BSG Urteil v. - B 12 KR 26/07 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB V § 5 Abs 1 Nr 11

Instanzenzug: LSG Bayern, L 5 KR 52/05 vom SG Bayreuth, S 9 KR 126/02 vom

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die am geborene Klägerin nahm am erstmals eine Erwerbstätigkeit auf. Bis zum war sie mit Unterbrechungen beschäftigt und wegen ihrer Beschäftigung jeweils in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. In der Zeit vom bis zum war ihr Ehemann Mitglied bei der Beklagten. Seit Rentenbeginn im März 1996 ist die Klägerin bei dieser freiwillig krankenversichert.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bewilligte der Klägerin auf ihren Antrag vom Altersrente für Frauen vom an. Nachdem die Beklagte bereits mit Bescheid vom eine Pflichtversicherung der Klägerin als Rentnerin mangels Erfüllung der Vorversicherungszeit (bestandskräftig) abgelehnt hatte, trat sie im Januar 2002 im Hinblick auf die erwartete Rechtsänderung ab erneut in eine Prüfung der Zugangsvoraussetzungen ein. Mit Bescheid vom stellte sie fest, dass die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung der Klägerin weiterhin nicht erfüllt seien, weil mindestens 7.360 Tage Vorversicherungszeit hätten nachgewiesen werden müssen, sich indessen anrechenbare Versicherungszeiten von nur 6.862 Tagen ergäben. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und legte erstmals eine Bescheinigung über die Mitgliedschaft ihres Ehemannes bei der Beklagten in der Zeit vom bis zum vor. Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte erneut eine Pflichtversicherung ab und wies darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung von Zeiten der Familienversicherung die erforderliche Vorversicherungszeit nicht erreicht werde, weil nur 7.352 Tage als Versicherungszeiten anrechenbar seien. Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Berechnung der Vorversicherungszeit auch die Zeiten der Beschäftigung zwischen Rentenantragstellung und Rentenbezug zugrunde zu legen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom wies die Beklagte beide Widersprüche zurück.

Die Klägerin hat Klage erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Mit Urteil vom hat das Landessozialgericht (LSG) der Berufung der Klägerin stattgegeben, die erstinstanzliche Entscheidung und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin ab Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner ist. Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Die notwendige Vorversicherungszeit sei erfüllt, weil die Rahmenfrist nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V nicht bereits mit der Rentenantragstellung am , sondern erst mit der Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Februar 1996 geendet habe. Der Zeitpunkt der Rentenantragstellung sei nicht maßgeblich, wenn wie hier die Versicherungspflicht als Rentenantragsteller aufgrund einer vorrangigen Versicherungspflicht wegen Beschäftigung ausgeschlossen sei. Es erscheine gerechtfertigt, die Versicherungszeiten zwischen Rentenantragstellung und Rentenbewilligung der Vorversicherungszeit hinzuzurechnen, wenn die Erfüllung der Vorversicherungszeit an lediglich acht Tagen scheitere, tatsächlich aber über den Zeitpunkt der Rentenantragstellung hinaus monatelang Versicherungsbeiträge entrichtet worden seien. Weshalb es der Klägerin zum Nachteil gereichen solle, dass sie den Rentenantrag nicht erst kurz vor Vollendung des 60. Lebensjahres im Februar 1996, sondern bereits im Oktober 1995 gestellt habe, sei nicht ersichtlich.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V. Der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung stehe bereits der eindeutige Wortlaut dieser Vorschrift entgegen. Sinn und Zweck des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V ermöglichten kein anderes Ergebnis. Der Tag der Rentenantragstellung markiere typisierend und generalisierend das Ende einer vorausgegangenen Erwerbsbiografie, während der eine ausreichend lange Zeit der Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden haben müsse. Diesen vom Gesetzgeber gewählten und perpetuierten Maßstab, am Tag der Rentenantragstellung zu prüfen, ob der Versicherte ausreichend lang am sog intertemporalen Solidarausgleich teilgenommen habe, verletze das LSG, wenn es für das Ende der Rahmenfrist auf den Rentenbezugsbeginn abstelle. In gesetzessystematischer Hinsicht sei es bedenklich, wenn bei Rentnern die de lege lata an den Tag der Rentenantragstellung anknüpfende fingierte Mitgliedschaft davon abhängig gemacht werde, ob danach weitere Versicherungszeiten wegen Beschäftigung zurückgelegt worden seien. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung werfe Gleichheitsprobleme auf, während sich ihre Ansicht in die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einfüge.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist daraufhin, dass bei ihr ab keine (Formal)Mitgliedschaft als Rentenantragstellerin bestanden habe, sondern eine Mitgliedschaft als Beschäftigte.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin als Rentnerin ab "Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung" ist. Die Bescheide vom 18.2. und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom sind rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte darin festgestellt, dass die Klägerin auch nach dem nicht ihr Pflichtmitglied ist, weil sie die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht von Rentnern in der gesetzlichen Krankenversicherung auch über diesen Zeitpunkt hinaus nicht erfüllt.

