Einkommensteuer 1998 als unbegründet zurückgewiesen. Der mit der Beendigung der ab Januar 1986 bestehenden (unten 1.) und erst mit der vollständigen Anteilsübertragung zum beendeten (unten 2.) Betriebsaufspaltung angefallene Aufgabegewinn war gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen (unten 3.). Dem stand der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen (unten 4.). Begründet ist die Revision hinsichtlich der Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1996 und für 1997, weil der Anspruch des FA auf Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge verwirkt war (unten 5.). Insoweit werden das Urteil und die angefochtenen Bescheide vom aufgehoben. Das FG hat seine Entscheidung ohne Verfahrensfehler getroffen (unten 6.).
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1. Vom Zeitpunkt der Überlassung des Grundstücks an die GmbH im Januar 1986 war eine Betriebsaufspaltung gegeben.
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Eine Betriebsaufspaltung setzt eine enge sachliche und personelle Verflechtung zwischen der Kapitalgesellschaft, an die das Grundstück vermietet oder verpachtet ist (Betriebsgesellschaft), und den Personen, die das Grundstück vermietet oder verpachtet haben (Besitzunternehmen), voraus.
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a) Eine sachliche Verflechtung liegt vor, wenn das Besitzunternehmen der Betriebsgesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt. Ein bebautes Grundstück ist eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt. Davon wird seit langem bei einem Gebäude ausgegangen, in dem die Fertigung und das Lager untergebracht sind und das unmittelbar, nachdem es vom Besitzunternehmen errichtet wurde, von der Betriebsgesellschaft angemietet worden ist (vgl. , BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347 und die darin aufgeführten Beispiele der früheren Rechtsprechung). Nach diesen Grundsätzen, die entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf einer Verschärfung der Rechtsprechung beruhen, hat das FG die sachliche Verflechtung des Besitzunternehmens des Klägers mit der GmbH zutreffend bejaht. Die gegebene sachliche Verflechtung wird nicht ausgeschlossen, wenn das überlassene Gebäude ebenso von einem anderen Unternehmen genutzt werden oder das Besitzunternehmen jederzeit am Markt ein für seine Belange gleichwertiges Grundstück mieten oder kaufen könnte (Senatsurteil vom X R 78/91, BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718). Der Hinweis des Klägers auf eine zur Entscheidung des (BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621) ergangene Übergangsregelung im BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 634 geht ins Leere, da es sich bei dem im Streitfall zu beurteilenden Gebäude um ein Produktions- und Lagergebäude und nicht um ein Büro- oder Verwaltungsgebäude handelte, welches allein Gegenstand der angesprochenen Übergangsregelung war.
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b) Eine enge personelle Verflechtung liegt vor, wenn die hinter dem Besitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft stehenden natürlichen Personen „einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben” (grundlegend Beschluss des Großen Senats des , BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63).
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aa) Der einheitliche geschäftliche Betätigungswille tritt am klarsten bei Beteiligungsidentität zutage, d.h. wenn „an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind”.
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bb) Er kann aber genauso bei Beherrschungsidentität vorhanden sein, wenn also „die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch in der Betriebskapitalgesellschaft ihren Willen durchzusetzen” (BFH-Beschluss in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Die Voraussetzung liegt beim Besitzunternehmen unstreitig vor, denn der Kläger war Alleineigentümer des an die GmbH vermieteten Grundstücks. Ebenso war er von der Begründung der „unechten” Betriebsaufspaltung im Januar 1986 an in der Lage, seinen Willen in der GmbH durchzusetzen, an der er jahrelang zu 100 % und von Januar 1996 bis Ende 1997 zu 80 % beteiligt war.
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2. Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger als Folge der Einräumung der unwiderruflichen Option sowie einer Stimmrechtsbindung des Klägers und der vom Kläger vorgetragenen weiteren Umstände die faktische Beherrschung über das Betriebsunternehmen im Jahr 1996 verloren hat.
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In diesem Fall wäre die Betriebsaufspaltung lediglich unterbrochen, jedoch nicht zu diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen. Der gewerbliche Vermietungsbetrieb des Klägers hätte allenfalls geruht.
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Die Annahme einer bloßen Unterbrechung der Betriebsaufspaltung und der gewerblichen Vermietungstätigkeit des Klägers beruht auf der Unsicherheit, ob E die Option ausüben werde, auf dem Fortbestand des Mietvertrags zwischen dem Kläger und der GmbH und insbesondere auf dem Fehlen einer Aufgabeerklärung des Klägers.
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a) Mit der Einräumung der unwiderruflichen Option hatte sich zwar der Kläger gegenüber E in der Weise gebunden, dass er von dem Angebot nicht hat frei kommen können. Dennoch war die weitere Entwicklung bis zum Ende des Jahres 2000 nicht gewiss. Zum einen konnte E frei entscheiden, ob er die Option ausüben werde. Zum anderen war der Kläger in der Verfügung über das vermietete Betriebsgrundstück frei. Die Option für den Erwerb des Geschäftsanteils hätte den Kläger nicht daran hindern können, den Mietvertrag zu kündigen, das Grundstück entweder selbst wieder gewerblich zu nutzen oder mit einem Dritten ein Nutzungsverhältnis einzugehen. Der sich daraus ergebende Schwebezustand, der die weitere Entwicklung und Beurteilung offen lässt, schließt die Annahme aus, mit der unwiderruflichen Optionsvereinbarung sei die Betriebsaufspaltung im Jahre 1996 beendet worden.
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b) Hinzu kommt, dass sich wegen des Fortbestands des Mietverhältnisses zwischen dem Kläger und der GmbH hinsichtlich des Betriebsgrundstücks sowohl faktisch wie rechtlich im Verhältnis des Klägers zur GmbH durch die Einräumung der Option an den E nichts geändert hatte.
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c) Deshalb wäre es Sache des Klägers gewesen, für Klarheit zu sorgen (vgl. dazu jüngst , BFHE 225, 334, BStBl II 2009, 902). Eine Aufgabeerklärung mit den entsprechenden steuerlichen Konsequenzen hätte den Schwebezustand beendet und jeden Zweifel an der Beendigung der Betriebsaufspaltung ausgeschlossen. So aber hat der Kläger seinen gewerblichen Vermietungsbetrieb allenfalls ruhen lassen, keinesfalls aber endgültig aufgegeben. In der mündlichen Verhandlung hat er ausdrücklich die Abgabe einer Betriebsaufgabeerklärung verneint.
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3. Klarheit über den Fortbestand der Betriebsaufspaltung und das Ende des gewerblichen Vermietungsbetriebs des Klägers haben erst die im Januar 1998 von E wahrgenommene Option und die anschließende Übertragung der gesamten Geschäftsanteile auf ihn sowie der Verkauf des Betriebsgrundstücks durch den Kläger geschaffen. Somit hat das FA die in dem Betriebsgrundstück liegenden stillen Reserven nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG zu Recht im Jahr 1998 als Aufgabegewinn angesetzt.
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Gegen die vom FA und FG angesetzte Höhe des Aufgabegewinns hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Ihn unter Zugrundelegung des erzielten Erlöses aus der zeitnahen Veräußerung des Betriebsgrundstücks zu ermitteln, bestehen keine Bedenken, da nichts für Wertveränderungen in dem Zeitraum zwischen dem Ende der Betriebsaufspaltung und der Veräußerung des Grundstücks spricht oder vorgetragen worden ist.
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4. Der Grundsatz von Treu und Glauben steht dem Ansatz eines betrieblichen Aufgabegewinns nicht entgegen.
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a) Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich zu seinem eigenen früheren (nachhaltigen) Verhalten nicht in Widerspruch setzt, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat (vgl. , BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990). Zu einer Verdrängung des gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann es nur in besonders gelagerten Fällen kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (BFH-Urteile in BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990, m.w.N., und vom IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676). Dies kommt nach ständiger Rechtsprechung dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.
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b) Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Steuerpflichtigen in die Beibehaltung einer bestimmten steuerrechtlichen Behandlung ist jedoch von vornherein durch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung und im Falle einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt eingeschränkt.
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aa) Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (Senatsurteil vom X R 100/89, BFH/NV 1991, 217, mit Nachweisen der BFH-Rechtsprechung), und zwar selbst dann, wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige Auffassung vertreten hatte (, BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749). Das FA ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegte Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (Senatsurteil vom X R 17/85, BFHE 157, 516, BStBl II 1989, 879, m.w.N.; , BFH/NV 2004, 1393, und vom VIII R 75/05, BFHE 221, 136, BStBl II 2008, 817). Das FA ist demgemäß nicht daran gehindert, einen in den Vorjahren falsch gewürdigten Sachverhalt in späteren Veranlagungszeiträumen rechtlich und tatsächlich zu überprüfen und anders zu würdigen (vgl. , BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136, und vom I R 176/87, BFH/NV 1991, 820). Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schließt danach die Bildung eines Vertrauenstatbestandes aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 544, und , BFH/NV 2003, 630).
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bb) Dem Entstehen eines schutzwürdigen Vertrauens steht zusätzlich entgegen, dass der angefochtene Steuerbescheid für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) ergangen ist. Ist ein Bescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt worden, hat die Finanzverwaltung zu erkennen gegeben, dass sie sich eine abschließende Prüfung vorbehalten will, und dass der Bescheid noch keine endgültige Entscheidung enthält (vgl. BFH-Urteil in BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676), sondern der Steuerfall grundsätzlich noch offenbleiben sollte (vgl. , BFH/NV 1997, 617), so dass die insoweit vorläufige Beurteilung der Finanzverwaltung einer späteren abweichenden Beurteilung nicht entgegensteht (BFH-Urteil in BFHE 221, 136, BStBl II 2008, 817). Im Streitfall war für den Kläger ersichtlich, dass es dem FA mit dem Vorbehaltsvermerk darum ging, sich die eingehende Prüfung vorzubehalten, ob und welche Folgen sich aus der endgültigen Veräußerung der Geschäftsanteile und des Betriebsgrundstücks ergeben haben können.
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Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Bescheid kann gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 AO bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ohne sachliche Einschränkung jederzeit in vollem Umfang aus formellen oder materiellen Gründen geändert werden, selbst wenn die Gründe für die Änderung dem FA zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorbehaltsbescheides schon bekannt waren (z.B. , BFH/NV 1993, 684; vom III R 30/99, BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547, jeweils m.w.N., und vom III R 26/00, BFH/NV 2003, 1529). Insoweit unterscheidet sich § 164 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 AO entscheidend von der Regelung des § 173 AO. Der Hinweis des Klägers auf die von Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 64 und 68 vertretene Auffassung geht daher fehl.
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cc) Die sich aus dem Vorbehalt der Nachprüfung ergebende Befugnis des FA zur Änderung seiner im Steuerbescheid zum Ausdruck gekommenen Auffassung wäre nur dann eingeschränkt, wenn das FA eine bindende Zusage erteilt oder durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte (BFH-Entscheidungen vom IV R 135/90, BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769, unter 2.a.E., und vom V B 71/02, BFH/NV 2003, 4). Dies anzunehmen besteht im Streitfall kein Anlass. Der angefochtene Bescheid entspricht der —zutreffenden— Auffassung, die der Kläger selbst bis weit in das Jahr 1997 vertreten hat. Er hat noch bei Abgabe der Einkommensteuererklärung 1996 am , also zu einem Zeitpunkt, in dem nach seinem eigenen Vortrag sein Ausscheiden aus der GmbH bereits mit E abgesprochen und in einem Vertragsentwurf für Anfang Januar 1998 vorgesehen war, die Mieteinnahmen aus der Vermietung des Grundstücks an die GmbH wie gewerbliche Einkünfte durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Dieses Verhalten steht der Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens des Klägers darauf entgegen, das FA werde unverändert an der unzutreffenden Auffassung festhalten, es liege keine Betriebsaufspaltung vor, obwohl es die Jahre zuvor unterlassen hatte, daraus weitere einkommensteuerrechtliche Konsequenzen zu ziehen, wie z.B. die Annahme einer Entnahme des Betriebsgrundstücks durch Überführung ins Privatvermögen.
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5. Erfolg hat die Revision insoweit, als der Anspruch des FA, für die Erhebungszeiträume 1996 und 1997 einen Gewerbesteuermessbetrag festzusetzen, im Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses der entsprechenden Bescheide vom verwirkt war.
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a) Festsetzungsverjährung stand der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge für die Erhebungszeiträume 1996 und 1997 jedoch nicht entgegen. Unabhängig davon, ob die Frist für den Erhebungszeitraum 1996 mit Ablauf des —wie der Kläger meint— oder mit Ablauf des —wie das FG angenommen hat— begonnen hat, sind die angefochtenen Bescheide nicht nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen. Deren Ablauf war nach § 171 Abs. 4 Nr. 1 AO durch die im Juli 2000 —und damit auch nach Ansicht des Klägers vor Ablauf der Festsetzungsfrist— begonnene Außenprüfung gehemmt. Die angefochtenen Bescheide sind innerhalb der in § 171 Abs. 4 Satz 3 AO geregelten Frist ergangen.
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b) Der Steuerpflichtige darf aber von dem Zeitpunkt an, in dem er den Einkommensteuerbescheid für das darauf folgende Jahr erhalten hat, darauf vertrauen, dass für den vorangegangenen abgelaufenen Erhebungszeitraum kein Gewerbesteuermessbetrag mehr festgesetzt wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749). Die Voraussetzung ist hier erfüllt, weil der Kläger den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 im Juni 1999 vor der erstmaligen Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags für den Erhebungszeitraum 1996 durch Bescheid vom erhielt und in dem Einkommensteuerbescheid die 1997 erzielten Einkünfte aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks an die GmbH nicht als gewerblich behandelt wurden, sondern den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet waren.
41
c) Der Anwendung dieser Überlegung auf den Erhebungszeitraum 1997 steht zwar, selbst wenn die zeitlichen Voraussetzungen dafür gegeben wären, der Vorbehalt der Nachprüfung im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1998 entgegen. Damit sind im Allgemeinen seine Festsetzungen in vollem Umfang mit der Folge offengelassen worden, dass von ihnen kein schutzwürdiges Vertrauen ausgehen konnte (vgl. , BFH/NV 2002, 1612). Dass einem unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid ein die Verwirkung begründender Vertrauensschutz abgesprochen wird, beruht auf der Gleichstellung der Vorbehaltsveranlagung mit einer noch nicht vorgenommenen Veranlagung.
42
Dieser Überlegung stehen im Streitfall besondere Umstände entgegen. Das FA hat in Abweichung von seiner früheren jahrelangen Praxis mehrere Jahre unter Ablehnung einer Betriebsaufspaltung den gewerblichen Charakter der Vermietungseinkünfte des Klägers entgegen dessen Auffassung verneint und die entsprechenden Einkommensteuerveranlagungen endgültig durchgeführt. An dieser Auffassung hat es selbst im Einkommensteuerbescheid 1998 festgehalten, obwohl der Kläger noch im Jahr 1997 die Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks wie gewerbliche Einkünfte ermittelt hatte. Vor diesem Hintergrund durfte der Kläger darauf vertrauen, dass jedenfalls seine laufenden Einnahmen aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks an die GmbH, die das FA als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung jahrelang endgültig angesetzt hat, nicht später als laufender gewerblicher Ertrag gewerbesteuerrechtlich erfasst werden. Der Vorbehaltsvermerk zu dem Einkommensteuerbescheid 1998 hat sich infolgedessen sowohl aus der Sicht des Klägers wie schon aus der Sicht des FA nicht auf die Qualifizierung der laufenden Vermietungseinkünfte bezogen, sondern allein auf die durch die Veräußerung der Geschäftsanteile und des Betriebsgrundstücks bedingten steuerlichen Rechtsfolgen. Den besonderen Umständen des Streitfalls würde es nicht gerecht, dem unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1998 eine jeden Vertrauensschutz ausschließende Wirkung beizumessen.
43
6. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch.
44
a) Bei seiner Rüge, das FG habe entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen, indem es eine Stellungnahme des E zu den Vorgängen und Vereinbarungen zwischen ihm und dem Kläger nicht in zutreffendem und ausreichendem Maße ausgewertet und gewürdigt habe, verkennt der Kläger den Charakter der Stellungnahme. Sie gibt lediglich die rechtliche Würdigung des E und kein neues tatsächliches Vorbringen wieder. Mit dem tatsächlichen Vorbringen hat sich das FG in ausreichendem Maße auseinandergesetzt. Dass es den Sachverhalt anders als der Kläger und E beurteilt hat, stellt keinen Verfahrensfehler dar.
45
b) Die Rüge, das angefochtene Urteil sei eine Überraschungsentscheidung, weil das FG ohne vorherigen Hinweis erstmals in den Entscheidungsgründen entscheidungserheblich darauf abgestellt habe, der Kläger hätte seinen Geschäftsanteil wirksam an einen Dritten übertragen können, lässt außer Acht, dass diese Überlegung nur eine unter mehreren ist, mit denen das FG die beherrschende Stellung des E verneint hat. Sie war daher schon für das FG nicht entscheidungserheblich und hat ohnehin —wie unter II.2.b— dargelegt, für die Beurteilung der Streitsache keine Bedeutung. Ein Hinweis des Klägers auf die Vinkulierung der Geschäftsanteile hätte somit an der Richtigkeit der Entscheidung des FG nichts geändert.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 406 Nr. 3
EStB 2010 S. 98 Nr. 3
GmbHR 2010 S. 269 Nr. 5
KÖSDI 2010 S. 16949 Nr. 5
StB 2010 S. 59 Nr. 3
ZAAAD-36743