Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 611; EStG § 38 Abs. 2; EStG § 38 Abs. 3; EStG § 40 Abs. 2; EStG § 40 Abs. 3
Instanzenzug: LAG Schleswig-Holstein, 3 Sa 433/07 vom ArbG Lübeck, 3 Ca 2228 c/07 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Fahrtkostenerstattung.
Die Beklagte betreibt Kreuzschifffahrt. Der Kläger ist seit 1981 in ihrem Landbetrieb beschäftigt. Die Beklagte verlegte ihren Firmensitz im August 2006 von H nach T. Aus diesem Anlass hatte sie mit ihrem Konzernbetriebsrat am einen Sozialplan geschlossen. Nach seiner Präambel war es dessen "vorrangige Zielsetzung ..., die Rahmenbedingungen des Arbeitsplatzangebotes in T so attraktiv zu gestalten, dass die von der Betriebsänderung betroffenen H Beschäftigten das Arbeitsplatzangebot in T annehmen". In B II 2 der Regelungen heißt es ferner:
"Fahrtkostenerstattung
a) ...
b) Beschäftigten, die das Beschäftigungsangebot in T annehmen und den Arbeitsweg nach T mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, erstattet der Arbeitgeber die Kosten der günstigsten Bahnfahrkarte 2. Klasse (wird mit dem Beschäftigten abgestimmt) und die Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr (2. Klasse) gegen Nachweis für drei Jahre. Im 1. Jahr nach erfolgter Betriebsverlegung erstattet der Arbeitgeber 100 %, im 2. Jahr 75 % und im 3. Jahr 50 % der vorgenannten Kosten.
..."
Der Kläger arbeitet seit der Sitzverlegung in T. Zur Anfahrt benutzt er öffentliche Verkehrsmittel. Für den Rest des Jahres 2006 entstanden ihm nachgewiesene Fahrtkosten von monatlich 182,08 Euro. Die Beklagte erstattete ihm diese in voller Höhe. Die darauf abgeführte Pauschalsteuer übernahm sie selbst. Seit dem Januar 2007 erstattete die Beklagte dem Kläger die auf monatlich 184,16 Euro gestiegenen Fahrtkosten nicht mehr ungekürzt. Sie behielt die von ihr nach einem Steuersatz von 15 Prozent errechnete und abgeführte Pauschalsteuer von 29,14 Euro vom Erstattungsbetrag ein.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Auszahlung dieses Einbehalts für die Monate von Januar bis August 2007 geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, nach dem Sozialplan stehe ihm die Erstattung seiner tatsächlichen Fahrtkosten ohne Kürzung zu. Darauf anfallende Steuern habe die Beklagte zu tragen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 233,12 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Gründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klageforderung besteht nicht.
I. Der Klageanspruch folgt nicht aus der Regelung in B II 2 b des Sozialplans. Die Beklagte hat ihre dort normierten Verpflichtungen zur Fahrtkostenerstattung in vollem Umfang erfüllt. Sie war entgegen der Ansicht des Klägers berechtigt, ihn mit der auf den monatlichen Erstattungsbetrag von 184,16 Euro abgeführten Pauschalsteuer zu belasten.
1. Fiskalischer Schuldner der pauschalen Lohnsteuer ist allerdings gem. § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG der Arbeitgeber. Erhebt er die Lohnsteuer berechtigterweise mit einem Pauschsteuersatz nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 EStG, hat er sie nach § 40 Abs. 3 Satz 1 EStG selbst zu übernehmen.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Anders als nach § 3 Nr. 34 EStG in seiner bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 2003 geltenden Fassung sind Zuschüsse des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr gezahlt werden, nicht mehr steuerfrei. Stattdessen ist der Arbeitgeber berechtigt, die Lohnsteuer für solche Zuschüsse nunmehr gem. § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 15 Prozent zu erheben, soweit die Zuschüsse den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, Abs. 2 EStG als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte - fiskalisch unbeanstandet - Gebrauch gemacht.
