Leitsatz
[1] a) Bei der Bestimmung des technischen Problems (der "Aufgabe") der Erfindung sind Vorgaben, die der Fachmann von seinen Auftraggebern erhält, mit einzubeziehen, sie sind nicht der Problemlösung, sondern dem Problem selbst zuzurechnen (Fortführung von , GRUR 1991, 811, 813 f. - Falzmaschine).
b) Hilfskriterien (früher: "Beweisanzeichen") können lediglich im Einzelfall Anlass geben, bekannte Lösungen besonders kritisch darauf zu überprüfen, ob sie vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens hinreichende Anhaltspunkte für ein Naheliegen der Erfindung bieten und nicht erst aus Expost-Sicht eine zur Erfindung führende Anregung zu enthalten scheinen.
Gesetze: EPÜ Art. 56; EPÜ Art. 138 Abs. 1; IntPatÜbkG Art. 2
Instanzenzug: BPatG, 1 Ni 15/04 EU vom
Tatbestand
Die durch formwechselnde Umwandlung aus der A. P AG hervorgegangene Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in Deutschland vom 7. Juli 1993 am angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 705 204 (Streitpatents), das eine "Beutelverpackung für flüssige Arzneimittel" betrifft und acht Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch wie folgt:
"Darreichungsform zur direkten oralen Einnahme eines flüssigen Arzneimittels, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfolie."
Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 des Streitpatents wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat insbesondere geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über die ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn neben den bereits im Erteilungsverfahren gewürdigten oder genannten Unterlagen (US-Patentschrift 2 430 995, Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 494 582) insbesondere die schwedische Zeitschrift PackMarknaden, Mai 1991 (K9a) und die Veröffentlichung von Dietz und Lippmann, Verpackungstechnik, Heidelberg 1985, S. 240 - 243 (K14), sowie verschiedene Vorbenutzungen bildeten, nicht patentfähig. Sie hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat Patentanspruch 6 des Streitpatents nicht verteidigt. Sie hat im Übrigen Klageabweisung begehrt und Patentanspruch 1 hilfsweise mit mehreren geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit sie das Streitpatent verteidigt. Hilfsweise soll Patentanspruch 1 folgende Fassung erhalten (Einfügungen kursiv):
Hilfsantrag I:
"Darreichungsform zur direkten oralen Einnahme eines flüssigen Arzneimittels, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfolie."
Hilfsantrag II:
"Darreichungsform zur direkten oralen Einnahme eines flüssigen Arzneimittels, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfolie."
Hilfsantrag III:
"Darreichungsform zur direkten oralen Einnahme eines flüssigen Arzneimittels, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfolie."
Hilfsantrag IV:
"Darreichungsform, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfoliezur direkten oralen Einnahme eines flüssigen Arzneimittels."
Hilfsantrag V:
Darreichungsform, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfoliezur direkten oralen Einnahme eines flüssigen Arzneimittels."
Hilfsantrag VI:
Darreichungsform, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfoliezur direkten oralen Einnahme eines flüssigen Arzneimittels." Hilfsantrag VII:Darreichungsform, bestehend aus einem eine Einzeldosis des Arzneimittels enthaltenden, eine als gesiegelte Flachnaht ausgeführte Längsnaht (5) aufweisenden Dreinahtschlauchfolienbeutel (1) aus Aluminiumverbundfoliezur direkten oralen Einnahme eines flüssigen Arzneimittels."
Dabei sollen sich die Rückbeziehungen in den nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 5, 7 und 8, soweit letztere nicht auf Patentanspruch 6 rückbezogen sind, jeweils auf den verteidigten Patentanspruch 1 beziehen, beim vierten, fünften, sechsten und siebten Hilfsantrag jeweils in Form von Verwendungsansprüchen.
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. R. J. , Leiter des Instituts für Distributions- und Handelslogistik des VVL e.V., D. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Gründe
I.
Das Streitpatent betrifft eine Beutelverpackung für Einzeldosen von flüssigen, oral einzunehmenden Arzneimitteln.
1.
