BVerwG Beschluss v. - 1 WB 6.09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gründe

I

Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) durch den Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung.

Der 1966 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des enden wird. Zum Hauptmann wurde er am ernannt. Zum wurde er zur Deutschen Militärischen Verbindungsgruppe in B. auf den Dienstposten eines Nachrichtenoffiziers versetzt. Nach dem Entzug der Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen der Stufe "Streng Geheim" wurde der Antragsteller vom bis zur Dienstleistung in das ...amt in Bonn kommandiert und zum zum Kommando ... Aufklärung in R. versetzt, wo er keine sicherheitsempfindlichen Aufgaben wahrnahm. Seit dem wird er im ... verwendet, zunächst in B. als Personalorganisationsoffizier und seit dem in S. als Fachinformationsoffizier ... . Er ist weiterhin nicht in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eingesetzt.

Für den Antragsteller wurde zuletzt am eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) ohne Erkenntnisse abgeschlossen.

Mit Bescheid vom schloss der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung für den Antragsteller die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos ab. Er stützte diese Entscheidung darauf, dass der Antragsteller in Höhe von 32 269 EUR verschuldet sei und von September 1999 bis Juni 2003 keinen Unterhalt an seine Kinder aus zwei früheren Ehen gezahlt habe. Dagegen beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Mit BVerwG 1 WB 63.06 - verpflichtete der Senat - unter Aufhebung des Bescheids vom - den Bundesminister der Verteidigung zur Neubescheidung der Frage, ob in der Person des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt. Für diesen Beschluss war unter anderem maßgeblich, dass vor der Feststellung eines Sicherheitsrisikos der aktuelle Schuldenstand des Antragstellers sowie seine laufenden Verpflichtungen nicht ermittelt worden waren und dass die erforderliche Prognose fehlerhaft war.

Daraufhin forderte der Geheimschutzbeauftragte den Antragsteller mit Anhörungsschreiben vom und vom zur Angabe seines Restschuldenstandes und zur Stellungnahme zu den unterlassenen Unterhaltszahlungen auf. Er wies darauf hin, dass der Antragsteller die hohen Rückstände bei den Unterhaltszahlungen für seine Kinder in der Vergangenheit zwar stark reduziert habe. Durch sein - auch strafrechtlich relevantes - Verhalten habe er aber anscheinend billigend in Kauf genommen, dass seine Kinder zeitweise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten. Diese Handlungsweise deute auf einen Charaktermangel hin und könne als tatsächlicher Anhaltspunkt gewertet werden, der Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit begründe. Der Antragsteller äußerte sich mit Schreiben vom und vom ; er legte unter dem eine Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung ... vom vor, der zufolge alle dort bekannten Forderungen gegen den Antragsteller "im April 2008 schuldbefreiend ausgekehrt" würden; der Antragsteller sei nach Aktenlage schuldenfrei.

Mit Schreiben vom teilte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller mit, dass er trotz der vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen gehalten sei, die Sicherheitsüberprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abzuschließen. Der Antragsteller habe nicht nachvollziehbar darlegen können, warum er über einen Zeitraum von fast sieben Jahren - von 1999 bis 2006 - seiner Verpflichtung, Kindesunterhalt zu zahlen, nicht nachgekommen sei. Die Verletzung der Unterhaltspflicht stelle eine Dienstpflichtverletzung dar. Seine Argumentation, von den Unterhaltsleistungen abgesehen zu haben, um auf diese Weise ein Umgangsrecht bezüglich der Kinder zu erreichen, dokumentiere, dass er bereit sei, Rechtspositionen anderer Personen zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen zu ignorieren. Erst während des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens sei eine nachhaltige Begleichung der ausstehenden Forderungen erfolgt. Deshalb bestünden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Zurzeit sei eine günstige Prognoseentscheidung nicht möglich, weil noch nicht abschließend beurteilt werden könne, ob er erneut seine persönlichen Interessen vor das Allgemeininteresse stellen werde. Unter Hinweis auf die von der Wehrbereichsverwaltung West bestätigte Begleichung aller ausstehenden Forderungen ließ der Geheimschutzbeauftragte die Einleitung einer erneuten Sicherheitsüberprüfung zum April 2011 zu, sofern der Antragsteller dann für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit eingeplant sei.

Mit Bescheid vom , der dem Antragsteller nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung am eröffnet wurde, stellte der Geheimschutzbeauftragte fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellten; die Entscheidung schließe auch einen Einsatz in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach Ü 1/Ü 2 aus; einer Wiederholungsüberprüfung in drei Jahren werde zugestimmt.

Dagegen beantragte der Antragsteller am die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt.

Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:

Die Feststellung des Sicherheitsrisikos beruhe auf einem unzutreffenden Sachverhalt. Es sei nicht richtig, dass er seinen Kindern über einen Zeitraum von fast sieben Jahren Unterhalt schuldig geblieben sei. Nachdem sich seine erste Ehefrau Anfang der 90er Jahre von ihm getrennt habe, sei der Kindesunterhalt für den Sohn ... zur Höhe streitig geworden. Seine ehemalige Ehefrau habe daraufhin einen Titel erwirkt und auf Pfändung bestanden, obwohl er, der Antragsteller, eine freiwillige Forderungserfüllung angeboten habe. Der Unterhalt für den Sohn .. sei bis Oktober 2006 im Wege der Pfändung vom Gehalt monatlich einbehalten worden. Durch die Trennung von seiner zweiten Ehefrau im Jahr 1999 sei er in eine tiefe Lebenskrise geraten. Seinerzeit habe er geglaubt, durch Verweigerung der Unterhaltszahlungen mit seiner Frau ins Gespräch zu kommen; dabei sei es ihm vor allem darum gegangen, seine drei Kinder (aus der zweiten Ehe) regelmäßig zu sehen, um mit ihnen Umgang zu pflegen. Seine zweite Ehefrau habe darauf mit Unterhaltsklagen reagiert. Ab Januar 2001 habe er die bezüglich des Kindesunterhalts ausgebrachten Gehaltspfändungen regelmäßig bedient. Im März 2008 habe ihm - nach seinen Bemühungen um Klärung der finanziellen Situation - die Wehrbereichsverwaltung mitgeteilt, dass er Gehalt in Höhe von rund 16 000 EUR brutto nachgezahlt erhalte. Eine Überprüfung habe ergeben, dass der kinderbezogene Ortszuschlag über Jahre irrtümlich an seine zweite Ehefrau ausgezahlt worden sei. Mit diesem Betrag habe er dann sämtliche Altschulden getilgt. Damit habe er gezeigt, dass er seine Zahlungsverpflichtungen auch hinsichtlich des Kindesunterhaltes ernst nehme und nicht erst durch das Sicherheitsüberprüfungsverfahren zu einem verantwortungsvollen Handeln in Geldangelegenheiten veranlasst worden sei.

Der Antragsteller beantragt,

den Bundesminister der Verteidigung unter Aufhebung des Bescheides des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom zu verpflichten, ihn, den Antragsteller, über das Bestehen eines Sicherheitsrisikos unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts mit der Maßgabe neu zu bescheiden, ihm die Sicherheitsstufe Ü 3, hilfsweise die Sicherheitsstufe Ü 2 zu erteilen.

Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Geheimschutzbeauftragte habe den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum bei der Feststellung eines Sicherheitsrisikos nicht überschritten. Der Antragsteller sei seiner Pflicht, Kindesunterhalt zu zahlen, über mehrere Jahre hinweg nicht nachgekommen. Die Unterhaltspflichtverletzung stelle ein sehr ernst zu nehmendes Versagen dar. Das Verhalten des Antragstellers belege, dass er seinen privaten Interessen den Vorrang vor den ihm gesetzlich obliegenden Verpflichtungen einräume. Auch sein früheres leichtfertiges Schuldenmachen sei aus sicherheitserheblicher Sicht bedeutsam. Obwohl der Antragsteller seine Schulden inzwischen beglichen habe, dürfe nicht außer Betracht bleiben, dass noch zu Beginn des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens ein Schuldenstand von rund 34 000 EUR bestanden habe. Das lasse Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Antragstellers zu und berühre seine dienstlichen Verwendungsmöglichkeiten.

Mit Schriftsatz vom hat der Bundesminister der Verteidigung den Zeitraum der unterlassenen Kindesunterhaltszahlungen auf die Jahre 1999 bis 2001 reduziert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 466/08 -, die Gerichtsakte BVerwG 1 WB 63.06 und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Antrag gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom ist zulässig und begründet.

Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Für die rechtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage durch den Bundesminister der Verteidigung maßgeblich (stRspr, Beschlüsse vom - BVerwG 1 WB 64.94 - BVerwGE 103, 182 = NZWehrr 1995, 27 und vom - BVerwG 1 WDS-VR 6.09 - m.w.N.).

Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. BVerwG 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14). Die Beurteilung des Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Soldaten und seiner Verhältnisse darstellt, darf sich dabei nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen, sondern muss auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte getroffen werden. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für den zuständigen Geheimschutzbeauftragten, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11 und vom - BVerwG 1 WB 63.06 -; vgl. auch - BVerfGE 39, 334 <353>).

Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der ihm hiernach obliegenden Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 1 WB 37.04 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18> m.w.N. und vom - BVerwG 1 WB 53.08 -).

Die Feststellung des - hier zuständigen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2416 ZDv 2/30 Teil C) - Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung, dass in der Person des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, verletzt die vorgenannten Maßgaben.

Der Geheimschutzbeauftragte ist bei der Feststellung eines Sicherheitsrisikos von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

Als maßgeblichen sicherheitserheblichen Umstand hat er in seinem Begründungsschreiben vom ausgeführt, dass der Antragsteller fast sieben Jahre lang - von 1999 bis 2006 - den Unterhalt für seine Kinder aus erster und zweiter Ehe nicht gezahlt habe. Der Bundesminister der Verteidigung hat diese Zeitangabe in der Vorlage an den Senat nicht korrigiert, sondern im Sinne eines "jahrelangen Zeitraums" bzw. einer Unterlassung "über mehrere Jahre hinweg" (Seiten 3 und 6 der Vorlage vom ) bestätigt. Im vorangegangenen Verfahren BVerwG 1 WB 63.06 hatte er hingegen in seiner Vorlage vom erklärt, der Antragsteller habe von September 1999 bis Juni 2003 keinen Kindesunterhalt gezahlt. Dem war der Antragsteller seinerzeit mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom entgegen getreten und hatte lediglich die "vorübergehende" Einstellung der Unterhaltszahlungen eingeräumt. Die nunmehr als maßgeblich bezeichnete Verlängerung des Zeitraums der unterlassenen Unterhaltszahlungen auf fast sieben Jahre ist weder in dem zitierten Begründungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten noch in der Vorlage vom erläutert und begründet worden. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller demgegenüber mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom konkret dargelegt, dass er ab Januar 2001 die ausgebrachten Gehaltspfändungen hinsichtlich des Kindesunterhalts regelmäßig bedient habe. Dem hat der Bundesminister der Verteidigung nicht widersprochen, sondern im Schreiben vom den Zeitraum der gänzlich unterlassenen Kindesunterhaltszahlungen auf den Zeitraum "von 1999 bis 2001" begrenzt. Daher geht der Senat davon aus, dass sich der Zeitraum der unterlassenen Kindesunterhaltszahlungen auf 16 Monate beschränkt, denn seine pauschale Aussage "bis 2001" (offenbar einschließlich des ganzen Jahres) hat der Bundesminister der Verteidigung nicht belegt.

Zwar können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Teil C Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, nach der Rechtsprechung des Senats unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene ein Dienstvergehen begangen hat, das auch ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsbestimmungen ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lässt (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 1 WB 19.05 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 19 und vom - BVerwG 1 WB 17.05 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 20 = NZWehrr 2006, 153). In Übereinstimmung hiermit nennt Hinweis Nr. 9 zu Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Teil C (Anlage C 18) als Beispiel für entsprechende Anhaltspunkte Verstöße des Betroffenen gegen Dienstpflichten. Die gänzliche Verweigerung der Zahlung des Kindesunterhalts kann die Dienstpflicht eines Soldaten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SG auf Wahrung seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit verletzen ( BVerwG 2 WD 2.92 - BVerwGE 93, 242 = NZWehrr 1992, 259).

Unabhängig davon, dass gegen den Antragsteller kein Strafverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 StGB eingeleitet wurde, ist das ihm vorgeworfene Verhalten an den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift zu messen, auf die auch der Bundesminister der Verteidigung ausdrücklich verweist. Danach entzieht sich der Unterhaltspflicht, wer - trotz bestehender tatsächlicher Leistungsfähigkeit - das, was er aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu leisten verpflichtet ist, ganz oder teilweise nicht leistet; Tathandlung ist somit die Nichtgewährung von Unterhalt, also ein echtes Unterlassen (Dippel in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. 2005, § 170 Rn. 38, 43). Unerheblich ist hingegen, auf welche Weise die Unterhaltspflicht erfüllt wird. Auch die Leistung aufgrund einer Gehaltspfändung ist eine Erfüllung der Unterhaltspflicht.

Maßgeblich für die vorgeworfene Unterlassung sind mithin die Zeiträume der unterbliebenen Unterhaltszahlungen, die sich nach dem Dargelegten nicht auf fast sieben Jahre, sondern auf 16 Monate erstrecken. Damit ist der vom Geheimschutzbeauftragten im maßgeblichen Zeitpunkt der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegte Sachverhalt unrichtig. Schon dieser Umstand führt zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung.

Daraus folgen zudem durchgreifende Zweifel daran, dass der Geheimschutzbeauftragte den allgemeingültigen Wertmaßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt hat.

Zu den allgemeingültigen Wertmaßstäben gehört der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dessen wesentliche Komponente die Proportionalität darstellt. Sie setzt voraus, dass eine Maßnahme oder Beeinträchtigung nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen darf, dass sie bei einer Gesamtbewertung angemessen und deshalb für den Betroffenen zumutbar sein muss. Zur Prüfung dieser Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind neben einer Abwägung aller relevanten Belange insbesondere auch die Besonderheiten des Einzelfalles zur berücksichtigen ( BVerwG 1 WDS-VR 11.08 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 46 m.w.N. zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Beurteilungsspielraums bei einer Eignungsprüfung). Der vorliegende Einzelfall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zeitspanne der gänzlich unterlassenen Unterhaltszahlungen mehr als acht Jahre zurückliegt. Überdies können dem Antragsteller seine früheren Schulden, die er vor Rechtshängigkeit des Verfahrens vollständig beglichen hat, nicht mehr pauschal als Sicherheitsrisiko vorgehalten werden (vgl. BVerwG 1 WB 63.06 -, Beschlussabdruck Rn. 26). Dementsprechend hat der Geheimschutzbeauftragte in seinem Schreiben an den Antragsteller vom selbst ausgeführt: "Sollte sich Ihre finanzielle Lage mittlerweile derart entspannt darstellen, wäre diesbezüglich hier kein Sicherheitsrisiko mehr festzustellen."

Bei dieser Sachlage drängt sich die Frage auf, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz statt der Feststellung eines Sicherheitsrisikos nicht eine Auflage, eine Einschränkung oder einen personenbezogenen Sicherheitshinweis im Sinne der Nr. 2705 Abs. 1 ZDv 2/30 Teil C gefordert hätte. Die vom Geheimschutzbeauftragten getroffene Entscheidung enthält dazu keine plausiblen Erwägungen und erweist sich deshalb als disproportional zum Schutzzweck des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. SÜG.

Angesichts dieser Mängel ist auch die erforderliche Prognose fehlerhaft (vgl. zum Erfordernis einer Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers und seiner Verhältnisse Beschlüsse vom - BVerwG 1 WB 63.06 -, vom - BVerwG 1 WDS-VR 7.07 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13, vom - BVerwG 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14 und vom - BVerwG 1 WB 53.08 -). Eine rechtsfehlerfreie Prognose setzt in jedem Fall einen vollständig und richtig ermittelten Sachverhalt voraus.

Im Übrigen ist das vom Bundesminister der Verteidigung erstmalig in der Vorlage an den Senat in das Verfahren eingeführte "leichtfertige Schuldenmachen" nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten selbstständig zu tragen. Insoweit sind die Grenzen des Beurteilungsspielraums des Geheimschutzbeauftragten nicht eingehalten, weil ein Verfahrensfehler vorliegt.

Nach ständiger Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts stellt allerdings das leichtfertige Schuldenmachen einen eigenständigen Vorwurf gegen einen Soldaten dar, der seine Verwendung in sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten berührt und ihn in vielfältiger Weise zu einem Sicherheitsrisiko werden lässt (z.B. Urteile vom a.a.O., vom - BVerwG 2 WD 10.96 - BVerwGE 103, 343 <345> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 15 und vom - BVerwG 2 WD 28.99 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 16).

Auch ist es dem Bundesminister der Verteidigung unbenommen, spätestens in der Vorlage an den Senat weitere tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme eines Sicherheitsrisikos im Sinne des § 5 Abs. 1 SÜG - in Ergänzung einer angefochtenen Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten - in das Verfahren einzuführen. Denn für die gerichtliche Überprüfung der Feststellung eines Sicherheitsrisikos ist die Sach- und Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt der Vorlage des Verfahrens durch den Bundesminister der Verteidigung an den Senat besteht ( BVerwG 1 WB 63.06 - m.w.N.). Bei einer Ergänzung tatsächlicher Anhaltspunkte geht der Senat grundsätzlich davon aus, dass dies mit Zustimmung des Geheimschutzbeauftragten und nach dessen neuerlicher Beurteilung des Sachverhalts erfolgt (Beschluss vom a.a.O.). Der Bundesminister der Verteidigung bleibt dann aber verpflichtet, die aus § 14 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG resultierende ordnungsgemäße (persönliche) Anhörung des betroffenen Soldaten zu diesen - neuen - Tatsachen sicherzustellen (Beschluss vom a.a.O.). Zu dem Vorwurf des "leichtfertigen Schuldenmachens" ist der Antragsteller jedoch in den Anhörungsschreiben vom und vom vom Geheimschutzbeauftragten nicht gehört worden. Bis zur Vorlage des Verfahrens an den Senat ist eine solche Anhörung auch nicht nachgeholt worden.

Der Senat hat davon abgesehen, den Bundesminister der Verteidigung zur Neubescheidung zu verpflichten. Der zuständige Geheimschutzbeauftragte hat eine Entscheidung im Sinne des § 14 SÜG von Amts wegen vorzunehmen, wenn der Antragsteller (wieder) in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verwendet werden soll (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SÜG, Nr. 2403 Satz 1 ZDv 2/30 Teil C). Nach dem Inhalt der Akten ist zur Zeit nicht ersichtlich, ob und ab wann der Antragsteller auf einem Dienstposten verwendet werden soll, der mit der Wahrnehmung sicherheitsempfindlicher Tätigkeiten verbunden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 WBO.

Fundstelle(n):
ZAAAD-35596