Leitsatz
[1] § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (seit : § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG) ermöglicht es, mit promoviertem wissenschaftlichen Personal im Bereich Medizin befristete Arbeitsverträge bis zur Dauer von neun Jahren abzuschließen. Dies gilt nur für wissenschaftliche Mitarbeiter der medizinischen Fachrichtungen (Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin), nicht für andere in der medizinischen Forschung tätige wissenschaftliche Mitarbeiter.
Gesetze: HRG in der bis geltenden Fassung § 57b Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: LAG Niedersachsen, 8 Sa 1368/07 vom ArbG Hannover, 12 Ca 64/07 Ö vom
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am geendet hat.
Der Kläger ist Diplombiologe mit dem Ausbildungsschwerpunkt Biochemie. Er war nach Abschluss seiner Ausbildung und Beendigung der Promotion auf der Grundlage zweier befristeter Arbeitsverträge vom bis zum als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) des beklagten Landes beschäftigt. Der letzte befristete Arbeitsvertrag vom lautet auszugsweise:
"§ 1
Herr Dr. K wird ab als wissenschaftlicher Angestellter nach §§ 57a ff. Hochschulrahmengesetz (HRG) für die Zeit bis zum beschäftigt. Die Befristung des Arbeitsvertrages gründet sich auf § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (in der ab geltenden Fassung).
..."
Der Kläger gehörte der Abteilung Pädiatrische Hämatologie und Onkologie des Zentrums Kinderheilkunde an. Ihm oblag es, im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs 566 die Ursachen sog. angeborener Neutropenien zu erforschen. Dabei hatte er biochemische Arbeiten und Zellkulturarbeiten an Leukämiezellen durchzuführen.
Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung zum gewandt und die Auffassung vertreten, die Befristung sei nicht nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG gerechtfertigt, da die zulässige Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren überschritten sei. Die bis zu neunjährige Befristungsmöglichkeit im Bereich der Medizin gelte nur für Ärzte, nicht jedoch für sonstige wissenschaftliche Mitarbeiter.
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht am aufgrund der Befristung vom geendet hat.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Befristungskontrollklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Befristungskontrollklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der in dem Arbeitsvertrag vom vereinbarten Befristung am geendet. Die Befristung ist nicht nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG idF des bis zum geltenden Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (HdaVÄndG) vom (im Folgenden: HRG) gerechtfertigt. Durch die Beschäftigung des Klägers bis zum wurde die zulässige Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren überschritten. Die neunjährige Befristungsdauer im Bereich der Medizin gilt nur für wissenschaftliche Mitarbeiter der medizinischen Fachrichtungen, nicht jedoch für wissenschaftliche Mitarbeiter anderer Fachbereiche, die mit medizinischen Forschungsaufgaben beschäftigt sind. Auf eine andere Rechtfertigung für die Befristung hat sich das beklagte Land nicht berufen.
1. Die Wirksamkeit der in dem Arbeitsvertrag vom vereinbarten Befristung zum richtet sich nach § 57b HRG in der Fassung des HdaVÄndG.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags die im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich. Die bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags am in Kraft befindliche Bestimmung in § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG in der ab geltenden Fassung des 5. Gesetzes zur Änderung der HRG und anderer Vorschriften vom (5. HRGÄndG) war vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden ( - 2 BvF 2/02 - BVerfGE 111, 226, 246, 270, 273). Die Vorschrift wurde jedoch durch das HdaVÄndG rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Nach § 57f HRG ist § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG auf Arbeitsverträge anzuwenden, die in der Zeit vom bis zum abgeschlossen wurden. Gleiches regelt § 6 Abs. 1 Satz 1 des am in Kraft getretenen Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - WissZeitVG). Dadurch wurde nachträglich die hochschulrahmenrechtliche Rechtsgrundlage für die Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien geschaffen. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57a ff. HRG auf die in der Zeit zwischen dem und dem abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da hierdurch nur die Rechtslage wiederhergestellt wurde, von der die Parteien bei Vertragsschluss am ausgehen mussten (vgl. hierzu ausführlich - BAGE 118, 290 = AP HRG § 57a Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 620 Hochschulen Nr. 2).
2. Die in dem Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung zum ist nicht nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (jetzt: § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG) gerechtfertigt.
a) Nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG ist die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, die nicht promoviert sind, bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung nach § 57b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. HRG bis zur Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zur Dauer von neun Jahren zulässig. Nach § 57b Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HRG verlängert sich die zulässige Befristungsdauer nach der Promotion in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung vor der Promotion und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. Auf die in § 57b Abs. 1 HRG bestimmte Befristungsdauer sind alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die an einer deutschen Hochschule abgeschlossen wurden, anzurechnen (§ 57b Abs. 2 Satz 1 HRG).
b) Der Ausnahmetatbestand, der für den Bereich der Medizin eine bis zu neunjährige befristete Beschäftigung nach der Promotion zulässt, gilt nur für wissenschaftliche Mitarbeiter der medizinischen Fachrichtungen, nicht jedoch für Wissenschaftler anderer Fachrichtungen, die mit Forschungstätigkeiten auf medizinischem Gebiet beschäftigt sind. Dies lässt sich zwar nicht unmittelbar dem Gesetzeswortlaut des § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG entnehmen, der die längere Befristungsmöglichkeit "im Bereich der Medizin" gestattet. Diese Formulierung erlaubt sowohl eine Auslegung dahingehend, dass damit die Angehörigen der wissenschaftlichen Fachrichtungen der Medizin gemeint sind, als auch diejenige, dass hiervon alle wissenschaftlichen Mitarbeiter erfasst werden, die in der medizinischen Forschung tätig sind unabhängig davon, welchem wissenschaftlichen Fachbereich sie angehören. Aus der Gesetzessystematik sowie aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich jedoch, dass die neunjährige Befristungsmöglichkeit nur für wissenschaftliche Mitarbeiter der medizinischen Fachrichtungen, dh. der Bereiche Medizin, Zahnmedizin und Tiermedizin, gilt (ebenso ErfK/Müller-Glöge 7. Aufl. § 57b HRG Rn. 7; KDZ/Däubler KSchG 6. Aufl. § 57b HRG Rn. 13; Hailbronner/Geis-Waldeyer HRG Stand Dezember 2008 § 57b Rn. 13; aA KR/Lipke 8. Aufl. § 57b HRG Rn. 29; Reich HRG 9. Aufl. § 57b Rn. 3). Die für den Bereich der Medizin um drei Jahre verlängerte Qualifizierungsphase soll erkennbar den Erfordernissen der Facharztausbildung, die je nach Fachrichtung fünf oder sechs Jahre in Anspruch nimmt, Rechnung tragen (ErfK/Müller-Glöge 7. Aufl. § 57b HRG Rn. 7; KDZ/Däubler KSchG 6. Aufl. § 57b HRG Rn. 13; Hailbronner/Geis-Waldeyer HRG Stand Dezember 2008 § 57b Rn. 13). Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik des 5. HRGÄndG (im Folgenden: HRG aF), durch das § 57b HRG mit dem hier maßgeblichen Inhalt erstmals in Kraft gesetzt wurde.
aa) § 47 HRG aF regelte die Einstellungsvoraussetzungen für Juniorprofessoren. Nach § 47 Satz 2 HRG aF sollten Juniorprofessoren mit ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Aufgaben zusätzlich zu den sonstigen Einstellungsvoraussetzungen die Anerkennung als Facharzt nachweisen. Nach § 47 Satz 4 HRG aF sollten die Zeiten der Promotion und der Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder wissenschaftliche Hilfskraft zusammen nicht mehr als sechs Jahre, im Bereich der Medizin nicht mehr als neun Jahre betragen haben. § 48 HRG aF bestimmte, dass eine Juniorprofessur auf zwei mal drei Jahre befristet sein konnte. Die Erbringung wissenschaftlicher Leistungen im Rahmen einer Juniorprofessur sollte nach § 44 Abs. 1 Nr. 4a HRG aF in der Regel Einstellungsvoraussetzung als Professor sein.
Die in § 47 Satz 4 HRG aF bestimmte Qualifizierungsphase vor einer Juniorprofessur wurde im Bereich Medizin auf neun Jahre ausgedehnt, weil der Gesetzgeber einen zeitlichen Rahmen von sechs Jahren für die Promotions- und Postdoktorandenphase wegen der für eine selbständige Vertretung des Fachs Medizin in der Lehre erforderlichen abgeschlossenen Facharztausbildung nicht für ausreichend hielt (BT-Drucks. 14/6853 S. 28). Die verlängerte Qualifizierungsphase "im Bereich der Medizin" in § 47 Satz 4 HRG aF betraf daher die in § 47 Satz 2 HRG aF genannten Juniorprofessoren mit ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Aufgaben. Für diese Juniorprofessoren ergab sich daher eine Gesamtqualifizierungszeit von fünfzehn Jahren. Dieser Zeitraum sollte durch die Regelung in § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG aF auch für die Nachwuchswissenschaftlicher zur Verfügung gestellt werden, die als wissenschaftliche Mitarbeiter im Bereich der Medizin beschäftigt wurden und die nicht eine Professur an einer Universität, sondern zB eine leitende ärztliche Funktion in einer außeruniversitären Klinik anstrebten (BT-Drucks. 14/7336 S. 11). Die Ausdehnung des Qualifizierungszeitraums auf neun Jahre "im Bereich der Medizin" in § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG aF beruhte daher - ebenso wie bei Juniorprofessoren - auf dem Erfordernis der Facharztausbildung und betraf deshalb nur wissenschaftliche Mitarbeiter mit ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Aufgaben.
bb) Das Bundesverfassungsgericht hat das 5. HRGÄndG zwar wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Neuregelungen der Personalkategorien, insbesondere der Juniorprofessur, insgesamt für nichtig erklärt ( - BVerfGE 111, 226). Die hier maßgebliche Regelung in § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG wurde aber durch das HdaVÄndG rückwirkend und gleichlautend wieder in Kraft gesetzt. Sie gilt daher mit demselben Inhalt wie zuvor.
cc) Im Übrigen ist nicht erkennbar, welche anderen Gründe als die Facharztausbildung zu einer Verlängerung der Qualifizierungsphase "im Bereich der Medizin" Anlass gegeben haben könnten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb allein eine wissenschaftliche Tätigkeit in der medizinischen Forschung unabhängig davon, ob sie in medizinischen oder anderen Fachrichtungen erfolgt, eine längere Qualifizierungszeit erfordern soll als in anderen Forschungsbereichen. Dies gilt auch in Anbetracht des Umstands, dass in der klinischen Forschung Vernetzungen mit anderen Fachbereichen, zB der Biologie und der Chemie, bestehen (aA KR/Lipke 8. Aufl. § 57b HRG Rn. 29). Zur wissenschaftlichen Qualifizierung in diesen Fachbereichen ist regelmäßig keine einer Facharztausbildung von der Dauer her vergleichbare zusätzliche Weiterbildung erforderlich. Sofern promovierte wissenschaftliche Mitarbeiter über eine Doppelqualifikation, zB als Arzt und Chemiker, verfügen, können mit ihnen befristete Arbeitsverträge bis zur Dauer von neun Jahren abgeschlossen werden, wenn sie in medizinischen Fachrichtungen tätig sind. Entsprechendes gilt für die Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiter an außeruniversitären Forschungseinrichtungen iSv. § 57d HRG (aA KR/Lipke aaO).
b) Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen des § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG für die in dem Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung zum nicht erfüllt. Der Kläger war nach seiner Promotion aufgrund zweier befristeter Arbeitsverträge in der Zeit vom bis zum als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Medizinischen Hochschule des beklagten Landes beschäftigt. Damit war die für ihn als Diplombiologen mit der Fachrichtung Biochemie nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG zulässige Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren überschritten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2009 S. 2029 Nr. 38
DStR 2009 S. 2691 Nr. 51
NJW 2010 S. 699 Nr. 10
FAAAD-31537
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein