BAG Beschluss v. - 1 ABR 49/08

Leitsatz

[1] Die Betriebsparteien können nicht vereinbaren, dass die Zustimmung des Betriebsrats als verweigert gilt, wenn zwischen ihnen bis zum Ablauf der Äußerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG kein Einvernehmen über eine vom Arbeitgeber beantragte Umgruppierung erzielt wird. Für den damit verbundenen Eingriff in das Zustimmungsersetzungsverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG) fehlt ihnen die Regelungskompetenz.

Gesetze: BetrVG § 99 Abs. 3; BetrVG § 99 Abs. 4

Instanzenzug: LAG Baden-Württemberg, 2 TaBV 5/07 vom ArbG Stuttgart, 31 BV 277/06 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die zutreffende Umgruppierung von Arbeitnehmern in ein neu eingeführtes tarifliches Vergütungsschema.

Die Arbeitgeberin ist eine Fluggesellschaft. Der zu 2) beteiligte Betriebsrat ist die für ihren Bodenbetrieb am Standort S gewählte Arbeitnehmervertretung. Die Vergütung des bei der Arbeitgeberin beschäftigten Bodenpersonals richtete sich zunächst nach dem Vergütungsrahmentarifvertrag für das Bodenpersonal idF vom . Am unterzeichneten die Verhandlungsführer der Tarifvertragsparteien eine als "Tarifergebnis Neues Vergütungssystem Boden DLH AG" bezeichnete Vereinbarung. Danach sollte ab dem ein neues Entgeltsystem für das Bodenpersonal die Regelungen des bisherigen Vergütungsrahmentarifvertrags ablösen. Der dazu vereinbarte Vergütungstarifvertrag Nr. 1 Bodenpersonal DLH (VTV Nr. 1) sowie der Tarifvertrag Vergütungssystem Boden DLH (TV VS Boden) sind mit Redaktionsstand "" bzw. "" von den Verhandlungsführern am paraphiert worden. Wann diese Tarifverträge endunterzeichnet wurden, ist nicht festgestellt.

Der TV VS Boden enthält die folgende Protokollnotiz III:

"Zuordnung der Mitarbeiter zum Aus Anlass der Umstellung der bisherigen Vergütungsrahmentarifverträge (VRTV für das Bodenpersonal der Deutschen Lufthansa in der Fassung vom und VRTV Neue Bundesländer vom ) auf die Regelungen des Tarifvertrags Vergütungssystem Boden (TV VS Boden) der Deutschen Lufthansa AG und der dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages zugeordneten Gesellschaften vom sind alle vom Geltungsbereich erfassten Mitarbeiter durch die Tarifpartner neu eingruppiert worden. Die Dokumentation der Eingruppierung wurde wie folgt vorgenommen: Die Eingruppierung erfolgte durch Beschluss der Tarifpartner anhand der zwischen den Tarifpartnern vereinbarten Listen für jeden einzelnen Mitarbeiter und jede vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages umfasste Gesellschaft nach folgenden Daten:

- Name und Vorname des Mitarbeiters

- Pk-Nr.

- Abteilung

- Bisherige Tätigkeits-/Stellenbezeichnung

- Bisherige Vergütungsgruppe

- Künftige Tätigkeits-/Stellenbezeichnung

- Künftige Vergütungsgruppe

- Funktionszulage (soweit anwendbar)

Die Tarifpartner haben getrennt nach den vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages umfassten Gesellschaften jede einzelne Seite dieser Liste unterzeichnet."

Die Arbeitgeberin ersuchte den Betriebsrat mit Schreiben vom um die Zustimmung zur Umgruppierung ihres am Standort S beschäftigten Bodenpersonals. Beigefügt waren die am von den Verhandlungsführern paraphierten Entwürfe des VTV Nr. 1 und des TV VS Boden, der Überleitungsvereinbarung sowie eine Gegenüberstellung der alten und neuen Tätigkeitsmerkmale. Eine auf den Standort S bezogene Überleitungsliste der Tarifpartner erhielt der Betriebsrat am . Dieser bat die Arbeitgeberin in einer E-Mail vom um die Verlängerung der Stellungnahmefrist bis zum . Nach weiterer Korrespondenz schlossen die Betriebsparteien am eine als Regelungsvereinbarung bezeichnete Vereinbarung mit folgendem Inhalt:

"Präambel

Aus Anlass der Umstellung des bisherigen Vergütungsrahmentarifvertrages für das Bodenpersonal der Deutsche(n) Lufthansa AG auf die Regelungen des Tarifvertrages Vergütungssystem Boden der Deutschen Lufthansa AG sind alle Mitarbeiter der Deutschen Lufthansa AG durch die Tarifpartner Deutsche Lufthansa AG/Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e. V. und ver.di neu eingruppiert worden. Dem Betriebsrat sind entsprechende Listen mit der für jeden Mitarbeiter vorgesehenen Eingruppierung überreicht und damit das Verfahren nach § 99 BetrVG eingeleitet worden.

1. Es besteht Einvernehmen darüber, dass es erforderlich ist, die korrekte Eingruppierung der Mitarbeiter durch den Betriebsrat in jedem Einzelfall zu überprüfen. Da eine nachvollziehbare Überprüfung der Umgruppierungen bzw. Eingruppierungen innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Frist nicht möglich ist, besteht Einvernehmen, dass die gesetzliche Stellungnahmefrist nach § 99 BetrVG bis zum verlängert wird.

2. Es besteht Einvernehmen darüber, dass alle Mitarbeiter zum entsprechend der von den Tarifpartnern vorgesehenen Eingruppierung in das neue Tarifsystem übergeleitet werden.

3. Geschäftsleitung und Betriebsrat werden abteilungsbezogen die korrekte Eingruppierung der betroffenen Mitarbeiter besprechen. Kommt zwischen den Betriebsparteien eine Einigung hinsichtlich der Eingruppierung zustande, so gilt der Mitarbeiter rückwirkend ab als korrekt eingruppiert. Die Geschäftsleitung wird dem Betriebsrat Anfang Dezember eine um Änderungen bei Mitarbeiter, die nach dem aufgrund von Stufensteigerungen, Umgruppierungen, Vergütungserhöhungen, Versetzungen etc. ergänzte Liste aller Mitarbeiter überreichen, die Grundlage der Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat sein wird.

4. Sollte bis zum eine vollständige Beurteilung der korrekten Eingruppierung nicht möglich sein, erfolgt für die noch offenen Fälle eine Verlängerung der Frist bis zum . Für die Fälle, die bis dahin nicht einvernehmlich geregelt werden, gilt die Zustimmung zur Eingruppierung als verweigert. Der Arbeitgeber wird dann die entsprechenden Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten.

5. Diese Regelungsvereinbarung gilt bis zum Abschluss der Umgruppierungsverfahren."

Bis zum fanden Gespräche zwischen den Beteiligten über die Umgruppierung der in der Überleitungsliste bezeichneten Arbeitnehmer statt. Eine schriftliche Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats erfolgte bis zum Ablauf des nicht. Die Betriebsparteien gingen zunächst übereinstimmend davon aus, dass die Zustimmung des Betriebsrats aufgrund der in Nr. 4 der Regelungsvereinbarung getroffenen Abrede als verweigert gilt. Sie verständigten sich in der Folgezeit auf die Durchführung eines Musterverfahrens zur Klärung der zwischen ihnen strittigen Fälle.

Die Arbeitgeberin hat daraufhin das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet. Sie hat die Auffassung vertreten, das Zustimmungsverfahren sei durch ihr Schreiben vom ordnungsgemäß eingeleitet worden. Die Zustimmung des Betriebsrats gelte nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da er bis zum Ablauf der vereinbarten Frist am seine Zustimmung nicht unter Angabe von Gründen verweigert habe. Jedenfalls sei die Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen, da die Betriebspartner an die tariflichen Vorgaben aus der Überleitungsliste gebunden seien.

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Frau I W in die Vergütungsgruppe F (Allrounder Vertrieb), des Herrn S U in die Vergütungsgruppe D (Professional Office), der Frau Ö T in die Vergütungsgruppe E (Allrounder Personal 1), der Frau C B, der Frau R J, der Frau H K, des Herrn F L, der Frau G W sowie der Frau U B alle in die Vergütungsgruppe E (Allrounder Planung 1), der Frau H A in die Vergütungsgruppe D (Professional Office), der Frau B B in die Vergütungsgruppe E (Allrounder Personal 1), der Frau D H in die Vergütungsgruppe F (Allrounder Operations 2), des Herrn R H in die Vergütungsgruppe D (Professional Operations 1), der Frau M M in die Vergütungsgruppe F (Allrounder Service 2), der Frau O J in die Vergütungsgruppe D (Professional Service 1), des Herrn W L in die Vergütungsgruppe E (Allrounder Disposition 1), der Frau A S in die Vergütungsgruppe D (Professional Disposition), der Frau B H in die Vergütungsgruppe D (Professional Disposition), der Frau M H in die Vergütungsgruppe F (Allrounder Service 2), der Frau S S, der Frau S H, des Herrn T L sowie des Herrn R D alle in die Vergütungsgruppe D (Professional Service 1), der Frau M K in die Vergütungsgruppe C (Professional Service 1), der Frau S H in die Vergütungsgruppe D (Professional Service 1) sowie der Frau H B in die Vergütungsgruppe C (Professional Service 1) nach Tarifvertrag Vergütungssystem Boden vom zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat gemeint, es fehle bereits an einer wirksamen Verfahrenseinleitung, da er von der Arbeitgeberin über die Umgruppierungen nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden sei. Der VTV Nr. 1 und der TV VS Boden hätten nur in einer paraphierten Fassung vorgelegen. Die Arbeitgeberin habe ihm weder die aktuellen Stellenbeschreibungen zur Verfügung gestellt noch ihn über das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit der von der Umgruppierung betroffenen Mitarbeiter unterrichtet. Die ausdrückliche Angabe von Zustimmungsverweigerungsgründen sei nach Nr. 4 der Regelungsvereinbarung vom entbehrlich gewesen. Das Berufen der Arbeitgeberin auf die unterbliebene Zustimmungsverweigerung sei rechtsmissbräuchlich.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt dieser weiterhin die Antragsabweisung.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Seine Zustimmung zu der Umgruppierung der im Antrag genannten Arbeitnehmer gilt nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren durch ihr Schreiben vom ordnungsgemäß eingeleitet. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu den Umgruppierungen nicht rechtzeitig in beachtlicher Weise verweigert. Das Berufen der Arbeitgeberin auf die Fristversäumnis ist nicht rechtsmissbräuchlich.

1. Die Arbeitgeberin hat mit Schreiben vom das Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ordnungsgemäß eingeleitet.

a) Das Eintreten der Rechtsfolge des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG setzt voraus, dass die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, innerhalb derer der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung erklären muss, in Gang gesetzt wird. Dazu hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen ausreichend gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu unterrichten ( - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 115, 173). Die Unterrichtungs- und Vorlagepflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dient dazu, dem Betriebsrat diejenigen Informationen zu verschaffen, die er benötigt, um sein Recht zur Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 BetrVG sachgerecht ausüben zu können. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt ( - zu B II 2 b bb [2] der Gründe, BAGE 113, 109). Bei Umgruppierungen gehört zu einer vollständigen Unterrichtung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Angabe der bisherigen und der vorgesehenen Vergütungsgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist.

b) Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat über die Gründe für die Umgruppierungen ordnungsgemäß unterrichtet.

aa) Im Schreiben vom hat die Arbeitgeberin die Notwendigkeit der Umgruppierungen mit der beabsichtigten Einführung des neuen Vergütungssystems für die im Bodendienst beschäftigten Arbeitnehmer begründet. Die betroffenen Arbeitnehmer waren in der Überleitungsliste mit ihrer Personalnummer aufgeführt und damit hinreichend individualisierbar bezeichnet. Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat die bisherige Vergütungsgruppe der betroffenen Arbeitnehmer mitgeteilt und angegeben, welcher Vergütungsgruppe nach dem TV VS Boden diese nunmehr zugeordnet werden sollen. Sie hat den Betriebsrat durch die Angaben in der auf der Überleitungsliste enthaltenen Spalte "Planstelle" darüber informiert, welche Tätigkeit die von dem Antrag betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich ausüben. Der Betriebsrat konnte aufgrund dieser Angaben prüfen, ob ein Anlass bestand, den Umgruppierungen die Zustimmung zu verweigern.

Die Arbeitgeberin war nicht gehalten, dem Betriebsrat das Lebensalter sowie die Betriebszugehörigkeit der von der Umgruppierung betroffenen Arbeitnehmer mitzuteilen oder die aktuellen Stellenbeschreibungen vorzulegen. Die Vergütungsmerkmale des TV VS Boden machen die Zuordnung zu einer der Vergütungsgruppen nicht von dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters oder einer Mindestbetriebszugehörigkeitszeit abhängig. Ebenso wenig bedurfte es der Vorlage einer formalisierten Beschreibung der von den Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten. Der Betriebsrat konnte die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Vergütungsmerkmalen des TV VS Boden auf der Grundlage der in der Überleitungsliste enthaltenen Mitteilung über die ausgeübte Tätigkeit beurteilen.

bb) Die ordnungsgemäße Einleitung des Zustimmungsverfahrens scheitert nicht daran, dass dem Betriebsrat der VTV Nr. 1 und der TV VS Boden nur in der am von den Tarifpartnern paraphierten Form zur Verfügung gestellt worden sind. Gegenstand des Zustimmungsersuchens der Arbeitgeberin war die beabsichtigte Umgruppierung der in der Überleitungsliste bezeichneten Arbeitnehmer in ein geändertes tarifliches Entgeltsystem. Die zukünftig anzuwendende Vergütungsordnung war für den Betriebsrat aus den paraphierten Entwürfen des VTV Nr. 1 und des TV VS Boden, die dem Schreiben der Arbeitgeberin vom beigefügt waren, ersichtlich.

2. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu den Umgruppierungen bis zum Ablauf der Äußerungsfrist am nicht wirksam verweigert. Es kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass die Betriebsparteien die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wirksam um mehr als sechs Monate bis zum verlängert haben. Der Betriebsrat hat es aber versäumt, sich bis zum Ablauf dieser Äußerungsfrist auf Zustimmungsverweigerungsgründe iSd. § 99 Abs. 2 BetrVG zu berufen.

a) Der Betriebsrat hat seine Zustimmung gegenüber den mit Schreiben vom von der Arbeitgeberin beantragten Umgruppierungen nicht in der Regelungsvereinbarung vom verweigert. In Nr. 4 der Regelungsvereinbarung liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine antizipierte Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats iSv. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Ein Erklärungswille, wonach er der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Vergütungsgruppen des TV VS Boden seine Zustimmung vorsorglich verweigert, lässt sich der in Nr. 4 der Regelungsvereinbarung gewählten Formulierung schon nicht entnehmen. Hiergegen spricht auch die Vorstellung der Betriebsparteien, die streitigen Fälle bis spätestens zum einvernehmlich zu regeln. Vielmehr sollte nach ihrer Vorstellung allein der Fristablauf für die am noch strittigen Fälle zu einer wirksamen Zustimmungsverweigerung führen. In Nr. 4 der Regelungsvereinbarung haben die Arbeitgeberin und der Betriebsrat daher nur eine Rechtsfolge festgeschrieben, die nach ihrem Willen bei einem fehlenden Konsens über die Zuordnung des Bodenpersonals in die Vergütungsgruppen des TV VS Boden eintreten sollte. Darüber hinaus fehlt es in der Regelungsvereinbarung an der nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erforderlichen Angabe eines Zustimmungsverweigerungsgrundes, der sich einem der Katalogtatbestände des § 99 Abs. 2 BetrVG zuordnen ließe.

b) Der Betriebsrat hat einen gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgrund nicht rechtzeitig geltend gemacht. Eine solche Angabe war nicht deshalb entbehrlich, weil die Betriebsparteien in Nr. 4 der Regelungsvereinbarung vom vereinbart haben, dass die Zustimmung des Betriebsrats für die Umgruppierungen als verweigert gilt, über die zum kein Einvernehmen erzielt worden ist. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats können zwar in einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich erweitert werden. Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die den Arbeitgeber zur Durchführung des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verpflichtet, wenn der Betriebsrat einer Umgruppierung bis zum Fristablauf nicht zustimmt, überschreitet aber die Regelungskompetenz der Betriebsparteien.

aa) Arbeitgeber und Betriebsrat sind berechtigt, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte zu erweitern. Dabei sind sie nicht auf die in § 88 BetrVG genannten Regelungsgegenstände beschränkt. Die Aufzählung der in dieser Vorschrift genannten Angelegenheiten ist nicht abschließend ( - zu III 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 88 Nr. 1). Den Betriebsparteien fehlt jedoch die Befugnis zu Eingriffen in das arbeitsgerichtliche Verfahren. Dieses steht nicht zu ihrer Disposition. Vielmehr obliegt dessen Ausgestaltung dem Gesetzgeber. Allein dieser ist befugt, den gerichtlichen Verfahrensablauf oder den Prüfungsgegenstand eines Beschlussverfahrens zu bestimmen.

bb) Die Betriebsparteien haben in Nr. 4 der Regelungsvereinbarung die in § 99 Abs. 2 bis 4 BetrVG vorgegebene gesetzliche Konzeption grundlegend abgeändert. Die von ihnen vereinbarte Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens ohne vorherige Angabe von Zustimmungsverweigerungsgründen betrifft nicht nur das Rechtsverhältnis der Betriebsparteien, sondern zugleich die Ausgestaltung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Eine solche Regelung entwertet das zur Entlastung der Arbeitsgerichte vorgesehene betriebliche Vorverfahren und weitet den Verfahrensgegenstand in dem Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG über das gesetzlich vorgegebene Maß hinaus aus.

(1) Der Betriebsrat kann einer Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG nur aus den im Gesetz abschließend bestimmten Gründen seine Zustimmung verweigern. Er genügt der gesetzlichen Obliegenheit, wenn es als möglich erscheint, dass mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend gemacht wird. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist dagegen unbeachtlich ( - zu B I 2 b der Gründe mwN, BAGE 102, 135). Die Begründung des Betriebsrats braucht nicht schlüssig zu sein; konkrete Tatsachen und Gründe müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden ( - zu B IV 2 a der Gründe mwN, BAGE 101, 298).

(2) Die vom Betriebsrat gewählte Begründung konkretisiert zugleich den Verfahrensgegenstand in dem von dem Arbeitgeber einzuleitenden Zustimmungsersetzungsverfahren. In diesem muss sich der Arbeitgeber nur mit den vom Betriebsrat angeführten beachtlichen Verweigerungsgründen auseinandersetzen ( - zu B I der Gründe). Der Betriebsrat ist mit Gründen, die er dem Arbeitgeber nicht innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG schriftlich mitgeteilt hat, im weiteren Verfahren ausgeschlossen. Ein Nachschieben von Zustimmungsverweigerungsgründen tatsächlicher Art nach Ablauf der Wochenfrist ist im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG grundsätzlich unzulässig ( - zu B II 3 der Gründe, BAGE 51, 345).

(3) Durch das in der Regelungsvereinbarung vorgesehene Verfahren werden Sachentscheidungsvoraussetzungen und Prüfungsumfang des gerichtlichen Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG in unzulässiger Weise verändert. Indem Nr. 4 Satz 2 der Regelungsvereinbarung die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats fingiert, ohne dass es der schriftlichen Geltendmachung eines der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend genannten Gründe bedürfte, wird die Beschränkung der gerichtlichen Prüfung auf die vom Betriebsrat rechtzeitig geltend gemachten beachtlichen Zustimmungsverweigerungsgründe beseitigt. Hierzu sind die Betriebsparteien nicht befugt.

3. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn die Arbeitgeberin in diesem Verfahren die Auffassung vertritt, der Betriebsrat habe seine Zustimmung nicht in beachtlicher Weise rechtzeitig verweigert. Es ist weder vom Landesarbeitsgericht festgestellt oder sonst ersichtlich, dass die Arbeitgeberin den Betriebsrat durch ihr Verhalten von einer form- und fristgerechten Zustimmungsverweigerung abgehalten hat. Auf die rechtliche Beurteilung der in Nr. 4 Satz 2 der Regelungsvereinbarung getroffenen Abrede durch die Arbeitsgerichte hatte die Arbeitgeberin hingegen keinen Einfluss. Die in § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG normierte Fiktion der von Betriebsrat zu erteilenden Zustimmung stellt keine Einrede des Arbeitgebers dar, auf die sich dieser im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren berufen müsste.

Fundstelle(n):
BB 2010 S. 124 Nr. 3
LAAAD-33959

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein