Leitsatz
Leitsatz:
1. Stützt ein Ausländer seinen Asylfolgeantrag auf neue selbst geschaffene exilpolitische Nachfluchtaktivitäten, greift der Regelausschlussgrund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 28 Abs. 2 AsylVfG auch dann ein, wenn der Ausländer zwar bei Verlassen des Herkunftslands alters- und entwicklungsbedingt noch nicht in der Lage war, sich eine feste politische Überzeugung zu bilden, er diesen Entwicklungsstand aber vor Abschluss des dem Folgeantrag vorausgegangenen Asylverfahrens erreicht hat. Hiervon ist in aller Regel mit Vollendung des 16. Lebensjahrs, spätestens jedoch mit Vollendung des 18. Lebensjahrs auszugehen.
2. Zur Widerlegung der Regelvermutung des § 28 Abs. 2 AsylVfG muss der Ausländer gute Gründe dafür anführen, warum er nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmalig exilpolitisch aktiv geworden ist oder seine bisherigen Aktivitäten ausgeweitet hat (so schon BVerwG 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31).
Gesetze: AsylVfG § 12 Abs. 1; AsylVfG § 28; AsylVfG § 71 Abs. 1; AsylVfG § 77 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1 Satz 1; VwVfG § 51; Richtlinie 2004/83/EG Art. 5
Instanzenzug: VG Regensburg, VG Regensburg - - AZ.: VG RN 11 K 05.30343 vom VGH München, VGH Bayern - - AZ.: VGH 14 B 05.31264 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: nein
Gründe
I
Der Kläger, ein im April 1984 geborener iranischer Staatsangehöriger, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der Kläger kam zusammen mit seinen Eltern und seinen Geschwistern im August 1999 nach Deutschland und beantragte Asyl. In diesem Verfahren wurden von ihm keine eigenen Asylgründe geltend gemacht. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) lehnte den Antrag ab. Die Entscheidung ist seit Mai 2000 bestandskräftig.
Im Dezember 2000 stellte der Kläger erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), den er mit exilpolitischen Aktivitäten für die "Organisation zum Schutz der Rechte iranischer Christen" und die "Konstitutionalistische Partei Irans" begründete. Auch dieser Antrag hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung ist seit August 2002 bestandskräftig.
Im April 2003 stellte der Kläger einen weiteren Folgeantrag und machte geltend, er habe Anfang 2003 an einem regimekritischen Theaterstück über die politische Justiz im Iran mitgewirkt, das über einen Fernsehsender in den Iran ausgestrahlt worden sei. Mit Bescheid vom lehnte das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und die Abänderung der Feststellung zu § 53 AuslG ab (Nr. 1 und 2 des Bescheides) und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Iran an (Nr. 3 des Bescheides).
Nach Rücknahme des Begehrens auf Anerkennung als Asylberechtigter hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 1 und 3 des Bescheides vom zu der Feststellung verpflichtet, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug auf den Iran vorliegen. Durch die innerhalb der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG vorgebrachten neuen politischen Aktivitäten habe sich die Sachlage geändert. Dem Kläger drohe nunmehr bei Rückkehr Verfolgung. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat das Bundesamt mit Bescheid vom zugunsten des Klägers das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich des Iran festgestellt. Mit Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Die Berufung auf die im Folgeverfahren geltend gemachte exilpolitische Betätigung sei ihm nicht verwehrt. Der am in Kraft getretene Regelausschluss nach § 28 Abs. 2 AsylVfG sei zwar auch auf bereits eingeleitete Folgeverfahren anwendbar. Er greife aber nicht ein, wenn sich der Ausländer - wie hier - auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung habe bilden können (§ 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG).
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Die Auffassung des Berufungsgerichts zur Auslegung des § 28 Abs. 2 AsylVfG finde weder im Gesetzestext noch in den Materialien eine Stütze. Die inzwischen geänderte und im Revisionsverfahren zugrunde zu legende Fassung des § 28 Abs. 2 AsylVfG enthalte keine Bezugnahme auf § 28 Abs. 1 AsylVfG. Der Gesetzgeber habe mit § 28 Abs. 2 AsylVfG dem Asylmissbrauch durch gefahrlose Verfolgungsprovokation vom sicheren Zufluchtsland aus entgegenwirken wollen. Aus dem Wortlaut der Neufassung ergebe sich, dass § 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG keine Anwendung finde. Selbst wenn man unterstelle, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 28 Abs. 1 AsylVfG sinngemäß auf § 28 Abs. 2 AsylVfG anzuwenden sei, sei der Kläger nicht als Flüchtling anzuerkennen, da er bei Stellung des zweiten Folgeantrages bereits volljährig gewesen sei.
Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das Berufungsurteil.
Der Bundesbeauftragte für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der Vertreter des Bundesinteresses haben sich am Verfahren beteiligt und sind mit der Beklagten der Auffassung, dass § 28 Abs. 2 AsylVfG auch auf im jugendlichen Alter eingereiste Ausländer Anwendung findet.
In der Revisionsverhandlung hat die Beklagte auf Hinweis des Gerichts klargestellt, dass das im Bescheid des Bundesamts vom festgestelltes Abschiebungsverbot dahin zu verstehen ist, dass es sich nunmehr auf den subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG bezieht. Da der Kläger inzwischen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in den Iran in Nr. 3 des Bescheides des Bundesamts vom übereinstimmend für erledigt erklärt.
II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren insoweit in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 141 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Zugleich ist gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO festzustellen, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit wirkungslos sind.
Hinsichtlich des nur noch anhängigen Begehrens des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist die Revision der Beklagten begründet. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht zu vereinbaren ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar liegen die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vor (1.). Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Kläger aufgrund der von ihm nach Abschluss des vorangegangenen Folgeverfahrens geschaffenen Nachfluchttatbestände im Falle der Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Bedrohungen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt wäre (2.) Die Begründung des Berufungsgerichts, warum der Regelausschlusstatbestand des § 28 Abs. 2 AsylVfG hier ausnahmsweise nicht eingreift, hält aber revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand (3.). Da der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden kann, ob der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat (4.), war das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der vom Kläger begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist das Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 18 FGG-Reform-Gesetz vom (BGBl. I S. 2586). Das Berufungsgericht müsste, wenn es jetzt entschiede, gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die nunmehr geltende Rechtslage abstellen. Deshalb ist der Entscheidung des Revisionsgerichts auch die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom (BGBl. I S. 1970) neu gefasste Vorschrift des § 28 AsylVfG zugrunde zu legen (vgl. BVerwG 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 Rn. 9).
1. Die in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG geregelten Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens liegen vor. Die Teilnahme an einem regimekritischen Theaterstück, das über das Fernsehen im Iran zu sehen war, begründet eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, die sich mit Blick auf die Flüchtlingsanerkennung zu Gunsten des Klägers auswirken kann. Die Änderung der Sachlage wurde ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Akten innerhalb der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG geltend gemacht. Die Revision erhebt insoweit keine Einwände.
2. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hat sich das Berufungsgericht der Auffassung des Verwaltungsgerichts angeschlossen, dass dem Kläger wegen der von ihm im jetzigen Folgeverfahren geltend gemachten Aktivitäten bei Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohe. Auch dagegen erhebt die Revision keine Einwände. Die Verfolgungsprognose ist, gemessen am Prüfungsmaßstab des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
3. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber mit einer Begründung bejaht, die mit § 28 Abs. 2 AsylVfG nicht vereinbar ist. Nach dieser Bestimmung kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden, wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt und diesen auf Umstände stützt, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat.
a) Im Ergebnis zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Vorschrift, die in ihrer ursprünglichen Fassung durch Art. 3 Nr. 18 des Zuwanderungsgesetzes vom (BGBl. I S. 1950) am in Kraft getreten ist, auch bereits zuvor geschaffene Nachfluchttatbestände erfasst. Da eine Übergangsvorschrift fehlt, verbleibt es bei der Regelung des § 77 Abs. 1 AsylVfG. Die tatbestandliche Rückanknüpfung der Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Für ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Zudem genießt der Kläger Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG, so dass die Erstreckung des Regelausschlusses auf bereits verwirklichte Nachfluchttatbestände nicht unverhältnismäßig erscheint (vgl. BVerwG 10 C 27.07 - a.a.O. Rn. 12 m.w.N.).
b) Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 AsylVfG liegen vor. Die Vorschrift ist auf alle nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags vom Ausländer selbst geschaffenen Nachfluchttatbestände anzuwenden. Der Kläger befindet sich inzwischen im zweiten Folgeantragsverfahren. Die Gründe, auf die er diesen Folgeantrag stützt, hat er zu einem Zeitpunkt geschaffen, als die ablehnenden Entscheidungen in den beiden vorangegangenen Asylverfahren bereits bestandskräftig waren. Damit ist der Tatbestand des § 28 Abs. 2 AsylVfG erfüllt und es tritt die gesetzliche Rechtsfolge ein, derzufolge die Flüchtlingseigenschaft in der Regel nicht zuerkannt werden kann.
c) Das Berufungsgericht hat es - allerdings zu § 28 Abs. 2 AsylVfG in der mittlerweile überholten ursprünglichen Fassung der Vorschrift - in Anlehnung an § 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG für die Nichtanwendung des Regelausschlusses ausreichen lassen, dass sich der Kläger auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte. Dem folgt der Senat nicht. § 28 Abs. 1 AsylVfG regelt die Beachtlichkeit selbst geschaffener Nachfluchttatbestände beim Grundrecht auf Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG. § 28 Abs. 2 AsylVfG betrifft dagegen die Gewährung von Flüchtlingsschutz in Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom (ABl EG Nr. 1 304 vom S. 12; ber. ABl EG Nr. 1 204 vom S. 24 - sog. Qualifikationsrichtlinie). Hier reicht es - jedenfalls nach der durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom modifizierten Fassung des § 28 Abs. 2 AsylVfG - zur Widerlegung der gesetzlichen Regelvermutung nicht aus, dass der Ausländer die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG erfüllt, unter denen bei der Asylanerkennung ein selbstgeschaffener Nachfluchttatbestand ausnahmsweise beachtlich ist. Denn der Berücksichtigungsfähigkeit selbst geschaffener Nachfluchttatbestände liegen beim Grundrecht auf Asyl und bei der Flüchtlingsanerkennung unterschiedliche Regelungsmodelle zugrunde. Bei § 28 Abs. 2 AsylVfG sind daher die Maßstäbe für die Abgrenzung des Regelausschlusses von einem Ausnahmefall, in dem in einem Folgeverfahren bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft subjektive Nachfluchtgründe ausnahmsweise beachtlich sind, nicht § 28 Abs. 1 AsylVfG, sondern dem vom Gesetzgeber bei der Flüchtlingsanerkennung gewählten Regelungsmodell und dem damit verfolgten Zweck zu entnehmen (vgl. Urteil des Senats vom - BVerwG 10 C 27.07 - a.a.O. Rn. 13 ff. zur Nichtanwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bei § 28 Abs. 2 AsylVfG).
Mit § 28 Abs. 1 AsylVfG hat der Gesetzgeber beim Grundrecht auf Asyl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Asylrelevanz von Nachfluchtgründen aufgegriffen. Danach setzt das Grundrecht auf Asyl schon von seinem Tatbestand her grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen (drohender) Verfolgung und Flucht voraus. Eine Erstreckung auf Nachfluchtgründe kann deshalb nur insoweit in Betracht kommen, als sie nach dem Sinn und Zweck der Asylverbürgung, wie sie dem Normierungswillen des Verfassungsgebers entspricht, gefordert ist. Nach Verlassen des Herkunftslands aus eigenem Willensentschluss geschaffene Verfolgungstatbestände sind daher nur in Ausnahmefällen als Asylgrund anzuerkennen (vgl. - BVerfGE 74, 51). Die maßgebliche Zäsur tritt beim Grundrecht auf Asyl also schon mit dem Verlassen des Herkunftslands ein. Folgerichtig stellt sich hier die Frage der Beachtlichkeit selbstgeschaffener Nachfluchtgründe nicht erst im Folgeverfahren, sondern schon im Erstverfahren. Entsprechend wird nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ein Ausländer in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen des Herkunftslands aus eigenem Entschluss geschaffen hat. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Entschluss einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylVfG) oder der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte (§ 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG).
Demgegenüber richtet sich die Beachtlichkeit selbst geschaffener Nachfluchttatbestände bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG und deren Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber in § 28 Abs. 1a und 2 AsylVfG. Danach sind hier - anders als beim Grundrecht auf Asyl - selbst geschaffene Nachfluchttatbestände, die bis zur Unanfechtbarkeit des Erstverfahrens verwirklicht worden sind, uneingeschränkt zu berücksichtigen (vgl. § 28 Abs. 1a AsylVfG i.V.m. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG). Mit der Neuregelung des § 28 Abs. 2 AsylVfG hat der deutsche Gesetzgeber aber - in Ausübung der den Mitgliedstaaten in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG eingeräumten Regelungsoption - festgelegt, dass einem Ausländer in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden darf, wenn der Folgeantrag auf Umstände gestützt ist, die der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags selbst geschaffen hat.
Schafft ein Ausländer in Kenntnis der Erfolglosigkeit eines oder gar mehrerer Asylverfahren einen Nachfluchtgrund, spricht viel dafür, dass er mit diesem Verhalten nur die Voraussetzungen herbeiführen will, um in einem (weiteren) Folgeverfahren seinem Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft doch noch zum Erfolg zu verhelfen. Der Gesetzgeber hat deshalb mit der - im Einzelfall widerlegbaren - Regelvermutung des § 28 Abs. 2 AsylVfG die Berufung auf Nachfluchttatbestände, die nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens von dem Betreffenden selbst geschaffen werden, unter Missbrauchsverdacht gestellt. Die für das Verständnis der Vorschrift entscheidende zeitliche Zäsur liegt hier also - anders als beim Grundrecht auf Asyl - nicht in der Ausreise, sondern im erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens. Bei allen vom Ausländer nach diesem Zeitpunkt geschaffenen Nachfluchttatbeständen wird regelmäßig ein Missbrauch der Inanspruchnahme des Flüchtlingsschutzes vermutet. Damit erübrigt sich ein positiver Nachweis des finalen Zusammenhangs zwischen dem selbst geschaffenen Nachfluchttatbestand und dem erstrebten Flüchtlingsstatus im Einzelfall. § 28 Abs. 2 AsylVfG verlagert die Substantiierungs- und die objektive Beweislast auf den Ausländer, der die gesetzliche Vermutung widerlegen muss, um in den Genuss der Flüchtlingsanerkennung zu gelangen (vgl. BVerwG 10 C 27.07 - a.a.O. Rn. 14).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann daher bei Ausländern, die als Jugendliche eingereist sind und sich in einem Folgeverfahren auf neue exilpolitische Aktivitäten berufen, § 28 Abs. 2 AslyVfG nicht bereits dann außer Betracht bleiben, wenn sie sich bei Verlassen des Herkunftslands auf Grund ihres Alters und Entwicklungsstands noch keine feste politische Überzeugung bilden konnten. Die entsprechende, für das Asylgrundrecht geltende Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG findet im Rahmen von § 28 Abs. 2 AsylVfG keine Anwendung. Die Regelvermutung des § 28 Abs. 2 AsylVfG gilt vielmehr auch in Fällen, in denen sich der Ausländer alters- und entwicklungsbedingt im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte, diesen Entwicklungsstand aber - wie hier - vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens erreicht hat.
Dabei ist davon auszugehen, dass in aller Regel bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahrs, spätestens jedoch mit Vollendung des 18. Lebensjahrs die Herausbildung einer festen politischen Überzeugung möglich ist. Ein Anhaltspunkt dafür, dass diese Reife regelmäßig schon von einem 16-Jährigen erwartet werden kann, ergibt sich aus § 12 Abs. 1 AsylVfG. Danach ist ein Ausländer im Asylverfahren, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschäftsunfähig oder im Falle seiner Volljährigkeit in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt zu unterstellen wäre, mit Vollendung des 16. Lebensjahrs handlungsfähig. Geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Jugendlicher typischerweise bereits mit 16 Jahren in der Lage ist, selbst ein Asylverfahren durchzuführen und die damit verbundenen Chancen und Risiken einzuschätzen, spricht dies dafür, dass er in diesem Alter in aller Regel auch schon die Reife zum Innehaben einer festen politischen Überzeugung besitzt. Im Übrigen ist spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahrs "Politikmündigkeit" anzunehmen. Der Gesetzgeber hat an diese Altersgrenze nicht nur den Eintritt der Volljährigkeit (vgl. § 2 BGB), sondern auch das aktive und das (allgemeine) passive Wahlrecht geknüpft (vgl. Art. 38 Abs. 2 GG).
Damit greift hier die - im Einzelfall allerdings widerlegbare - Regelvermutung des § 28 Abs. 2 AsylVfG ein. Denn der Kläger war bei Abschluss seines ersten Folgeverfahrens im August 2002 bereits volljährig und damit in der Lage, sich eine feste politische Überzeugung zu bilden. Dies zeigt sich auch daran, dass er sich schon damals - wenngleich eher in untergeordneter Weise - politisch betätigt hat.
4. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die Regelvermutung des § 28 Abs. 2 AsylVfG im Fall des Klägers der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegensteht oder ob ein Ausnahmefall vorliegt. Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In dem erneuten Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht zu klären, ob der Kläger die gesetzliche Regelvermutung des § 28 Abs. 2 AsylVfG zu widerlegen vermag.
Hierfür genügt allerdings nicht, dass der Kläger sich schon vor Abschluss des dem streitgegenständlichen Folgeverfahren vorausgegangenen (ersten) Folgeverfahrens exilpolitisch betätigt hat. Wie der Senat bereits mit Urteil vom entschieden hat, ist den Vorgaben in Art. 5 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/83/EG zu entnehmen, dass das Kriterium der Kontinuität nach außen betätigter politischer Überzeugung auch gemeinschaftsrechtlich legitim ist und Indizwirkung besitzen kann, ohne jedoch allein zur Widerlegung der Vermutung auszureichen. Bleibt das Betätigungsprofil des Betroffenen nach Abschluss des Asylverfahrens unverändert, liegt die Annahme einer missbräuchlichen Verknüpfung von Nachfluchtaktivitäten und begehrtem Status eher fern. Wird der Asylbewerber jedoch nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmals exilpolitisch aktiv oder intensiviert er seine bisherigen Aktivitäten, muss er dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, dies geschehe in erster Linie, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen. Dazu hat der Tatrichter die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motive für seine erstmalig aufgenommenen oder intensivierten Aktivitäten vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen (vgl. BVerwG 10 C 27.07 - a.a.O. Rn. 16).
Bei dieser Gesamtwürdigung wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der Kläger gute Gründe dafür hat, warum er seine exilpolitischen Aktivitäten nach dem erfolglosen Abschluss seines ersten Folgeverfahrens ausgeweitet und an einem regimekritischen Theaterstück mitgewirkt hat, das über das Fernsehen in den Iran ausgestrahlt wurde. Bei der Frage, ob die vom Kläger nunmehr geltend gemachten politischen Aktivitäten unter Berücksichtigung seiner früheren Aktivitäten im Bundesgebiet die erforderliche Kontinuität aufweisen, ist zu berücksichtigen, dass bei Jugendlichen an die Betätigung ihrer politischen Überzeugung nur alters- und entwicklungsentsprechende Anforderungen gestellt werden können. Andererseits ist hier aber auch in den Blick zu nehmen, dass der Kläger - wie auch die anderen Angehörigen seiner Familie - mit seinen exilpolitischen Aktivitäten erst nach Abschluss des asylrechtlichen Erstverfahrens begonnen hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte er das 16. Lebensjahr bereits vollendet. Da von einem Jugendlichen nach den obigen Grundsätzen in aller Regel bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahrs das Innehaben einer festen politischen Überzeugung erwartet werden kann, wirft dies die Frage auf, warum er nicht schon vor, sondern erst nach Abschluss des Erstverfahrens begonnen hat, seine politische Überzeugung kundzutun.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Der Senat geht davon aus, dass der im Revisionsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärte Teil des Rechtsstreits (betreffend die Abschiebungsandrohung in den Iran) so geringfügig ist, dass er kostenrechtlich nicht ins Gewicht fällt (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.
Fundstelle(n):
UAAAD-35563