BGH Urteil v. - IV ZR 279/07

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OLG Karlsruhe, 12 U 39/06 vom LG Karlsruhe, 6 O 63/04 vom

Tatbestand

I. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, den Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom (BAnz. Nr. 1 vom ) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.

Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem vorweisen kann.

Die Anwartschaften der rentennahen Versicherten werden nach der in den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VBLS (im Wesentlichen übereinstimmend mit den §§ 32 Abs. 1 und 4 Satz 1, 33 Abs. 2, 4 ff. ATV) getroffenen Übergangsregelung weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen (vgl. zu dieser Übergangsregelung Senatsurteil vom - IV ZR 134/07 - BGHZ 178, 101), wohingegen sich die Anwartschaften der rentenfernen Versicherten nach den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit § 18 Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) berechnen (vgl. dazu Senatsurteil vom - IV ZR 74/06 - BGHZ 174, 127).

II. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung für rentennahe Versicherte und die Höhe der dem Kläger erteilten Startgutschrift von 166,06 Versorgungspunkten (das entspricht einer monatlichen Rentenanwartschaft von 664,24 €). Der Kläger beanstandet insbesondere, dass sich eine rückwirkend zum eingetretene, erhebliche Gehaltserhöhung nicht in gleichem Maße auf die Errechnung seiner Betriebsrente ausgewirkt habe wie nach altem Satzungsrecht.

Der 1940 geborene und mithin einem rentennahen Jahrgang zugehörige Kläger bezieht seit dem eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.267,61 € und eine Betriebsrente von der Beklagten. Deren Höhe (706,96 €, das entspricht 176,74 Versorgungspunkten) wurde auf der Grundlage der neuen Satzung der Beklagten in der Weise errechnet, dass zunächst nach den vorgenannten Übergangsbestimmungen für rentennahe Versicherte die Startgutschrift (166,06 Versorgungspunkte) für den ermittelt und sodann die seit dem bis zum Rentenbeginn nach dem neuen Punktemodell erworbenen Versorgungspunkte (10,68 Versorgungspunkte) hinzugerechnet wurden.

Aufgrund einer mit seinem früheren Arbeitgeber aus Anlass eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits am getroffenen Vereinbarung war der Kläger rückwirkend zum , dem Tag nach dem Umstellungsstichtag, von der Vergütungsgruppe BAT IV b in die Vergütungsgruppe BAT III eingestuft worden, was zu einer um monatlich 673 € brutto erhöhten Grundvergütung führte.

Der Kläger sieht eine ihn treffende besondere Härte darin, dass die Systemumstellung es verhindert habe, dass sein in den letzten drei Jahren bis zum Rentenbeginn bezogenes, deutlich erhöhtes Gehalt anders als nach früherem Satzungsrecht nicht in die Berechnung der Betriebsrente eingeflossen sei. Insoweit habe die Beklagte den ihm zustehenden Vertrauensschutz missachtet. Er erstrebt mit mehreren Klaganträgen vorrangig die Fortschreibung seiner Rentenanwartschaft nach dem vor der Systemumstellung geltenden Satzungsrecht über den Umstellungsstichtag hinaus.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Unter Klageabweisung im Übrigen hat das Oberlandesgericht auf die Berufung des Klägers festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger bis zum Inkrafttreten einer Satzungsneuregelung eine Betriebsrente zu gewähren, die sich aus dem Produkt der nach der alten Satzung der Beklagten für den Eintritt des Versicherungsfalles errechneten vollen Versorgungsrente mit dem Quotienten aus den (tatsächlich zurückgelegten) Umlagemonaten bis zum Umstellungsstichtag () und den insgesamt möglichen Umlagemonaten bis "zum Erreichen" des 65. Lebensjahres ergebe. Dagegen richten sich die Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt, ferner die Revision des Klägers, welcher sein bisheriges Rechtsschutzbegehren vollen Umfangs weiterverfolgt.

Gründe

Lediglich die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht erachtet die Übergangsregelung für rentennahe Versicherte für wirksam, führt aber ergänzend aus:

Im Falle des Klägers habe die wortlautgetreue Anwendung des § 79 Abs. 2 i.V. mit § 78 VBLS allerdings eine besondere, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr zumutbare Härte zur Folge.

Die Beklagte habe entsprechend § 78 Abs. 2 VBLS für die Berechnung der der Startschrift zugrunde liegenden Rentenanwartschaft die am vorliegenden Rechengrößen herangezogen und - soweit gesamtversorgungsfähiges Entgelt des Klägers zu berücksichtigen gewesen sei - die Einkünfte der Jahre 1999 bis 2001 zugrunde gelegt. Es sei so die außerordentlich hohe Steigerung des Gehalts der letzten drei Jahre vor dem Versicherungsfall, auf dessen Höhe es für die Errechnung der Betriebsrente nach dem früheren Gesamtversorgungssystem gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS a.F. angekommen wäre, außer Betracht geblieben. Das bewirke einen unzumutbaren Eingriff in die vom Kläger erdiente Rentenanwartschaft, welche auch die erdiente Dynamik einschließe. Nach den Berechnungen des Oberlandesgerichts bleibt die nach der neuen Satzung ermittelte Betriebsrente des Klägers um 135,04 € hinter der geschützten Anwartschaft zurück. Da die vom Kläger erdiente Rentenanwartschaft die nach der neuen Satzung der Beklagten ermittelte Betriebsrente somit um nahezu ein Fünftel übersteige, sei die Zumutbarkeitsschwelle überschritten.

