BGH Beschluss v. - III ZR 66/09

Leitsatz

Leitsatz:

Der Streit über die rechtliche Einordnung eines - in seinem Bestand unstreitigen - Pachtverhältnisses (hier: als Kleingartenpachtverhältnis) kann für sich genommen nicht mit einem höheren Wert bemessen werden als der Streit über den Bestand des Nutzungsverhältnisses selbst. Maßgeblich ist daher regelmäßig für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert der dreieinhalbfache Betrag und für den Gebührenstreitwert der einfache Betrag des bisher zu entrichtenden jährlichen Pachtzinses.

Gesetze: ZPO §§ 3, 8, 9; GKG § 41 Abs. 1

Instanzenzug: KG, 20 U 162/06 vom LG Berlin, 12 O 341/05 vom Veröffentlichungen: Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja

Gründe

I. Die Parteien streiten um die rechtliche Einordnung des zwischen ihnen bestehenden Nutzungsverhältnisses über eine im Eigentum der Kläger befindliche Teilfläche von 13.835 m² der - von dem Beklagten so bezeichneten - "Kleingartenanlage R. G." in B.

Der bisher gezahlte Jahrespachtzins beträgt 4.940,48 € (0,357 €/m²).

Während der Beklagte die Auffassung vertritt, dass das Nutzungsverhältnis gemäß Art. 232 § 4 Abs. 3 EGBGB, § 20a Nr. 1 des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) und § 2 Abs. 3 des Schuldrechtsanpassungsgesetzes (SchuldRAnpG) als ein Kleingartenpachtverhältnis im Sinne des Bundeskleingartengesetzes anzusehen sei, meinen die Kläger, dass das Nutzungsverhältnis gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 SchuldRAnpG allein den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Miet- und Pachtverhältnisse unterworfen sei und nicht den besonderen Bindungen aus dem Bundeskleingartengesetz (insbesondere: hinsichtlich der Höhe des Nutzungsentgelts und der Kündigungsmöglichkeit) unterliege.

Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung, es handele sich nicht um ein Nutzungsverhältnis im Sinne des Bundeskleingartengesetzes, abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben.

Die Vorinstanzen haben den Streitwert auf 79.553,56 € bzw. bis zu 80.000 € festgesetzt und hierbei sowohl die Differenz zwischen dem derzeitigen und dem gemäß § 20 SchuldRAnpG in Verbindung mit den Bestimmungen der Nutzungsentgeltverordnung - ohne Bindung an die Bestimmungen des Bundeskleingartengesetzes - erzielbaren Pachtzins als auch die (mutmaßlich) bessere Verwertbarkeit des Grundstücks (höherer Verkehrswert) im Falle der Freistellung von den Bindungen des Bundeskleingartengesetzes miteinbezogen.

II. In Abweichung hiervon betragen der Wert der Beschwer des Beklagten 17.291,68 € und der Gebührenstreitwert für sämtliche Instanzen 4.940,48 €.

1. Der Wert der Beschwer richtet sich bei einer Feststellungsklage über die rechtliche Einordnung eines Nutzungsverhältnisses gemäß § 2 ZPO nach § 3 ZPO unter Mitberücksichtigung der in den §§ 8 und 9 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken.

a) Bei einem Rechtsstreit über den Bestand eines Kleingartenpachtverhältnisses entspricht der Wert der Beschwer im Regelfall dem dreieinhalbfachen Betrag des bislang zu zahlenden Jahrespachtzinses (§§ 8, 9 ZPO).

Gemäß § 8 ZPO, der auch auf Kleingartenpachtverhältnisse im Sinne des Bundeskleingartengesetzes Anwendung findet (Senat, Urteil vom - III ZR 342/04 - NJW-RR 2005, 867, 868 sowie Beschlüsse vom - III ZB 47/07 - NZM 2008, 461, 462 Rn. 6 und vom - III ZB 53/08 - NJW-RR 2009, 775 Rn. 8), ist der Wert eines Rechtsstreits über den Bestand eines Miet- oder Pachtverhältnisses nach dem bisher zu entrichtenden Nutzungsentgelt zu bemessen und nicht nach dem Betrag, der nach Ansicht einer Partei als (ortsübliches) Nutzungsentgelt angemessen wäre (vgl. - WM 1996, 1064, 1065 und Beschluss vom - XII ZB 106/04 - NZM 2005, 157, 158). Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gemäß § 8 ZPO nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden (Senat, Urteil vom aaO. S. 868 f sowie Beschlüsse vom aaO. Rn. 7 und vom aaO.; - NZM 2007, 355, 356 Rn. 2 m.w.N.; s. auch BVerfG, NZM 2006, 578; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 8 Rn. 5 m.w.N.).

b) Der Streit über die rechtliche Einordnung eines - hinsichtlich seines Bestandes unstreitigen - Nutzungsverhältnisses kann für sich genommen nicht mit einem höheren Wert bemessen werden als der Streit über den Bestand des Nutzungsverhältnisses selbst. Dieser nämlich betrifft die Frage, ob die Parteien überhaupt (noch) nutzungsvertraglich verbunden und einander zur Gebrauchsüberlassung oder zur Zahlung von Nutzungsentgelt verpflichtet sind, wohingegen der Streit um die rechtliche Einordnung des Nutzungsverhältnisses die vertragliche Verbindung als solche nicht in Abrede stellt, sondern lediglich auf die Ausgestaltung einzelner Vertragspflichten und -bedingungen abzielt.

Soweit der Gesetzgeber - wie hier in den §§ 8 und 9 ZPO - für den Streit über den Bestand eines Nutzungsverhältnisses bindende Regelungen zur Berechnung des Gegenstandswertes getroffen hat, sind diese auch für die Bewertung des Rechtsstreits über die rechtliche Einordnung eines Nutzungsverhältnisses zu berücksichtigen. Sonst bestünde die Gefahr, dass die in diesen Vorgaben enthaltenen Wertentscheidungen des Gesetzgebers umgangen werden und leer laufen könnten. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - im Hintergrund des Feststellungsantrags das Bestreben des Eigentümers (bzw. Verpächters) stehen mag, den bislang gezahlten Pachtzins um ein Mehrfaches zu erhöhen oder das Pachtgrundstück insgesamt vorteilhafter (etwa: durch Verkauf) zu verwerten. Denn diese Interessen sind typischerweise auch der Beweggrund für Streitigkeiten um den Bestand eines Nutzungsverhältnisses und bleiben bei der Bewertung dieser Rechtsstreite im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben in den §§ 8 und 9 ZPO außer Betracht. Geht es lediglich um den Streit über die rechtliche Qualifizierung eines - in seinem Bestand nicht streitigen - Nutzungsverhältnisses, so kann dies (zumal: bei gleicher Interessenlage) sonach keine höhere Bewertung rechtfertigen.

c) Nach diesen Maßgaben ergibt sich für den vorliegenden Fall ein Wert in Höhe des dreieinhalbfachen Betrages des bislang geltenden Pachtzinses (3,5 x 4.940,48 € = 17.291,68 €). Ein Abschlag von 20 %, wie er bei einem (positiven) Feststellungsantrag allgemein üblich ist, hat hier zu unterbleiben. Auch insoweit gilt nichts anderes als bei einer Feststellungsklage über den Bestand eines Nutzungsverhältnisses (Miet- oder Pachtverhältnisses); für diese aber ist kein Bewertungsabschlag von dem nach den §§ 8, 9 ZPO berechneten Ansatz vorzunehmen ( - NJW-RR 2009, 156 f Rn. 9 m.w.N.).

2. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen, wonach der Wert des Rechtsstreits über die rechtliche Einordnung eines Nutzungsverhältnisses nicht höher anzusetzen ist als der Wert eines Rechtsstreits über den Bestand dieses Nutzungsverhältnisses, ist der Gebührenstreitwert für sämtliche Instanzen - insoweit unter Abänderung der vorinstanzlichen Wertfestsetzungen (§ 63 Abs. 3 GKG) - hier entsprechend § 41 Abs. 1 GKG auf den Betrag des bislang vereinbarungsgemäß gezahlten Jahrespachtzinses (4.940,48 €) zu bestimmen. Dies entspricht auch der (Gebühren-)Wertbemessung, wie sie der erkennende Senat bereits in der Sache III ZR 89/99 (Urteil vom - VIZ 2000, 159) vorgenommen hat, in der ebenfalls über eine Klage auf Feststellung zu entscheiden war, dass es sich bei dem bestehenden Nutzungsverhältnis nicht um ein Kleingartenpachtverhältnis handelt.

Fundstelle(n):
NAAAD-36708