Artikel 14 Unterrichtung und Anhörung der
Arbeitnehmervertreter
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT
UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –
gestützt auf den
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 44
Absatz 1,
auf Vorschlag der Kommission
,
nach Stellungnahme des
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
,
gemäß dem Verfahren
des Artikels 251 des Vertrags
,
in Erwägung nachstehender
Gründe:
(1) Gewisse
Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften, die dem
Recht eines Mitgliedstaats unterliegen und deren Wertpapiere zum Handel auf
einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats zugelassen sind, im Interesse der
Gesellschafter und Dritter vorgeschrieben sind, bedürfen gemäß
Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g) des Vertrags der Koordinierung,
um sie gemeinschaftsweit gleichwertig zu gestalten.
(2) Wenn Gesellschaften,
die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen, Gegenstand eines
Übernahmeangebots oder eines Kontrollwechsels sind und zumindest ein Teil
der Wertpapiere dieser Gesellschaften zum Handel auf einem geregelten Markt
eines Mitgliedstaats zugelassen sind, ist es notwendig, die Interessen der
Inhaber dieser Wertpapiere zu schützen.
(3) Es ist erforderlich,
gemeinschaftsweit Klarheit und Transparenz in Bezug auf die Rechtsfragen zu
schaffen, die bei Übernahmeangeboten zu regeln sind, und zu vermeiden,
dass die Formen der Umstrukturierung von Unternehmen in der Gemeinschaft durch
willkürliche Unterschiede in der Führungs- und Managementkultur
verzerrt werden.
(4) Angesichts der Zwecke
des öffentlichen Interesses, die die Zentralbanken der Mitgliedstaaten
erfüllen, erscheint es nicht vorstellbar, dass sie Ziel von
Übernahmeangeboten sein können. Da die Wertpapiere einiger dieser
Zentralbanken aus historischen Gründen an geregelten Märkten der
Mitgliedstaaten notiert werden, ist es erforderlich, diese ausdrücklich
vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszuschließen.
(5) Jeder Mitgliedstaat
sollte eine oder mehrere Stellen bestimmen, die die in dieser Richtlinie
geregelten Aspekte von Übernahmeangeboten überwachen und
sicherstellen, dass die Parteien des Angebots den gemäß dieser
Richtlinie erlassenen Vorschriften nachkommen. Alle diese Stellen sollten
zusammenarbeiten.
(6) Um effektiv zu sein,
sollte die Übernahmeregelung flexibel sein und neu auftretende
Umstände erfassen können und damit Ausnahmen und abweichende
Regelungen erlauben. Bei der Anwendung von Regeln oder Ausnahmen bzw. beim
Erlass von abweichenden Regelungen sollten die Aufsichtsstellen jedoch
bestimmte allgemeine Grundsätze beachten.
(7) Stellen der
freiwilligen Selbstkontrolle sollten die Aufsicht führen
können.
(8) Im Einklang mit den
allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere dem
Anspruch auf rechtliches Gehör sollten die Entscheidungen einer
Aufsichtsstelle gegebenenfalls von einem unabhängigen Gericht
überprüft werden können. Die Entscheidung darüber, ob
Rechte vorzusehen sind, die in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gegen eine
Aufsichtsstelle oder zwischen Parteien des Angebots geltend gemacht werden
können, sollte jedoch den Mitgliedstaaten überlassen werden.
(9) Die Mitgliedstaaten
sollten die notwendigen Schritte unternehmen, um Wertpapierinhaber,
insbesondere Wertpapierinhaber mit Minderheitsbeteiligungen, nach einem
Kontrollwechsel in ihren Gesellschaften zu schützen. Diesen Schutz sollten
die Mitgliedstaaten dadurch gewährleisten, dass die Person, die die
Kontrolle über die Gesellschaft erlangt hat, verpflichtet wird, allen
Wertpapierinhabern dieser Gesellschaft zu einem angemessenen Preis, der
einheitlich definiert ist, ein Angebot zur Übernahme aller ihrer
Wertpapiere zu machen. Die Mitgliedstaaten müssen weitere Vorkehrungen zum
Schutz der Interessen der Wertpapierinhaber vorsehen können, wie etwa die
Verpflichtung, ein Teilangebot zu unterbreiten, wenn der Bieter nicht die
Kontrolle über die Gesellschaft erwirbt, oder die Verpflichtung, zugleich
mit dem Erwerb der Kontrolle über die Gesellschaft ein Angebot zu
unterbreiten.
(10) Die Verpflichtung,
allen Wertpapierinhabern ein Angebot zu unterbreiten, sollte nicht für
diejenigen Kontrollbeteiligungen gelten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens
der nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie bereits
bestehen.
(11) Die Verpflichtung zur
Abgabe eines Angebots sollte nicht für den Erwerb von Wertpapieren gelten,
die kein Stimmrecht in der ordentlichen Hauptversammlung verleihen. Die
Mitgliedstaaten sollten allerdings vorsehen können, dass die
Verpflichtung, allen Wertpapierinhabern ein Angebot zu machen, nicht nur
für Wertpapiere gilt, die Stimmrechte verleihen, sondern auch für
Wertpapiere, die nur unter bestimmten Umständen Stimmrechte verleihen oder
überhaupt nicht mit Stimmrechten ausgestattet sind.
(12) Um die
Möglichkeiten für Insidergeschäfte zu verringern, sollte der
Bieter verpflichtet werden, seinen Beschluss, ein Angebot zu unterbreiten, so
früh wie möglich bekannt zu geben und die Aufsichtsstelle von dem
Angebot zu unterrichten.
(13) Die Wertpapierinhaber
sollten durch eine Angebotsunterlage angemessen über die
Angebotskonditionen unterrichtet werden. Auch sollten die Arbeitnehmervertreter
der Gesellschaft oder – in Ermangelung solcher
Vertreter – die Arbeitnehmer selbst ebenfalls in angemessener Weise
unterrichtet werden.
(14) Die Frist für
die Annahme des Übernahmeangebots sollte geregelt werden.
(15) Zur
ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollten die
Aufsichtsstellen die Parteien des Angebots jederzeit zur Erteilung von
Auskünften, die diese selbst betreffen, auffordern können und mit
anderen Aufsichtsstellen, die die Kapitalmärkte beaufsichtigen, effizient
zusammenarbeiten und ihnen unverzüglich Auskünfte erteilen.
(16) Um Handlungen
vorzubeugen, durch die das Angebot vereitelt werden könnte, sollten die
Befugnisse des Leitungs- bzw. des Verwaltungsorgans einer Zielgesellschaft zur
Vornahme außergewöhnlicher Handlungen beschränkt werden, ohne
dabei die Zielgesellschaft in ihrer normalen Geschäftstätigkeit
unangemessen zu behindern.
(17) Das Leitungs- bzw.
Verwaltungsorgan einer Zielgesellschaft sollte verpflichtet sein, zu dem
Angebot eine schriftliche, mit Gründen versehene Stellungnahme zu
veröffentlichen, in der unter anderem auf die Auswirkungen auf
sämtliche Interessen der Gesellschaft, insbesondere auf die
Beschäftigung, eingegangen wird.
(18) Um die geltenden
Vorschriften über den freien Handel mit Wertpapieren der von dieser
Richtlinie erfassten Gesellschaften und die freie Stimmrechtsausübung in
ihrer Wirkung zu stärken, müssen die Abwehrstrukturen und
-mechanismen dieser Gesellschaften offen gelegt und regelmäßig der
Hauptversammlung in einem Bericht mitgeteilt werden.
(19) Die Mitgliedstaaten
sollten die notwendigen Vorkehrungen treffen, damit jeder Bieter die
Möglichkeit hat, Mehrheitsbeteiligungen an anderen Gesellschaften zu
erwerben und die vollständige Kontrolle über diese auszuüben. Zu
diesem Zweck sollten Beschränkungen der Übertragbarkeit von
Wertpapieren, Stimmrechtsbeschränkungen, besondere Ernennungs- und
Mehrfachstimmrechte während der Angebotsfrist, oder wenn die
Hauptversammlung der Aktionäre eine Abwehrmaßnahme oder eine
Änderung der Satzung oder die Abberufung oder Ernennung von Mitgliedern
des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans in der ersten Hauptversammlung der
Aktionäre nach Angebotsschluss beschließt, aufgehoben oder
ausgesetzt werden. Für Verluste, die Wertpapierinhabern als Folge der
Entziehung von Rechten entstehen, sollte eine angemessene Entschädigung
gemäß den von den Mitgliedstaaten festgelegten technischen
Modalitäten vorgesehen werden.
(20) Alle von den
Mitgliedstaaten an Gesellschaften gehaltenen Sonderrechte sollten im Rahmen des
freien Kapitalverkehrs und der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags
betrachtet werden. Von den Mitgliedstaaten an Gesellschaften gehaltene
Sonderrechte, die im einzelstaatlichen Privatrecht oder öffentlichen Recht
vorgesehen sind, sollten von der Durchgriffsklausel ausgenommen werden, wenn
sie mit dem Vertrag vereinbar sind.
(21) Angesichts der
unterschiedlichen Mechanismen und Strukturen des Gesellschaftsrechts der
Mitgliedstaaten sollten diese den Gesellschaften mit Sitz in ihrem Staatsgebiet
nicht vorschreiben müssen, diejenigen Bestimmungen dieser Richtlinie, die
die Befugnisse des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans einer Zielgesellschaft
während der Angebotsfrist beschränken und diejenigen, die die in der
Satzung oder in besonderen Vereinbarungen vorgesehenen Schranken unanwendbar
machen, anzuwenden. In diesem Fall sollten die Mitgliedstaaten den
Gesellschaften mit Sitz in ihrem Staatsgebiet zumindest die widerrufliche
Wahlmöglichkeit einräumen, diese Bestimmungen anzuwenden. Unbeschadet
internationaler Übereinkünfte, bei denen die Europäische
Gemeinschaft Vertragspartei ist, sollten die Mitgliedstaaten den
Gesellschaften, die diese Bestimmungen entsprechend den freiwilligen Regelungen
anwenden, nicht vorschreiben müssen, diese auch anzuwenden, wenn sie Ziel
eines Angebots von Gesellschaften werden, die ihrerseits die gleichen
Bestimmungen als Folge des Einsatzes dieser freiwilligen Regelungen nicht
anwenden.
(22) Die Mitgliedstaaten
sollten regeln, wann ein Angebot hinfällig wird, unter welchen
Voraussetzungen der Bieter sein Angebot ändern kann, wie mit
konkurrierenden Angeboten zu verfahren ist und wie das Ergebnis des Angebots
bekannt zu machen ist, und die Unwiderruflichkeit des Angebots sowie die
zulässigen Bedingungen festschreiben.
(23) Information und
Konsultation der Arbeitnehmervertreter der Bieter- sowie der Zielgesellschaft
sollten durch einschlägige einzelstaatliche Bestimmungen geregelt werden,
insbesondere durch die Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 94/45/EG
des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines
Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur
Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit
operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen
, der
Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen
der
Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur
Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der
Beteiligung der Arbeitnehmer
und der
Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen
Gemeinschaft – Gemeinsame Erklärung des Europäischen
Parlaments, des Rates und der Kommission zur Vertretung der Arbeitnehmer
. Die Arbeitnehmer der
betroffenen Gesellschaften oder ihre Vertreter sollten überdies die
Möglichkeit erhalten, sich zu den voraussichtlichen Auswirkungen des
Angebots auf die Beschäftigung zu äußern. Unbeschadet der
Vorschriften der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und
Marktmanipulation (Marktmissbrauch)
können die
Mitgliedstaaten jederzeit nationale Bestimmungen über die Unterrichtung
und Anhörung der Arbeitnehmervertreter des Bieters vor Abgabe eines
Übernahmeangebots anwenden oder einführen.
(24) Die Mitgliedstaaten
sollten die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um einem Bieter, der im Zuge
eines Übernahmeangebots einen bestimmten Prozentsatz des stimmberechtigten
Kapitals einer Gesellschaft erworben hat, die Möglichkeit zu geben,
die Inhaber der übrigen Wertpapiere zum Verkauf ihrer Wertpapiere zu
verpflichten. Dementsprechend sollten die Inhaber der übrigen Wertpapiere
die Möglichkeit haben, den Bieter, der im Zuge eines
Übernahmeangebots einen bestimmten Prozentsatz des stimmberechtigten
Kapitals einer Gesellschaft erworben hat, zum Erwerb ihrer Wertpapiere zu
verpflichten. Diese Ausschluss- und Andienungsverfahren sollten nur unter
bestimmten Bedingungen im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten gelten. Die
Mitgliedstaaten können unter anderen Umständen auf Ausschluss- und
Andienungsverfahren weiterhin ihre nationalen Vorschriften anwenden.
(25) Da die Ziele der
beabsichtigten Maßnahmen, nämlich die Festlegung von Mindestvorgaben
für die Abwicklung von Übernahmeangeboten und die Gewährleistung
eines ausreichenden Schutzes für Wertpapierinhaber in der gesamten
Gemeinschaft wegen der Notwendigkeit der Transparenz und Rechtssicherheit bei
grenzüberschreitenden Übernahmen oder bei dem
grenzüberschreitenden Erwerb einer die Kontrolle begründenden
Beteiligung auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden
können und sich daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der
Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene erreichen lassen, kann die
Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten
Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben
Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese
Richtlinie nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche
Maß hinaus.
(26) Eine Richtlinie ist
hier das geeignete Instrument, um eine Rahmenregelung zu schaffen, die
bestimmte allgemeine Grundsätze und eine begrenzte Zahl allgemeiner
Vorschriften enthält, die von den Mitgliedstaaten in Form detaillierterer
Bestimmungen im Einklang mit ihrer jeweiligen Rechtsordnung und ihrem
kulturellen Umfeld umzusetzen sind.
(27) Die Mitgliedstaaten
sollten jedoch Sanktionen vorsehen, die bei einem Verstoß gegen die
einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu
verhängen sind.
(28) Um neuen
Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen, kann es von Zeit
zu Zeit erforderlich sein, technische Anleitung zu geben und
Durchführungsmaßnahmen für die in dieser Richtlinie enthaltenen
Vorschriften zu erlassen. Für einige Bestimmungen sollte die Kommission
entsprechend ermächtigt werden, nach Konsultation des durch den Beschluss
2001/528/EG der Kommission
eingesetzten
Europäischen Wertpapierausschusses Durchführungsmaßnahmen zu
erlassen, soweit diese Maßnahmen nicht die wesentlichen Elemente dieser
Richtlinie verändern und die Kommission gemäß den in dieser
Richtlinie festgelegten Grundsätzen handelt. Die zur Durchführung
dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem
Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der
Modalitäten für die Ausübung der der Kommission
übertragenen Durchführungsbefugnisse
unter gebührender
Berücksichtigung der Erklärung der Kommission vom 5. Februar
2002 vor dem Europäischen Parlament zur Durchführung der
Rechtsvorschriften über Finanzdienstleistungen erlassen werden. Für
die übrigen Bestimmungen sollte ein Kontaktausschuss mit der Aufgabe
betraut werden, die Mitgliedstaaten und die Aufsichtsstellen bei der Anwendung
dieser Richtlinie zu unterstützen und die Kommission, falls erforderlich,
bei Ergänzungen oder Änderungen dieser Richtlinie zu beraten. Dabei
kann der Kontaktausschuss die Informationen heranziehen, die die
Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieser Richtlinie zu den
Übernahmeangeboten zur Verfügung stellen, die in ihren geregelten
Märkten stattgefunden haben.
(29) Die Kommission sollte
den Prozess hin zu einer fairen und ausgewogenen Harmonisierung der
Bestimmungen für Übernahmeangebote in der Europäischen Union
erleichtern. Zu diesem Zweck sollte der Kommission die Möglichkeit
eingeräumt werden, zu gegebener Zeit Vorschläge für eine
Überarbeitung der vorliegenden Richtlinie vorzulegen –