Überprüfung der Voraussetzungen des § 16 GrEStG bei Aufeinanderfolge mehrerer Erwerbsvorgänge
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, GrEStG § 16
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine politische Gemeinde, hatte durch notariell beurkundeten Vertrag vom ein Baugrundstück an die Eheleute B verkauft. Die Grundstücksvergabe erfolgte nach den gemeindlichen Einheimischenrichtlinien zur Schaffung eines selbst genutzten Familienwohnhauses. Der Klägerin war ein Rückkaufsrecht für den Fall eingeräumt worden, dass die Eheleute B das Grundstück nicht nach den Einheimischenrichtlinien bebauen oder nutzen sollten. Nachdem die Eheleute B ihr Bauvorhaben nicht realisieren konnten, verzichtete die Klägerin auf ihr Rückkaufsrecht, sofern die Eheleute B das Grundstück an Bauwillige im Sinne der Einheimischenrichtlinien veräußerten. Die Eheleute B veräußerten das Grundstück unter Mitwirkung der Klägerin durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom an die Eheleute R (JR und KR), wobei der Klägerin wiederum ein Ankaufsrecht für den Fall eingeräumt war, dass JR und KR das Grundstück nicht nach den Einheimischenrichtlinien bebauen und nutzen sollten.
JR verstarb am und wurde von KR allein beerbt. Da die Einhaltung der Einheimischenrichtlinien nicht mehr gewährleistet war und die Klägerin daraufhin ihr Ankaufsrecht ausübte, übertrug KR durch notariell beurkundeten Vertrag vom das Grundstück auf die Klägerin.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte gegen die Klägerin für den Erwerb von KR durch Bescheid vom Grunderwerbsteuer in Höhe von 3.807 € fest. Dem bereits im Grundstückskaufvertrag vom gestellten Antrag der Klägerin auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) entsprach das FA nicht.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom begehrte, hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die bei einem Kettengeschäft —wie hier— zur Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG führenden Voraussetzungen seien mangels umfassender rechtlicher und tatsächlicher Rückabwicklung der Erwerbsvorgänge vom und nicht erfüllt. Für die Klägerin hätte gegenüber den Eheleuten B ein zumindest schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet werden müssen, der von KR gegenüber der Klägerin unmittelbar durch die Übereignung des Grundstücks direkt an die Klägerin zu erfüllen gewesen wäre.
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) sowie die Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) geltend.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts, das über dieselbe Rechtsfrage entschieden hat, abgewichen ist, die abweichend beantwortete Rechtsfrage für beide Entscheidungen rechtserheblich war, die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, die vom FG abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und die Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 48; BFH-Beschlüsse vom VI B 17/06, BFH/NV 2007, 950; vom IV B 163/06, BFH/NV 2008, 212, m.w.N.).
a) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, soweit die Klägerin eine Abweichung der Vorentscheidung von den BFH-Urteilen vom II R 6/81 (BFHE 137, 92, BStBl II 1983, 140) und vom II R 1/97 (BFHE 189, 188, BStBl II 1999, 737) geltend macht. Der BFH hat in diesen Entscheidungen ausgeführt, dass bei einer Aufeinanderfolge mehrerer Erwerbsvorgänge das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 GrEStG für jeden Vorgang getrennt, d.h. auf jeder Vertragsstufe selbständig zu untersuchen ist. Kommt es zu einer direkten Rückübertragung eines Grundstücks von einem Dritterwerber auf den Erstveräußerer, steht dies einer Rückgängigmachung auch des Weiterveräußerungsvorgangs nur dann nicht entgegen, wenn und soweit die Rückübertragung auch den Zwischenerwerbern zugerechnet werden kann. Insoweit liegt lediglich ein abgekürzter Leistungsweg vor. Dies lässt jedoch den Grundsatz unangetastet, dass notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 16 GrEStG die Aufhebung der zivilrechtlichen Wirksamkeit des jeweils in Frage stehenden Erwerbsvorgangs bleibt.
b) Von diesen Grundsätzen ist das FG im Streitfall nicht abgewichen, soweit es die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG mangels umfassender Rückgängigmachung des zwischen den Eheleuten B und R geschlossenen Weiterveräußerungsgeschäfts verneint hat. Das FG hat zutreffend angenommen, dass der Rückerwerb des Grundstücks durch die Klägerin von KR nicht den Eheleuten B zugerechnet werden könne. Nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin auf ihr Rückkaufsrecht gegenüber den Eheleuten B im Zusammenhang mit deren Weiterveräußerung des Grundstücks an die Eheleute R verzichtet. Der Klägerin stand daher im Zeitpunkt der Ausübung ihres Rückkaufsrechts gegenüber KR kein Ankaufsrecht mehr gegenüber den Eheleuten B zu. Im Übrigen blieb jedoch der zwischen der Klägerin und den Eheleuten B verwirklichte Erwerbsvorgang voll wirksam, so dass die Voraussetzungen des § 16 GrEStG insoweit nicht erfüllt sind.
Schon aufgrund des Verzichts der Klägerin auf ihr Ankaufsrecht gegenüber den Eheleuten B konnte das FG —entgegen dem Beschwerdevorbringen— nicht berücksichtigen, dass das Ankaufsrecht der Klägerin „über die Auflassungsvormerkung auch auf den zweiten Erwerbsvorgang einwirkt und somit beide Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht worden wären”. Im Übrigen reicht für das Bestehen eines Anspruchs aus § 16 GrEStG allein die bloße Möglichkeit der Rückgängigmachung eines Zwischenerwerbs nicht aus.
2. Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) erforderlich. Durch die BFH-Urteile in BFHE 137, 92, BStBl II 1983, 140 und in BFHE 189, 188, BStBl II 1999, 737 sind die Voraussetzungen geklärt, unter denen bei einer Aufeinanderfolge mehrerer Erwerbsvorgänge die Voraussetzungen des § 16 GrEStG erfüllt sind.
3. Die Rechtssache hat schließlich auch im Hinblick auf die den fraglichen Erwerben zugrunde liegenden Einheimischenrichtlinien keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Soweit deren Einhaltung in einem Grundstückskaufvertrag mit einer Gemeinde zum Inhalt eines der Gemeinde zustehenden Wiederkaufsrechts gemacht wird, ergeben sich daraus im Hinblick auf die Anforderungen des § 16 GrEStG keine Besonderheiten. Insbesondere bleibt bei einer Aufeinanderfolge mehrerer Erwerbsvorgänge im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung der Einheimischenrichtlinie der Grundsatz unberührt, dass die Voraussetzungen des § 16 GrEStG auf jeder Vertragsstufe selbständig zu untersuchen sind.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 240 Nr. 2
UVR 2010 S. 44 Nr. 2
VAAAD-33117