In Ermangelung einer besonderen Härtefallregelung in der neuen Satzung der Beklagten (vgl. dazu BAG DB 2002, 1459 unter III) müsse eine am Sinn und Zweck der Versorgungsanordnung orientierte Reduktion der den Anspruch einschränkenden Voraussetzungen der Übergangsregelung erfolgen. Sie führe dazu, die dem Kläger ab dem zu zahlende Betriebsrente bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung der Satzung der Beklagten nach der im Urteilstenor niedergelegten Formel zu berechnen.

II. Den Angriffen der Revision des Klägers halten diese Ausführungen stand.

Die Übergangsregelungen für rentennahe Versicherte sind wirksam. Der Senat hat bereits mit Urteil vom (IV ZR 74/06 - BGHZ 174, 127 Tz. 25 ff.) entschieden, dass die Satzung der Beklagten auch ohne Zustimmung der Versicherten und im Wege einer umfassenden Systemumstellung geändert werden konnte. Mit Urteil vom (IV ZR 134/07 - BGHZ 178, 101) hat er dies bestätigt und die Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Systemumstellung von den rentennahen Versicherten erworbenen Rentenanwartschaften sowie deren Übertragung in das neu geschaffene Betriebsrentensystem gebilligt. Die von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums getroffene Regelung ist jedenfalls vertretbar und schon aus diesem Grunde verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere auch für die Festschreibung der Rechengrößen, wie etwa des Entgelts, des Familienstandes und der Steuerklasse, zum Umstellungsstichtag (BGHZ 178, 101 Tz. 46 ff.). Im Einzelnen wird ergänzend auf die Ausführungen in den genannten Senatsurteilen, die sich auch zu den weiteren Revisionsangriffen des Klägers verhalten, verwiesen.

Das Berufungsgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass keine unzulässige Rückwirkung darin liegt, dass die am im Bundesanzeiger veröffentlichte neue Satzung der Beklagten die Systemumstellung bereits mit Wirkung zum Ablauf des vornimmt. Denn die Tarifvertragsparteien hatten sich schon vor dem Umstellungsstichtag am im so genannten Altersvorsorgeplan auf die Systemumstellung geeinigt und dies auch ausreichend öffentlich gemacht. Insofern war ein schutzwürdiges Vertrauen der Versicherten darauf, dass die Regeln der alten Satzung über den hinaus Bestand hätten, nicht mehr begründet.

III. Auf die Revision der Beklagten waren das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klageabweisung durch das Urteil erster Instanz im Ergebnis zu bestätigen.

1. Anders als das Berufungsgericht meint, liegen die Voraussetzungen für eine am Maßstab des § 242 BGB orientierte, korrigierende Einzelfallentscheidung im Falle des Klägers aber nicht vor. Die ihn treffende Betriebsrenteneinbuße ist Folge der von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums bei der Systemumstellung getroffenen Stichtagsregelung und erweist sich insoweit nicht als planwidrig. Dem Gesetzgeber - und auch den Tarifvertragparteien - ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich - wie hier - die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind (vgl. BVerfGE 117, 272 Tz. 73; 101, 239, 270; 80, 297, 311; 44, 1, 21 f.; st. Rspr.).

Dass dem Kläger eine anhand seiner Einkünfte in den letzten drei Jahren vor Rentenbeginn ermittelte Betriebsrente versagt bleibt, ist Folge des Umstandes, dass die in § 78 Abs. 2 VBLS getroffene Übergangsregelung ausdrücklich bestimmt, dass der Startgutschriftenberechnung das gesamtversorgungsfähige Entgelt der letzten drei Jahre vor dem Umstellungsstichtag zugrunde zu legen und eine Erhöhung zum nicht zu berücksichtigen ist.

Danach genießt ein früheres, vor dem Umstellungsstichtag gefasstes Vertrauen des Klägers darauf, dass sich seine Betriebsrente einst nach dem seinerzeit noch unbekannten, außerordentlich erhöhten gesamtversorgungsfähigen Entgelt der letzten drei Jahre vor Rentenbeginn errechnen werde, nicht den besonderen Schutz eines erdienten Besitzstandes. Dieser Schutz sichert den Versicherten nämlich lediglich den nach der alten Satzung ermittelten Anwartschaftsbetrag, der ihnen selbst dann nicht mehr hätte entzogen werden können, wenn sie zum Umstellungsstichtag, dem , aus ihrem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden wären (Senatsurteil vom aaO. Tz. 54 ff., 57). Geschütztes Vertrauen kann deshalb nur hinsichtlich der Berechnungsgrößen entstanden sein, die bis zur Systemumstellung sicher feststanden. Dem trägt die Übergangsregelung ausreichend Rechnung. Der Käger wird insoweit nicht schlechter gestellt als andere Versicherte, bei denen Veränderungen nach dem Stichtag eintreten, wie etwa infolge einer anderen Steuerklasse oder bei sonstigen Gehaltsänderungen.

2. Die Höhe der Einbußen allein trägt eine korrigierende Einzelfallentscheidung gemäß § 242 BGB nicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
HAAAD-36668