BSG Urteil v. - B 6 KA 62/07 R

Leitsatz

Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens. Eine andere Berechnungsweise kann in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen.

Gesetze: SGB V § 82 Abs 1; SGB V § 85; SGB V § 87; SGB V § 106 Abs 2 S 3; SGB V F: § 106a Abs 2 S 5; SGB V F: § 106a Abs 2 S 6; BMV-Ä § 45 Abs 2 S 1; EKV-Ä § 34 Abs 4 S 2; EBM-Ä Nr 439

Instanzenzug: SG München, S 21 KA 475/04 vom LSG München, L 12 KA 11/06 vom

Gründe

I

Streitig ist die Berechnung einer Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Orthopädie im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie unterlag bis zum den Bestimmungen über die sog Praxisbudgets.

Im Rahmen umfassender Überprüfungen der Abrechnungen von Orthopäden im Jahr 2002 bat die Beklagte die Klägerin um eine Bestätigung, dass sie bei der Durchführung von Analgesien von Spinalnerven gemäß Nr 439 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (hier anzuwenden in der 2001/2002 geltenden Fassung [EBM-Ä aF], bewertet mit 500 Punkten) jeweils den gesamten Leistungsinhalt vollständig erfüllt habe, insbesondere auch die zum Leistungstatbestand gehörende Dokumentation vorweisen könne. Sollte sie den Umfang der Leistungsanforderung nicht vollständig erkannt haben, werde eine rückwirkende Korrektur erfolgen; ausnahmsweise werde jedoch von Weiterungen abgesehen (Schreiben vom ). Die Klägerin antwortete, sie habe die Leistung, deren Anforderungen sie nicht vollständig erkannt habe, in ihren Honoraranforderungen jeweils versehentlich in Ansatz gebracht (Schreiben vom ). Daraufhin strich die Beklagte im Wege sachlich-rechnerischer Richtigstellung die in den Honorarbescheiden für die Quartale I/2001 bis IV/2002 enthaltenen Ansätze der Nr 439 EBM-Ä aF. Zugleich forderte sie von der Klägerin einen Betrag von zunächst 31.808,29 Euro zurück, den sie nach einer Überprüfung (Absehen von der zusätzlichen Herausrechnung der Nr 450 EBM-Ä aF) auf 16.631,43 Euro reduzierte (Bescheid vom , Korrektur vom , weiteres Schreiben vom ).

Die Klägerin erhob Widerspruch, mit dem sie sich ausdrücklich nicht gegen die Streichung der Nr 439 EBM-Ä aF, sondern lediglich gegen die Berechnung der Rückforderung von 16.631,43 Euro wandte. Sie machte geltend, dass die Streichung der Nr 439 EBM-Ä aF keine so weit gehende Minderung ihres Honorars bewirken dürfe; dieses sei ihr in Höhe des von ihr korrekt erbrachten und abgerechneten Punktzahlvolumens bis zur Budgetgrenze zu belassen. Die aus dem Verhältnis zwischen Honoraranforderung und Budgetierung resultierende Quote des anzuerkennenden Gesamtpunktzahlvolumens (sog Anerkennungsquote) sei entsprechend zu erhöhen.

Das nach Zurückweisung ihres Widerspruchs (Bescheid vom ) angerufene Sozialgericht (SG) hat den Rückforderungsbescheid der Beklagten aufgehoben (Urteil vom ). Diese dürfe bei einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung die Honorarbescheide nur in der Weise ändern, dass die Klägerin so gestellt werde, als ob sie die Nr 439 EBM-Ä aF in ihren Abrechnungen von vornherein nicht in Ansatz gebracht habe. Die Beklagte hätte die Anerkennungsquote auf der Grundlage der verminderten Honoraranforderung neu berechnen müssen.

Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom ). In diesem Urteil ist ausgeführt, die Höhe des Rückforderungsbetrags sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe diesen zu Recht unter Zugrundelegung der in den Honorarbescheiden ursprünglich jeweils festgesetzten Anerkennungsquote berechnet. Bei nachträglichen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sei ebenso zu verfahren wie bei Rückforderungen im Zusammenhang mit Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit. Hier liege es anders als in den Fällen anfänglicher, von vornherein vorgenommener Richtigstellungen und auch anders als im Falle unzutreffend abgegebener Quartalsabschlusserklärungen, wonach das Honorar vollständig neu festzusetzen sei. Bei der nachträglichen sachlich-rechnerischen Richtigstellung habe der betroffene Arzt keinen Anspruch auf die Neufestsetzung der Anerkennungsquote. Andernfalls stünden Ärzte, denen vorsätzliche sachlich-rechnerische Unrichtigkeiten zur Last fielen, uU besser als nur unwirtschaftlich handelnde Ärzte, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keinen Anspruch auf die Neufestsetzung der Anerkennungsquote hätten.

Mit ihrer Revision hat die Klägerin nochmals klargestellt, dass sie sich nicht gegen die nachträgliche Streichung der Nr 439 EBM-Ä aF, sondern lediglich gegen die Rückforderung wendet. Sie macht geltend, eine sachlich-rechnerische Richtigstellung könne nur darauf gerichtet sein, den Betroffenen so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßem Verhalten stehen würde. Dementsprechend hätte die Beklagte die Anerkennungsquote anhand der verminderten Honoraranforderung neu berechnen müssen. Die von der Beklagten gewählte Vorgehensweise führe indessen dazu, dass Ärzten, die mit ihrem Leistungsumfang auch nach dem Abzug fehlerhaft angesetzter Leistungen noch das Praxisbudget überschritten hätten, weniger Honorar belassen werde, als ihnen nach den Regelungen über das Praxisbudget zustehe. Dies verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG. Sie werde einer Verfahrensweise unterworfen, die bei unwirtschaftlich handelnden Ärzten und möglicherweise auch bei Betrügern berechtigt sein könne, nicht aber bei einer lediglich versehentlich falschen Abrechnung. Das Urteil des LSG leide zudem an weiteren Fehlern. So treffe dessen Auffassung nicht zu, sie - die Klägerin - könne eine Änderung der Anerkennungsquote schon deshalb nicht beanspruchen, weil sie ihren Widerspruch auf den Umfang der Änderung des Honorarbescheids bzw auf die Höhe der Rückforderungssumme beschränkt habe. Der vom LSG herausgestellte formale Unterschied zwischen anfänglicher und nachträglicher Richtigstellung sei hierfür nicht tragfähig, zumal das Vorliegen der einen oder anderen Art der Richtigstellung gelegentlich nur von Zufälligkeiten abhänge. Zu berücksichtigen sei auch der umgekehrte Fall: Habe ein Arzt, der mit seinen Leistungen das Budget überschritten habe, die Honoraranforderung für einige Leistungen versehentlich unterlassen und melde er diese - sofern das nach den Honorarverteilungsregelungen zugelassen werde - noch nach, so würde ihm wohl kaum mit dem Argument bestandskräftig feststehender Anerkennungsquote noch zusätzliches Honorar zuerkannt werden. Schließlich stehe das Vorgehen der Beklagten auch in Widerspruch zu der mit Schreiben vom erteilten Zusicherung, "von Weiterungen abzusehen".

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat die von ihr erhobene Klage zu Recht unter Aufhebung des Urteils des SG abgewiesen. Die Beklagte hat die der Klägerin erteilten Honorarbescheide zu Recht aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung teilweise aufgehoben und von ihr zu viel gezahltes Honorar zurückverlangt; sie hat dieses auch der Höhe nach zutreffend berechnet.

Die Vorinstanzen haben sich zu Recht auf die Überprüfung der teilweisen Aufhebung der ursprünglichen Honorarfestsetzungen und der daraus resultierenden Rückforderungen beschränkt, weil allein dies Gegenstand des Verfahrens ist. Die dem zugrunde liegende Streichung der Leistungen nach Nr 439 EBM-Ä aF hat die Klägerin nicht angefochten.

1. Rechtsgrundlage der aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung erfolgten teilweisen Aufhebung der Honorarbewilligungen sind § 45 Abs 2 Satz 1 BMV-Ä, § 34 Abs 4 Satz 2 EKV-Ä (in der bis zum geltenden Fassung). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass der Arzt das Honorar, das ihm nach sachlich-rechnerischer Abrechnungskorrektur nicht mehr zusteht, zurückzahlen muss (vgl BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, jeweils RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 18). Der Umfang der Teilaufhebung der Honorarbewilligung ist unproblematisch, wenn alle Leistungen des Vertragsarztes mit einem identischen Punktwert honoriert werden. Das Produkt aus Punktwert und zu Unrecht in Ansatz gebrachtem Punktzahlvolumen gibt dann den Umfang der Aufhebung vor. Mehrere Möglichkeiten sind indessen dann denkbar, wenn die Honorarforderung des Vertragsarztes durch Regelungen des EBM-Ä oder des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) begrenzt wird und deshalb nicht ohne Weiteres klar ist, welchen Wert die zu Unrecht in Ansatz gebrachten Leistungen haben. Das betrifft insbesondere Fälle aus der Zeit, in denen die Bestimmungen des EBM-Ä aF über die Praxisbudgets zur Anwendung kamen, die vom bis zum galten (Allgemeine Bestimmungen A I., Teil B EBM-Ä aF, DÄ 1996, A-3364; 1997, A-864; - aufgehoben durch Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom , DÄ 2003, A-218). Nach diesen Regelungen waren die dem Praxisbudget zugeordneten Leistungen je Arztpraxis und Abrechnungsquartal nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl abrechenbar. Das Produkt aus der pro Fall festgesetzten Fallpunktzahl und der Zahl der Fälle gemäß Nr 1.4 aaO EBM-Ä aF ergab die Höhe der Budgets. Die diese Grenze überschreitenden Anforderungen wurden nicht gesondert vergütet; erbrachte ein Arzt mehr Leistungen als die nach dem Budget maximal zu vergütende Punktzahl, so erhielt er ungeachtet der Mehrleistungen nur den Budgetmaximalbetrag (zur Wirksamkeit und Wirkungsweise der Regelungen über die Praxis- und Zusatzbudgets siehe BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 11; siehe auch -, RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 87 vorgesehen). Für die Mehrleistungen lag rechnerisch dann aber nicht etwa eine "Null-Vergütung" vor; vielmehr wurde in solchen Fällen lediglich das Ausmaß der Vergütungen insgesamt der Höhe nach begrenzt, sodass das auf die einzelne Leistung entfallende Honorar entsprechend der größeren Anzahl erbrachter Leistungen sank (stRspr, vgl zB BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, jeweils RdNr 13 am Ende; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 17 RdNr 18; ebenso zB auch - juris RdNr 12 am Ende). Daraus folgt zugleich, dass weniger Leistungen nicht automatisch auch weniger Honorar bedeuten, nämlich dann nicht, wenn trotzdem noch die Leistungsmenge so groß ist, dass sie das Budget ausschöpft.

Diese Wirkungsweise des Praxisbudgets würde dazu führen, dass bei Vertragsärzten, die mit ihrer Honoraranforderung das Praxisbudget weit überschritten, eine nachträgliche Verminderung des Umfangs der zu honorierenden Punkte keine Auswirkungen auf ihren Honoraranspruch hätte, wenn die Honorarbegrenzung durch das Praxisbudget im Falle einer Punkteminderung neu zu berechnen wäre. Diese Rechtsfolge ist jedoch mit den normativen Vorgaben nicht vereinbar. Das hat der Senat für die vergleichbare Konstellation bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung bereits entschieden, und dasselbe gilt im Falle sachlich-rechnerischer Richtigstellungen. Dies ergibt sich für die Zeit seit dem ausdrücklich aus § 106a Abs 2 Satz 5 SGB V (in der seit dem geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom , BGBl I 2190; seit dem infolge der Einfügung des Abs 2 Satz 5 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom , BGBl I 378, nunmehr Satz 6), hat aber ebenso schon in der Zeit davor gegolten.

Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V hatte der Senat bereits in seinen Urteilen vom und vom entschieden, dass die Honorarbegrenzung durch das Praxisbudget und der daraus folgende praxisindividuelle Punktwert im Falle einer Honorarkürzung nicht neu zu berechnen sind, dass vielmehr auf der Grundlage derjenigen Festlegungen, die anhand des zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumens erfolgten, auch die Honorarkürzung und -rückforderung bestimmt werden (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 32 S 184 f und BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 4 RdNr 9; ebenso auch die späteren Urteile BSG USK 2005-108 S 783; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 29). Dies hat der Gesetzgeber mit seiner Einfügung des Satzes 3 in § 106 Abs 2 SGB V aufgegriffen und gesetzlich geregelt, indem er klargestellt hat, dass für Wirtschaftlichkeitsprüfungen das "zur Abrechnung vorgelegte Leistungsvolumen" maßgeblich ist und "honorarwirksame Begrenzungsregelungen ... keinen Einfluss auf die Prüfungen" haben (Einfügungen durch das GKV-Modernisierungsgesetz aaO zum , vgl dazu BT-Drucks 15/1525 S 114 - zu Doppelbuchstabe cc: "wird klargestellt").

In gleicher Weise und zeitgleich - ebenfalls zum - hat der Gesetzgeber in § 106a Abs 2 Satz 5 SGB V (Satz 5 ist zum zu Satz 6 geworden) vorgegeben, dass auch bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen von dem "durch den Vertragsarzt angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen" ist. Mit dem Abstellen auf das "durch den Vertragsarzt angeforderte" Punktzahlvolumen wird festgelegt, dass bei der sachlich-rechnerischen Überprüfung die vom Arzt eingereichte Honoraranforderung zugrunde zu legen ist. Durch den Zusatz, dass bei der Prüfung von diesem Punktzahlvolumen "unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen" ist, wird weiterhin vorgegeben, dass nicht nur bei der Überprüfung der angeforderten Punktzahlen, sondern auch bei den aus einer Korrektur zu ziehenden Schlussfolgerungen an das angeforderte Punktzahlvolumen anzuknüpfen ist. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber keine neue Rechtslage geschaffen. Er hat vielmehr nur klargestellt (siehe BT-Drucks 15/1525 S 118: "stellt klar"), dass die Rechtslage, so wie das BSG dies bereits für Wirtschaftlichkeitsprüfungen ausgesprochen hatte, auch für sachlich-rechnerische Prüfungen galt und gilt. Aus der Rechtsprechung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung haben sich keine Hinweise darauf entnehmen lassen, dass die dort maßgebenden Grundsätze auf sachlich-rechnerische Richtigstellungen nicht anzuwenden sind. Im Gegenteil hat eine solche Anwendung auch auf sachlich-rechnerische Prüfungen schon immer nahegelegen, weil die Abrechnung nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen im weitesten Sinne auch unwirtschaftlich ist. Dementsprechend hat der Gesetzgeber sich ohne Weiteres veranlasst sehen dürfen, in beiden Bereichen - Wirtschaftlichkeits- und sachlich-rechnerische Prüfung - inhaltsgleich und zeitgleich dieselben Klarstellungen in das Gesetz aufzunehmen.

Demnach gilt gleichermaßen für Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit und für Honorarkorrekturen aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellungen, dass bei der Bemessung des Richtigstellungsbetrags an das ursprünglich angeforderte Punktzahlvolumen anzuknüpfen ist. Dieses ist der Ausgangspunkt auch für die Berechnung des Betrags der Honorarkorrektur. Die Punktwerte, die sich aus der Anerkennungsquote ergaben, dh aus dem Verhältnis des bei der Honoraranforderung in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens zum Umfang eines honorarbegrenzenden Budgets (Praxisbudget oder Individualbudget oä), bleiben auch nach einer Korrektur weiterhin maßgeblich. Den Arzt an seiner Honoraranforderung festzuhalten, ist auch deshalb folgerichtig, weil er mit der sog Abrechnungs-Sammelerklärung, die er seiner Honoraranforderung beifügte, die von ihm eingereichte Honoraranforderung ausdrücklich für zutreffend erklärte (vgl hierzu BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 3 f; darauf Bezug nehmend zB BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, jeweils RdNr 28). Mithin ist kein Raum für eine Neuberechnung der Anerkennungsquote. Vielmehr sind die gestrichenen Punkte bzw Punktzahlen anhand der Anerkennungsquote und damit der praxisindividuellen Punktwerte, so wie diese aus dem Verhältnis zwischen dem bei der Honoraranforderung in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumen und dem Umfang des honorarbegrenzenden Budgets errechnet wurden, in Euro zu bewerten, und dementsprechend ist die Rückforderung festzusetzen (zur Forderung eines stets realen Honorarabzugs vgl BT-Drucks 15/1525 S 118: "Dadurch soll die Validität der Prüfungsergebnisse ... gewährleistet werden"; im Ergebnis ebenso zB Engelhard in Hauck/Noftz [Hrsg], SGB V, Stand Dezember 2007, K § 106a RdNr 17 f, und Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann [Hrsg], jurisPraxisKommentar, SGB V, 2008, § 106a RdNr 51).

a) Diese Grundsätze, nach denen kein Raum für eine Neufestlegung der Anerkennungsquote anhand des durch sachlich-rechnerische Korrektur verminderten Abrechnungsvolumens ist, gelten für alle Arten sachlich-rechnerischer Richtigstellungen.

Eine Einschränkung dahin, dass dies nur für solche sachlich-rechnerischen Richtigstellungen gelten solle, die auf zeitaufwandsbezogenen Plausibilitätsprüfungen beruhen, besteht nicht. Eine solche Einschränkung lässt sich dem § 106a Abs 2 Satz 5 (bzw seit dem : Satz 6) SGB V nicht entnehmen. Diese Regelung schließt zwar unmittelbar an die Vorschriften in Satz 2 bis 4 aaO über Plausibilitätsprüfungen an, sie bezieht sich aber nicht allein auf diese Art von Prüfungen. Ihre Einleitung lautet "Bei den Prüfungen" und nicht "Bei diesen Prüfungen", was nahe gelegen hätte, wenn ein Bezug allein auf die zuletzt genannten Plausibilitätsprüfungen beabsichtigt gewesen wäre. Eine Bestätigung dafür, dass kein so eingeschränkter Bezug nur auf Plausibilitätsprüfungen besteht, ergibt sich aus der späteren zusätzlichen Bestimmung, die zwischen die Regelung in Satz 2 bis 4 aaO und diejenige in Satz 5 (dadurch dann Satz 6) eingeschoben worden ist: In dem neu eingefügten Satz 5 ist bestimmt "Satz 2 bis 4 gilt nicht für die vertragszahnärztliche Versorgung" (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom , BGBl I 378, mit Wirkung zum ). Mit dieser Bestimmung sollte die Durchführung von Plausibilitätsprüfungen - aber eben nur von diesen - im zahnärztlichen Bereich ausgeschlossen werden (siehe BT-Drucks 16/3100 S 138 "zu Nr 73" Buchst a Doppelbuchst aa und BR-Drucks 755/06 S 376 f); sie nimmt allein auf Satz 2 bis 4 aaO Bezug. Wäre auch Satz 5 (bzw seit dem : Satz 6) eine Regelung speziell für die Plausibilitätsprüfung, hätte der Gesetzgeber von seinem Regelungsziel her (BT- und BR-Drucks aaO) den neuen Satz 5 erst an spätere Stelle gesetzt. Indem er dies nicht getan hat, hat er bestätigt, dass der Satz 5 bzw nunmehr Satz 6 eine Regelung darstellt, die nicht speziell auf Plausibilitätsprüfungen bezogen ist, sondern alle Arten sachlich-rechnerischer Richtigstellungen betrifft.

Ebenso wenig besteht eine Einschränkung dahin, dass die unter 1. dargestellten Grundsätze etwa nur für sog nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellungen gelten sollten und nicht auch für vorgängige (sog quartalsgleiche) Prüfungen. Sie gelten vielmehr im Grundsatz auch für solche sachlich-rechnerischen Richtigstellungen, die bereits vor oder zeitgleich mit dem Erlass des Honorarbescheids erfolgten und somit in diesem bereits mitberücksichtigt worden sind. Dies ergibt sich aus der Anknüpfung des § 106a Abs 2 Satz 5 (bzw seit dem : Satz 6) SGB V an das "angeforderte Punktzahlvolumen". Die abweichende Ansicht, wonach vorgängige sachlich-rechnerische Richtigstellungen anders zu behandeln seien, kann sich nicht auf das Gesetz stützen, in dem eine solche Differenzierung nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck kommt. Soweit Differenzierungsgründe benannt werden, wird dafür lediglich eine entsprechende gewachsene Verwaltungsübung angeführt (zur abweichenden Ansicht vgl zB Steinhilper, Die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen durch die KÄV, in Schnapp/Wigge [Hrsg], Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 17 RdNr 54 f; derselbe, Überprüfung der vertragsärztlichen Honorarabrechnung, in Wenzel [Hrsg], Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Aufl 2009, Kap 11 Abschnitt D, RdNr 425 ff, 496 f). Die geforderte schonendere Behandlung Betroffener kann indessen lediglich im Einzelfall unter besonderen Umständen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (dazu unten RdNr 25 ff).

b) Abweichendes gilt auch nicht für solche sachlich-rechnerischen Richtigstellungen, die noch auf der Grundlage der bis zum maßgebend gewesenen § 45 Abs 2 Satz 1 BMV-Ä, § 34 Abs 4 Satz 2 EKV-Ä erfolgten. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, stellte die zum in das Gesetz aufgenommene Regelung des § 106a Abs 2 Satz 5 (bzw seit dem : Satz 6) SGB V lediglich eine Klarstellung der bereits zuvor geltenden Rechtslage dar (siehe oben RdNr 16).

Die Rechtslage ist bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen auch insoweit nicht anders als im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Auch hier hatte das BSG die dargestellten Grundsätze schon vor dem zugrunde gelegt, ungeachtet dessen, dass es damals die Regelung des § 106 Abs 2 Satz 3 SGB V noch nicht gab (siehe BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 32 S 184 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 4 RdNr 9; vgl ebenso in Fällen von vor 2004: BSG USK 2005-108 S 783; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 29).

2. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das LSG die teilweise Aufhebung der Honorarbewilligungen, die die Beklagte gegenüber der Klägerin aufgrund der durchgeführten sachlich-rechnerischen Richtigstellungen bei Nr 439 EBM-Ä aF vornahm, zutreffend als rechtmäßig angesehen.

a) Kein Einwand gegen die Rechtmäßigkeit der Teilaufhebung der Honorarbewilligung ergibt sich daraus, dass die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom mitteilte, sie werde im Falle versehentlicher Falschabrechnung "die Leistungen rückwirkend korrigieren, ausnahmsweise jedoch von Weiterungen absehen." Unzutreffend ist die Ansicht der Klägerin, die Beklagte habe mit der Ankündigung des Absehens von Weiterungen ihr im Sinne des § 34 Abs 1 SGB X zugesichert, honorarmäßige Konsequenzen werde es nicht geben. Die Ankündigung ist bei der gebotenen, am Empfängerkreis orientierten Auslegung (hierzu vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 18 iVm 20; siehe auch BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, jeweils RdNr 34) dahin zu verstehen, dass zwar eine vollständige Korrektur, dh sowohl die rückwirkende Streichung des Ansatzes der Gebührennummer als auch die daraus resultierende Teilaufhebung der Honorarbewilligungen einschließlich Rückforderung, vorgenommen werde, aber keine darüber hinausgehenden "Weiterungen" wie zB die Veranlassung einer Disziplinarmaßnahme, die Beantragung einer Zulassungsentziehung, eines Approbationsentzugs oder eine Strafanzeige wegen Abrechnungsbetrugs erfolgen werden. Aufgrund einer solchen Formulierung kann ein verständiger Empfänger nicht erwarten, dass die sachlich-rechnerische Richtigstellung überhaupt nur teilweise, nämlich beschränkt auf die Streichung der Gebührennummer, erfolgen werde. Vielmehr liegt es in Fällen der vorliegenden Art, in denen sogar die Annahme vorsätzlichen Handelns - zumindest in Form eines sog bedingten Vorsatzes - und damit die Wertung als Abrechnungsbetrug nicht völlig fern liegt, klar auf der Hand, dass es bereits ein erhebliches Entgegenkommen der KÄV darstellt, wenn diese zusagt, auf Weiterungen disziplinarischer, zulassungs-, approbations- und/oder strafrechtlicher Art zu verzichten (vgl dazu die seit 2004 geltende Soll-Vorschrift des § 81a Abs 4 SGB V über eine Pflicht zur Unterrichtung der Staatsanwaltschaft).

b) Im vorliegenden Fall musste sich die Beklagte auch nicht zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit veranlasst sehen, die Anerkennungsquote unter Zugrundelegung des nach Streichung der fehlerhaften Leistungsansätze verminderten Abrechnungsvolumens neu zu berechnen.

Das BSG hat bereits in früheren Urteilen Bestimmungen über Honorarversagungen im Grundsatz als rechtmäßig angesehen, in bestimmten Fallgestaltungen aber deren Anwendung im Einzelfall als unverhältnismäßig beanstandet. So hat es zB die Fristen für die Einreichung der Quartalsabrechnungen grundsätzlich gebilligt, aber die Art und Weise ihrer Anwendung dann als unverhältnismäßig beanstandet, wenn der dadurch bewirkte Eingriff außer Verhältnis zu dem der Regelung innewohnenden Zweck stand (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 37 RdNr 13, 16). Einen unverhältnismäßigen Eingriff hat es dann angenommen, wenn die vom Arzt eingereichte Honoraranforderung von vornherein erkennbar unzutreffend war, dh sich der KÄV sofort die Fehlerhaftigkeit aufdrängen musste (BSG aaO RdNr 14; siehe auch - RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

Entsprechend diesen Grundsätzen ist die Anerkennungsquote ausnahmsweise dann anhand des nach Streichung der fehlerhaften Leistungsansätze verminderten Abrechnungsvolumens neu zu berechnen, wenn für die KÄV von vornherein, dh ohne dass es dafür weiterer Ermittlungen bedarf, erkennbar ist, dass Fehler vorliegen, die erfahrungsgemäß auf einem Versehen beruhen (zu solcher Vorabprüfung im Wege rasterartiger vorgängiger Kontrollen anhand eines "Regelwerks" in Form eines EDV-Programms siehe Steinhilper in Schnapp/Wigge [Hrsg], Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 17 RdNr 22 f). In solchen Fällen sind die fehlerhaften Ansätze vorab aus der Honoraranforderung zu streichen - bzw ggf an deren Stelle die zutreffenden Gebührenordnungsnummern anzusetzen - und anhand des so verminderten Abrechnungsvolumens ist gemäß dessen Verhältnis zum Umfang des honorarbegrenzenden Budgets die Anerkennungsquote festzulegen.

Eine derartige Verfahrensweise wird im Regelfall nur bei vorgängigen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen in Betracht kommen. Dies ist in seltenen Ausnahmefällen allerdings auch für nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellungen denkbar, so zB dann, wenn die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information oä seitens der KÄV mitverursacht wurde. Ein derartiger Sonderfall ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in offenem Dissens mit der KÄV eine Gebührennummer ansetzt, weil er die Frage ihrer Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will

Eine solche Neuberechnung der Anerkennungsquote war aber im Falle der Klägerin nicht veranlasst. Hier lag erkennbar nicht die Konstellation eines Abrechnungsfehlers vor, der für die Beklagte ohne zusätzliche Informationen erkennbar war und von dem erfahrungsgemäß angenommen werden konnte, dass er auf einem Versehen beruhte. Erbringt ein Arzt in einer Vielzahl von Fällen den in einem Leistungstatbestand (hier: Nr 439 EBM-Ä aF) ausdrücklich und unmissverständlich vorgeschriebenen dokumentarischen Nachweis nicht und stellt er diese Gebührennummer trotzdem bei seinen Honoraranforderungen immer wieder in Ansatz, so besteht keine ausreichende Grundlage für die Annahme, es habe sich - für die KÄV von vornherein erkennbar - um Fehler gehandelt, die nur auf einem Versehen beruht hätten.

3. Nach alledem sind die teilweise Aufhebung der Honorarbewilligung und die Festsetzung der von der Klägerin gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X zu leistenden Rückzahlung (siehe hierzu BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, jeweils RdNr 11 iVm 38; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 18) auch der Höhe nach zutreffend.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

Fundstelle(n):
HAAAD-30949