2. Der Umstand, dass der Arbeitgeber fiskalischer Schuldner der pauschalen Lohnsteuer ist, besagt nichts über seine Berechtigung, den Arbeitnehmer zivilrechtlich auf die Erstattung dieser Steuer in Anspruch zu nehmen. Wer die Steuer im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien wirtschaftlich zu tragen hat, ist keine Frage des Steuerrechts ( - Rn. 17 mwN, AP EStG § 40a Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2). § 40 Abs. 3 EStG schließt als spezifisch einkommensteuerrechtliche Regelung nur die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers durch den Steuergläubiger aus, verfolgt aber keine zivilrechtlichen Ziele und ist keine schuldrechtliche Zuordnungsnorm ( - aaO. mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei der pauschalen Lohnsteuer um eine Steuer, die zwar steuertechnisch die Schuldnerschaft des Arbeitgebers begründet, die aber gleichwohl aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung durch den Arbeitnehmer entsteht und von der Steuer des Arbeitnehmers abgeleitet ist ( - VI R 47/93 - BFHE 174, 363). Der Arbeitgeber ist danach nicht originärer Steuerschuldner. Erst mit Übernahme der aus dem Steuerverhältnis mit dem Arbeitnehmer entstandenen Lohnsteuer im Pauschalierungsverfahren übernimmt er diese als eigene Schuld, die sich in seiner Person nicht dem Grunde nach, sondern lediglich der Höhe nach ändert ( - VI R 80/00 - zu II 1 c bb der Gründe, BFHE 197, 554). Die Möglichkeit der Erhebung der Pauschalsteuer dient der Verfahrensvereinfachung zugunsten des Arbeitgebers und der Verminderung des Verwaltungsaufwands. Das Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Gläubiger und Schuldner der Lohnforderung nach § 611 Abs. 1 BGB bleibt davon unberührt ( - Rn. 18, aaO.; - 9 AZR 302/02 - zu A II 2 b der Gründe, BAGE 106, 345). § 40 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. EStG setzt gerade voraus, dass der Arbeitnehmer im Innenverhältnis zum Arbeitgeber mit der pauschalen Lohnsteuer belastet werden kann.
3. Im Innenverhältnis der Parteien hat der Kläger die von der Beklagten auf den Erstattungsbetrag abgeführte pauschale Lohnsteuer zu tragen.
a) Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine "Brutto"-Vergütung. Die Steuerlast für Arbeitslohn, dh. für Bezüge aus und im Zusammenhang mit nichtselbständiger Arbeit iSv. § 19 Abs. 1 EStG, § 2 Lohnsteuer-DVO trägt fiskalisch nach § 38 Abs. 2 EStG grundsätzlich der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG steuerrechtlich verpflichtet und damit schuldrechtlich grundsätzlich berechtigt, sie für Rechnung des Arbeitnehmers vom Arbeitslohn einzubehalten ( - Rn. 16, AP SGB IV § 28g Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 3). An dieser schuldrechtlichen Befugnis ändert sich nichts dadurch, dass der Arbeitgeber bei einer Pauschalbesteuerung im fiskalischen Außenverhältnis wegen § 40 Abs. 3 Satz 1 EStG zum Steuerschuldner wird. Im individualrechtlichen Innenverhältnis zum Arbeitnehmer ist grundsätzlich allein dieser Schuldner der Steuerforderung. Einer besonderen Vereinbarung bedarf es dazu nicht ( - Rn. 23, AP EStG § 40a Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2; - 1 AZR 634/03 - zu II 1 b aa der Gründe mwN, EzA EStG § 42d Nr. 2).
b) Dies gilt nicht, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags oder die einer zu Arbeitslohn führenden Betriebsvereinbarung etwas anderes ausdrücklich vereinbart haben. Dabei muss eine Vereinbarung, die dem Arbeitgeber aufgibt, eine Steuerschuld wirtschaftlich zu tragen, den entsprechenden Parteiwillen klar erkennen lassen ( - zu II 1 b aa der Gründe mwN, EzA EStG § 42d Nr. 2). Andernfalls verbleibt es bei dem genannten Grundsatz. Im Streitfall wurde eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der auf den Arbeitslohn des Klägers entrichteten Lohnsteuer nicht begründet.
aa) Eine individualrechtliche Abrede, derzufolge die Beklagte die auf die Fahrtkostenerstattung erhobene Lohnsteuer auch im Innenverhältnis zu tragen hätte, haben die Parteien nicht getroffen. Darauf beruft sich auch der Kläger nicht.
bb) Die kollektivrechtliche Regelung in B II 2 b des Sozialplans verpflichtet die Beklagte ebenfalls nicht zur Übernahme der Lohnsteuer.
(1) Aus dem Wortlaut der Regelung ergibt sich eine derartige Verpflichtung nicht.
Dieser geht nicht etwa dahin, dass die Beklagte den anspruchsberechtigten Beschäftigten die Fahrtkosten "netto" zu erstatten hätte. Auch angesichts des Umstands, dass es ebenso wenig heißt, die Kosten würden "brutto" erstattet, ist die Regelung nicht so zu lesen, als enthielte sie eine Verpflichtung zur "Netto"-Zahlung. Das Fehlen des Wortes "brutto" bei der Begründung einer Zahlungspflicht ist nicht gleichbedeutend mit der Begründung einer "Netto"-Zahlungsschuld.
Ein Anspruch des Erstattungsgläubigers auf eine "Netto"-Zahlung folgt ebenso wenig aus dem Ausdruck "Kostenerstattung" als solchem. Mit der Verwendung dieses Begriffs haben die Betriebsparteien nicht "selbstredend" eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Lohnsteuer begründet. "Kostenerstattung" bedeutet den Ausgleich verauslagter Beträge durch den Ausgleichspflichtigen. Verpflichtet sich der Schuldner - wie hier - zur "Erstattung von 100 % der vorgenannten Kosten", ist er zwar zum vollen Ausgleich der vom Gläubiger für den betreffenden Zweck aufgewendeten Beträge verpflichtet. Damit ist aber nichts darüber gesagt, wer von beiden - Schuldner oder Gläubiger - wirtschaftlich betrachtet die Steuer zu tragen hat, wenn denn die Zuwendung des Erstattungsbetrags an den Gläubiger als Arbeitslohn steuerpflichtig ist. Der Begriff "Kostenerstattung" hat keine steuerrechtlichen Implikationen im Innenverhältnis von Erstattungsgläubiger und Erstattungsschuldner.
(2) Aus dem Gesamtzusammenhang der Sozialplanregelungen ergibt sich nichts anderes.
Zwar ist in B II 3 und B II 4 des Sozialplans vorgesehen, dass der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen beim Erwerb eines Pkw einen "Zuschuss in Höhe von € 2.000,00 brutto" zahlt und bei einem Umzug "Umzugskosten in Höhe von maximal € 4.500,00 brutto" oder "€ 2.500,00 brutto" erstattet. Ferner steht den in T arbeitenden ehemaligen H Beschäftigten nach B II 6 des Sozialplans "ein Verpflegungszuschuss in Höhe von € 1,00 brutto pro Tag" zu und ist in B III 2 e geregelt, dass eine Abfindung "nach Maßgabe der ... geltenden steuerrechtlichen Regelungen gezahlt" wird. Auch im Hinblick darauf folgt aber aus dem Fehlen des Wortes "brutto" in B II 2 b des Sozialplans nicht, dass die dort vorgesehene Fahrtkostenerstattung "netto" zu erfolgen hätte. Im Gegenteil wäre, weil alle anderen finanziellen Leistungen des Arbeitgebers ausdrücklich als Bruttobeträge geschuldet sind, zu erwarten gewesen, dass die Betriebsparteien es klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätten, wenn dies einzig für Leistungen nach B II 2 b nicht hätte gelten sollen.
Ob die Auslassung des Zusatzes "brutto" in dieser Bestimmung darauf beruht, dass die Betriebsparteien bei Abschluss des Sozialplans - irrtümlich - davon ausgingen, die Erstattung von Fahrtkosten durch den Arbeitgeber sei - immer noch - steuerfrei, ist ohne Belang. War dem so, spricht dies umso stärker dagegen, dass sie eine Verpflichtung des Arbeitgebers hätten begründen wollen, eine gleichwohl anfallende Steuer wirtschaftlich zu übernehmen.
(3) Auch Sinn und Zweck des Sozialplans verlangen nicht nach einer Übernahme der Lohnsteuer durch die Beklagte. Zwar ist es nach seiner Präambel dessen Ziel, die wirtschaftlichen Arbeitsbedingungen in T so attraktiv zu gestalten, dass möglichst viele H Beschäftigte dorthin wechseln würden. Davon, dass diese Attraktivität gefährdet wäre, müssten die Beschäftigten die mit ihrer Person zusammenhängenden Lohnsteuern auf Sozialplanleistungen selber tragen, kann aber keine Rede sein. Aus der Präambel lassen sich keine Schlüsse auf bestimmte Leistungsverpflichtungen der Arbeitgeber ziehen.
II. Die Klageforderung folgt nicht aus einer betrieblichen Übung. Zwar hat die Beklagte während der verbliebenen Monate des Jahres 2006 die auf die Kostenerstattung abgeführte pauschale Lohnsteuer dem Kläger nicht in Rechnung gestellt. Daraus ist aber keine entsprechende betriebliche Übung entstanden. Der Kläger hat schon nicht behauptet, dass er Anlass gehabt habe anzunehmen, die Beklagte habe aus freien Stücken und ohne dass sie gemeint hätte, dazu rechtlich verpflichtet zu sein, auf eine Weitergabe der abgeführten pauschalen Lohnsteuer verzichtet. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Dauer des Leistungszeitraums und die Anzahl der in ihm erbrachten Zahlungen als Grundlage für ein Vertrauen des Klägers auf eine auch künftige Übernahme der Lohnsteuer durch die Beklagte überhaupt hätte ausreichen können.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2009 S. 2365 Nr. 44
BB 2010 S. 967 Nr. 16
RAAAD-29191
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein