Leitsatz
1. Die Zusammenfassung von zwei (oder mehr) selbstständigen Erschließungsanlagen zu einer Erschließungseinheit setzt tatbestandlich voraus, dass zwischen ihnen eine funktionale Abhängigkeit dergestalt besteht, dass die Anlieger der einen Anlage (Nebenstraße) auf die Benutzung der anderen Anlage (Hauptstraße) angewiesen sind, um das übrige Straßennetz der Gemeinde zu erreichen.
2. Ein solcher Benutzungszwang ist typischerweise gegeben bei einer Hauptstraße mit einer davon abzweigenden selbstständigen Stichstraße sowie bei einer "Ringstraße", die von der Hauptstraße abzweigt und ohne anderweitigen Anschluss an das übrige Straßennetz in sie wieder einmündet (im Anschluss an das BVerwG 8 C 26.84 - BVerwGE 72, 143 <150 f.>).
3. Weitere negative Tatbestandsvoraussetzung ist, dass die Bildung der Erschließungseinheit nicht zu einer Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße führen darf (wie BVerwG 8 C 57.90 BVerwGE 90, 208 <209 f.>).
4. Das einer Gemeinde eingeräumte Ermessen bei der Bildung einer Erschließungseinheit ist grundsätzlich dann auf Null reduziert, wenn bei getrennter Abrechnung die Grundstücke an der regelmäßig aufwändiger hergestellten Hauptstraße im Vergleich mit den Grundstücken an der regelmäßig weniger aufwändig hergestellten Nebenstraße mit um mehr als ein Drittel höheren Kosten belastet würden, bemessen nach dem für die jeweilige Erschließungsanlage sich ergebenden Beitragssatz in € pro m² beitragspflichtiger Veranlagungsfläche.
5. Die Pflicht zur Spruchreifmachung (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) wird verletzt, wenn ein Verwaltungsgericht sich im Rechtsstreit um die unterbliebene Bildung einer Erschließungseinheit an der zumindest teilweisen Aufrechterhaltung eines Geldleistungsverwaltungsakts in bestimmter, rechtmäßig festgesetzter Höhe deshalb gehindert sieht, weil dieser durch die Einbeziehung einer weiteren Erschließungsanlage in seinem Wesen verändert werde.
Gesetze: BauGB § 127 Abs. 2 Nr. 1; BauGB § 130 Abs. 2 Satz 3; VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1; VwGO § 113 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: VG Koblenz, VG 4 K 1536/06 .KO vom OVG Koblenz, OVG 6 A 10801/07 . Fachpresse: ja BVerwGE: ja
Gründe
I
Die Kläger wenden sich als Eigentümer bzw. Miteigentümer zweier an der Straße "Im Staffelstück" gelegener Grundstücke gegen ihre Heranziehung zu Vorausleistungen auf den künftigen Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung eines Teils dieser Straße.
Die Grundstücke der Kläger liegen in dem Neubaugebiet "Staffelstück", das von einem Netz von Erschließungsstraßen durchzogen wird: Im Westen verläuft in Nord-Süd-Richtung die Straße "Auf den alten Gärten", bestehend aus den Straßenparzellen 191 im Norden, die nordwestlich an das übrige Straßennetz anbindet, und 181 im Süden, die dort als Sackgasse endet. Etwas weiter östlich verläuft parallel die Straßenparzelle 201/5 mit der Bezeichnung "Im Staffelstück", die im Süden an die bestehende Kreisstraße K 81 anbindet und im Norden - ca. 60 Meter nach der Einmündung der nach Osten führenden Straßenparzelle 225 - in einer sich verjüngenden Sackgasse endet. Am östlichen Rand des Neubaugebiets verläuft in Nord-Süd-Richtung die Straße "Am Römergrund" (Straßenparzelle 295), ebenfalls im Süden mit Anbindung an die K 81 und im Norden als Sackgasse endend. Sämtliche vorstehenden Nord-Süd-Strecken werden verbunden durch einen in West-Ost-Richtung verlaufenden Straßenzug, der ebenfalls die Bezeichnung "Im Staffelstück" trägt, bestehend aus der Straßenparzelle 184 im Westen, die dort an das übrige Straßennetz anbindet und im Osten zur Parzelle 201/5 führt, sowie die Straßenparzelle 225, die westlich an der Parzelle 201/5 (ca. 60 Meter nördlich der Einmündung der Parzelle 184) beginnt und nach mehrfach rechtwinklig abknickendem Verlauf (in der Draufsicht treppenförmig aufsteigend) im Osten an der Straße "Am Römergrund" endet. Von der Parzelle 225 wiederum zweigt nach Norden ein aus den Straßenparzellen 238, 258, 264 und 275 bestehender Straßenzug ("An den Obstwiesen") ab und mündet, ebenfalls nach mehrfach abknickendem, ringförmigen Verlauf, von dem drei kurze Sackgassen von je 20 bis 25 Meter Länge abzweigen, wieder in sie ein.
Im Rahmen der Berechnung und Umlegung des beitragsfähigen Aufwands ging die Beklagte davon aus, dass es sich bei dem dargestellten Straßennetz rechtlich um sechs eigenständige Erschließungsanlagen handele, und teilte die durch sie jeweils erschlossenen Grundstücke in farbliche Bereiche ein: Danach sei zu unterscheiden zwischen den Straßen "Auf den alten Gärten" (Straßenparzellen 191 und 161 - hellblauer Bereich), "Im Staffelstück"-West (Straßenparzelle 201/5 - royalblauer Bereich), "Im Staffelstück"-Ost (Straßenparzelle 225 - gelber Bereich), "An den Obstwiesen"-West (Straßenparzellen 238, 258 und 264 West - grüner Bereich), "An den Obstwiesen"-Ost (Straßenparzellen 264 Ost und 275 - roter Bereich) und "Am Römergrund" (Straßenparzelle 95 - brauner Bereich). Auf dieser Grundlage errechnete die Beklagte für den gelben Bereich, in dem die Grundstücke der Kläger liegen, einen Beitragssatz von 26,32 €/m² Veranlagungsfläche. Der Beitragssatz für den royalblauen Bereich betrug 26,24 €/m², während im roten Bereich 12,35 €/m² und im grünen Bereich 16,32 €/m² Veranlagungsfläche ermittelt wurden.
Mit den angefochtenen Bescheiden zog die Beklagte die Kläger für die beiden Grundstücke zu einer "1. Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag" in Höhe von insgesamt 25 783,07 € heran.
Nach erfolglosem Widerspruch haben die Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, soweit darin eine Vorausleistung in Höhe von insgesamt mehr als 13 175,62 € festgesetzt wurde. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, die Bildung von sechs selbstständig abzurechnenden Erschließungsanlagen sei fehlerhaft, weil sie zu erheblichen Unterschieden in den Beitragssätzen führe. Die gesamten Erschließungskosten für das Neubaugebiet seien gleichmäßig auf alle Bauflächen zu verteilen, so dass die Kosten 13,45 €/m² Veranlagungsfläche betrügen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und unter weitgehender Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil ausgeführt: Die Beklagte habe die Ausdehnung der Erschließungsanlage, die die klägerischen Grundstücke erschließe, unzutreffend bestimmt. Nach den vorgelegten Fotoaufnahmen, Lageplänen und der eigenen Ortskenntnis der Berufsrichter bildeten die Straßenparzellen 225 und 201/5 bei natürlicher Betrachtungsweise, die maßgeblich auf Kriterien wie Straßenführung, -breite, -länge und -ausstattung abstelle, zusammen eine Erschließungsanlage. Der Fortsatz der Parzelle 201/5 nördlich der Einmündung der Parzelle 225, dem Hauptast der Straße "Im Staffelstück", stelle sich lediglich als unselbstständige Stichstraße dar. Zudem müsse diese Erschließungsanlage mit der von ihr abzweigenden und nach ringförmigem Verlauf wieder in sie einmündenden Straße "An den Obstwiesen" (Parzellen 238, 258, 264 und 275), die ihrerseits bei natürlicher Betrachtungsweise eine einheitliche Anlage darstelle, zu einer Erschließungseinheit i.S.v. § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB zusammengefasst werden. Das der Beklagten eingeräumte Ermessen sei auf Null reduziert, weil sonst die an der Zubringerstraße liegenden Grundstücke ungebührlich stark belastet würden. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn - wie hier - die Kosten für die Anwohner der aufwändigeren Anlage bei Einzelabrechnung um ein Drittel höher lägen als im Falle der Ermittlung in der Erschließungseinheit. Die Beitragsbescheide seien - im Rahmen des Klageantrages - gänzlich aufzuheben, weil diese in ihrem Wesen und in ihrem Bezugsgegenstand verändert würden, wenn das Gericht infolge Annahme einer Erschließungseinheit weitere selbstständige Erschließungsanlagen in sie einbeziehe.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Die angegriffenen Entscheidungen verletzten zum einen § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, weil die Voraussetzungen zur Bestimmung der Ausdehnung einer selbstständigen Erschließungsanlage verkannt würden. Die insoweit maßgebliche natürliche Betrachtungsweise könne sich nur auf den bei einer Inaugenscheinnahme gewonnenen Eindruck stützen, der zudem u.a. vom Standort des Betrachters abhängig sei. Die von den Vorinstanzen herangezogenen Kriterien (Straßenausstattung, Verlauf der Entwässerungsrinne) seien ungeeignet, da diese Gegebenheiten bei einer Betrachtung aus der Vogelperspektive schon aus geringer Höhe nicht mehr erkennbar seien. Auch aus der Perspektive eines Fußgängers sei nur ein kleiner, zudem standortabhängiger Bereich einsehbar, so dass das Ergebnis willkürlich sei. Die Parzellen 225 (gelber Bereich) und 201/5 (royalblauer Bereich) der Straße "Im Staffelstück" wiesen nicht durchgängig eine einheitliche Straßenbreite auf, vielmehr sei die Parzelle 225 an den abknickenden Stellen breiter. Entwässerungsrinnen seien überall vorhanden und könnten deshalb nicht als Abgrenzungskriterium dienen. Die Parzelle 201/5 stelle sich aus der maßgeblichen Sicht von der K 81 kommend als selbstständige Erschließungsanlage dar, auf die die weitere selbstständige Erschließungsanlage Parzelle 225 treffe; eine Betrachtung aus der Sicht von Fußgängern oder Kraftfahrzeugführern, die sich auf der Parzelle 225 nach Osten begäben, greife zu kurz.
Zum anderen sei § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB verletzt. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Erschließungseinheit lägen nicht vor. Die mehrfach rechtwinklig abknickende Straße "An den Obstwiesen" könne bei natürlicher Betrachtungsweise nicht als Ringstraße angesehen werden. Vielmehr handele es sich bei den beiden Abrechnungsbereichen dieser Straße um zwei selbstständige Erschließungsanlagen. Zudem seien an den Einmündungen, Abknickungen und am Wendehammer des westlichen "Stummels" unterschiedliche Straßenbreiten gegeben. Jedenfalls sei das Ermessen der Beklagten, eine Erschließungseinheit zu bilden, nicht auf eine dahin gehende Rechtspflicht reduziert. Durch die Bildung einer Erschließungseinheit aus dem gelben und royalblauen Bereich sowie dem roten und grünen Bereich ergebe sich eine ungebührlich große Mehrbelastung der Anwohner des roten und des grünen Bereichs. Die von den Vorinstanzen gezogene Drittel-Grenze sei willkürlich.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom und des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom die Klage abzuweisen.
Die Kläger verteidigen die angegriffenen Entscheidungen und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO), ist begründet.
Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Ausdehnung (Beginn und Ende) der das Neubaugebiet durchziehenden Anbaustraßen als jeweils selbstständige Erschließungsanlagen i.S.v. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bestimmt (1.). Es hat weiter ohne Verstoß gegen Bundesrecht die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Erschließungseinheit bejaht, weil die Straße "An den Obstwiesen" aufgrund ihres ringförmigen Verlaufs von der Straße "Im Staffelstück" (Parzellen 201/5 und 225) funktionell abhängig ist (2.). Es hat schließlich im Ergebnis zutreffend - allerdings anhand eines teilweise zu beanstandenden Maßstabs - das der Beklagten zustehende Ermessen ausnahmsweise dahingehend als reduziert angesehen, dass sie zur Bildung einer Erschließungseinheit verpflichtet ist (3.). Das Berufungsgericht hat jedoch gegen § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, weil es die angefochtenen Vorausleistungsbescheide (im Rahmen des Klageantrags) vollständig aufgehoben hat, anstatt sie in bestimmter, rechtmäßig festgesetzter Höhe aufrecht zu halten (4.). Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Oberverwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB.
Das Berufungsgericht hat die der erschließungsbeitragsrechtlichen Beurteilung der Beklagten zugrunde liegende Aufteilung der Anbaustraßen des Neubaugebiets in sechs selbstständige Erschließungsanlagen beanstandet und - erstens - angenommen, dass die Straßenparzellen 201/5 und 225 ("Im Staffelstück" - royalblauer und gelber Bereich) zusammen eine selbstständige Erschließungsanlage i.S.v. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB darstellen. Dasselbe hat es - zweitens - für die ringförmig verlaufende Straße "An den Obstwiesen" (bestehend aus den Parzellen 238, 258, 264 und 275 - grüner und roter Bereich) bejaht. Dagegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht weder mit Blick auf die angelegten Beurteilungsmaßstäbe noch auf die Vorgehensweise etwas einzuwenden.
a) Für die Beurteilung der Ausdehnung einer Erschließungsanlage, d.h. der Frage, wo eine selbstständige Erschließungsanlage beginnt und endet, kommt es weder auf die Parzellierung noch auf eine einheitliche oder unterschiedliche Straßenbezeichnung an; maßgebend ist vielmehr das Erscheinungsbild, also die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie z.B. durch die Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge und Straßenausstattung geprägt werden und sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen ( BVerwG 4 C 55.76 - Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 24 S. 25; stRspr).
aa) Zwar ist der Revision mit ihrem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Inaugenscheinnahme einzuräumen, dass es mit Blick auf die gebotene natürliche Betrachtungsweise jedenfalls in Zweifelsfällen angezeigt sein kann, sich durch eine Augenscheinseinnahme vor Ort einen Gesamteindruck von den tatsächlichen Verhältnissen im konkreten Fall zu verschaffen. Das rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, der Verzicht auf eine Ortsbesichtigung verletze stets § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Vielmehr kann die unmittelbare Gewinnung des Eindrucks vor Ort aus den Gründen des konkreten Einzelfalls entbehrlich sein, etwa wenn aufgrund anderer Erkenntnisquellen, z.B. anhand von Fotografien hinreichend sichere Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort getroffen werden können (vgl. BVerwG 8 C 30.94 - Buchholz § 130 BauGB Nr. 41 S. 14 f. und vom - BVerwG 8 C 6.95 - Buchholz 406.11 § 125 BauGB Nr. 35 S. 10). So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat den Verzicht auf eine eigene Inaugenscheinnahme vor Ort - wie schon zuvor das Verwaltungsgericht - mit der hinreichenden Anschaulichkeit der eingereichten Pläne und Fotos und - zusätzlich - mit der eigenen Ortskenntnis der berufsrichterlichen Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts begründet, mithin die Örtlichkeit als gerichtsbekannt angesehen. Wenn das Berufungsgericht sich aufgrund dieser Erkenntnisquellen auch ohne Ortsbesichtigung (§§ 96, 97, 98 VwGO i.V.m. §§ 371 ff. ZPO) zu der vom materiellen Recht verlangten Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse in der Lage gesehen hat, so dass eine weitere Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht geboten war, ist dagegen bundesrechtlich nicht zu erinnern.
bb) Ohne Erfolg rügt die Revision, dass die von den Vorinstanzen im Rahmen des Maßstabs der natürlichen Betrachtungsweise herangezogenen Kriterien ungeeignet seien. Nach der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung sind Kriterien wie (u.a.) die Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge und Straßenausstattung vielmehr anerkannte tatsächliche Umstände, anhand derer die Gemeinden und im gerichtlichen Verfahren die Tatsachengerichte den erwähnten Maßstab sachgerecht und argumentativ nachvollziehbar handhaben können. Erforderlich ist eine Betrachtung und Würdigung aller insoweit relevanten Umstände. Der Einwand der Revision, dass Elemente der Straßenausstattung wie insbesondere der (von den Vorinstanzen angeführte) Verlauf der Entwässerungsrinne aus der Vogelperspektive schon aus geringer Höhe nicht mehr erkennbar seien, geht fehl. Der Maßstab der natürlichen Betrachtung ist nicht mit der Vorgabe verbunden, dass sie aus der "höheren Warte" einer vom Betrachter einzunehmenden Vogelperspektive aus anzustellen sei. Vielmehr ist grundsätzlich der Blickwinkel eines Betrachters am Boden einzunehmen. Wegen der damit u.U. verbundenen Einengung des Horizonts (bei einem unübersichtlichen, z.B. abknickenden Straßenverlauf) mag ggf. ergänzend auch der sich aus Plänen oder Luftbildaufnahmen ergebende Straßenverlauf mit in die Betrachtung einzubeziehen sein. Im Ausgangspunkt zutreffend ist der Einwand der Revision, dass der Eindruck in der Örtlichkeit vom Standort des Betrachters abhängen kann. Doch folgt daraus lediglich, dass es für eine vollständige Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ggf. erforderlich sein kann, den Straßenverlauf von mehreren Standorten aus in verschiedener Richtung zu beurteilen. Dies hat das Verwaltungsgericht, auf dessen Begründung das Berufungsgericht weitgehend Bezug genommen hat, auch getan, indem es insbesondere den für die rechtliche Einordnung entscheidenden Bereich des Zusammentreffens der Straßenparzellen 201/5 und 225 aus zwei Richtungen - zum einen von Osten (von der Parzelle 225 kommend), zum anderen von Süden (auf der Parzelle 201/5 von der K 81 kommend) - betrachtet hat (UA S. 8).
b) Auf der Grundlage des nach dem Vorstehenden zutreffenden rechtlichen Maßstabs gibt die Würdigung der Umstände der tatsächlichen Gegebenheiten im Neubaugebiet "Staffelstück" durch die Vorinstanzen aus revisionsgerichtlicher Sicht keinen Anlass zu Beanstandungen:
aa) Die Vorinstanzen stützen ihre Annahme, dass die Straßenparzellen 201/5 und 225 nicht zwei selbstständige, sondern zusammen eine (einzige) Erschließungsanlage darstellen, im Wesentlichen auf deren "fast durchgängige" einheitliche Straßenbreite von 7,50 Metern und auch im Übrigen einheitlichen Ausbauzustand, während die Straßen "An den Obstwiesen" und "Im Staffelstück" (westliche Parzelle 184) jeweils nur sechs Meter breit sind. Sie legen im Einzelnen dar, dass am Zusammentreffen der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straßenparzelle 201/5 und der nach Westen führenden Straßenparzelle 225 wegen der in der Mitte der Fahrbahn verlaufenden Entwässerungsrinne, die den Straßenverlauf nachzeichne, in der Örtlichkeit der Eindruck bestehe, dass der Hauptzug der Straße (mit der ihr folgenden Mittelrinne) nach Westen in die Straßenparzelle 225 "abknicke". Demgegenüber stelle sich das nach Norden fortsetzende restliche Teilstück der Parzelle 201/5 lediglich als "Fortsatz" oder unselbstständige Stichstraße dar. Dieser Eindruck bestehe, egal aus welcher Richtung man sich dieser Stelle nähere: Ein von Osten von der Parzelle 225 kommender Betrachter nehme den nördlichen Fortsatz der Parzelle 201/5 kaum wahr, da er vergleichsweise steil abfalle und die nach Süden abknickende Entwässerungsrinne die Hauptrichtung der Straße vorgebe. Aus der Sicht eines von Süden (von der K 81) kommenden Betrachters auf der Parzelle 201/5 bestätige sich der Eindruck einer nach Westen abknickenden "Hauptstraße", zum einen weil das nördliche Teilstück der Parzelle 201/5 sich in der Breite deutlich verjünge (auf zunächst vier und weiter auf 3,50 Meter), zum zweiten weil man, um in dieses Teilstück zu gelangen, die Entwässerungsrinne kreuzen müsse und schließlich weil die Stichstraße gänzlich einsehbar und als Sackgasse erkennbar sei, während die nach Westen abknickende Parzelle 225 ersichtlich weiter in das Neubaugebiet führe. All dies ist (den bundesrechtlichen Maßstab zutreffend anwendende) tatrichterliche Würdigung und insoweit revisionsgerichtlicher Prüfung entzogen. Dass - wie die Revision einwendet - die Vorinstanzen dem Umstand, dass die Parzelle 225 in ihrem weiteren Verlauf an den Abknickungen teilweise etwas aufgeweitet und breiter ist, keine entscheidende Bedeutung beigemessen haben, liegt ebenfalls im revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Rahmen tatrichterlicher Sachverhaltswürdigung; für das Erscheinungsbild vor Ort beim Zusammentreffen der Parzellen 201/5 und 225 kann dies in der Tat nicht prägend sein.
bb) Ebenfalls revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme der Vorinstanzen, dass die im Westen gelegene Straßenparzelle 184 ("Im Staffelstück" - hellblauer Bereich), der Straßenzug "An den Obstwiesen" (grüner und roter Bereich) sowie im Osten die Straße "Am Römergrund" (brauner Bereich) nicht mehr zu der vorstehend beschriebenen Erschließungsanlage gehören. Für die beiden erstgenannten Straßen haben sie dies mit deren unterschiedlicher Ausstattung (mit je eigener durchgehender Mittelrinne) und geringerer Straßenbreite (sechs Meter) begründet. Für die Straße "Am Römergrund" hat das Verwaltungsgericht darauf verwiesen, dass diese schon durch ihren geradlinigen Verlauf auf einer Länge von über 200 Metern den Eindruck der Selbstständigkeit vermittle und im Übrigen die an ihr gelegenen Gewerbebetriebe und die im Nordosten angrenzende offene Gemarkung ihr ein vollkommen anderes Gepräge gäben.
cc) Schließlich haben die Vorinstanzen ohne Bundesrechtsverstoß angenommen, dass der aus den Parzellen 238, 258, 264 und 275 bestehende Straßenzug (grüner und roter Bereich) trotz mehrfacher rechtwinkliger Richtungsänderungen zusammengehöre und eine einheitliche Erschließungsanlage darstelle, die von dem Hauptstraßenzug (Straßenparzelle 225) abzweige und "wie bei einer Ringstraße" wieder in diese einmünde. Dass sie dafür ebenfalls die einheitliche Breite der Straße, ihre auf gesamter Länge gleichen Ausstattungsmerkmale sowie die mittig der Fahrbahn verlaufende Entwässerungsrinne als prägend für diesen Eindruck angesehen haben, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Mangels in der Örtlichkeit erkennbarer trennender Merkmale (wie Einmündungen u.ä.) ist in der Tat nicht nachvollziehbar und auch vom Beklagten im gesamten Verfahren nicht aufgezeigt, dass und warum an der Stelle (mittig der in West-Ost-Richtung verlaufenden Parzelle 264), an der die Beklagte eine Zäsur annimmt, die eine Erschließungsanlage (grüner Bereich) enden und eine andere (roter Bereich) beginnen soll.
2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Erschließungseinheit liegen vor.
a) Gemäß § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB kann die Gemeinde für mehrere Erschließungsanlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, den Erschließungsaufwand insgesamt ermitteln. Das Bundesverwaltungsgericht hat es in seiner früheren Rechtsprechung in erklärtermaßen weiter Auslegung der Vorstellungen des Gesetzgebers für das Vorliegen einer Erschließungseinheit schon ausreichen lassen, wenn ein "in unmittelbarem Zusammenhang stehendes, siedlungsmäßig oder sonst sichtbar abgrenzbares System mehrerer Erschließungsanlagen" vorlag mit der Folge, dass danach "ganze Satellitenstädte, die nach einer einheitlichen Planung entstehen, hinsichtlich des Erschließungsaufwandes einheitlich abgerechnet werden" könnten (so ausdrücklich BVerwG 4 C 106.67 - BVerwGE 34, 15 <17>). In seiner späteren Rechtsprechung hat es dann der Annahme einer Erschließungseinheit enge Grenzen gezogen und damit den Anwendungsbereich der Vorschrift auf wenige Fälle einer sog. funktionalen Abhängigkeit von Erschließungsanlagen beschränkt. Es hat dies aus dem Sinn und Zweck des Instituts der Erschließungseinheit gefolgert. Dieser besteht in der bewussten Nivellierung und Umverteilung der Beitragslast, indem die Anlieger einer regelmäßig weniger aufwändig hergestellten und daher kostengünstigeren Anlage ("Nebenstraße") am Aufwand für die regelmäßig aufwändiger hergestellte, deshalb teurere Anlage ("Hauptstraße") beteiligt werden. Dies ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn zwischen den in Rede stehenden Erschließungsanlagen ein Funktionszusammenhang besteht, der diese mehr als es für das Verhältnis von Erschließungsanlagen untereinander üblicherweise zutrifft, zueinander in Beziehung setzt und insofern voneinander abhängig macht. Diese funktionale Abhängigkeit besteht nur, wenn ausschließlich eine Anlage einer anderen Anlage die Anbindung an das übrige Straßennetz vermittelt, mithin der Anlieger der Nebenstraße darauf angewiesen ist, die Hauptstraße zu benutzen, um das übrige Straßennetz der Gemeinde zu erreichen. Ein solcher Benutzungszwang ist typischerweise gegeben bei einem Hauptstraßenzug mit einer davon abzweigenden selbstständigen - d.h. mehr als 100 Meter langen - Stichstraße (vgl. die BVerwG 8 C 26.84 - BVerwGE 72, 143 <151>, vom - BVerwG 8 C 57.90 - BVerwGE 90, 208 <209 f.> und vom - BVerwG 8 C 14.92 - BVerwGE 95, 176 <179 f.>).
Dem gleichzustellen ist die Fallkonstellation, dass eine Straße von einer Hauptstraße abzweigt und - ohne anderweitigen Anschluss an das übrige Straßennetz - nach "ringförmigem" Verlauf wieder in sie einmündet (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 14 Rn. 40 f.; Richarz/Steinmetz, Erschließung in der kommunalen Praxis, 2. Aufl. 2000, S. 140 f.), weil auch im Fall einer solchen "Ringstraße" das Erfordernis der funktionalen Abhängigkeit offensichtlich erfüllt ist.
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Erschließungseinheit ist als quasi "negatives" Tatbestandsmerkmal, dass ihre Bildung - nach einer im Zeitpunkt der Zusammenfassungsentscheidung anzustellenden Prognose - nicht zu einer Mehrbelastung der Anlieger der "Hauptstraße" führen darf (vgl. Urteil vom a.a.O. S. 209 f.).
Dagegen kommt dem noch aus der früheren, weiter gehenden Rechtsprechung stammenden Kriterium der hinreichenden Abgrenzbarkeit des Gebiets der Erschließungseinheit (vgl. die BVerwG 4 C 37.71 - Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 13 S. 25 f., vom - BVerwG 4 C 16.72 - Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 14 S. 32 und vom - BVerwG 4 C 76.74 - Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 17 S. 7 f.) keine Bedeutung mehr zu. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Merkmal angesichts der dargestellten engen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Erschließungseinheit noch irgendeine Funktion hätte (ebenso Driehaus, a.a.O. § 14 Rn. 46). Es wäre im Übrigen im Streitfall erfüllt.
b) Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die "ringförmig" verlaufende Straße "An den Obstwiesen" im Sinne der vorstehenden Voraussetzungen von der Straße "Im Staffelstück" (Parzellen 201/5 und 225) funktionell abhängig ist, weil sie von dieser abzweigt und ohne anderweitigen Anschluss an das übrige Straßennetz wieder in sie einmündet, so dass die Anlieger der Straße "An den Obstwiesen" zwingend auf die Benutzung dieser Hauptstraße angewiesen sind. Der Einwand der Revision, die Straße "An den Obstwiesen" verlaufe nicht "ringförmig", weil sie mehrfach rechtwinklig abknicke, geht fehl. Mit diesem eher formalen Verständnis der Begriffe "ringförmig" bzw. "Ringstraße" verkennt die Beklagte, dass es nicht auf eine (mehr oder weniger gegebene) Rundung des Straßenverlaufs ankommt, sondern auf die funktionale Abhängigkeit der einen von der anderen Straße, an der im Streitfall indes kein Zweifel bestehen kann. Ebenfalls erfüllt ist die "negative" tatbestandliche Voraussetzung, dass die gemeinsame Abrechnung der zusammenzufassenden Erschließungsanlagen nicht zu einer Mehrbelastung der Anlieger des Hauptzuges ("Am Staffelstück", Parzellen 201/5 und 225) führt; dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
3. Auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Erschließungseinheit vorliegen, steht deren Bildung gemäß § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB ("kann") grundsätzlich im Ermessen der Gemeinde. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass im Streitfall das der Beklagten zustehende Ermessen ausnahmsweise dahingehend reduziert ist, dass sie zur Bildung einer Erschließungseinheit verpflichtet ist.
In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet sich zu dieser Frage lediglich die Aussage, dass eine Gemeinde dann zu einer einheitlichen Abrechnung des Erschließungsaufwands verpflichtet ist, wenn anderenfalls ein an einer breiten Zubringerstraße liegendes Grundstück gegenüber anderen Grundstücken des Erschließungsgebiets ungebührlich stark belastet würde (Urteile vom a.a.O. S. 17 f. und vom - BVerwG 4 C 108.67 - DVBl 1970, 836 <837>). Zu der Frage, wann eine ungebührlich starke Belastung in diesem Sinne vorliegt, hat das Bundesverwaltungsgericht bislang noch nicht Stellung genommen. Die Frage ist dahin zu beantworten, dass das einer Gemeinde eingeräumte Ermessen bei der Entscheidung über die Zusammenfassung von zwei (oder weiteren) selbstständigen Erschließungsanlagen zu einer Erschließungseinheit grundsätzlich dann auf Null reduziert ist, wenn bei getrennter Abrechnung die Grundstücke, die an der einen, regelmäßig aufwändiger hergestellten Anlage (Hauptstraße) liegen, im Vergleich mit den Grundstücken an der anderen, regelmäßig weniger aufwändig hergestellten und funktional abhängigen Anlage (Nebenstraße) mit um mehr als ein Drittel höheren Kosten belastet würden, bemessen nach dem für die jeweilige Erschließungsanlage sich ergebenden Beitragssatz in € pro m² beitragspflichtiger Veranlagungsfläche. Im Einzelnen:
a) Die Ermessensentscheidung über die Bildung einer Erschließungseinheit hat sich am Sinn und Zweck der Norm zu orientieren (vgl. § 40 VwVfG). Entsprechend erstreckt sich die gerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung u.a. darauf, ob das Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Sinn und Zweck der Bildung einer Erschließungseinheit ist - wie bereits erwähnt - der Ausgleich von Belastungsunterschieden zwischen den Anliegern der betreffenden Erschließungsanlagen, d.h. eine bewusste, dem Vorteilsgedanken und dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit Rechnung tragende Nivellierung und Umverteilung der Beitragslast, indem die Anlieger der (regelmäßig weniger aufwändigen, deshalb kostengünstigeren) Nebenstraße am Aufwand für die (regelmäßig aufwändiger hergestellte, deshalb teurere) Hauptstraße beteiligt werden. Allerdings wird die Gemeinde nicht auf jeden noch so geringen Belastungsunterschied zwischen den Anliegern der Haupt- und der Nebenstraße reagieren und dies zum Anlass für eine gemeinsame Abrechnung nehmen müssen; erforderlich ist ein Belastungsunterschied von einigem Gewicht. Je größer dieser ist, desto mehr wird sich ihre Ermessensausübung auf eine Zusammenfassung hin bewegen müssen. Dabei wird die Gemeinde ggf. auch gegenteilige Aspekte zu berücksichtigen haben, die der Bildung einer Erschließungseinheit widerstreiten. So darf sie etwa darauf Bedacht nehmen, dass die Abrechnung mehrerer Erschließungsanlagen als Erschließungseinheit u.U. zu einer Verzögerung der Beitragserhebung führen kann, weil diese erst erfolgen kann, nachdem die zur gemeinsamen Aufwandsermittlung und Abrechnung zusammengefassten Anlagen den Herstellungsmerkmalen der Satzung entsprechend ausgebaut worden sind (vgl. BVerwG 4 C 36, 38-41.76 - Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 23 S. 22; Driehaus a.a.O. § 14 Rn. 47).
b) Gegenstand des anzustellenden Vergleichs ist die effektive Beitragsbelastung der durch die Hauptstraße bzw. die Nebenstraße erschlossenen Grund-stücke mit den Kosten für die endgültige Herstellung der jeweiligen Erschließungsanlage (ebenso Driehaus a.a.O. § 14 Rn. 38). Die Höhe der Beitragsbelastung wird nicht nur vom Umfang des für eine Erschließungsanlage entstandenen Aufwands, sondern auch von der Größe und Ausnutzbarkeit der erschlossenen Grundstücke wesentlich bestimmt, auf die der umlagefähige Erschließungsaufwand nach Maßgabe des § 131 Abs. 1 sowie Abs. 2 und 3 BauGB zu verteilen ist (vgl. das BVerwG 8 C 57.90 - BVerwGE 90, 208 <210>). Erst daraus ergibt sich die effektive Beitragsbelastung der Anlieger. Maßgeblich können daher nicht die Herstellungskosten pro Quadratmeter Straßenfläche sein. Abzustellen ist vielmehr auf den Vergleich des einerseits für die Grundstücke an der Hauptstraße, andererseits für die Grundstücke an der Nebenstraße sich jeweils ergebenden Beitragssatzes, d.h. auf den anteiligen Beitrag je Verteilungsmaßstabseinheit, bemessen in € pro m² beitragspflichtiger Veranlagungsfläche (ebenso Richarz/Steinmetz, a.a.O. S. 142).
Die Mehrkosten der Hauptstraße werden regelmäßig auf ausstattungsbedingten Aufwandsunterschieden beruhen. Der Senat hat erwogen, ob es aus systematischen Gründen des Erschließungsbeitragsrechts, namentlich mit Blick auf den Gedanken der Vorteilsgerechtigkeit, geboten ist, weitere (einschränkende) Voraussetzungen aufzustellen, wonach bestimmte Ursachen für den Belastungsunterschied unberücksichtigt zu bleiben haben. Dies käme unter zwei Gesichtspunkten in Betracht. Beide hat der Senat verworfen:
Zum einen ist denkbar, dass die Belastungsunterschiede nicht ausstattungsbedingt sind, sondern (teilweise) aus der Unterschiedlichkeit der Grundstückssituation herrühren, z.B. ihre Ursache (auch) im Zuschnitt der Grundstücke und ihrer veranlagungspflichtigen Fläche haben können. Solchen Konstellationen im Rahmen des Belastungsvergleichs Rechnung zu tragen, hält der Senat nicht für geboten. Denn die Grundstücke an den zusammenzufassenden Erschließungsanlagen bilden - eben wegen deren funktionaler Abhängigkeit - eine Solidargemeinschaft (Vorteilsgemeinschaft), die es rechtfertigt, bei dem mit der Bildung einer Erschließungseinheit angestrebten Belastungsausgleich sie in ihrer jeweils vorgegebenen Grundstückssituation gleich zu behandeln. Hier weitere Voraussetzungen aufzustellen und Differenzierungen vorzunehmen, würde zudem zu einer weiteren Verkomplizierung führen, die es zu vermeiden gilt.
Nicht erforderlich ist es zum anderen, aus dem Belastungsvergleich nicht aufwandsbedingte, namentlich preissteigerungsbedingte Mehrkosten auszuscheiden. Dies unterscheidet die hier anzustellende Betrachtung von dem im Falle einer Abschnittsbildung anzustellenden Vergleich, bei dem Mehrkosten, die durch den zeitlich späteren Ausbau eines Abschnitts der Anlage und die damit einhergehenden Preissteigerungen verursacht sind, unberücksichtigt zu bleiben haben (vgl. BVerwG 8 C 30.94 - BVerwGE 101, 225 <232 ff.>; ferner Driehaus a.a.O § 14 Rn. 26). Das Bundesverwaltungsgericht hat dies daraus hergeleitet, dass die Abschnittsbildung der Finanzierung einer Erschließungsanlage v o r deren endgültiger Herstellung dient, mithin ein Vorfinanzierungsinstitut ist. Damit ist die Situation der Bildung einer Erschließungseinheit nicht zu vergleichen. Kommt es wegen des mit ihr verfolgten Zwecks einer gerechteren Verteilung der Beitragslast auf die tatsächliche Belastung der Anlieger an, ist es unerheblich, aus welchen Gründen (ausstattungs- oder preissteigerungsbedingt) die Kosten der einen Anlage der Erschließungseinheit deutlich höher sind als die der anderen Anlage. Allerdings dürfte das Ausmaß der Mehrkosten bei einer Erschließungseinheit selten auf preissteigerungsbedingte Mehrkosten zurückzuführen sein, weil die zusammengefassten Straßen in der Regel in engem zeitlichen Zusammenhang hergestellt werden dürften. Die einheitliche Planung und Ausführung von Straßen ist zwar keine Voraussetzung für die Bildung einer Erschließungseinheit, aber dennoch ein wichtiges Indiz für die Rechtmäßigkeit der Bildung einer solchen Einheit (Urteil vom a.a.O. - BVerwG 4 C 36, 38-41.76 - Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 23 S. 22 m.w.N.). So liegt auch der Sachverhalt im Streitfall: Das gesamte Straßennetz des Neubaugebiets "Staffelstück" ist in einem nahen zeitlichen Zusammenhang - von Januar 2004 bis Dezember 2005 - hergestellt worden.
c) Gegenüberzustellen ist die Kostenlast der Anlieger bei einer Einzelabrechnung der regelmäßig aufwändiger hergestellten Hauptstraße den Kosten, die bei einer Einzelabrechnung auf die Anlieger der weniger aufwändig hergestellten Nebenstraße entfielen. Dies verkennt das Berufungsgericht, das - hiervon abweichend - auf die Belastung der Anlieger bei einer Einzelabrechnung der Hauptstraße im Vergleich mit einer Gesamtabrechnung der zusammengefassten Straßen als Erschließungseinheit abstellt (UA S. 9). Einen so gebildeten Mittelwert als Maßstab zu wählen, würde dem dargestellten Sinn und Zweck der Bildung einer Erschließungseinheit nicht gerecht: Der angestrebte Belastungsausgleich zwischen den Anliegern der aufwändiger und der weniger aufwändig hergestellten Straße würde verfehlt und die Vergleichsbetrachtung in ihrer Dimension verschoben, würde man - wie das Berufungsgericht - auf der einen Seite einen Mittelwert zum Maßstab nehmen. Dass dieser im Ergebnis eine höhere Hürde für die Annahme einer Ermessensreduzierung bedeuten würde, ist für sich genommen kein tragfähiger Grund. Da aufgrund der engen tatbestandlichen Voraussetzungen einer Erschließungseinheit eine funktionale Abhängigkeit der Neben- von der Hauptstraße ohnehin stets gegeben sein muss und damit das Bedürfnis nach einem am Vorteilsgedanken und an der Beitragsgerechtigkeit orientierten solidarischen Ausgleich der Belastungsunterschiede auf der Hand liegt, erscheint es nicht angezeigt, an die Voraussetzungen für die Annahme einer Ermessensreduzierung zu hohe Anforderungen zu stellen. Der Senat hält es daher für sachgerecht, eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Verpflichtung zur Bildung einer Erschließungseinheit dann anzunehmen, wenn bei einer Einzelabrechnung der Erschließungsanlagen die Kostenlast der Anlieger der Hauptstraße um mehr als ein Drittel höher läge als die der Anlieger der von ihr funktional abhängigen Nebenstraße.
d) Im Streitfall würde sich nach den von den Vorinstanzen aus den Kostenaufstellungen der Beklagten übernommenen Beitragssätzen bei einer Einzelabrechnung der betreffenden Erschließungsanlagen für die Anlieger der Straßenparzellen 225 und 201/5 (gelber und royalblauer Bereich), an denen die Grundstücke der Kläger liegen, ein Beitragssatz von 26,30 €/m² ergeben, für die Anlieger der ringförmigen, von ihr funktional abhängigen Straße "An den Obstwiesen" (Straßenparzellen 238, 258, 264 und 275 - grüner und roter Bereich) dagegen ein Beitragssatz von nur rund 15 €/m². Dies entspricht einer Mehrbelastung der Anlieger des Hauptstraßenzugs (gelb-royalblauer Bereich) um deutlich mehr als ein Drittel. Dass das Oberverwaltungsgericht seiner Vergleichsbetrachtung einen anderen Maßstab zugrunde gelegt hat, ist unschädlich, weil es im Ergebnis ebenfalls zu einer Reduzierung des gemeindlichen Ermessens auf Null gelangt.
4. Das Berufungsurteil verstößt jedoch insoweit gegen Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht die angefochtenen Vorausleistungsbescheide (im Rahmen des Klageantrags) vollständig aufgehoben hat, anstatt sie gemäß seiner Verpflichtung zur Spruchreifmachung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) teilweise, nämlich in bestimmter, rechtmäßig festgesetzter Höhe aufrecht zu halten.
a) Die Vorinstanzen haben, ausgehend von dem eingeschränkten Klageantrag, der nur eine Aufhebung der angefochtenen Bescheide verlangt, soweit die darin geforderten Vorausleistungen über einen von den Klägern akzeptieren Beitragssatz hinausgehen, dem Klagebegehren in vollem Umfang stattgegeben. Auch dies ist unter dem Blickwinkel des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine teilweise, sondern eine volle Kassation ( BVerwG 8 C 12.81 - BVerwGE 64, 356 <357>). Beide Gerichte haben sich daran gehindert gesehen, die angefochtenen Bescheide in Höhe eines zutreffenden Betrags aufrechtzuerhalten, weil sie in ihrem Wesen verändert würden und ihr Bezugsgegenstand ausgetauscht würde, wenn sie nicht mehr der Abrechnung einer einzelnen Anlage, sondern der Abrechnung einer Erschließungseinheit dienten.
Diese Annahme verstößt gegen § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, grundsätzlich selbst - ggf. mit Hilfestellung der beklagten Behörde - zu ermitteln und zu prüfen, ob ein Geldleistungsverwaltungsakt zumindest hinsichtlich eines Teilbetrags in bestimmter Höhe ("soweit") aufrechterhalten bleiben kann (stRspr, vgl. das BVerwG 9 C 2.02 - BVerwGE 117, 200 <206>; BVerwG 9 B 2.08 - NVwZ 2009, 253 Rn. 3 und 8, jeweils m.w.N.).
Zu Unrecht berufen sich die Vorinstanzen für ihr Vorgehen auf das Urteil vom (a.a.O. S. 358), wonach diese Verpflichtung ihre Grenze finde, wenn der angefochtene Verwaltungsakt dadurch in seinem Wesen verändert werde. In dem genannten Urteil werden beispielhaft diverse Fallkonstellationen angeführt, in denen eine Wesensänderung anzunehmen ist oder nicht. Als nicht wesensändernd wird erwähnt, dass der eingeforderte Beitrag auf der Grundlage einer gesetzeswidrig gebildeten Erschließungseinheit ermittelt wurde und nun für die das Klägergrundstück erschließende einzelne Erschließungsanlage neu berechnet werden muss, die bislang als Teil der fehlerhaft gebildeten Erschließungseinheit angesehen worden war (a.a.O. S. 359). Dies ist die umgekehrte Konstellation zum vorliegenden Fall. Beide sind gleich zu beurteilen, weil es der Sache nach jeweils um eine fehlerhafte Beurteilung des "richtigen" Ermittlungsraums geht, der das eine Mal (das Beispiel in BVerwGE 64, 356) von der Gemeinde zunächst zu weit, das andere Mal (im Streitfall) zu eng aufgefasst wurde. Der zu beurteilende Lebenssachverhalt - die Abrechnung der Kosten für die Herstellung der Erschließungsanlagen eines bestimmten Gebiets - ist derselbe, ohne dass darin eine Änderung des "Bezugsgegenstandes" der Beitragsforderung zu sehen ist.
Für die Ansicht der Vorinstanzen kann auch nicht das Argument angeführt werden, dass die teilweise Bestätigung des Bescheides noch einen Willensakt der Gemeinde voraussetze, der (wie z.B. bei einer Abschnittsbildung) in deren Ermessen liege, und dass das Gericht nicht sein Ermessen an Stelle der Gemeinde setzen dürfe. Im Streitfall geht es nicht um einen zu respektierenden Ermessensspielraum, vielmehr machen die Kläger - wie gezeigt: zutreffend - geltend, dass dieser sich ausnahmsweise aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null zu einer Rechtspflicht verdichtet habe.
b) Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden und die angefochtenen Urteile im Ergebnis als richtig bestätigen (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil es insoweit an einer ausreichenden, hinreichend geklärten Tatsachengrundlage fehlt. Die im Berufungsurteil erwähnten Beitragssätze beruhen auf Kostenaufstellungen der Beklagten, die in mehrfacher Hinsicht Ungereimtheiten aufweisen. In den von den Vorinstanzen in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen befinden sich mehrere Kostenaufstellungen: eine vom , eine zweite undatierte sowie eine dritte (Endabrechnung), die im Berufungsverfahren vorgelegt wurde. Dabei wurden in einer Neuberechnung der Veranlagungsflächen (Beiakte 2 Bl. 3), die der zweiten Kostenaufstellung (Beiakte 2 Bl. 4) zugrunde liegt, die Eckgrundstücke an den beiden Einmündungen der Straße "An den Obstwiesen" (im Vergleich zur ersten Aufstellung) nur noch mit der halben Fläche einbezogen. Bei dem von vornherein hälftig angesetzten nördlichen Eckgrundstück zur Straße "Am Römergrund" (Flurstück ...) ist das Baufenster von 109,5 m² auf 67,5 m² verringert. Gründe dafür sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist auch die Summe der Veranlagungsflächen nicht nachvollziehbar; denn eine Addition der neu berechneten Flächen ergibt 8 107,8 m² und nicht - wie dort angegeben - 8 181,8 m². Diesen Ungereimtheiten nachzugehen und die zutreffende Höhe des von den Klägern geschuldeten Vorausleistungsbetrages zu ermitteln, wird Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts im Rahmen der deshalb gebotenen Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung sein (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 12 607,45 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WAAAD-31780