BAG Urteil v. - 6 AZR 561/08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: Dienstvertragsordnung der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen (DienstVO vom i.d.F. vom ), Anlage 9: Ordnung zur Sicherung der Mitarbeiter bei Rationalisierungsmaßnahmen und Einschränkungen von Einrichtungen (Sicherungsordnung) Nr. 8, 9; Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte (TVRatAng vom i.d.F. vom ) § 7; Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte (TVRatAng vom i.d.F. vom ) § 8; BGB § 310 Abs. 4; GG Art. 3 Abs. 1; Richtlinie 2000/78/EG Art. 6 Abs. 1 S. 1; AGG § 1; AGG § 3; AGG § 7; AGG § 8; AGG § 10; BetrVG § 74 Abs. 2 S. 1; SGB II § 12a; Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung vom , BGBl. I S. 734) § 3; SGB VI § 77 Abs. 2

Instanzenzug: LAG Niedersachsen, 2 Sa 6/08 vom ArbG Braunschweig, 4 Ca 194/07 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Abfindung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 9.137,30 Euro brutto.

Die Beklagte ist eine Kirchengemeinde. Der Kläger war bei ihr ab April 2000 gegen eine Bruttomonatsvergütung iHv. zuletzt 1.827,46 Euro als Kirchenvogt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft Bezugnahme im Arbeitsvertrag die Dienstvertragsordnung der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen (DienstVO) vom in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Mit der 31. Änderung der DienstVO am wurde als Anlage 9 die Ordnung zur Sicherung der Mitarbeiter bei Rationalisierungsmaßnahmen und Einschränkungen von Einrichtungen (Sicherungsordnung) eingefügt. Bis zur 61. Änderung der DienstVO vom regelte die Sicherungsordnung ua.:

"Nr. 8

Abfindung

(1) Der Mitarbeiter, der auf Veranlassung des Anstellungsträgers im gegenseitigen Einvernehmen oder aufgrund einer Kündigung durch den Anstellungsträger aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, erhält eine Abfindung nach Maßgabe der Tabelle in Anlage 1.

...

Nr. 9

Persönliche Anspruchsvoraussetzungen

(1) Ansprüche aus dieser Ordnung bestehen nicht, wenn der Mitarbeiter erwerbsunfähig oder berufsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist oder die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder einer entsprechenden Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI oder der Zusatzversorgung erfüllt. Einer Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit steht die Invalidität (Artikel 2 § 7 Abs. 3 RÜG) gleich.

(2) Besteht ein Anspruch auf Abfindung und wird der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr innerhalb eines Zeitraumes vollenden, der kleiner ist als die der Abfindung zugrunde liegende Zahl der Monatsbezüge, oder ist absehbar, dass innerhalb dieses Zeitraumes einer der Tatbestände des Absatzes 1 eintritt, verringert sich die Abfindung entsprechend.

..."

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch eine betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom zum . Der am geborene Kläger konnte unmittelbar nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzeitig Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen. Er beantragte diese Rente nicht, war in der Zeit vom bis zum arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Seit dem erhält der Kläger eine Altersrente ohne Abschläge iHv. monatlich 758,00 Euro. Hätte das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum fortbestanden und wären bis zu diesem Zeitpunkt Rentenversicherungsbeiträge entrichtet worden, hätte die Altersrente des Klägers aufgrund seiner Bruttomonatsvergütung von 1.827,46 Euro ab dem monatlich 770,98 Euro betragen.