Die Beschreibung des Streitpatents gibt an, dass flüssige Medikamente in Folienbeuteln zur Verfügung gestellt würden. Üblicherweise geschehe dies in Vierrandsiegelbeuteln, die durch Rundumversiegelung aus zwei Verbundfolien gebildet seien. Zur Entnahme der Einzeldosis werde der Beutel aufgeschnitten oder aufgerissen. Der Inhalt könne dann ausgeleert und anschließend eingenommen werden. Viele Patienten zögen es vor, den Inhalt des Beutels direkt in die Mundhöhle auszudrücken oder den Beutel auszusaugen. Da die Siegelnähte relativ scharfkantig seien, werde die direkte Entnahme aus dem Beutel in den Mund nicht als besonders angenehm empfunden; da sie auch relativ steif seien, sei es schwierig, die gesamte Dosis ohne Verlust zu entnehmen (Beschr. Sp. 1 Z. 9-39).
2.
Durch das Streitpatent soll nach den Angaben der Patentschrift eine Einzeldosis eines flüssigen Arzneimittels in einer Verpackungsform zur Verfügung gestellt werden, die es dem Patienten ermöglicht, den Inhalt ohne Schwierigkeiten oral einzunehmen (vgl. Beschr. Sp. 1 Z. 39-43).
Damit ist das dem Streitpatent zugrunde liegende technische Problem zusammenfassend zutreffend beschrieben. Ohne Erfolg macht die Berufung demgegenüber geltend, die Gepflogenheit, Arzneimittel aus den gängigen Vierrandsiegelbeutelverpackungen direkt oral einzunehmen, indem der Beutel in den Mund genommen werde, sei dem Fachmann nicht geläufig gewesen; die Erkenntnis, dass bei der Gestaltung der Verpackung eine direkte orale Einnahme zu berücksichtigen sei, sei vielmehr erst der Erfindung zu verdanken. Die Berufung stellt nicht in Abrede, dass bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents, wie es die Patentschrift auch beschreibt, der Inhalt von Einzeldosisverpackungen eines oral einzunehmenden Arzneimittels von manchen Patienten direkt in die Mundhöhle ausgedrückt oder durch Aussaugen des Beutels eingenommen worden ist. Der Senat hat auch keine Zweifel, dass dies zutrifft, da es die Einzeldosisverpackung gerade erübrigt, zunächst mit einem Löffel oder dergleichen die einzunehmende Menge des Arzneimittels abzumessen, und es damit ermöglicht, die verordnete Dosis direkt aus der Verpackung einzunehmen. Auf Grund dieses objektiv feststellbaren Sachverhalts ergab sich jedoch schon aus pharmakologischer Sicht die Anforderung an die Einzeldosisverpackung eines oral einzunehmenden Arzneimittels, durch deren Gestaltung die möglichst verlustfreie Einnahme der gesamten Dosis zu ermöglichen; auch darauf weist die Patentschrift zutreffend hin. Nichts anderes gilt für den in der Beschreibung gleichfalls erwähnten Aspekt der scharfkantigen Siegelnähte. Unabhängig davon, wie groß tatsächlich die von den Kanten der Siegelnähte ausgehende Verletzungsgefahr ist, war aus pharmakologischer Sicht schon der Umstand von erheblicher Bedeutung, dass ein Lippen- oder Zungenkontakt mit den Siegelnähten vom Patienten als unangenehm empfunden werden konnte. Denn er war jedenfalls potentiell geeignet, die Bereitschaft des Patienten zu verringern, der ärztlichen Verordnung zu folgen (Compliance).
Das Patentgericht hat als Fachmann einen Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus, Fachrichtung Verpackungstechnik, mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Folienverpackungen mit Siegelfolien angesehen. Die Befragung des gerichtlichen Sachverständigen hat diese auch von den Parteien nicht angegriffene Feststellung bestätigt. Der gerichtliche Sachverständige hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Verpackungsfachmann, wie auch das Patentgericht bereits ausgeführt hat, die Vorgaben eines Pharmazeuten hinsichtlich der physikalischen und chemischen Beschaffenheit sowie der Produktions- und Abfüllbedingungen des Arzneimittels zu berücksichtigen hat, aber auch diejenigen Eigenschaften, die aus pharmakologischer Sicht oder auch unter Vermarktungsgesichtspunkten bei dem verpackten Endprodukt von Bedeutung sind.
Das objektive technische Problem, das vom Fachmann zu lösen war, kann somit genauer dahin umschrieben werden, eine Verpackung für flüssige, pulver- oder granulatförmige Arzneimittel in Einzeldosen zu schaffen, die eine direkte orale Einnahme des Arzneimittels unter Minimierung von Verletzungsgefahren und bei möglichst hoher Bequemlichkeit für den Patienten ermöglicht.
Die letzteren Gesichtspunkte sind mithin nicht der Problemlösung, sondern dem technischen Problem selbst zuzurechnen. Insoweit handelt es sich nicht um die Einbeziehung von Lösungsansätzen, Lösungsprinzipien oder Lösungsgedanken in die Formulierung des technischen Problems (vgl. hierzu , GRUR 1985, 369 - Körperstativ), sondern um die Bestimmung des Ausgangspunkts des Fachmanns, der für die Erfassung und Bewertung der technischen Lehre heranzuziehen ist, die zur Lösung des objektiven technischen Problems gegeben wird (vgl. , GRUR 1991, 811, 813 f. - Falzmaschine). Eine verbesserte Compliance kann dabei ebenso wenig zur Lösung des technischen Problems gerechnet werden, wie bei einer mit technischen Mitteln umgesetzten Geschäftsmethode die Geschäftsidee selbst. Sodann auf Patentfähigkeit zu überprüfen sind vielmehr in beiden Fällen die technischen Mittel, deren sich die Erfindung bedient, um das außerhalb der Technik liegende Ziel wie ein bestimmtes Patientenverhalten oder einen bestimmten Markterfolg zu erreichen (vgl. BGHZ 159, 197, 206 - elektronischer Zahlungsverkehr; , GRUR 2009, 479 Tz. 11 - Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten).
3.
Zur Lösung des Problems soll durch Patentanspruch 1 des Streitpatents eine Darreichungsform eines Arzneimittels zur Verfügung gestellt werden, die (1) aus einem Schlauchbeutel besteht, (1.1) aus Aluminiumverbundfolie (1.2) in Form eines Dreinahtschlauchbeutels, (1.3) der (nur) eine Längsnaht aufweist, die (1.3.1) als gesiegelte Flachnaht ausgeführt ist, (2) eine Einzeldosis eines Arzneimittels enthält, (2.1) das flüssig ist und (2.2) das oral einzunehmen ist, und (3) zur direkten oralen Aufnahme des Arzneimittels geeignet ist.
Hilfsantrag I charakterisiert die Längsflachnaht näher als nicht innen gegen innen gesiegelt (Merkmal 1.3.2); Hilfsantrag II konkretisiert das Arzneimittel als Antacidum (Merkmal 2.3). Hilfsantrag III kombiniert die zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge I und II. Hilfsantrag IV formuliert Patentanspruch 1 in der Fassung des erteilten Patents als Verwendungsanspruch zur direkten oralen Einnahme. Hilfsantrag V fügt dem Verwendungsanspruch nach Hilfsantrag IV das Merkmal (1.3.2) hinzu, Hilfsantrag VI statt des Merkmals (1.3.2) das Merkmal (2.3); Hilfsantrag VII kombiniert wiederum die zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge V und VI.
Der Begriff Darreichungsform bezeichnet die Einheit aus Verpackung (Behältnis) und Inhalt und betrifft beim Streitpatent nicht die Galenik des Arzneimittels.
Die Angabe "zur direkten oralen Einnahme" (Merkmal 3) in Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung sowie nach den Hilfsanträgen I bis III enthält eine Zweckangabe, die nach den vorstehenden Ausführungen zum technischen Problem bedeutet, dass der Schlauchfolienbeutel so beschaffen sein muss, dass der Patient ihn in den Mund nehmen kann. Dagegen lassen sich ihr entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung bestimmte Anforderungen etwa an die Ausgestaltung der zur Entnahme des Arzneimittels zu öffnenden Quersiegelnaht nicht entnehmen.
