BGH Urteil v. - V ZR 83/09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OLG Rostock, 3 U 200/08 vom LG Rostock, 4 O 84/07 vom

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem über das Vermögen der i. Rostocker I. GmbH (im Folgenden Schuldnerin) am eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der A. O. mbH & Co.KG (im Folgenden AVO).

Mit notariellem Vertrag vom (UR-Nr. 3890/1992) hatte die Schuldnerin ihrem von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer C. T. eine Teilfläche ihres Flurstücks 24/2 zum Preise von 2.400.000 DM verkauft. Die anhand eines Lageplans näher bezeichnete Teilfläche wurde später als Flurstück 24/9 gebucht. In § 8 des Vertrages heißt es:

"Da der Käufer das hier erworbene Grundstück in die AVO ... einbringen wird, bewilligen die Beteiligten zur Sicherung deren Eigentumsübertragung eine Vormerkung zugunsten der AVO ..."

Mit weiterem notariell beurkundeten Vertrag vom (UR-Nr. 3891/1992) vereinbarten C. T. und die AVO die Einbringung der verkauften Fläche in die Gesellschaft und bewilligten "zur Sicherung der Eigentumsübertragung auf den Erwerber" die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Schließlich gaben der für sich und zugleich als Geschäftsführer der Schuldnerin handelnde T. sowie der Geschäftsführer der AVO in der notariellen Urkunde vom folgende Erklärungen ab:

"Wir ... beziehen uns auf den Kaufvertrag vom ... sowie auf den Einbringungsvertrag vom gleichen Tag ...

Ich trete hiermit meine Ansprüche aus dem vorerwähnten Kaufvertrag hinsichtlich des Erwerbs des Eigentums an dem veräußerten Grundbesitz sowie ferner meine Ansprüche aus der ... Vormerkung ab an die ... AVO ...

Diese Gesellschaft nimmt die Abtretung der vorerwähnten Ansprüche hiermit an".

Am wurde in das Grundbuch folgende Vormerkung eingetragen:

"Vormerkung auf Übertragung des Eigentums an einer ca. 21.100 m² großen Teilfläche des Flurstücks 24/2 für die AVO ... Gemäß Bewilligung vom eingetragen am ".

Auf die Kaufpreisforderung leistete C. T. nur eine Teilzahlung, so dass zunächst ein Betrag von 711.017,65 DM offen blieb. Vor diesem Hintergrund erwirkte der Kläger nach der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens einen Vollstreckungsbescheid, der u.a. die noch offene restliche Kaufpreisforderung umfasste. Mit Schreiben vom lehnte er die Erfüllung des Kaufvertrages nach § 9 GesO ab, verfolgte dessen ungeachtet aber die noch offene Kaufpreisforderung in dem auf Einspruch von T. durchgeführten Klageverfahren weiter. Der Rechtsstreit wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg rechtskräftig abgeschlossen. Zur restlichen Kaufpreisforderung heißt es in der Entscheidung, der Anspruch sei durch Aufrechnung erloschen. Am wurde über das Vermögen von C. T. das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung der Vormerkung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von diesem Gericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I. Das Berufungsgericht meint, die Beklagte sei nicht Inhaberin der Vormerkung geworden. Zwar sei der AVO der ursprünglich C. T. gegen die Schuldnerin zustehende Eigentumsverschaffungsanspruch abgetreten worden. Ein Übergang der eingetragenen Vormerkung nach § 401 BGB scheitere jedoch daran, dass diese nicht die Forderung von Thesenfitz habe sichern sollen, sondern lediglich einen (eigenen) Eigentumsverschaffungsanspruch der AVO gegen die Schuldnerin bzw. - so heißt es an späterer Stelle des Berufungsurteils - gegen T. . Ein Austausch der zu sichernden Forderung lasse sich den getroffenen Vereinbarungen nicht entnehmen.

II. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage ist unbegründet.

1. Die Beklagte ist nicht nach § 894 BGB verpflichtet, die Löschung der Vormerkung zu bewilligen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Vormerkung zugunsten der AVO entstanden und mit der zu sichernden Forderung auf die Beklagte als deren Rechtsnachfolgerin übergangen. Unrichtig ist das Grundbuch nur insofern, als es nicht die Beklagte als nunmehrige Rechtsinhaberin ausweist. Eine auf die Eintragung der Beklagten abzielende Berichtigung oder Klarstellung des Grundbuchs ist jedoch nicht beantragt (§ 308 Abs. 1 ZPO).

a) Bis zu der eingetretenen Rechtsnachfolge stimmte das Grundbuch mit der materiellen Rechtslage überein.

aa) Nach der Grundbuchlage sollte die Vormerkung einen Eigentumsverschaffungsanspruch der AVO gegen die Schuldnerin sichern. Das sieht das Berufungsgericht im Ausgangspunkt nicht anders. Soweit es an anderer Stelle des Berufungsurteils missverständlich heißt, die Vormerkung habe einen Eigentumsverschaffungsanspruch der AVO gegen C. T. sichern sollen, stünde einem solchen - widersprüchlichen - Verständnis jedenfalls entgegen, dass bei der Auslegung von Grundbucheintragungen vorrangig auf deren Wortlaut und Sinn abzustellen ist, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (std. Rspr., vgl. nur Senat, BGHZ 92, 351, 355; 113, 374, 378; Urt. v. , V ZR 17/01, NJW 2002, 3021, 3022). Denn ein unbefangener Betrachter wird regelmäßig davon ausgehen, dass eine gegen den Inhaber des betroffenen Rechts gerichtete Forderung gesichert werden soll. Das gilt umso mehr, als nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senat, BGHZ 12, 115, 120; 134, 182, 188) nur solche Ansprüche vormerkungsfähig sind, die sich gegen denjenigen richten, dessen Grundstück (oder Grundstücksrecht) von der Vormerkung betroffen wird (sog. Identitätsgebot). Die Vormerkung soll den Gläubiger nur davor schützen, dass sein Schuldner die Rechtszuständigkeit verliert. Zudem dient das - auch aus § 886 BGB herzuleitende - Identitätsgebot der Erhaltung der Verkehrsfähigkeit von Grundstücken, indem es einer übermäßigen Vorverlegung des Vormerkungsschutzes einen Riegel vorschiebt (vgl. Senat, BGHZ 134, 182, 188).

bb) Die AVO war auch Inhaberin des durch die Vormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs. Zwar folgt aus dem akzessorischen Charakter der Vormerkung, dass vormerkungsberechtigt nur der Gläubiger des gesicherten schuldrechtlichen Anspruches sein kann. Nicht in den Blick genommen hat das Berufungsgericht jedoch, dass diese Voraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn ein Dritter den Anspruch als eigenes Forderungsrecht im Sinne von § 328 BGB erworben hat (vgl. nur Senat, Urt. v. , V ZR 137/07, NJW 2009, 356, 357 m.w.N.). Die Revision rügt daher der Sache nach zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob der AVO mit dem Kaufvertrag vom ein solches Recht zugewandt werden sollte. Diese Prüfung kann der Senat - da weitere Feststellungen hierzu nicht zu erwarten sind - nachholen. Sie führt zur Bejahung der Frage.

(1)

Bei der gebotenen Auslegung des Kaufvertrages kommt es nicht maßgebend darauf an, dass in dem Kaufvertrag nicht explizit von einem eigenen schuldrechtlichen Eigentumsverschaffungsanspruch der AVO die Rede ist. Denn in Übereinstimmung mit allgemeinen Auslegungsgrundsätzen stellt § 328 Abs. 2 BGB klar, dass aus den Umständen, insbesondere aus dem Zweck des Vertrages zu entnehmen ist, ob der Dritte ein eigenes Forderungsrecht erwerben und ob dieses ggf. sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen zur Entstehung gelangen soll (vgl. auch MünchKomm-BGB/Gottwald, 5. Aufl., § 328 Rdn. 32 ff. m.w.N.). Gemessen daran ist davon auszugehen, dass der AVO ein eigener Eigentumsverschaffungsanspruch für den Fall zugewandt werden sollte, dass es zu dem Abschluss des bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses anvisierten Einbringungsvertrages zwischen C. T. und der AVO kommen würde. Dass das Anliegen der Kaufvertragsparteien dahin ging, der an dem Vertrag nicht beteiligten AVO einen gesicherten Eigentumserwerb für den genannten Fall zu ermöglichen, geht aus der in § 8 des Kaufvertrages erklärten Eintragungsbewilligung klar hervor. Da diese Vertragsbestimmung zudem zeigt, dass die gewollte Absicherung - soweit irgend möglich - bereits mit den Erklärungen in der Kaufvertragsurkunde sichergestellt werden sollte, ist davon auszugehen, dass die Kaufvertragsparteien in interessengerechter Umsetzung ihres Anliegens der akzessorischen Vormerkung auch die notwendige schuldrechtliche Grundlage verschaffen wollten. Dass in der später beurkundeten Vereinbarung vom von der Abtretung des (schuldrechtlichen) Anspruchs von C. T. an die AVO die Rede ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn diese ersichtlich nur vorsorglich getroffene Abrede sollte die Rechtsposition der AVO nur verstärken, was nicht zuletzt durch die - an sich überflüssige - weitere Wendung bestätigt wird, es würden auch die "Ansprüche aus der Vormerkung" abgetreten.

(2)

Der Entstehung der Vormerkung steht nicht entgegen, dass bedingte und künftige Ansprüche nach der eng auszulegenden Vorschrift des § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB nur vormerkungsfähig sind, wenn das Rechtsgeschäft bereits den erforderlichen sicheren Rechtsboden für das künftige Wirksamwerden des Anspruches bietet (vgl. nur Senat, Beschl. v. , V ZB 30/01, NJW 2002, 2461, 2462 m.w.N.). Denn diese Voraussetzung ist hier schon deshalb gewahrt, weil der zu sichernde bedingte Anspruch bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrages entstand (vgl. Senat, BGHZ 38, 369, 371; Beschl. v. , a.a.O.) und der Eintritt der Bedingung vom Willen der Verkäuferin als Schuldnerin des Eigentumsverschaffungsanspruches unabhängig war (zu diesem Gesichtspunkt vgl. , NJW 2006, 2408, 2409; MünchKomm-BGB/Wacke, 4. Aufl., § 883 Rdn. 23 f.). Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass der Einbringungsvertrag noch am Tage des Kaufvertragsschlusses notariell beurkundet wurde und damit die vereinbarte Bedingung bei der späteren Eintragung der Vormerkung in das Grundbuch bereits eingetreten war.

(3)

Entgegen der Auffassung des Klägers scheitert die Annahme eines der AVO zustehenden eigenen Forderungsrechts nicht an dem Beurkundungserfordernis nach § 313 BGB a.F. Denn der Kaufvertrag ist notariell beurkundet worden. Dass sich die Beurkundung auf den durch Auslegung ermittelten Vertragsinhalt erstreckt, liegt schlicht auf der Hand.

b) Der vorgemerkte Anspruch ist nicht nachträglich untergegangen.

aa) Das Recht des Verwalters nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GesO i.V.m. Art. 103 Satz 1 EGInsO, die Erfüllung eines durch den anderen Teil nicht (vollständig) erfüllten Vertrages abzulehnen, setzt sich nicht gegenüber einem durch Vormerkung gesicherten Anspruch durch (§ 9 Abs. 1 Satz 3 GesO; vgl. auch BGHZ 131, 189, 191; Senat, BGHZ 149, 1, 5 f.; Urt. v. , V ZR 52/95, NJW 1996, 1056, 1057). Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass der Kaufpreisanspruch unstreitig teilweise durch Zahlung erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) und im Übrigen nach den Feststellungen in dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozess, die das Landgericht des hiesigen Rechtsstreits übernommen hat, durch Aufrechnung erloschen ist (§ 389 BGB i.V.m. § 7 Abs. 5 GesO). Dass Letzteres unzutreffend ist, macht der Kläger schon nicht unter Bezugnahme auf entgegenstehendes tatsächliches Vorbringen geltend.

bb) Die im Jahr 2007 eingetretene Insolvenz von C. T. ist ebenfalls unerheblich. Ein T. zustehender Eigentumsverschaffungsanspruch ist spätestens infolge der Abtretung vom aus der Insolvenzmasse ausgeschieden. Der Kläger verweist auch auf kein Parteivorbringen, aus dem sich eine insolvenzrechtliche Anfechtung der Abtretungserklärung ergibt. Es braucht daher nicht erörtert zu werden, welche Auswirkungen eine solche Anfechtung auf das eigene - vormerkungsgesicherte - Forderungsrecht der AVO hätte.

c) Der Anspruch der Beklagten auf Eigentumsverschaffung ist nicht verwirkt (§ 242 BGB). Dass es schon an dem für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment fehlt, hat das Landgericht überzeugend dargetan. Der Senat nimmt auf diese Erwägungen Bezug.

2. Schließlich ist die Beklagte auch nicht zur Beseitigung der bestehenden Vormerkung nach § 886 BGB verpflichtet. Der Schuldnerin steht keine dauernde Einrede im Sinne dieser Vorschrift zu. Insbesondere greift die erhobene Verjährungseinrede nicht durch. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, unterlag der Anspruch zunächst der dreißigjährigen Regelverjährung des § 195 BGB a.F. und ab dem mit neuem Fristlauf den Vorschriften des nunmehr geltenden Verjährungsrechts (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Einschlägig ist die zehnjährige Verjährungsfrist nach § 196 BGB, die noch nicht abgelaufen ist.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 und 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
SAAAD-35487