BFH Beschluss v. - VIII B 8/09

Schuldzinsenabzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn Einnahmen auf einer erzwungenen Kapitalüberlassung beruhen; wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Kreditaufnahme und späteren Einnahmen

Gesetze: AO § 233a, EStG § 2, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wehren sich gegen die Besteuerung von Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen.

Sie meinen, eine erzwungene Kapitalüberlassung zur Nutzung erfülle nicht den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Verzinsung führe vielmehr wirtschaftlich zu pauschaliertem Schadenersatz, der steuerfrei bleiben müsse. Jedenfalls fehle bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung die Absicht der Einkünfteerzielung. Die gegenteilige Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) könne nicht überzeugen. Sie beruhe auf Unterstellungen und Widersprüchen. Die Absicht der Einkünfteerzielung könne nach der Rechtsprechung erst bei Kenntnis von der Überzahlung entstehen. Dann könne sie aber der maßgeblichen Handlung (Zahlung) nicht zugrunde gelegen haben. Indem die Rechtsprechung dem Merkmal der Einkünfteerzielungsabsicht im vorliegenden Zusammenhang letztlich jede Bedeutung abspreche, weiche sie von der Entscheidung des Großen Senats des (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) ab. Zugleich werde dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit genommen, das Fehlen der Absicht darzulegen. Auch dadurch weiche die Rechtsprechung des BFH von der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 ab.

Wenn das Finanzgericht (FG) die Einkünfteerzielungsabsicht letztlich aus der früheren Berufstätigkeit des Klägers als Sachgebietsleiter in einem Finanzamt ableite, diskriminiere es ihn wegen seines Berufs und verletze dadurch Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Das FG habe sich im Übrigen mit den Argumenten der Kläger überhaupt nicht auseinandergesetzt. Daraus sei zu schließen, dass es den Klägervortrag nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen habe. Es habe dadurch den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Wenn eine erzwungene verzinsliche Kapitalüberlassung zu steuerpflichtigen Einnahmen führe, müssten im Gegenzug private Schuldzinsen als Werbungskosten abzugsfähig sein. Das infolge der erzwungenen Überlassung fehlende Kapital sei jedenfalls (mit)ursächlich für die Darlehensaufnahme. Ein engerer Veranlassungsbegriff dürfe in diesem Zusammenhang nicht zugrunde gelegt werden. Die Frage habe grundsätzliche Bedeutung.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) liegen nicht vor.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, unter welchen Voraussetzungen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar sind, wenn die Einnahmen auf einer erzwungenen Kapitalüberlassung beruhen, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist ersichtlich so zu beantworten, wie das FG sie beantwortet hat.

a) Schuldzinsen sind als Werbungskosten abziehbar, soweit sie im jeweiligen Zeitpunkt ihrer Entstehung mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Darlehenszinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen ist immer dann anzunehmen, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. z.B. , BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934, m.w.N.). Für diese Beurteilung ist auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen. Besteht dieser Zweck darin, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen und werden die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet, so sind die Kreditkosten Werbungskosten im Rahmen dieser Einkunftsart (vgl. z.B. , BFHE 130, 147, BStBl II 1980, 348). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann der einmal entstandene wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit einer bestimmten Einkunftsart nicht durch eine bloße Willensentscheidung des Steuerpflichtigen hergestellt oder geändert werden (vgl. z.B. , BFHE 177, 392, BStBl II 1995, 697; vom VIII R 57/96, BFH/NV 1999, 594).

b) Entgegen der Ansicht der Kläger bedarf es keines besonderen Maßstabs für die Feststellung des Veranlassungszusammenhangs, wenn die Einnahmen aus einer erzwungenen Kapitalüberlassung stammen. Die anfänglich fehlende Überschusserzielungsabsicht ändert daran nichts. Zur Begründung des erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Kreditaufnahme und den späteren Einnahmen reicht es aus, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, um die (letztlich nicht gerechtfertigten) Steuerforderungen zu erfüllen. Subjektiv wird insoweit nur das Bewusstsein vorausgesetzt, dass eine Zahlung geleistet werden muss und dass dafür Fremdmittel eingesetzt werden sollen. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Kreditaufnahme gerade zu dem Zweck erfolgt sein müsste, um die nicht geschuldeten Steuern zu entrichten. Davon ist das FG in rechtlicher Hinsicht zu Recht ausgegangen. Es hat einen entsprechenden Zusammenhang indes in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt. Dies ist für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).

2. Ohne Erfolg rügen die Kläger eine Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) der Senatsrechtsprechung zur Steuerpflicht von Erstattungszinsen (vgl. , BFH/NV 2006, 527, m.w.N.) von dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang meinen, die Unfreiwilligkeit der Kapitalüberlassung schließe die erforderliche Überschusserzielungsabsicht aus, übersehen sie, dass bei der Besteuerung von Erstattungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) —wie überhaupt bei der Besteuerung von Verzugs- und Prozesszinsen— bereits der objektive Tatbestand der Einkunftserzielung ohne eine erwerbsgerichtete Handlung des Steuerpflichtigen erfüllt ist, denn die Zahlung auf eine Steuerschuld ist, anders als etwa die Hingabe eines Darlehens gegen Zinsen, keine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Handlung. Gleichwohl hat die Rechtsprechung mit Rücksicht auf den im Erstattungsfall durch die Zinszahlung bewirkten Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit den objektiven Tatbestand der Einkunftserzielung stets als erfüllt angesehen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 527, m.w.N.). Daran ist festzuhalten. Da in diesen Fällen ein auf die Erzielung von Einkünften gerichteter Handlungswille schon nicht vorausgesetzt wird, muss und kann jedenfalls im Zeitpunkt der Hingabe des Geldes eine Überschusserzielungsabsicht auch nicht positiv festgestellt werden. Darin liegt keine Abweichung von den Grundsätzen des Großen Senats des BFH. Der Große Senat des BFH hat den Rechtsgrundsatz, wonach Einkünfte i.S. des § 2 EStG eine entsprechende Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen voraussetzen, nicht für positive, sondern in erster Linie für negative Einkünfte entwickelt. Die Notwendigkeit einer solchen Prüfung folgert der Große Senat des BFH „... aus dem Zweck des EStG, Mittel für die öffentliche Hand zu beschaffen und dabei den Steuerpflichtigen entsprechend seiner Leistungsfähigkeit heranzuziehen” (Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Dieser Zweck ist aber im Regelfall ohne weiteres erfüllt, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich positive Einkünfte erzielt hat. Dementsprechend betrifft die vom Großen Senat des BFH angeführte Rechtsprechung zum Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ausschließlich Fälle, in denen negative Einkünfte (Abzug eines Schuldzinsenüberhangs) strittig waren (, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; vom VIII R 132/80, BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463; s. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Auch im Streitfall bedurfte die Einkünfteerzielungsabsicht danach keiner besonderen Feststellung, wovon das FG in rechtlicher Hinsicht zutreffend ausgegangen ist. Denn die Kläger haben aufgrund der erzwungenen Kapitalüberlassung Zinsen vereinnahmt und dadurch den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt. Dass die Kläger die Zinseinkünfte nicht erzielt haben wollen, ist nach dem Vorstehenden unbeachtlich. Objektive Anhaltspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass die Erstattungszinsen bei den Klägern keine Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit bewirkt haben könnten, haben die Kläger nicht vorgetragen. Solche Umstände sind auch nicht ersichtlich.

3. Die von den Klägern gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

a) Das FG hat das rechtliche Gehör der Kläger nicht verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Aus dem Umstand, dass sich das FG in den Entscheidungsgründen nicht explizit mit allen Einwänden der Kläger auseinandergesetzt hat, kann nicht geschlossen werden, dass es das Vorbringen der Kläger nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen hat. Das Gegenteil ist schon daraus ersichtlich, dass das FG die Rechtsansichten der Kläger im Tatbestand seines Urteils dargestellt hat.

b) Sonstige Mängel des Verfahrens —wie die von den Klägern behauptete Voreingenommenheit und fehlende Sachlichkeit des Gerichts— sind nicht ausreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1977 Nr. 12
JAAAD-30581