BFH Beschluss v. - X B 110/09

Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, AO § 173 Abs. 1 Nr. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist unbegründet. Die von ihnen gerügte Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt —bei Zweifeln an der Schlüssigkeit der geltend gemachten Rüge— jedenfalls nicht vor. Einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) haben die Kläger nicht schlüssig dargelegt.

1. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert.

a) Dies trifft insbesondere dann zu, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene FG-Urteil und die (vorgeblichen) Divergenzentscheidungen müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 48 und 53, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Keine Abweichung in diesem Sinne liegt vor, wenn das FG erkennbar von den in der Rechtsprechung des BFH entwickelten und auch den (mutmaßlichen) Divergenzentscheidungen zugrunde liegenden Rechtsgrundsätzen ausgeht, diese aber (möglicherweise) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hat (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55). Denn nicht schon die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils im Einzelfall, sondern nur die Abweichung im Grundsätzlichen rechtfertigt prinzipiell die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO. Bloße Subsumtionsfehler sind hingegen im Zulassungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55, m.w.N.).

b) Nach diesen Maßstäben kommt im vorliegenden Fall eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht in Betracht. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung vermag der beschließende Senat nicht zu erkennen, dass das FG mit dem angefochtenen Urteil von den BFH-Urteilen vom IV R 159/82 (BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120) und vom VIII R 190/80 (BFHE 139, 123, BStBl II 1984, 4) abgewichen sein soll. Es hat vielmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH erkannt, dass ein unmittelbarer oder mittelbarer Zusammenhang i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) dann vorliegt, wenn eine zu einer höheren Besteuerung führende Tatsache die zu einer Steuerermäßigung führende Tatsache ursächlich bedingt, so dass der steuererhöhende Vorgang nicht ohne den steuermindernden Vorgang denkbar ist. Das FG hat seine Entscheidung ferner auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt, wonach der erforderliche Sachzusammenhang nicht bereits dadurch hergestellt wird, dass durch dieselbe Steuererklärung, durch mehrere gleichzeitig abgegebene Steuererklärungen oder durch die Betriebsprüfung gleichzeitig steuererhöhende und steuermindernde Tatsachen offenbar werden (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120) und sachverhaltsbezogen einen unmittelbaren oder mittelbaren Sachzusammenhang i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO verneint.

Im Übrigen lässt sich dem Urteil in BFHE 139, 123, BStBl II 1984, 4 entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, dass § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO einen lediglich zeitlichen Zusammenhang zwischen den steuermindernden und steuererhöhenden Tatsachen fordert. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Streitfall hatte die Klägerin infolge eines Versehens weder die Zinsen eines nach § 16 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) steuerbegünstigten Darlehens erklärt noch die sich aus dem BerlinFG ergebende Steuervergünstigung geltend gemacht. Der nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO notwendige unmittelbare oder mittelbare Sachzusammenhang zwischen steuerminderndem und steuererhöhendem Vorgang lag somit unstreitig vor. Zu klären war im Urteil in BFHE 139, 123, BStBl II 1984, 4 lediglich die Frage, ob die steuermindernden Tatsachen oder Beweismittel nur bis zur steuerlichen Auswirkung der steuererhöhenden Tatsachen oder Beweismittel oder darüber hinaus berücksichtigt werden dürfen. Letzteres hat der VIII. Senat des BFH im Urteil in BFHE 139, 123, BStBl II 1984, 4 bejaht.

2. Soweit die Kläger rügen, dem FG sei bei der Urteilsfindung ein Verfahrensfehler unterlaufen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), genügt die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Sie haben nicht vorgetragen, dass sie die mangelnde Sachaufklärung vor dem FG rechtzeitig gerügt haben bzw. weshalb ihnen diese Rüge aufgrund des Verhaltens des FG nicht möglich war.

Fundstelle(n):
AO-StB 2010 S. 40 Nr. 2
GAAAD-33109