Das Patentgericht hat angenommen, dass eine "flossenartige Rückennaht" (Flossennaht) keine Flachnaht im Sinn des Merkmals 1.3.1 darstelle. Es hat dies damit begründet, dass die Patentschrift verschiedene Arten von Siegelnähten des Schlauchfolienbeutels nenne. Von den Quernähten sage sie, dass die endständigen Siegelnähte als Doppelnähte (innen gegen innen) ausgeführt seien (Sp. 2 Z. 9 ff.). Demgegenüber heiße es von der Längsnaht, dass sie als Flachnaht mit Überlappung einer alufreien Zone oder als Taping-Naht ausgebildet werden könne (Sp. 2 Z. 12-17). Es kann offen bleiben, ob dem für Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung beizutreten ist. Auf die Frage, ob der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Gegenstand patentfähig ist, hat dies, wie nachfolgend ausgeführt, keinen entscheidenden Einfluss. Der Ausschluss der Flossennaht ergibt sich jedenfalls aus Patentanspruch 1 in der nach den Hilfsanträgen I, III, V und VII verteidigten Fassung.
II.
Es kann dahinstehen, ob - was das Patentgericht verneint hat -der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der Anmeldung in der beim Internationalen Büro eingereichten Fassung hinausgeht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜbkG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ), denn er ist jedenfalls gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ), weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ). Dies gilt auch für das Streitpatent in seinen zulässigerweise hilfsweise eingeschränkt verteidigten Fassungen. Die Berufung der Beklagten muss daher ohne Erfolg bleiben.
1.
Das Patentgericht hat ausgeführt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents möge zwar neu sein, beruhe jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dem Fachmann sei ein kleiner Verpackungsbeutel ("Stic-Pac") aus der schwedischen Zeitschrift "PackMarknaden", Mai 1991, S. 38 (K9a), bekannt gewesen. Dieser sei mit flüssigem Arzneimittel gefüllt und bilde eine Darreichungsform zur Einnahme des flüssigen Arzneimittels, die ohne Weiteres auch zur oralen Einnahme geeignet sei. Der Beutel sei ein Schlauchbeutel ("slangpåse") mit drei Nähten, darunter einer gesiegelten Längsnaht, und enthalte eine Einzeldosis des Arzneimittels. Nicht beschrieben sei lediglich, dass der Beutel aus Aluminiumverbundfolie hergestellt sei und wie die Längsnaht ausgebildet sei. Für die Ausbildung aus Aluminiumverbundfolie habe der Fachmann aber daraus eine Anregung erhalten, dass in dem Artikel auf dieses Material (S. 39 mittlere Spalte) hingewiesen werde. Dort heißt es über eine andere Medikamentenverpackung: "Den materialkombination som används är PET/aluminium/PET/polyeten, med polyeten på insidan" (die verwendete Materialkombination ist PET/Aluminium/PET/Polyethen [Polyethylen], mit Polyethen [Polyethylen] auf der Innenseite). Dass Dreinahtschlauchbeutel aus Aluminiumverbundfolie dem Fachmann geläufig gewesen seien, ergebe sich aus der Beschreibung des Streitpatents; dies gelte auch für den Einsatz einer als gängig dargestellten Flachnaht. Flachnähte zeigten auch die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 494 582 (D2 , Fig. 13/14) und das Lehrbuch von Dietz und Lippmann, Verpackungstechnik, Heidelberg 1985, S. 242 (K14). Der Fachmann habe zumindest auf Grund eines Hinweises des Pharmazeuten davon Kenntnis haben müssen, dass in Vierrandsiegelbeuteln dargebotene flüssige Arzneimittel häufig direkt oral eingenommen würden und dass dies infolge ihrer scharfkantigen Doppelnähte zu Schwierigkeiten führe. Um diesen Nachteil zu vermeiden, sei es naheliegend gewesen, bei dem Dreinahtschlauchbeutel nach der Veröffentlichung K9a die Doppelnaht zu vermeiden und die bekannte Flachnaht auszuwählen, die bekanntermaßen keine abstehenden oder vorstehenden Bereiche aufweise.
2.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Patentgericht zutreffend entschieden.
a)
Der Artikel in "PackMarknaden" (K9a) beschreibt mit dem "Stic-Pac" eine Verpackungseinheit mit einem kleinen, schmalen Schlauchbeutel ("en liten smal slangpåse"), die sich für Arzneimittel, Pulver, Granulat und in flüssiger Form ("läkemedel, pulver eller flytande"; "i Pulver-, granulat- och flytande form") eignet. Der Veröffentlichung ist auch zu entnehmen, dass es sich um einen Dreinahtbeutel handelt, denn der Beutel wird als gewöhnlicher Schlauchbeutel bezeichnet, der auf der Rückseite und an den Enden verschweißt ist ("vanlig slangpåse med rygg- och ändförsegling"); wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, war damit aus fachmännischer Sicht ein Dreinahtschlauchbeutel beschrieben, wie ihn auch die Veröffentlichung von Dietz und Lippmann (K14) zeigt (Tafel 5.6 auf S. 242). Der kleine schmale Schlauchbeutel eignete sich auch ohne Weiteres zur direkten oralen Aufnahme des Arzneimittels.
b)
Nicht vorbeschrieben sind lediglich das Folienmaterial (Merkmal 1.1), die Ausführung der Längsnaht (Merkmal 1.3.1) und ein oral einzunehmendes Arzneimittel (Merkmal 2.2).
Für den Fachmann, der vor der Aufgabe stand, für ein solches oral einzunehmendes Arzneimittel eine Einzeldosisverpackung bereitzustellen, lag es indessen nahe, dafür auf den beschriebenen Stic-Pac zurückzugreifen (vgl. zur Wahl des Ausgangspunkts BGHZ 179, 168 Tz. 51 - Olanzapin; Sen. Urt. v. - Xa ZR 138/05 - Fischbissanzeiger, zur Veröffentlichung vorgesehen). In der Veröffentlichung nach Anl. K9a fand er die Überlegung, dass es mit dem "Stic-Pac" gelungen sei, den Einzeldosisverpackungen aus Schlauchbeutelfolie ein "neues Image" zu geben. Der dabei möglicherweise im Vordergrund stehende Marketingaspekt, im Sinn eines "Convenience"-Produkts eine moderne, bequem auch unterwegs zu benutzende Verpackungsform bereitzustellen, war erkennbar gerade auch für den Verpackungsfachmann von Bedeutung, der eine Verpackungsform schaffen wollte, die geeignet erschien, die Patienten-Compliance zu erhöhen.
Das Folienmaterial Aluminiumverbundfolie war gängig und stand dem Fachmann zur Verfügung; das Patentgericht verweist zu Recht darauf, dass die Veröffentlichung "PackMarknaden" (K9a) an anderer Stelle des Artikels in Bezug auf den Viernahtschlauchbeutel "3-Dee" eine Aluminiumverbundfolie erwähnt; auch die deutsche Offenlegungsschrift 39 15 636 (K7) und das deutsche Gebrauchsmuster 90 04 904 (K8) erwähnen dieses Material, das zudem in dem kurz nach der Anmeldung des Streitpatents angemeldeten und damit nicht dem Stand der Technik zuzurechnenden, aber gleichwohl für die Beurteilung des Naheliegens indiziell mit heranzuziehenden deutschen Gebrauchsmuster 93 13 664 auch speziell für Medikamente als "hinlänglich bekannt und in Benutzung" bezeichnet wird (S. 1 zweiter Abs.). Der gerichtliche Sachverständige hat die Üblichkeit der Verwendung von Aluminiumverbundfolien für Schlauchbeutelverpackungen in gleicher Weise gesehen.
Für die Ausführung der Längsnaht standen dem Fachmann, wie sich aus der Darstellung bei Dietz und Lippmann (K14) ergibt und der gerichtliche Sachverständige ebenfalls bestätigt hat, jedenfalls zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Er konnte sie entweder als Flachnaht im Sinne des Merkmals 3 mit überlappter Rückennaht oder als flossenartige Rückennaht ausführen. Zwar bildete die Flossennaht nach den Ausführungen des Sachverständigen die einfachere und grundsätzlich kostengünstigere Alternative. Im Hinblick auf die gewünschte Vermeidung einer Verletzungsgefahr und das angenehmere Gefühl bei Lippenoder Zungenkontakt mit der Naht bot es sich jedoch an, auf die bei Dietz und Lippmann beschriebene zweite Möglichkeit zurückzugreifen und die in "Pack-Marknaden" nicht näher beschriebene Naht als "überlappte Rückennaht" auszubilden.
c)
Auch mit ihrer Berufung auf verschiedene "Beweisanzeichen" (besser: Hilfskriterien) kann die Beklagte keinen Erfolg haben.
Diese Hilfskriterien können eine erfinderische Tätigkeit für sich genommen weder begründen noch ersetzen (vgl. nur , GRUR 1991, 120, 121 - elastische Bandage; Beschl. v. - X ZB 15/06, GRUR 2007, 997 - Wellnessgerät). Sie können lediglich im Einzelfall Anlass geben, die im Stand der Technik bekannten Lösungen besonders kritisch daraufhin zu überprüfen, ob sie vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens hinreichende Anhaltspunkte für ein Naheliegen des Gegenstands der Erfindung bieten und nicht erst aus Expost-Sicht eine zur Erfindung führende Anregung zu enthalten scheinen. Im Streitfall erklärt sich indessen der Erfolg erfindungsgemäßer Erzeugnisse, auf die sich die Beklagte beruft, ohne weiteres dadurch, dass sie, wie sie selbst vorträgt, erstmals die Vorteile der direkten oralen Einnahme des Arzneimittels werblich herausgestellt hat. Dies vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass die technische Gestaltung der Verpackung, die dies ermöglicht, nach dem Vorstehenden dem Fachmann nahegelegt war.
d)
Dies ist auch nicht deshalb zweifelhaft, weil die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in ihrer Entscheidung vom (T 759/99) zu einer anderen Wertung gelangt ist. Denn der Technischen Beschwerdekammer stand nicht das Material aus dem Stand der Technik zur Verfügung, das im Nichtigkeitsverfahren vorgelegt worden ist; die Beschwerdekammer hat - in ausdrücklicher Abweichung von der Prüfungsabteilung - nicht einmal die Verpackung flüssiger Lebensmittel in Schlauchfolienbeuteln als bekannt angesehen.
3.
Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
a)
Die zusätzlichen Merkmale nach den Hilfsanträgen I bis III sind nicht geeignet, die Frage der erfinderischen Tätigkeit positiv zu beurteilen. Dies ist zum Ausschluss der Siegelung innen gegen innen, also der Flossennahtlösung, bereits dargelegt.
Die Befüllung mit Antacida (Hilfsantrag II) weist gegenüber der Befüllung mit anderen Arzneimitteln ersichtlich keine Besonderheiten auf, die dem Fachmann hätten Veranlassung geben können, die für flüssige Arzneimittel geeignete Verpackung für Antacida nicht in Erwägung zu ziehen. Auch die Kombination der beiden Merkmale führt nicht zu einem zusätzlichen kombinatorischen Effekt.
b)
Die Formulierung als Verwendungsanspruch im Sinn einer direkten oralen Applikation führt zu keiner anderen als der bestimmungsgemäßen Verwendung der nahegelegten Verpackungseinheiten; die Schutzfähigkeit scheitert somit aus den unter II 2 genannten Gründen.
4.
Dass und warum die Gegenstände der verbleibenden angegriffenen Unteransprüche gleichfalls nahegelegt waren, hat das Patentgericht zutreffend ausgeführt. Die Berufung wendet sich hiergegen auch nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstelle(n):
MAAAD-30995
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja