BGH Beschluss v. - VII ZB 89/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 850c Abs. 3; ZPO § 851c

Instanzenzug: AG Siegburg, 35a M 1971/07 vom LG Bonn, 4 T 126/08 vom

Gründe

I.

Der Gläubiger hat im Oktober 2007 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, durch den die angeblichen Ansprüche der Schuldnerin aus einem mit der Drittschuldnerin abgeschlossenen, näher bezeichneten Lebensversicherungsvertrag sowie das Recht auf Kündigung und Umwandlung der Versicherung und auf Bestimmung, Änderung oder Widerruf der Bezugsberechtigung gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen worden sind.

Der streitgegenständliche Versicherungsvertrag über eine aufgeschobene Rentenversicherung vom sieht die Zahlung einer monatlichen Altersrente ab dem oder eine einmalige Kapitalabfindung vor. Als bezugsberechtigt sind für den Erlebensfall die Schuldnerin und für den Todesfall deren Töchter bezeichnet. Die Altersrente hat eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren. Das Wahlrecht zwischen Rentenzahlung und Kapitalabfindung war bis drei Monate vor dem Rentenbeginn auszuüben. Nach Beginn der Rentenzahlung sind die Kündigung und die Gewährung eines Policendarlehens ausgeschlossen (§§ 6 und 6 a der Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung). Nach § 14 Abs. 1 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung kann der Versicherungsnehmer "bis zur jeweiligen Fälligkeit das Bezugsrecht jederzeit widerrufen". Nach dem Tod des Versicherungsnehmers kann das Bezugsrecht nicht mehr widerrufen werden.

Die Schuldnerin erhält seit dem aus dem Versicherungsvertrag eine monatliche Rente in Höhe von derzeit 283,61 EUR. Mit der Erinnerung gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat sie geltend gemacht, ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag seien gemäß § 851 c ZPO unpfändbar. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dahin abgeändert, dass die laufenden Leistungen der Schuldnerin aus dem Versicherungsvertrag nach Maßgabe von § 851 c ZPO in Verbindung mit der Tabelle zu § 850 c Abs. 3 ZPO in der jeweils gültigen Fassung gepfändet werden. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Gläubiger die Wiederherstellung des ursprünglichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1.

Dem Gläubiger war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Der Gläubiger war ohne Verschulden an der Einhaltung der Fristen verhindert.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelführer, der - wie hier der Gläubiger - vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags rechnen musste, weil er sich für bedürftig i.S. der §§ 114 ff. ZPO halten durfte und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden konnte (, NJW-RR 2001, 1146). Gleiches gilt hinsichtlich der Frist zur Begründung des Rechtsmittels.

Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung liegen vor. Die Prozesskostenhilfe wurde dem Gläubiger nach § 115 Abs. 4 ZPO versagt, weil die Kosten der Prozessführung vier vom Gläubiger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemäß § 115 Abs. 2 ZPO aufzubringende Monatsraten voraussichtlich nicht übersteigen. Diese Umstände konnte der Gläubiger im Voraus nicht hinreichend sicher einschätzen, weshalb ihm nicht entgegengehalten werden kann, er habe vernünftigerweise nicht mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe rechnen dürfen (vgl. , NJW-RR 2008, 1238).

Der Gläubiger hat innerhalb der Fristen des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO die Wiedereinsetzung beantragt und die versäumten Prozesshandlungen nachgeholt, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

2.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin gegen die Entscheidung des Amtsgerichts.

a)

Das Beschwerdegericht meint, die Ansprüche der Schuldnerin aus dem Rentenversicherungsvertrag seien nach §§ 851 c, 850 c ZPO wie Arbeitseinkommen pfändbar. Die Voraussetzungen des § 851 c ZPO lägen vor. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür sei der Zeitpunkt der Pfändung. Zu den Voraussetzungen im Einzelnen führt das Beschwerdegericht insbesondere aus, die Schuldnerin könne über die Ansprüche aus der Lebensversicherung nicht mehr verfügen. Nach Beginn der Rentenzahlung sei eine Kündigung der Versicherung nicht mehr möglich und die Gewährung eines Policendarlehens ausgeschlossen. Einer Abtretung des Rentenanspruchs stehe § 400 BGB entgegen. Die Änderung von Bezugsberechtigten nach Leistungsbeginn sei ausgeschlossen, so dass eine Änderung des Bezugsrechts der Töchter der Schuldnerin als naher Angehöriger im Todesfall nicht mehr zulässig sei.

b) Dies hält rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

aa)

Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Pfändungsbeschränkung des § 851 c Abs. 1 ZPO nicht greift, wenn eine der unter Nr. 1 bis 4 genannten Voraussetzungen nicht vorliegt. Diese Voraussetzungen hat der Gesetzgeber geschaffen, um sicher zu stellen, dass der Pfändungsschutz auf solches Vorsorgekapital beschränkt wird, das von dem Berechtigten unwiderruflich seiner Altersvorsorge gewidmet ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung muss diese Endgültigkeit der Vorsorgefunktion im Zeitpunkt der Pfändung bestehen (vgl. BT-Drucks. 16/886, S. 8).

bb)

Es kann dahinstehen, ob - worauf die Rechtsbeschwerde in erster Linie abstellt - der Vertrag noch die Bestimmung von Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigte vorsieht (§ 851 c Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Denn jedenfalls ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil es zu Unrecht annimmt, die Schuldnerin könne wegen § 400 BGB ihre Ansprüche aus dem Vertrag nicht abtreten.

Nach § 400 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Dass eine Forderung nicht der Pfändung unterworfen ist, ist Voraussetzung für die fehlende Verfügungsbefugnis des Gläubigers. Diese Voraussetzung hätte das Berufungsgericht prüfen müssen.

c)

Der Senat kann selbst entscheiden, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind. Aus dem zum Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens gemachten Rentenversicherungsvertrag ergibt sich keine Beschränkung der Abtretungs- und Verpfändungsbefugnis. § 14 Abs. 3 Satz 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung bestimmt lediglich, dass eine Abtretung oder Verpfändung, soweit derartige Verfügungen überhaupt rechtlich möglich seien, erst mit der schriftlichen Anzeige durch den bisherigen Berechtigten wirksam wird. Insoweit wird also von der grundsätzlichen Abtretbarkeit und Verpfändbarkeit ausgegangen. Außerhalb des Vertrags liegende Abtretungs- oder Verpfändungsverbote sind nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
AAAAD-29282

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein