Privatnutzung des Dienstwagens; Entkräftung des Anscheinsbeweises
Gesetze: EStG § 8 Abs. 2 Satz 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 96
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat —bei Zweifeln an der Zulässigkeit— jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Darüber hinaus liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
1. Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bewertungsregelungen des § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes nicht zur Anwendung kommen, wenn eine Privatnutzung des Dienstwagens ausscheidet (z.B. , BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116, mit Anm. Bergkemper, Finanz-Rundschau 2007, 392; vom VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302; BFH-Beschlüsse vom VI B 45/08, BFH/NV 2008, 2021; vom VI B 20/06, BFH/NV 2007, 716). Dabei spricht allerdings aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens. Der Anscheinsbeweis kann indessen durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es nicht des Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Jedoch bedürfen die Tatsachen, aus denen die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs abgeleitet werden soll, des vollen Beweises (BFH-Urteil in BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2008, 2021; vom VI B 122/07, juris; Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 44; vgl. umfassend von Bornhaupt, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2007, 792 ff.).
2. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht (FG) unter Würdigung der Umstände des Streitfalles entschieden, die Klägerin habe den Beweis des ersten Anscheins nicht erschüttert, der für eine private Nutzung der —dem Gesellschafter-Geschäftsführer überlassenen— Dienstwagen spreche.
a) Sollte das FG allerdings auch die Auffassung vertreten haben, dass ein Steuerpflichtiger den Gegenbeweis allein durch Beweise, die in ihrer Gesamtheit wie ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch Auskunft über die tatsächliche Nutzung geben, führen kann, hat der Senat Zweifel, ob er sich dem anschließen könnte. Im vorliegenden Verfahren kommt es hierauf jedoch nicht an, da anders als von der Klägerin angeführt das FG seine Entscheidung nicht darauf gestützt hat, dass der Gegenbeweis nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt werden kann. Es hat vielmehr im Ergebnis entscheidend darauf abgestellt, dass die Tatsachen, aus denen die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs abgeleitet werden kann, nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts vorgetragen worden sind. In seiner Gesamtbeurteilung hat das FG die vorgelegten Aufzeichnungen, u.a. weil sie nicht zeitnah erstellt worden sind, nicht als so wesentlich angesehen, um eine Entkräftung des Anscheinsbeweises bejahen zu können.
b) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kann nicht bereits dann angenommen werden, wenn das FG die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten abstrakten Rechtsgrundsätze zum Ausgangspunkt seiner konkreten Würdigung genommen hat und lediglich im Rahmen der Einzelfallbeurteilung zu einem von der Klägerin nicht für zutreffend gehaltenen Ergebnis gelangt (vgl. auch , juris). Gleiches gilt für den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
c) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert. Davon ist auszugehen, wenn im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Angesichts der erwähnten Rechtsprechung des BFH ist eine derartige Veranlassung nicht zu erkennen.
d) Im Übrigen werden im Streitfall keine grundsätzlichen und fallübergreifenden Rechtsfragen aufgeworfen, die im allgemeinen Interesse einer Klärung bedürften (vgl. hierzu: Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 25). Es ist auch nicht erkennbar, dass das FG in seiner Entscheidung Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat. Schließlich ist das FG bei seiner Entscheidung im Ergebnis auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Regel über den Anscheinsbeweis nicht zu einer Umkehr der objektiven Beweislast führt (vgl. hierzu Anzinger, Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung im Ertragsteuerrecht, 2006, S. 40 ff., insbesondere 45; Völlmeke, DStR 1996, 1070 ff., 1074, 1075).
3. Die Einwendungen der Klägerin beziehen sich hauptsächlich darauf, dass das FG im Rahmen der Beweiswürdigung einzelnen, für eine Entkräftung des Anscheinsbeweises sprechenden Umständen kein größeres und durchgreifendes Gewicht beigemessen habe.
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin kann mit der Rüge, das FG habe aufgrund einer fehlerhaften Würdigung des Sachverhalts und der Beweise entschieden, grundsätzlich —wie auch hier— kein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begründet werden. Verfahrensfehler sind Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass eine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom X S 5/06 (PKH), BFH/NV 2007, 94; vom XI B 25/05, BFH/NV 2006, 1106; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 76 und 82; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Rz 108, jeweils m.w.N.). Dass dies im Streitfall anders sein sollte, ist nicht ersichtlich (vgl. auch , BFH/NV 2004, 1416 zum Anscheinsbeweis).
b) Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht kann schon deshalb nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, weil der Verfahrensverstoß in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt worden ist (vgl. auch , juris). Es genügt insoweit nicht, dass die Beweisanträge in den Schriftsätzen enthalten waren. Im Übrigen ist das FG davon ausgegangen, dass es auf die angebotenen Beweismittel nicht ankommt bzw. die Beweistatsache als wahr unterstellt werden kann.
c) Die Klägerin verkennt zudem, dass die Frage, ob der Anscheinsbeweis durch den Gegenbeweis erschüttert worden ist, grundsätzlich nicht revisibel ist (Anzinger, a.a.O., S. 227; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 105). Soweit sich die Klägerin insoweit gegen die vom FG vorgenommene Tatsachen- und Beweiswürdigung wendet, ist nur ein die Zulassung der Revision nicht rechtfertigender vermeintlicher materiell-rechtlicher Mangel der Vorentscheidung gegeben (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2000, 868; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 81 f.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Rz 105 ff.). Überdies kann die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG in einem Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob die Schlussfolgerungen des FG aus den verfahrensrechtlich einwandfrei festgestellten Tatsachen mit den allgemeinverbindlichen Grundsätzen der Tatsachen- und Beweiswürdigung, insbesondere den allgemeinen Erfahrungssätzen und den Denkgesetzen, vereinbar sind (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom VI B 67/03, BFH/NV 2005, 702; vom VIII B 212/06, BFH/NV 2008, 210, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 197 Nr. 2
FAAAD-33319