1. Gegenstand des Verfahrens ist das mit der Anfechtungsklage verfolgte Begehren der Klägerin auf Aufhebung ausschließlich der Bescheide vom 18.2. und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom und das daneben zulässigerweise verfolgte Begehren auf Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auf der Grundlage des ab wieder anzuwendenden § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der schon vom bis zum geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom (BGBl I 2477).

2. Nach dem für die Versicherungspflicht von Rentnern in der gesetzlichen Krankenversicherung allein in Betracht kommenden § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der seit dem und jedenfalls bis zum anzuwendenden Fassung des Art 1 Nr 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom (BGBl I 2266) waren versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllten und diese Rente beantragt hatten, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied oder aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 10 SGB V versichert waren; als Zeiten der Pflichtversicherung galten auch Zeiten einer freiwilligen Versicherung wegen des Bezugs von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus oder von Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse. Vor Änderung der Vorschrift durch das GSG zum setzte § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der seit dem geltenden Fassung des GRG für die Pflichtmitgliedschaft lediglich voraus, dass seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraumes eine Mitgliedschaft oder eine Versicherung nach § 10 SGB V bestanden hatte. Die erforderliche sog 9/10-Belegung konnte deshalb auch mit Zeiten einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat § 5 Abs 1 Nr 11 Halbsatz 1 idF des GSG für mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar erklärt, soweit die erforderliche sog 9/10-Belegung nicht mehr durch Zeiten einer freiwilligen Versicherung erfüllt werden konnte, und entschieden, dass die Vorschrift dennoch bis zum angewendet werden konnte, sich bei fehlender gesetzlicher Neuregelung bis zu diesem Datum der Zugang von Rentnern zur Krankenversicherung ab wieder nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des GRG bestimmt (Beschluss vom , 1 BvL 16/96 ua, BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42; vgl hierzu auch Urteil des Senats vom , B 12 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 5 Nr 44). Weil der Gesetzgeber bis zum eine Neuregelung, mit der der Verfassungsverstoß behoben wird, unterlassen hat, kommt seitdem wieder § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des GRG zur Anwendung. Seitdem genügen deshalb für die sog 9/10-Belegung wieder auch Beiträge aufgrund einer freiwilligen Versicherung. Durch Art 1 Nr 2 Buchst a aa) des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom (BGBl I 378) hat der Gesetzgeber den Wortlaut des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit Wirkung ab der materiell-rechtlichen Rechtslage angepasst, die infolge der Rechtsprechung des BVerfG seit dem besteht.

Die Klägerin als Rentnerin erfüllt die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in der ab geltenden Fassung des GRG und in der ab geltenden - gleichlautenden - Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes nicht. Danach ist für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ua erforderlich, dass der Rentner seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags (sog Rahmenfrist) mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert war. Der erforderlichen Mitgliedszeit steht die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbstständig tätig war (§ 5 Abs 2 SGB V). Maßgebend ist also die Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung in mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens. Diese notwendige Vorversicherungszeit hat die Klägerin nicht zurückgelegt. Sie hat am erstmalig eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und am ihren auf Bewilligung einer Altersrente für Frauen gerichteten Rentenantrag gestellt. Von diesen insoweit mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hat der Senat auszugehen (§ 163 SGG). Innerhalb der zweiten Hälfte dieses Zeitraums hat die Klägerin mit geeigneten Vorversicherungszeiten einschließlich der Mitgliedschaftszeiten ihres Ehemannes eine Vorversicherungszeit von 7.352 Tagen aufzuweisen. Die sog 9/10-Belegung wäre jedoch erst durch eine entsprechende Vorversicherungszeit von 7.360 Tagen erreicht. Gegen die von der Beklagten vorgenommene rechnerische Ermittlung der zwischen der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und der Rentenantragstellung liegenden Frist und der daraus zu bestimmenden zweiten Hälfte dieses Zeitraums sowie der auf diese Hälfte bezogenen sog 9/10-Belegung einerseits und der tatsächlichen Belegung mit geeigneten Vorversicherungszeiten in ihrem Fall andererseits werden Einwendungen von der Klägerin nicht erhoben.

Die notwendige Vorversicherungszeit kann hier nicht über den Zeitpunkt der Rentenantragstellung hinaus mit der Begründung als erfüllt angesehen werden, die sog Rahmenfrist verlängere sich bis zum Rentenbeginn, wenn zwischen Rentenantragstellung und Rentenbeginn geeignete Vorversicherungszeiten, etwa Versicherungszeiten auf Grund einer Pflichtversicherung wegen abhängiger Beschäftigung, zurückgelegt werden, oder jedenfalls reiche ein solcher nach dem Ende der sog Rahmenfrist infolge Rentenantragstellung vorliegender Tatbestand für die Erfüllung der Vorversicherungszeit aus. Entgegen der vom LSG und der Klägerin vertretenen Auffassung ist die Zeit der Beschäftigung als Verkäuferin zwischen Rentenantragstellung und Rentenbeginn der Vorversicherungszeit nicht "hinzuzurechnen" bzw bei der Entscheidung über die Krankenversicherung der Rentner nicht "zu berücksichtigen". Daran ändert nichts, dass vorliegend die notwendige Vorversicherungszeit nur um acht Tage unterschritten wird. Die sog Rahmenfrist endet auch in einem solchen Fall mit der Stellung des Rentenantrags und ist über diesen Zeitpunkt hinaus nicht verlängerbar. Ebenso wenig kann der dadurch begrenzte Zeitraum, wie das Berufungsgericht offenbar annimmt, im Hinblick auf die Erfüllung der Vorversicherungszeit durch einen weiteren Zeitraum geeigneter Vorversicherungszeiten ergänzt werden. Dies ergibt eine Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V nach seinem Wortlaut, gegen die Einwände weder unter Hinweis auf den Zweck der Vorschrift noch die Gesetzessystematik erhoben werden können (dazu a). Eine davon abweichende Auslegung, wie sie das LSG und die Klägerin vertreten, ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten (dazu b).

a) Zutreffend weist auch das Berufungsgericht darauf hin, dass der Wortlaut des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit seiner Bestimmung der Rentenantragstellung als des Endes der sog Rahmenfrist eindeutig ist. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung ist der Anwendungsbereich der Vorschrift indessen nicht im Hinblick auf den ihr beigelegten Zweck und systematische Gesichtspunkte (teleologisch) auf Fälle einzuschränken, in denen nach der Rentenantragstellung keine geeigneten Vorversicherungszeiten mehr zurückgelegt werden, im Übrigen aber bei der Prüfung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V geeignete Vorversicherungszeiten bis längstens zum Rentenbeginn einzubeziehen sind.

Der Gesetzgeber hat den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung für Rentner auf Personengruppen beschränken wollen, die vorher eine ausreichend lange Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung Mitglied waren. Soweit auch schon in der Vergangenheit eine Vorversicherungszeit erforderlich war (vgl zur Gesetzesentwicklung ausführlich Urteil des Senats vom , 12 RK 8/95, BSGE 78, 297, 298 ff = SozR 3-2500 § 5 Nr 29 S 102 ff; zuletzt auch Urteil vom , B 12 KR 28/07 R, Umdruck RdNr 20 ff, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, und Urteil vom , B 12 KR 15/05 R, SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 13 ff), war diese wie heute aus einer sog Rahmenfrist zu errechnen, die das vorangegangene Erwerbsleben erfassen sollte. Das Gesetz hat dabei für das Ende der sog Rahmenfrist stets an den Zeitpunkt der Rentenantragstellung angeknüpft. Der Senat folgt der von der Revision vorgenommenen Beurteilung, wonach dieser Zeitpunkt der Rentenantragstellung in den Fällen der Altersrente, um die es auch hier geht, in einer für alle Rentner gleichen Weise (vgl insoweit - zur Rechtslage unter Geltung der Reichsversicherungsordnung - Urteil des Senats vom , 12 RK 33/94, SozR 3-2200 § 165 Nr 15 S 33) typisierend das Ende einer vorausgegangenen eigenen oder abgeleiteten Erwerbsbiografie markieren soll. Durch den Rentenantrag gibt der Versicherte zu erkennen, dass er aus dem Erwerbsleben ausscheiden will (vgl etwa Klose in: Jahn, SGB V, § 5 RdNr 202). Diesen auf das Ende des Erwerbslebens bezogenen Maßstab hat der Gesetzgeber bis heute beibehalten, auch wenn er ein anderes Enddatum für die sog Rahmenfrist hätte festlegen, etwa den Rentenbeginn als ein solches hätte bestimmen können. Soweit sich in Einzelfällen aus einer (verfrühten bzw frühen) Rentenantragstellung für den Versicherten hinsichtlich seiner Krankenversicherung nachteilige Folgen ergeben, weil er infolgedessen die notwendige Vorversicherungszeit iS des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V nicht erfüllt, ist ihm regelmäßig - gewissermaßen flankierend - die Möglichkeit der Beratung (vgl § 14 SGB I) über die Voraussetzungen der Krankenversicherungspflicht eröffnet, auf deren Grundlage er einen bereits gestellten Rentenantrag ggf zurücknehmen und später neu stellen kann.

Das Berufungsgericht und die Klägerin stützen sich für ihre systematischen Bedenken gegen dieses Ergebnis unter Bezugnahme auf Stimmen in der Literatur (etwa Peters, KassKomm, Stand April 2008, § 5 SGB V RdNr 137; ferner Breuer in: von Maydell, GK-SGB V, Stand Oktober 2002, § 5 RdNr 376) darauf, dass in einem Fall wie dem vorliegenden die Formalmitgliedschaft als Rentenantragsteller iS von § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V durch die vorrangige Pflichtmitgliedschaft wegen Beschäftigung iS von § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V bis zum Zeitpunkt der Beschäftigungsaufgabe nach § 5 Abs 8 SGB V verdrängt werde mit der Folge, dass für die Klägerin keine Formalmitgliedschaft als Rentenantragstellerin bestanden habe, indessen aber ab Rentenbeginn eine Mitgliedschaft als Rentnerin. In einem solchen Fall könne für das Ende der sog Rahmenfrist von vornherein nicht an die Rentenantragstellung angeknüpft werden. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung kommen insoweit unterschiedliche Funktionen zu. So bestimmt er mitgliedschaftsrechtlich den Beginn einer bestehenden Pflichtmitgliedschaft als Rentenantragsteller (§ 189 Abs 2 Satz 1 SGB V) bzw Rentner (§ 186 Abs 9 SGB V), also wenn die Voraussetzungen der Versicherungspflicht und für den Rentenbezug vorliegen. Hiervon zu unterscheiden ist seine zweite, auf die Erfüllung der Voraussetzungen für das Bestehen dieser Versicherungspflicht bezogene Funktion, im Zeitpunkt der Rentenantragstellung (und nicht etwa früher oder später) zu prüfen, ob der Versicherte ausreichend lange Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung Mitglied war. Aus dem Umstand, dass seine Mitgliedschaft als Rentenantragsteller in Fällen wie dem hier zu beurteilenden im Zeitpunkt der Rentenantragstellung nicht beginnen kann, weil eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung vorliegt, lässt sich damit systematisch für die - auf einer früheren Stufe zu prüfenden - Frage des Endes der sog Rahmenfrist nichts gewinnen. Schon gar nicht trägt der Hinweis des LSG auf die Kollisionsregel des § 5 Abs 8 SGB V. Soweit daraus abgeleitet werden soll, dass auch für die Bestimmung des Endes der sog Rahmenfrist der Zeitpunkt der Rentenantragstellung durch den Zeitpunkt der Beschäftigungsaufgabe "verdrängt" wird, hat die Revision zutreffend eingewandt, dass § 5 Abs 8 SGB V das Vorliegen konkurrierender Versicherungspflichttatbestände voraussetze, ein solches Zusammentreffen hier aber gerade nicht bestehe. Umgekehrt sind allerdings auch die Bedenken der Revision nicht gerechtfertigt, die ihrerseits in gesetzessystematischer Hinsicht für problematisch hält, wenn die im Zeitpunkt der Rentenantragstellung beginnende Mitgliedschaft als Rentenantragsteller bzw Rentner davon abhinge, ob danach zurückgelegte Versicherungszeiten in die Vorversicherungszeit einzubeziehen seien. Im Hinblick auf die mit der Prüfung der Versicherungspflicht verbundenen Unsicherheiten ist die Mitgliedschaft als Rentenantragsteller gerade aus diesem Grund für die Zeit des Schwebezustandes fingiert. Ist diese Prüfung abgeschlossen und werden die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht als Rentner verneint oder bejaht mit der Folge, dass sich die Formalmitgliedschaft als Rentenantragsteller mit Wirkung vom Zeitpunkt der Rentenantragstellung (§ 186 Abs 9 SGB V) in eine Pflichtmitgliedschaft als Rentenbezieher umwandelt, besteht aber keine Unsicherheit mehr.

Aus dem Urteil des Senats vom (aaO) lassen sich Anhaltspunkte für eine Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V, wie sie das Berufungsgericht für richtig hält, nicht entnehmen. Ohne sich inhaltlich festzulegen, hat der Senat dort lediglich im Rahmen einer hypothetischen Prüfung nach dem Zeitpunkt des Rentenantrags zurückgelegte Beschäftigungszeiten als anrechenbare Vorversicherungszeiten berücksichtigt, um dann aber festzustellen, dass auch mit diesen Zeiten weder die sog 9/10-Belegung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V noch die sog Halbbelegung des Art 56 Abs 1 Satz 1 GRG erfüllt sei (BSGE 78, 297, 310 = SozR 3-2500 § 5 Nr 29 S 114 f).

b) In dieser Auslegung ist § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit dem GG vereinbar. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Ausschluss der von der Klägerin repräsentierten Rentner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt. Der Senat hat die Zugangsvoraussetzungen zur Rentnerkrankenversicherung auf der Grundlage des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V idF des GRG bisher in unterschiedlichen Zusammenhängen am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes geprüft und für verfassungsgemäß befunden (vgl zuletzt Urteil vom , B 12 KR 15/05 R, SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 18 f, mwN). Er hat insbesondere ausgeführt, dass er es verfassungsrechtlich für nicht geboten hält, für Personen, die bisher nicht oder nur in geringem zeitlichem Umfang in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren, mit Beginn des Rentenbezugs die Möglichkeit der Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu schaffen. Der Senat hat weiter darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber auch bei der dem zugrunde liegenden, verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässigen Systemabgrenzung der gesetzlichen Krankenversicherung nach der Zugehörigkeit während des Berufslebens (vgl Urteil vom , aaO, RdNr 19) generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen darf, ohne allein wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen Art 3 Abs 1 GG zu verstoßen.

Soweit das Gesetz für das Ende der sog Rahmenfrist an den Zeitpunkt der Rentenantragstellung anknüpft, ist dies am Maßstab der für die Ordnung von Massenerscheinungen als notwendig anerkannten Regeln der Typisierung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass er mit dem von ihm zugrunde gelegten, auf das Ende des Erwerbslebens bezogenen Maßstab dem Regelfall des Rentners Rechnung trug. Das gilt in aller Regel - ggf nur zeitlich begrenzt (vgl § 102 Abs 2 SGB VI) - für Rentenanträge, die für Renten wegen Erwerbsminderung gestellt werden. Diese gesetzliche Verallgemeinerung trifft aber auch zu, wenn Renten wegen Erreichens der Altersgrenze beantragt werden und Versicherungspflicht allein wegen Bezugs der Rente in Betracht kommt. Denn insoweit darf zugrunde gelegt werden, dass bei einer regelmäßig Jahrzehnte umfassenden Erwerbsbiografie das Fehlen eines kurzen, nach wenigen Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Zeitraums nicht entscheidend ins Gewicht fällt. Fälle wie den der Klägerin, in denen nach Rentenantragstellung noch geeignete Versicherungszeiten zurückgelegt werden, die bei einer Verlängerung der sog Rahmenfrist für die notwendige Vorversicherungszeit ausreichten, musste der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen. Sie hätten im Übrigen eine komplizierte zusätzliche Regelung erfordert, weil nicht nur hätte geregelt werden müssen, wie zu verfahren ist, wenn zwischen Rentenantrag und Rentenbeginn durchgehend geeignete Versicherungszeiten zurückgelegt werden, sondern auch, wie zu verfahren ist, wenn dieser Zeitraum nur zum Teil mit Versicherungszeiten belegt ist.

An dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung ändert nichts, dass die Klägerin zu einer Gruppe von Rentnern gehört, die ihren Rentenantrag zu einem Zeitpunkt gestellt haben, als die nach dem geltende Rechtslage noch nicht vorauszusehen und somit nicht erkennbar war, dass die notwendige Vorversicherungszeit nur um einen kurzen Zeitraum verfehlt würde, und die deshalb nicht die Möglichkeit hatten, auf der Grundlage einer Beratung über die krankenversicherungsrechtlichen Folgen ihrer Rentenantragstellung den Rentenantrag zurückzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Ziel neu zu stellen, durch Zuwarten in den Genuss der Pflichtversicherung zu kommen. Das Gesetz hält sich auch insoweit im Rahmen zulässiger Typisierung, weil Rentner, die sich in der besonderen Lage der Klägerin befinden und wegen der nicht vorhersehbaren Rechtsentwicklung (Vorlagebeschlüsse des Senats vom , 12 RK 36/95, und , 12 RK 36/96, ua; Untätigkeit des Gesetzgebers bis zum ) nicht beraten werden konnten, wegen des Ausnahmecharakters dieser Situation im Hinblick auf das - mit § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V ebenfalls verfolgte - Konzept, bezogen auf das Fristende einen für alle Rentner gleichen Maßstab zu schaffen, vom Gesetzgeber als untypische Gruppe vernachlässigt werden durften. Aber auch eine Kenntnis der nach dem geltenden Rechtslage unterstellt, wäre zweifelhaft, ob sich die Klägerin gegenüber der Beklagten auf einen Beratungsfehler berufen könnte. Denn sie hatte seinerzeit der Beklagten gegenüber die auch damals schon relevante Familienversicherung nicht offenbart und für Zeiten, in denen sie bis 1977 nicht versicherungspflichtig war, die Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen angegeben.

Soweit Rentner wie die Klägerin infolge des Endes der sog Rahmenfrist mit Rentenantragstellung die Vorversicherungszeit nur um wenige Tage verfehlen, liegt dieser Umstand im Übrigen allein im Bestehen dieser gesetzlichen Frist begründet mit der Folge, dass bei einer Verkürzung dieser Frist im Einzelfall das Erfordernis einer Vorversicherungszeit von bestimmter Länge nicht mehr gelten würde und für die Fristberechnung dann kein Maßstab mehr bestünde (so - zur Vorversicherungszeit nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V - Urteil des Senats vom , B 12 KR 37/00 R, SozR 3-2500 § 9 Nr 3 S 10). Wie bei Stichtagsregelungen (vgl insoweit BVerfGE 44, 1, 21 f, ferner BVerfGE 95, 64, 89, BVerfGE 87, 1, 47, und BVerfGE 80, 297, 311) muss sich auch bei solchen Fristen die verfassungsrechtliche Prüfung darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint. Wie eben dargelegt, kam es dem Gesetzgeber mit der sog Rahmenfrist darauf an, das vorangegangene Erwerbsleben zu erfassen. Indem er für das Ende dieser Frist an den Zeitpunkt der Rentenantragstellung angeknüpft hat, hat er letztlich auf den darin zum Ausdruck kommenden Willen des Versicherten abgehoben, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Die Wahl des Zeitpunktes der Rentenantragstellung für das Ende der sog Rahmenfrist orientiert sich insoweit am gegebenen Sachverhalt und ist sachlich vertretbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
DStR 2009 S. 2540 Nr. 49
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2009 S. 4073
SAAAD-30497