Der Kläger hat gemeint, ihm stehe nach Nr. 8 Abs. 1 Sicherungsordnung eine Abfindung zu. Diese betrage nach der Tabelle in Anlage 1 zur Sicherungsordnung aufgrund seiner Beschäftigungszeit und seines Alters fünf Monatsbezüge und somit 9.137,30 Euro brutto. Der in Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung geregelte Ausschlusstatbestand des möglichen Bezugs einer Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung hindere seinen Abfindungsanspruch nicht. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe er nur vorgezogene, aber keine abschlagsfreie Altersrente beanspruchen können. Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung nehme nur Mitarbeiter aus, die nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf eine abschlagsfreie Altersrente hätten. Ein anderes Verständnis der Abfindungsregelung bewirkte eine unzulässige Benachteiligung rentennaher Mitarbeiter wegen ihres Alters. Bei der Auslegung von Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung sei zu berücksichtigen, dass nach § 12a Satz 2 SGB II Hilfebedürftige bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet seien, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, und dass gemäß § 3 der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente vom (Unbilligkeitsverordnung, BGBl. I S. 734) die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente unbillig sei, wenn Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Wenn schon ein Hilfebedürftiger nicht gezwungen werden dürfe, Altersrente mit Abschlägen vorzeitig in Anspruch zu nehmen, dürfe auch ein aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung arbeitslos gewordener Mitarbeiter nach der Vollendung des 63. Lebensjahres nicht in Zwangsrente geschickt werden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung iHv. 9.137,30 Euro brutto nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung schließe einen Abfindungsanspruch des Klägers aus. Die Vorschrift stelle weder ihrem Wortlaut nach auf eine abschlagsfreie Altersrente ab, noch diskriminiere sie rentennahe Mitarbeiter wegen ihres Alters.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Abfindungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Gründe

I. Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abfindung nach Nr. 8 Abs. 1 Sicherungsordnung. § 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung schließt den Abfindungsanspruch des Klägers aus.

1. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag die DienstVO vom in der jeweils gültigen Fassung und damit auch die am als Anlage 9 eingefügte Sicherungsordnung wirksam in Bezug genommen. Die in der DienstVO getroffenen Regelungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Sie sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen. Die der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen angehörenden Kirchengemeinden stellen sie ihren Mitarbeitern beim Abschluss von Arbeitsverträgen. Für ihre wirksame Inbezugnahme im Arbeitsvertrag ist nicht erforderlich, dass der Mitarbeiter beim Abschluss des Arbeitsvertrags von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen konnte (Senat - 6 AZR 76/07 - AP BGB § 305c Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 15).

2. Die Regelungen der DienstVO unterliegen der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen sind dieser Überprüfung nicht durch § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB entzogen (Senat - 6 AZR 160/05 - mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7). Bei der Inhaltskontrolle ist allerdings gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB als arbeitsrechtliche Besonderheit angemessen zu berücksichtigen, dass kirchliche Arbeitsvertragsregelungen auf dem sog. "Dritten Weg" entstehen. Die DienstVO und ihre Änderungen wurden von einer gemäß dem jeweils gültigen Kirchengesetz der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen über die Rechtsstellung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (Mitarbeitergesetz) gebildeten und paritätisch besetzten Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission beschlossen. Werden von den nach dem Mitarbeitergesetz dazu befugten Stellen gegen einen Beschluss der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission Einwendungen erhoben, schließt sich ein Schlichtungskommissionsverfahren an. Das Mittel des Arbeitskampfes steht keiner Seite zur Verfügung.

3. Werden kirchliche Arbeitsvertragsregelungen auf dem sog. "Dritten Weg" von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission beschlossen, unterliegen sie jedenfalls dann, wenn sie einschlägige tarifvertragliche Regelungen des öffentlichen Dienstes ganz oder mit im Wesentlichen gleichen Inhalten übernehmen, wie Tarifregelungen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Inhaltskontrolle. In diesem Fall rechtfertigen die Unterschiede gegenüber der Entstehung von Tarifverträgen keine weitergehende Überprüfung (Senat - 6 AZR 160/05 - AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7; - BAGE 84, 282). Die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien sind bei einer solchen Übernahme einschlägiger Tarifverträge des öffentlichen Dienstes wie diese nur daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen (Senat - 6 AZR 160/05 - mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7).

4. Die in den Nr. 8 und 9 Sicherungsordnung getroffene Abfindungsregelung ist der Abfindungsregelung im Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte (TVRatAng) vom idF vom und damit der Abfindungsregelung im einschlägigen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes nachgebildet. § 7 Abs. 1 TVRatAng bestimmt in Übereinstimmung mit Nr. 8 Abs. 1 Sicherungsordnung, dass der Angestellte, der auf Veranlassung des Arbeitgebers im gegenseitigen Einvernehmen oder aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, eine Abfindung erhält, deren Höhe sich nach einer Tabelle bemisst. Die in Nr. 8 Abs. 1 Sicherungsordnung als Anlage 1 bezeichnete Tabelle entspricht dieser Tabelle. § 8 Abs. 1 Satz 1 TVRatAng regelt ua., dass Ansprüche aus diesem Tarifvertrag nicht bestehen, wenn der Angestellte die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt. Dieser Ausnahmetatbestand stimmt mit der in Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung getroffenen Regelung überein. Aufgrund der Übernahme der einschlägigen tariflichen Abfindungsregelungen des öffentlichen Dienstes unterliegen die Bestimmungen der Sicherungsordnung nur der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle tarifvertraglicher Regelungen.

5. Nach Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung bestehen Abfindungsansprüche nicht, wenn der Mitarbeiter erwerbsunfähig oder berufsunfähig iSd. gesetzlichen Rentenversicherung ist oder die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt. Die letztgenannte Voraussetzung für den Ausschluss der Abfindung liegt vor. Nach der Vollendung seines 63. Lebensjahres konnte der am geborene Kläger ab dem Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch nehmen.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers schließt Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung den Anspruch auf die Abfindung nicht nur dann aus, wenn die Voraussetzungen für den Bezug einer abschlagsfreien Altersrente erfüllt sind. Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig. Er stellt allein auf den Bezug einer Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres ab. Die Bestimmung erfasst damit vorgezogene Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig von der Höhe der mit dem vorzeitigen Bezug der Altersrente verbundenen Abschläge.

b) Ohne Bedeutung ist, dass vormals unter bestimmten Voraussetzungen eine vorgezogene Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch ohne Abschläge bezogen werden konnte. Die in § 77 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI enthaltene Abschlagsregelung bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente wegen Alters trat bereits zum in Kraft (Art. 1 des Gesetzes vom , BGBl. I S. 2261) und damit mehrere Jahre vor der 31. Änderung der DienstVO vom , mit der die Sicherungsordnung von der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission beschlossen wurde. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass diese wusste, dass die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit Abschlägen verbunden ist.

c) Dem Auslegungsergebnis steht die in Nr. 9 Abs. 2 Sicherungsordnung für Mitarbeiter ohne Rentenanspruch getroffene Regelung nicht entgegen. Sie beinhaltet, dass die Abfindung sich entsprechend verringert, wenn der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr innerhalb eines Zeitraums vollendet, der kleiner ist als die der Abfindung zugrunde liegende Zahl der Monatsbezüge. Für die Frage, ob einem Mitarbeiter eine Abfindung zusteht, wenn er vorzeitig Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann, ist sie ohne Bedeutung.

6. Die Ausnahmeregelung in Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung hält der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle stand.

a) Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am und damit vor dem Inkrafttreten des AGG am aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Die Ausnahmeregelung in Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung ist deshalb nicht an den Maßstäben des AGG zu messen (zum Stichtag für die Anwendung der Bestimmungen des AGG vgl. - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200; - 1 AZR 684/07 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 197 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 29). Überprüfungsmaßstab ist auch nicht ein gemeinschaftsrechtliches Verbot der Altersdiskriminierung. Ein solches von den Gerichten der Mitgliedstaaten zu beachtendes Verbot setzt voraus, dass die möglicherweise diskriminierende Behandlung einen gemeinschaftsrechtlichen Bezug aufweist. Hieran fehlt es. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom war vor dem Ablauf ihrer - für Deutschland bis zum verlängerten - Umsetzungsfrist jedenfalls in den Fällen, in denen die in Rede stehende Maßnahme nicht der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts diente, nicht geeignet, den gemeinschaftsrechtlichen Bezug herzustellen ( - mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 197 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 29).

b) Die Ausnahmeregelung in Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission war bei der Einfügung der Sicherungsordnung in die DienstVO ebenso wie die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen ebenso wie Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen (vgl. Senat - 6 AZR 301/08 -). Die Feststellung, dass der allgemeine Gleichheitssatz wegen der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte von der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission ebenso wie von den Tarifvertragsparteien bei der von ihnen zu verantworteten Regelbildung zu beachten ist, führt bei der Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu anderen Prüfungsmaßstäben, als sie im Falle der unmittelbaren Grundrechtsbindung heranzuziehen wären (vgl. Senat - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 16).

bb) Der allgemeine Gleichheitssatz ist Ausdruck des Gerechtigkeitsgedankens im Grundgesetz und fundamentales Rechtsprinzip ( - BVerfGE 78, 232, 248). Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Regelbildung auszuschließen (Senat - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 17). Den Anforderungen des Gleichheitssatzes wird genügt, wenn bei typisierender Betrachtung der jeweiligen Gruppen sachbezogene Gruppenunterschiede erkennbar sind und deshalb die unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. zur Gruppenbildung bei Sozialplänen - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200; - 1 AZR 684/07 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 197 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 29; - 1 AZR 1004/06 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 191 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 29).

cc) Zweck der Abfindung nach § 7 Abs. 1 TVRatAng ist es, den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes zu entschädigen (Senat - 6 AZR 760/95 - AP TVRatAng § 7 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Abfindung Nr. 3). Dieses Ziel verfolgt auch die Regelung in Nr. 8 Abs. 1 Sicherungsordnung, die der genannten Tarifvorschrift entspricht. Diese Zielsetzung wird daraus deutlich, dass die Höhe der Abfindung sich nach der Beschäftigungszeit und dem Lebensalter des Angestellten bzw. Mitarbeiters bestimmt. Allerdings erschöpft sich der Zweck der Abfindungen nach § 7 Abs. 1 TVRatAng und nach Nr. 8 Abs. 1 Sicherungsordnung nicht in einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ebenso wie Sozialplanabfindungen (vgl. - mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 197 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 29) dienen diese Abfindungen vor allem auch dem Ausgleich oder der Milderung künftiger wirtschaftlicher Nachteile, die infolge des Verlustes des Arbeitsplatzes entstehen. Nur so ist es erklärlich, dass die Tarifvertragsparteien des TVRatAng in § 8 Abs. 1 dieses Tarifvertrags und die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission in Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung bestimmt haben, dass die Abfindung unter den in diesen Vorschriften genannten Voraussetzungen nicht zusteht. Dieser zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion der Abfindungen steht nicht entgegen, dass die Höhe der Abfindungen sich nach der Beschäftigungszeit und dem Lebensalter richtet. Dies ist in aller Regel auch bei Sozialplanabfindungen der Fall. Gleichwohl ist in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass eine Sozialplanabfindung weder eine Entschädigung für den Verlust des Besitzstands noch ein zusätzliches Entgelt für in der Vergangenheit geleistete Dienste darstellt ( - 1 AZR 684/07 - mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 197 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 29).

dd) Diese Doppelfunktion der Abfindung nach Nr. 8 Abs. 1 Sicherungsordnung rechtfertigt es, Mitarbeitern gemäß Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 Sicherungsordnung die Abfindung vorzuenthalten, wenn sie Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen können. Zwischen der Gruppe der Mitarbeiter mit und der Gruppe der Mitarbeiter ohne diesen Rentenanspruch bestehen bei der gebotenen typisierenden Betrachtung hinsichtlich des Erfordernisses eines Ausgleichs oder einer Milderung künftiger wirtschaftlicher Nachteile Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Mitarbeiter, die unmittelbar nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen können, erleiden typischerweise deutlich geringere wirtschaftliche Nachteile als diejenigen Mitarbeiter, die noch keinen Anspruch auf Altersrente haben und denen längere Arbeitslosigkeit droht. Letztgenannte Mitarbeiter müssen nicht selten nach dem Wegfall von Arbeitslosengeld einen längeren Zeitraum wirtschaftlich überbrücken, bis sie wieder Arbeit finden oder rentenberechtigt werden. Insofern gilt für die in der Sicherungsordnung geregelte Abfindung nichts anderes als für Sozialplanabfindungen (vgl. dazu - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200; - 1 AZR 684/07 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 197 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 29; - 1 AZR 1004/06 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 191 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 26). Auch bei der Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom ist anerkannt, dass kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe besteht, wenn die Voraussetzungen für den Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes erfüllt sind (Senat - 6 AZR 645/98 - AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7).

ee) Wenn die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission die sachbezogenen Gruppenunterschiede in der Weise berücksichtigt hat, dass sie der Überbrückungsfunktion der Abfindung für den Fall eines möglichen Bezugs einer Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung Vorrang gegenüber der Entschädigungsfunktion eingeräumt und die rentenberechtigten Mitarbeiter von der Zahlung der Abfindung völlig ausgenommen hat, hat sie keine gleichheitswidrige Gruppenbildung vorgenommen. Hätten auch die rentenberechtigten Mitarbeiter Anspruch auf eine Abfindung, könnten die wirtschaftlichen Nachteile der von längerer Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter ohne Rentenanspruch aufgrund der nur beschränkt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für Abfindungszahlungen nicht in der geregelten Weise ausgeglichen oder gemildert werden. Dies gilt auch dann, wenn die rentenberechtigten Mitarbeiter nur eine geringere Abfindung beanspruchen könnten. Mit dem völligen Ausschluss von Abfindungszahlungen für rentenberechtigte Mitarbeiter hat die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission den unterschiedlichen zukünftigen wirtschaftlichen Nachteilen beider Mitarbeitergruppen Rechnung getragen und somit auf sachbezogene Gruppenunterschiede abgestellt. Wenn sie damit im Ergebnis angenommen hat, dass bei den rentenberechtigten Mitarbeitern aufgrund ihrer wirtschaftlichen Absicherung beim Rentenbezug anders als bei den von längerer Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeitern ohne Rentenanspruch kein Ausgleich bzw. keine Milderung zukünftiger wirtschaftlicher Nachteile erforderlich ist, überschreitet diese Einschätzung nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht.

ff) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, er verfüge über keine angemessene Rente. Die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission musste in der Sicherungsordnung den Ausschluss des Abfindungsanspruchs nicht an eine Mindestaltersrente binden. Sie durfte vielmehr davon ausgehen, dass die rentenberechtigten Mitarbeiter ungeachtet ihrer individuellen Erwerbsbiographie und der Höhe der ihnen jeweils zustehenden Altersrente mit dieser ihren Lebensunterhalt bestreiten können und deshalb bei typisierender Betrachtung die Zahlung einer Abfindung zum Ausgleich oder zur Milderung zukünftiger wirtschaftlicher Nachteile nicht erforderlich ist. Wenn die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission von der vom Kläger geforderten Härtefondsregelung abgesehen hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

c) Dem Kläger stünde die von ihm beanspruchte Abfindung auch dann nicht zu, wenn die Vorschriften des AGG Anwendung fänden.

aa) Nach § 7 Abs. 1 1. Halbs. AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

bb) Ungeachtet der Regelung in § 8 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gemäß § 10 Satz 1 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG Differenzierungen von Leistungen iSd. Betriebsverfassungsgesetzes einschließen, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

cc) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass die Betriebsparteien in einem Sozialplan die Leistungen des Sozialplans reduzieren oder auch völlig ausschließen dürfen, wenn vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch genommen werden kann. Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist durch § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200). Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Regelung ein legitimes Ziel. Es entspricht einem allgemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden können, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes jeweils drohen. Die Differenzierung zwischen rentenberechtigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmern ohne Rentenanspruch ist iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG objektiv und angemessen. Im deutschen Recht ist sie durch ein sozialpolitisches Ziel gerechtfertigt. Auch das Mittel zur Erreichung dieses legitimen Ziels ist angemessen und erforderlich ( - aaO.). Die zukünftigen wirtschaftlichen Nachteile sind bei Arbeitnehmern, die aufgrund ihrer Rentenberechtigung wirtschaftlich abgesichert sind, typischerweise wesentlich geringer als bei von längerer Arbeitslosigkeit bedrohten "rentenfernen" Arbeitnehmern (vgl. - Rn. 17, 25 mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 198). Damit die Betriebsparteien dieser unterschiedlichen wirtschaftlichen Ausgangslage in einem Sozialplan ausreichend Rechnung tragen können, ist es erforderlich, ihnen entsprechende Sozialplangestaltungen zu ermöglichen. Der Ausschluss von Sozialplanabfindungen bei rentenberechtigten Arbeitnehmern erlaubt es den Betriebsparteien, die nicht unbegrenzt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel dort einzusetzen, wo sie zur Überbrückung und zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile tatsächlich benötigt werden.

dd) Diese Grundsätze gelten auch für die Sicherungsordnung. Sie ist zwar kein Sozialplan iSd. Betriebsverfassungsgesetzes. Sie wurde jedoch von einer paritätisch besetzten Kommission verhandelt und beschlossen. Ihr Zustandekommen ähnelt damit der Vereinbarung von Sozialplänen auf betrieblicher Ebene. Sowohl kirchliche Arbeitsvertragsregelungen als auch Sozialpläne (§ 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) dürfen nicht durch Arbeitskämpfe erstritten werden. Das kirchliche Schlichtungskommissionsverfahren unterscheidet sich nicht grundlegend vom betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstellenverfahren. Dies rechtfertigt es, die für Sozialpläne geltenden Grundsätze auch bei den von einer paritätisch besetzten Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission beschlossenen kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen anzuwenden. Dieses Verständnis entspricht auch der im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach für generalisierende vertragliche Abfindungsregelungen im Ergebnis nichts anderes als für entsprechende Regelungen in Sozialplänen gilt (vgl. Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 59; Adomeit/Mohr Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz § 7 Anh. 2 Rn. 55; Löwisch DB 2006, 1729, 1730).

d) Der Hinweis des Klägers auf § 12a SGB II hilft ihm nicht weiter. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II sind Hilfebedürftige verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend davon sind Hilfebedürftige nach § 12a Satz 2 SGB II bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Der am geborene Kläger hatte bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum bereits das 63. Lebensjahr vollendet. Hinzu kommt, dass die Abfindungsregelung in der Sicherungsordnung und der erst am in Kraft getretene § 12a SGB II unterschiedliche Zwecke verfolgen. § 12a Satz 1 SGB II regelt die Subsidiarität von Leistungen der Grundsicherung gegenüber Sozialleistungen anderer Träger der Sozialversicherung. Der kirchliche Arbeitgeber ist jedoch kein "anderer Träger der Sozialversicherung". Er erbringt keine Sozialleistungen iSv. § 12a Satz 1 SGB II. Dies hindert auch die nach Ansicht des Klägers gebotene entsprechende Anwendung von § 3 Unbilligkeitsverordnung, wonach die Inanspruchnahme vorgezogener Altersrente unbillig ist, wenn Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 243 Nr. 5
CAAAD-35449