Leitsatz
[1] Streiten der Hersteller eines im Inland zugelassenen Pflanzenschutzmittels A und ein Dritter, der für das von ihm importierte Pflanzenschutzmittel B die für das Produkt A bestehende Zulassung in Anspruch nimmt, über die chemische Identität der beiden Mittel, liegt die Darlegungs- und Beweislast hierfür bei dem Dritten (teilweise Aufgabe von BGH GRUR 2003, 254 - Zulassungsnummer III).
Gesetze: PflSchG § 11 Abs. 1; UWG § 3; UWG § 4; UWG § 9; ZPO § 296 Abs. 2; ZPO § 379; ZPO § 402
Instanzenzug: LG Bonn, 14 O 29/06 vom OLG Köln, 6 U 135/06 vom
Tatbestand
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat der Klägerin die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel "T. " erteilt, welches den Wirkstoff Quizalofop-P enthält.
Die Beklagte bot von Oktober bis Dezember 2005 ein nach ihren Angaben in Österreich hergestelltes Pflanzenschutzmittel mit der Bezeichnung "Quizalofop-p-Ethyl 50 g/l EU-Import" (im Weiteren: Quizalofop) an, das im Europäischen Wirtschaftsraum über keine eigene Zulassung verfügte. Sie gab als Referenzmittel das Produkt der Klägerin "T. " an und berief sich auf dessen chemische Identität mit ihrem eigenen Mittel.
Nach dem Vortrag der Klägerin wies das von der Beklagten angebotene Mittel erhebliche Wirkstoffverunreinigungen auf, die außerhalb der zugelassenen Spezifikation lagen.
Das Landgericht hat die Beklagte dem Klageantrag folgend verurteilt, der Klägerin unter Angabe der Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise, Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, Gestehungskosten und des erzielten Gewinns Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie ihr Mittel in den Geltungsbereich des deutschen Pflanzenschutzgesetzes eingeführt und/oder hier in Verkehr gebracht, das heißt angeboten und/oder zur Abgabe vorrätig gehalten und/oder feilgehalten und/oder an andere abgegeben hat. Darüber hinaus hat es - wie ebenfalls von der Klägerin beantragt - festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin allen durch den Vertrieb ihres Mittels in der Bundesrepublik Deutschland entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen hat.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte nicht zur Rechnungslegung, sondern nur zur Auskunftserteilung verurteilt wird und dass die Verpflichtung der Beklagten zur Angabe der Gestehungskosten und des erzielten Gewinns entfällt (, [...]).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes und damit auch gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG gesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Nachdem die Beklagte den ihr aufgegebenen Auslagenvorschuss für das zur Frage der stofflichen Identität der beiden Mittel einzuholende Sachverständigengutachten nicht einbezahlt habe, sei vom Fehlen der Stoffidentität auszugehen. Nach der vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Zulassungsnummer III" (Urt. v. - I ZR 134/00, GRUR 2003, 254, 255 = WRP 2003, 268) vertretenen Ansicht trage allerdings der Inhaber der Zulassung die Darlegungslast für das Fehlen der Identität der beiden Produkte. Der Streitfall zeichne sich aber dadurch aus, dass die Beklagte die stoffliche Identität der in Rede stehenden Mittel behaupte, obgleich sie die Zulassungsformulierung erklärtermaßen nicht kenne. Die Zulassungsformulierungen seien beim zuständigen Bundesamt auch nicht in Erfahrung zu bringen, weil sie der Geheimhaltung unterlägen. Die Aufbürdung der vollständigen Darlegungs- und Beweislast belastete die Klägerin in dieser Situation unzumutbar, weil sie zunächst die bis dahin geheimen Unterlagen offenbaren müsste, um darlegen zu können, dass das von der Beklagten in den Verkehr gebrachte Mittel qualitativ oder quantitativ andere als die in der Zulassung beschriebenen Inhaltsstoffe aufweise. Die Beklagte müsse ihrerseits, wenn sie die Verkehrsfähigkeit ihres Mittels in Bezug auf ein Referenzprodukt nicht nur ins Blaue hinein behauptet habe, eine vergleichende Untersuchung ihres Produkts mit dem Referenzprodukt veranlasst haben. Der Beweis, dass die angebotenen Produkte unter Berücksichtigung der zulässigen Toleranzen stoffidentisch seien, obliege daher zunächst der Beklagten. Bei Führung dieses Beweises spreche eine Vermutung dafür, dass das von der beklagten Partei vertriebene Mittel auch den in der Zulassung beschriebenen Einzelheiten gerecht werde; die Klägerin könne alsdann unter Offenlegung der Einzelheiten der Zulassung den Nachweis für das Gegenteil führen.
II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beweislast für die zwischen den Parteien streitige Frage der Identität ihrer Mittel bei der Beklagten liegt und der von ihr in dieser Hinsicht angetretene Sachverständigenbeweis im Hinblick auf die verspätete Einzahlung des Auslagenvorschusses nicht zu erheben war.
1. Die Frage, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch und - als Hilfsanspruch zu dessen Durchsetzung - ein Auskunftsanspruch zusteht, richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Verhaltensweise geltenden Recht. Damit ist hier auf die Bestimmungen der § 9 Satz 1 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 und - soweit ein Verstoß der Beklagten gegen das Pflanzenschutzrecht in Rede steht - auf § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG in der Fassung abzustellen, in der diese Bestimmung in der Zeit vom bis zum gegolten hat. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
2. Das Berufungsgericht hat weiterhin zutreffend angenommen, dass bei einem im Europäischen Wirtschaftsraum hergestellten Pflanzenschutzmittel - von einem solchen ist das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten ausgegangen - die Frage der Identität mit einem zugelassenen Mittel auch noch im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung geklärt werden kann, bei der die Parteien um die Frage streiten, ob die - nicht personenbezogene - Zulassung für das importierte Mittel ebenfalls gilt (vgl. , GRUR 1996, 372 f. = WRP 1996, 210 - Zulassungsnummer II; BGH GRUR 2003, 254, 255 - Zulassungsnummer III).
3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beweislast für die zwischen den Parteien streitige Identität ihrer beiden Mittel liege bei der Beklagten, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass es der Klägerin nicht zumutbar sei, ihre bislang geheime Zulassungsformulierung zu offenbaren, um darlegen zu können, dass das von der Beklagten in den Verkehr gebrachte Mittel nach Art oder Menge andere als die in der Zulassung beschriebenen Inhaltsstoffe aufweise. Es hat dabei allerdings nicht berücksichtigt, dass der Nachweis der fehlenden Identität, auch soweit er von der Klägerin zu erbringen ist, grundsätzlich keine solche Offenbarung erfordert. Das Berufungsgericht ist in dem Beweisbeschluss vom , mit dem es der Beklagten die Einzahlung eines Auslagenvorschusses auferlegt hat, daher auch selbst - zutreffend - davon ausgegangen, dass die Frage, ob die Mittel der Parteien stoffidentisch sind, jedenfalls zunächst anhand von Proben der im Handel befindlichen Produkte zu klären sei, die dem beauftragten Sachverständigen zur Verfügung zu stellen seien.
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast lässt sich auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, die Beklagte müsse, wenn sie die Verkehrsfähigkeit ihres Mittels in Bezug auf ein Referenzprodukt nicht nur ins Blaue hinein behauptet habe, eine vergleichende Untersuchung ihres Produkts mit dem am Markt vertriebenen Referenzprodukt veranlasst haben. Die Revision weist insoweit mit Recht darauf hin, dass dasselbe für die Klägerin gilt, die als Beleg für ihre gegenteilige Sachdarstellung einen Analysebericht vorgelegt hat, aus dem sich nach ihrem Vortrag eine Verunreinigung des von der Beklagten vertriebenen Mittels ergibt.
b) Das Berufungsgericht ist bei der Beurteilung der Frage der Beweislast jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beweislast für das Fehlen der Identität zwischen dem Mittel der Klägerin "T. " und dem Mittel der Beklagten "Quizalofop" grundsätzlich bei der Klägerin liegt. Allerdings hat im Fall des § 4 Nr. 11 UWG entsprechend den allgemeinen Regeln der Anspruchsteller den Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. , GRUR 2002, 271, 273 = WRP 2002, 211 - Hörgeräteversorgung; Urt. v. - I ZR 77/05, GRUR 2008, 625 Tz. 18 = WRP 2008, 924 - Fruchtextrakt; Urt. v. - I ZR 61/05, GRUR 2008, 830 Tz. 13 = WRP 2008, 1213 - L-Carnitin II; Urt. v. - I ZR 112/05, GRUR 2008, 834 Tz. 11 = WRP 2008, 1209 - HMB-Kapseln). Etwas anderes gilt aber, wenn das beanstandete Verhalten unter einem Verbot mit Erlaubnis-vorbehalt steht. In diesem Fall muss der Anspruchsteller lediglich darlegen und beweisen, dass das beanstandete Verhalten von dem generellen Verbot erfasst wird. Demgegenüber trägt der in Anspruch Genommene die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das fragliche Verhalten ausnahmsweise zulässig ist (vgl. BGHZ 163, 265, 273 f. - Atemtest). Pflanzenschutzmittel dürfen grundsätzlich nur eingeführt oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG). Bei Pflanzenschutzmitteln, die ohne eigene Zulassung nur im Falle ihrer stofflichen Identität mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln eingeführt oder in Verkehr gebracht werden dürfen, liegt danach die Darlegungs- und Beweislast für die Identität beim Importeur bzw. Vertreiber des jeweiligen Präparats. Soweit sich aus der Senatsentscheidung "Zulassungsnummer III" Gegenteiliges ergibt (BGH GRUR 2003, 254, 255), wird hieran nicht festgehalten.
4. Das Berufungsgericht hat in seinem Beweisbeschluss vom einen Auslagenvorschuss für den beauftragen Sachverständigen im Hinblick darauf, dass beide Parteien insoweit Beweis angeboten hatten und die Beweislast nach den vorstehenden Ausführungen bei der Beklagten liegt, mit Recht von dieser angefordert (vgl. , NJW 1999, 2823, 2824; Urt. v. - VI ZR 207/98, NJW 2000, 1420, 1422). Nachdem die Beklagte diesen Vorschuss nicht, wie im Beweisbeschluss bestimmt, bis zum , sondern erst am einbezahlt hatte, hat das Berufungsgericht - wie es im angefochtenen Urteil erläutert hat - gemäß § 379 Satz 2 i.V. mit § 402 ZPO von der Beauftragung des Sachverständigen abgesehen, weil diese die bereits zuvor auf dem bestimmte mündliche Verhandlung unmöglich gemacht und das Verfahren damit verzögert hätte. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und lässt auch ansonsten keinen Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat weiterhin ausgeführt, dass diese Verfahrensweise die Beklagte grundsätzlich nicht daran gehindert hätte, den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bis zur letzten mündlichen Verhandlung aufrechtzuerhalten, und dass das Gericht in diesem Fall zu entscheiden gehabt hätte, ob dem Beweisantrag noch stattzugeben oder ob er gemäß § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen gewesen wäre (vgl. , NJW 1998, 761, 762). Ein entsprechender Antrag sei von der Beklagten in der Berufungsverhandlung am jedoch nicht gestellt worden und wäre im Übrigen zurückzuweisen gewesen, weil seine verspätete Stellung auf grober Fahrlässigkeit beruht habe und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Diese Beurteilung wird von der Revision ebenfalls nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und lässt auch sonst keinen Rechtsfehler erkennen.
III.
Da sich die Entscheidung des Berufungsgerichts nach allem als im Ergebnis richtig darstellt, ist die Revision auf Kosten der Beklagten zurückzuweisen (§§ 561, 97 Abs. 1 ZPO).
Fundstelle(n):
NJW-RR 2010 S. 767 Nr. 11
MAAAD-34478
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja