Annahme einer Zollanmeldung erst nach Gestellung der Waren
Gesetze: ZK Art. 4 Nr. 5, ZK Art. 8, ZK Art. 63, ZK Art. 67, ZK Art. 202 Abs. 1, ZKDV Art. 201 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meldete am als zugelassener Versender zwei Warensendungen zur Überführung in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren im elektronischen Verfahren ATLAS an, wobei sie als Gestellungsort den hierfür zugelassenen, in der Freizone Hamburg befindlichen Betrieb der Fa. X angab. Die Zollanmeldungen wurden am selben Tag registriert und die begleitenden Versanddokumente der Klägerin elektronisch übermittelt. Die Container wurden am 6. bzw. nach Z befördert und der dortigen Bestimmungsstelle gestellt.
Anlässlich einer späteren Prüfung wurde festgestellt, dass sich die Waren im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldungen am nicht auf dem Gelände der Fa. X, sondern noch auf einem einlaufenden Seeschiff befunden hatten und erst am auf dem Betriebsgelände der Fa. Y entladen worden waren. Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass keine wirksame Gestellung vorgelegen habe und die Überlassung zum Versandverfahren daher als nichtig (unwirksam) anzusehen sei, setzte er mit zwei auf Art. 202 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) gestützten Bescheiden die auf die Waren entfallenden Einfuhrabgaben gegen die Klägerin fest.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Abgabenschuld nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK entstanden sei, weil die Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien, denn die Annahmen der Zollanmeldungen seien mangels Gestellung der Waren unwirksam. Auch wenn eine Zollanmeldung vor Gestellung der Waren abgegeben werden dürfe, so könne doch nach Art. 63 ZK die Zollanmeldung erst nach Gestellung der Waren von der Zollbehörde angenommen werden. Da sich im Streitfall die Waren im Zeitpunkt der Annahmen der Zollanmeldungen nicht an dem in der Anmeldung angegebenen Ort, sondern noch auf dem Schiff befunden hätten, seien die Annahmen der Zollanmeldungen rechtswidrig gewesen. Dieser Fehler sei offenkundig und schwerwiegend gewesen, weshalb die Annahmen der Zollanmeldungen gemäß Art. 10 ZK i.V.m. § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) als nichtig anzusehen seien.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg; der geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.
Die für den Streitfall maßgebende Frage, ob die Zollbehörde eine Zollanmeldung vor Gestellung der betreffenden Waren annehmen kann, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nur so beantworten lässt, wie es das FG getan hat. Dass diese Frage zu verneinen ist, folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift des Art. 63 ZK sowie der diesbezüglichen Kommentarliteratur (vgl. Weymüller in Dorsch, Zollrecht, Art. 63 Rz 22, 26; Witte/ Henke, Zollkodex, 5. Aufl., Art. 63 Rz 4) und wird bestätigt durch Art. 201 Abs. 2 Satz 4 der Zollkodex-Durchführungsverordnung —ZKDVO— (seinerzeit Art. 201 Abs. 3 ZKDVO), der den Fall betrifft, in dem die Zollbehörde die Abgabe der Zollanmeldung vor Gestellung gestattet hat und der ausdrücklich vorschreibt, dass diese Zollanmeldung erst angenommen werden kann, nachdem die betreffenden Waren gestellt oder für eine Kontrolle zur Verfügung gestellt worden sind.
Die von Seiten der Beschwerde vertretene Unterscheidung zwischen der Annahme der Zollanmeldung und dem Eintritt ihrer Rechtsfolgen und die von ihr daraus hergeleitete Möglichkeit der schwebenden Unwirksamkeit einer Annahme der Zollanmeldung (bis die fehlende Gestellung nachgeholt worden ist) findet in den maßgebenden Vorschriften keine Stütze. Grundsätzlich ist nach Art. 67 ZK der Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung durch die Zollbehörde in Bezug auf alle Vorschriften über das Zollverfahren zugrunde zu legen, zu dem die betreffenden Waren angemeldet worden sind. Für eine schwebende Unwirksamkeit der Annahme der Zollanmeldung dergestalt, dass die durch sie ausgelösten Rechtsfolgen erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem Zeitpunkt der Annahmeerklärung eintreten, ist somit kein Raum. Die Hinweise der Beschwerde auf Stimmen in der Literatur, die angeblich ihre Auffassung stützen, beziehen sich in Wahrheit auf die Abgabe der Zollanmeldung, nicht aber auf ihre Annahme. Im Übrigen ist nach den Feststellungen des FG im Streitfall auch nicht erkennbar, dass die im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldungen fehlende Gestellung der Waren bei dem zuständigen Zollamt zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nachgeholt worden ist.
Ob die weiteren von der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen nach der Anwendbarkeit des § 125 Abs. 1 AO und nach dem Vorliegen seiner Voraussetzungen, d.h. eines schwerwiegenden und offenkundigen Fehlers im Fall der Annahme der Zollanmeldung vor Gestellung der Waren, klärungsbedürftig sind, kann offenbleiben, weil die Entscheidung des FG, ohne dass es auf diese Fragen ankommt, jedenfalls im Ergebnis richtig ist (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Beschwerdeverfahren: Senatsbeschluss vom VII B 279/98, BFH/NV 2000, 324).
Der beschließende Senat hat mit Urteil vom VII R 2/08 (zur Veröffentlichung in BFHE bestimmt) entschieden, dass es sich bei der Annahme der Zollanmeldung um eine zollrechtliche Entscheidung i.S. des Art. 4 Nr. 5 ZK handelt, die nach Art. 8 ZK zurückgenommen werden kann. Wollte man somit —anders als das FG— § 125 Abs. 1 AO für im Streitfall nicht anwendbar oder seine Voraussetzungen für nicht erfüllt halten, so wäre doch jedenfalls in den an die Klägerin gerichteten Anhörungsschreiben des HZA vom bzw. sowie in den Einfuhrabgabenbescheiden vom die Rücknahme der Annahmen der Zollanmeldungen zu sehen, weil das HZA hiermit unmissverständlich erklärt hat, dass die Annahmen der Zollanmeldungen nicht als wirksam anzusehen seien und die Rechtsfolge der Überführung der Waren in das Versandverfahren nicht ausgelöst hätten.
Nach den vom FG getroffenen Feststellungen besteht auch kein Zweifel, dass die Voraussetzungen der Rücknahme einer begünstigenden Entscheidung gemäß Art. 8 ZK im Streitfall vorliegen. Die Annahmen der Zollanmeldungen waren begünstigende Entscheidungen, die aufgrund unrichtiger Tatsachen ergangen sind und die aufgrund der richtigen Tatsachen nicht hätten ergehen dürfen, wobei der Klägerin die Unrichtigkeit der Tatsachen, dass sich nämlich die Waren an dem angegebenen Gestellungsort in Wahrheit nicht befanden, vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen (Art. 8 Abs. 1 ZK). Die Rücknahme der Annahme der Zollanmeldungen gilt nach Art. 8 Abs. 3 ZK ab dem Zeitpunkt, zu dem die zurückgenommene Entscheidung ergangen ist. Daraus folgt, dass die Waren nicht am in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführt worden sind.
Der Senat hält die Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen Gemeinschaftsrechts für zweifelsfrei. In einem Revisionsverfahren bestünde daher keine Verpflichtung, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorzulegen (vgl. 283/81 —C.I.L.F.I.T—, Slg. 1982, 3415, 3430).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 266 Nr. 2
EAAAD-34793