BGH Urteil v. - III ZR 6/09

Leitsatz

[1] Der Abschluss eines Vertrags, durch den ein Betreuer den Betreuten zur Vergütung von Dienstleistungen verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB), bedarf keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Gesetze: BGB § 611 Abs. 1; BGB § 1812 Abs. 1; BGB § 1908i Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Karlsruhe, 3 U 36/06 vom LG Karlsruhe, 4 O 790/05 vom

Tatbestand

Der Kläger hat die Beklagte, die unter Betreuung steht, auf Zahlung von 8.000 EUR mit der Begründung in Anspruch genommen, der vormalige Betreuer der Beklagten habe ihn im Herbst 2004 damit beauftragt, für die Beklagte persönliche Dienstleistungen verschiedenster Art zu erbringen. Vereinbart worden sei eine Pauschalvergütung von 5.000 EUR pro Monat zuzüglich Benzinkostenerstattung. Abzüglich einer Teilzahlung durch den Betreuer in Höhe von 2.500 EUR stehe ihm für die Zeit von Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2004 noch der geforderte Restbetrag zu.

Die Beklagte hat geltend gemacht, dass es zu einem Vertragsschluss nicht gekommen, ein solcher lediglich beabsichtigt gewesen sei. Im Übrigen hat sie sich unter anderem damit verteidigt, ein etwaiger Vertrag hätte nach § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1812 BGB der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurft.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr in Höhe von 3.666 EUR stattgegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Gründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme festgestellt, dass der vormalige Betreuer der Beklagten für diese mit dem Kläger den behaupteten Dienstvertrag mit einer Vergütung von 5.000 EUR pro Monat abgeschlossen hat, der Kläger aber nur in der letzten Oktoberwoche und im November für die Beklagte tätig gewesen sei. Einer Genehmigung des Vormundschaftsgerichts habe es nicht bedurft. Der Abschluss des Vertrags stelle keine Verfügung im Sinne des § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB und auch keine Verpflichtung zu einer solchen Verfügung im Sinne des § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne nicht jedes Rechtsgeschäft, zu dessen Erfüllung über Vermögenswerte der zu betreuenden Person verfügt werden müsse, der Genehmigungspflicht unterstellt werden. Denn § 1812 Abs. 1 BGB bezwecke, wie der Wortlaut und auch die Entstehungsgeschichte der Norm deutlich machten, keinen umfassenden, sondern nur einen auf bestimmte rechtsgeschäftliche Vorgänge beschränkten Schutz. Alle Verpflichtungsgeschäfte des Betreuers einer Genehmigungspflicht zu unterstellen, überschreite die Grenzen einer zulässigen Auslegung.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1.

Zu Unrecht wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zum Abschluss eines Dienstvertrags.

a)

Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dies kann lediglich überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 Abs. 1 ZPO gewahrt hat. Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (vgl. - NJW-RR 2004, 425 f; vom - XI ZR 211/03 -NJW-RR 2005, 558; Senat, Urteil vom - III ZR 46/06 - NJW-RR 2008, 1484, 1485, Rn. 22).

b)

Diesen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung.

aa)

Die Revision rügt insoweit auch nur, das Berufungsgericht habe die Annahme eines Vertragsschlusses nicht darauf stützen dürfen, dass der Zeuge R. - Leiter der Betreuungsbehörde - ein sofortiges Tätigwerden des Klägers im Interesse der Betreuten für dringend erforderlich gehalten habe. Denn es komme nicht auf R. , sondern auf den damaligen Betreuer Rechtsanwalt S. und damit darauf an, dass dieser mündlich eine verbindliche Regelung habe treffen wollen. Rechtsanwalt S. habe indessen ausgesagt, er habe dem Kläger mitgeteilt, dass der Vertrag durch das Vormundschaftsgericht genehmigt werden müsse. Hieraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass der Zeuge noch keine Einigung habe herbeiführen wollen, vielmehr den Kläger nur darauf hingewiesen habe, dass dieser vor Erteilung der Genehmigung auf eigenes Risiko tätig werde.

bb)

Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass zum einen sich die Formulierung im angefochtenen Urteil ("dass nach dem überzeugenden Bericht der Zeugen, insbesondere des Zeugen R. , ein sofortiges Tätigwerden zur Konsolidierung der überaus labilen psychischen Befindlichkeit der Beklagten dringend erforderlich war") auf beide Zeugen bezieht, wobei die Aussage des Zeugen R. lediglich hervorgehoben wurde, und zum anderen der von dem Zeugen S. bekundete Hinweis auf die Genehmigungsbedürftigkeit des Vertrages sich nicht auf die Unterredung bezieht, bei der nach der Überzeugung des Berufungsgerichts eine verbindliche Einigung erzielt wurde, sondern eine zeitlich viel spätere Besprechung am betrifft. Im Übrigen steht die etwaige Notwendigkeit einer Genehmigung nicht der Annahme entgegen, dass sich die Parteien des Vertrags bereits vorher mit Rechtsbindungswillen geeinigt haben. Insoweit hat der Zeuge S. bei seiner Vernehmung auch selbst deutlich gemacht, dass er mit einer entgeltlichen Dienstleistungstätigkeit des Klägers für die Beklagte einverstanden war. Dementsprechend hat er, worauf das Berufungsgericht im Tatbestand seines Urteils ausdrücklich hinweist, als Bevollmächtigter der Beklagten im PKH-Verfahren mit Schriftsatz vom den Abschluss des Vertrags "unstreitig gestellt". Erst nach Betreuer- und Anwaltswechsel ist der Abschluss im Klageverfahren bestritten worden.

2.

Eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts war nicht notwendig.

Nach § 1902 BGB vertritt der Betreuer in seinem Aufgabenkreis den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich. Diese umfassende Vertretungsmacht wird in den nachfolgenden Bestimmungen für einige Bereiche eingeschränkt und von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abhängig gemacht (§§ 1904, 1905 BGB bei bestimmten ärztlichen Maßnahmen; § 1906 bei der Unterbringung; § 1907 BGB für die Kündigung eines Mietverhältnisses sowie den Abschluss bestimmter mehrjähriger Vertragsverhältnisse; § 1908 BGB bei der Ausstattung). Darüber hinaus sind nach § 1908i BGB verschiedene Vorschriften des Vormundschaftsrechts auf die Betreuung sinngemäß anzuwenden und führen zu einer weiteren Einschränkung der Vertretungsmacht des Betreuers. Nach dem insoweit gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend anwendbaren § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Betreuer über eine Forderung oder über ein anderes Recht, kraft dessen der Betreute eine Leistung verlangen kann, sowie über ein Wertpapier des Betreuten nur mit Genehmigung des Gegenbetreuers verfügen, sofern nicht nach den §§ 1819 bis 1822 BGB die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist. Das Gleiche gilt von der Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ist ein Gegenbetreuer - wie hier - nicht vorhanden, so tritt an die Stelle seiner Zustimmung die des Vormundschaftsgerichts, sofern nicht die Betreuung von mehreren Betreuern gemeinschaftlich geführt wird (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1812 Abs. 3 BGB). Einschränkend bestimmt § 1813 BGB, dass das Zustimmungserfordernis im Falle der Annahme einer geschuldeten Leistung - Verfügung über die zugrunde liegende Forderung auf Leistung im Sinne des § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB - in bestimmten Fällen entfällt, so unter anderem wenn der Gegenstand der Leistung nicht in Geld oder Wertpapieren besteht (Abs. 1 Nr. 1) oder wenn der (Zahlungs-)Anspruch nicht mehr als 3.000 EUR beträgt (Abs. 1 Nr. 2).

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der abgeschlossene Dienstvertrag nicht der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurfte. Gegenstand war weder eine Verfügung im Sinne von § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB noch eine Verpflichtung zu einer solchen Verfügung im Sinne von § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB.

a)

Unter einer Verfügung versteht man ein Rechtsgeschäft, durch das der Verfügende auf ein Recht unmittelbar einwirkt, es also entweder auf einen Dritten überträgt oder mit einem Recht belastet oder das Recht aufhebt oder es sonstwie in seinem Inhalt ändert (vgl. nur BGHZ 1, 294, 304; 75, 221, 226; 101, 24, 26). Der Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags, durch den für die Beteiligten obligatorische Rechte und Pflichten begründet werden, fällt hierunter nicht.

b)

Der vormalige Betreuer hat die Beklagte auch nicht zu einer der Genehmigung bedürftigen Verfügung verpflichtet. Allerdings muss der Dienstberechtigte nach § 611 Abs. 1 BGB die vereinbarte Vergütung zahlen. Zur Erfüllung des Vertrags ist deshalb die Verfügung über Vermögenswerte des Betreuten notwendig, sei es, dass das Entgelt aus dem vorhandenen Barvermögen des Betreuten bezahlt wird, sei es, dass der Betreuer den geschuldeten Betrag von einem Konto des Betreuten an den Dienstverpflichteten überweist oder zum Zwecke der Weiterleitung abhebt. Inwieweit im Einzelfall entsprechende Handlungen ihrerseits nach §§ 1812, 1813 BGB genehmigungspflichtig sind, kann dahinstehen. Denn dies würde jedenfalls nicht zu einer Genehmigungsbedürftigkeit des zugrunde liegenden Dienstvertrags führen.

aa)

§ 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB betrifft nach seinem Wortlaut nicht jede, sondern nur ganz bestimmte Verfügungen über das Vermögen des Mündels. So sind z.B. Verfügungen über bewegliche Sachen wie etwa Bargeld, Schmuck oder sonstige Kostbarkeiten vom Wortlaut nicht erfasst. § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB erstreckt das Genehmigungserfordernis nicht allgemein auf die Begründung von Verpflichtungen zu Lasten des Mündels, sondern nur auf die zu einer Verfügung im Sinne von Satz 1. Eine unmittelbare Verpflichtung zu einer Verfügung "über eine Forderung oder ein anderes Recht, kraft dessen der Mündel eine Leistung verlangen kann, sowie über ein Wertpapier des Mündels" wird durch die mit dem Abschluss eines Dienstvertrags verbundene Pflicht zur Vergütung (§ 611 BGB) aber nicht begründet. Wie der Dienstberechtigte seine Vergütungspflicht erfüllt, steht ihm frei, wird mithin nicht bereits durch den Vertragsschluss rechtlich im Sinne einer Verfügung über eine Rechtsposition im Sinne des § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgegeben. Insoweit spricht der Wortlaut der Norm eher dagegen, Verträge der streitgegenständlichen Art unter § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB zu subsumieren.

bb)

Diese eingeschränkte Reichweite des § 1812 Abs. 1 BGB entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers.

(1)

Bei der Gestaltung des Vormundschaftsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat die Preußische Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 (Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten, 1875, S. 431) als Vorbild gedient. Diese sah - ausgehend von der dem Vormund obliegenden Sorge für die Person sowie die Vermögensangelegenheiten des Mündels (§ 27) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass der Mündel durch in seinem Namen vom Vormund vorgenommene Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet wird (§ 29) - in § 41 eine Genehmigung des Gegenvormunds nur zur Veräußerung von Wertpapieren, zur Einziehung, Abtretung oder Verpfändung von Kapitalien (sofern dieselben nicht bei Sparkassen belegt waren) und zur Aufgabe oder Minderung der für eine Forderung bestellten Sicherheit vor. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat insoweit das preußische Prinzip der Selbständigkeit des Vormunds, das lediglich in einigen konkret im Gesetz aufgeführten, nach Meinung des Gesetzgebers wichtigen Einzelfällen eingeschränkt ist, bewusst übernommen und sich nicht zuletzt aus Gründen der Praktikabilität sowie im Hinblick auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs gegen einen allumfassenden Schutz des Mündels vor etwaigen unzweckmäßigen oder böswilligen Handlungen des Vormunds durch Einführung allgemeinerer Genehmigungserfordernisse entschieden (vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. IV, Motive, S. 1010; 1022 ff; 1082 ff; 1122 ff). Hierbei zielte das Genehmigungserfordernis in § 1812 Abs. 1 BGB auf die vom Gesetzgeber als besonders schutzbedürftig angesehenen Leistungsansprüche des Mündels ab und sollte der Gefahr entgegenwirken, dass mit der Erfüllung der Obligation der Gegenstand der Leistung im Vermögen des Mündels an die Stelle des aufgehobenen Anspruchs tritt und dass nach der Natur dieses Gegenstands eine Schädigung des Mündels durch Verfügungen des Vormunds erleichtert wird. Das Erfordernis der Genehmigung hatte vornehmlich die praktische Bedeutung, dass dem Vormund die Umsetzung des Anspruchs in ein leichter entziehbares Objekt ohne die Kenntnisnahme des Gegenvormunds verwehrt wird, wobei eine erhebliche Gefährdung des Mündels insoweit gesehen wurde, als Geld oder Wertpapiere Gegenstand der Leistung waren (Mugdan, aaO, Motive S. 1125). Die Ausnahmen von der Genehmigungspflicht in § 1813 BGB wurden vor diesem Hintergrund deshalb als notwendig empfunden, da anderenfalls die Regelung geeignet sei, dem Vormund die Vermögensverwaltung unnötig zu erschweren, und dies auch im Rechtsverkehr als lästig empfunden werde (Mugdan, aaO, Motive S. 1125). Dagegen sollte die Verfügung über bewegliche Sachen des Mündels - auch Geld und Kostbarkeiten - als solche nicht vom Genehmigungserfordernis erfasst werden (Mugdan, aaO, Motive S. 1128 f; Protokolle S. 6394), hier der Schutz des Mündels nur über die Regelungen zur allgemeinen zivil- und gegebenenfalls strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Vormunds erfolgen (siehe auch Mugdan, aaO, Motive S. 1086).

(2)

Der historische Gesetzgeber ist in diesem Zusammenhang ersichtlich nicht von der Genehmigungsbedürftigkeit schuldrechtlicher Verträge ausgegangen, durch die der Mündel einen Anspruch auf eine Leistung - z.B. auf Übereignung eines Kaufgegenstands, auf eine Dienst- oder Werkleistung - erwirbt, im Gegenzug notwendigerweise aber auch die Verpflichtung zu deren Bezahlung übernimmt. Es ging nicht um den Schutz vor gegebenenfalls unwirtschaftlichen Rechtsgeschäften, sondern um den Schutz vor möglichen Untreuehandlungen des Vormunds bezüglich des von ihm verwalteten Mündelvermögens (vgl. auch Erman/Saar, BGB, 12. Aufl., § 1812, Rn. 1; Lafontaine in jurisPraxisKommentar, BGB, 4. Aufl., § 1812, Rn. 1; Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1812, Rn. 1; RGRK-Dickescheid, BGB, 12. Aufl., § 1812, Rn. 6; Staudinger/Engler, BGB, Neubearbeitung 2004, § 1812, Rn. 2). Diese sollten dadurch erschwert werden, dass der Vormund nicht ohne Zustimmung des Gegenvormunds die in § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB bezeichneten Rechte in leichter entziehbare Objekte, d.h. vor allem in Geld, umsetzen können sollte. Die Veränderung bestimmter Vermögensrechte in Geld, nicht aber die Begründung von Ansprüchen auf Leistung gegen Geld sollte erfasst werden. Hierbei spielte auch nicht so sehr die Möglichkeit der Versagung der Genehmigung eine Rolle - dem Gesetzgeber war durchaus bewusst, dass z.B. in den Fällen, in denen der Mündel zur Leistung verpflichtet ist, das Erfordernis der Genehmigung nur die Bedeutung hat, dass der Gegenvormund prüfen kann, ob das Recht des Vertragspartners tatsächlich besteht (Mugdan, aaO, Motive, S. 1124) - als vielmehr die dem Gegenvormund zu ermöglichende Kontrolle des Verbleibs von eingezogenem Geld (vgl. auch Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1812, Rn. 1, Staudinger/Engler, aaO, Rn. 32).

Damit dieser Zweck nicht vereitelt wird, stellt § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB dem dinglichen das obligatorische Rechtsgeschäft, das eine Verpflichtung zum dinglichen Rechtsgeschäft begründet, gleich (Mugdan, aaO, Motive, S. 1124). Der für ganz bestimmte Verfügungsgeschäfte vorgesehene Schutz in Satz 1 soll nicht umgangen werden dadurch, dass der Vormund sich zu einer solchen Verfügung schuldrechtlich verpflichtet und über den Weg einer Zwangsvollstreckung des Gläubigers ein Zustand hergestellt wird, der einer genehmigungsbedürftigen Verfügung entspricht (vgl. Erman/Saar, aaO, Rn. 12; MünchKomm/ Wagenitz, BGB, 5. Aufl., § 1812, Rn. 37; Palandt-Diederichsen, aaO, Rn. 9; RGRK-Dickescheid, aaO, Rn. 16; Soergel/Zimmermann, aaO, Rn. 10; Staudinger/Engler, aaO, Rn. 55). Der Regelung liegt somit eindeutig nicht der Wille des Gesetzgebers zugrunde, alle Verpflichtungen des Vormunds mit Wirkung für das Mündel einer umfassenden Genehmigungspflicht zu unterstellen oder allgemein Zwangsvollstreckungen von Gläubigern in nach § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB geschützte Rechte zu verhindern und insoweit die Wirksamkeit jeglichen Verpflichtungsgeschäftes des Vormunds von der Zustimmung des Gegenvormunds abhängig zu machen.

cc)

Dieser nur auf bestimmte rechtsgeschäftliche Vorgänge begrenzte Anwendungsbereich des § 1812 Abs. 1 BGB wird auch verdeutlicht durch die systematische Stellung der Norm im Rahmen der Regelungen über die Vermögensverwaltung in §§ 1802 ff BGB. Die Bestimmung ist inmitten der Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld sowie die Behandlung von Inhaber- sowie sonstigen Wertpapieren verortet. Soweit im Rahmen der Vermögensverwaltung nach §§ 1821, 1822 BGB die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts eingeholt werden muss, bezieht sich diese Regelung ebenfalls nur auf nach Meinung des Gesetzgebers besonders wichtige Rechtsgeschäfte.

dd)

Auch wenn daher der Normzweck des § 1812 Abs. 1 BGB im Schutz des Mündelvermögens besteht (vgl. nur Bamberger/Roth/Bettin, BGB, 2. Aufl., § 1812, Rn. 1; Erman/Saar, aaO, Rn. 1), handelt es sich hierbei nur um einen bewusst sehr eingeschränkten Schutz. § 1812 Abs. 1 BGB stellt insoweit eine begrenzte Ausnahmevorschrift zu der im Prinzip unbeschränkten Vertretungsmacht des Vormunds dar. Der Hinweis der Beklagten auf den vom Gesetzgeber beabsichtigten Schutz ihres Vermögens kann daher nicht als Rechtfertigung dienen, um die in § 1812 BGB angelegten Begrenzungen auf bestimmte Rechtsgeschäfte zu überspielen. Entgegen der Auffassung der Revision entspricht ein weiter Anwendungsbereich der Norm weder dem Wortlaut noch dem Willen des Gesetzgebers. Es ist nicht Ziel des § 1812 BGB, einen umfassenden Schutz des Mündels dergestalt zu erreichen, dass nach § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB alle Verpflichtungen des Mündels einer umfassenden Genehmigungspflicht zu unterstellen sind.

ee)

Die Beklagte übersieht im Übrigen bei ihrer in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung, aus § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Verbindung mit § 1812 Abs. 1 BGB lasse sich ableiten, dass Verpflichtungsgeschäfte bis 3.000 EUR genehmigungsfrei, darüber hinaus aber genehmigungspflichtig seien, dass sich § 1813 Abs. 1 BGB nur auf bestimmte Fälle der Annahme einer geschuldeten Leistung bezieht, die als Verfügung über den zugrunde liegenden Anspruch auf Leistung nach § 1812 Abs. 1 Satz 1 BGB der Zustimmung bedürfen. Mit der Frage, ob der Abschluss eines Dienstvertrags genehmigt werden muss, hat dies nichts zu tun. Genauso geht die Argumentation der Beklagten fehl, die in § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmte lediglich "sinngemäße" Anwendung der Vorschriften über die Führung der Vormundschaft lasse Raum, sich von den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers des 19. Jahrhunderts zum Vormundschaftsrecht zu lösen und im zeitlich später entstandenen Betreuungsrecht dem "moderneren" Gedanken des Vermögensschutzes des Betreuten eine größere Bedeutung beizumessen. Denn auch das Betreuungsrecht ist in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich dadurch gekennzeichnet, dass dem Betreuer im Grundsatz eine umfassende Vertretungsmacht eingeräumt wird (§ 1902 BGB), die lediglich für nach Auffassung des Gesetzgebers besonders wichtige Bereiche eingeschränkt ist. Dementsprechend ist die Genehmigungsbedürftigkeit eines schuldrechtlichen Vertrags, wie z.B. auch § 1907 Abs. 3 BGB zeigt, die Ausnahme. Es besteht insoweit kein Grund, §§ 1812, 1813 BGB unterschiedlich zu interpretieren, je nachdem ob ein Vormund oder ein Betreuer betroffen ist.

ff)

Da der streitgegenständliche Vertrag nicht unter § 1812 Abs. 1 BGB fällt, bedarf es keiner Entscheidung der im Schrifttum diskutierten Frage, ob der Wortlaut der Norm zu weit gefasst und deshalb deren Anwendungsbereich beschränkt werden sollte (vgl. etwa MünchKommWagenitz, aaO, Rn. 13; Erman/ Saar, aaO, Rn. 6, beide zur Begrenzung des Genehmigungserfordernisses auf Geschäfte der Vermögenssorge; Damrau, Das Ärgernis um §§ 1812, 1813 BGB, FamRZ 1984, 842; Palandt/Diederichsen, aaO, Rn. 4; Staudinger/Engler, aaO, Rn. 39 ff zur Begrenzung auf Wertpapiere und Rechte, die auf eine Geldleistung gerichtet sind; vgl. zu weiteren Eingrenzungsversuchen auch Lafontaine, aaO, Rn. 6 ff).

Fundstelle(n):
DNotZ 2010 S. 198 Nr. 3
NJW 2010 S. 1456 Nr. 20
WM 2010 S. 478 Nr. 10
VAAAD-33438

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja