Verordnung EG Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (VO EG Nr. 1/2003)
v. 4. 1. 2003 (ABl
Nr. L 1 S. 1) Hinweis der Redaktion: Diese Rechtsnorm wird
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DER RAT DER EUROPÄISCHEN
UNION
gestützt auf den Vertrag
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf
Artikel 83,
auf Vorschlag der Kommission
,
nach Stellungnahme des
Europäischen Parlaments
,
nach Stellungnahme des
Wirtschafts- und Sozialausschusses
,
in Erwägung nachstehender
Gründe:
(1) Zur Schaffung eines
Systems, das gewährleistet, dass der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nicht
verfälscht wird, muss für eine wirksame und einheitliche Anwendung
der Artikel 81 und 82 des Vertrags in der Gemeinschaft gesorgt werden. Mit
der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste
Durchführungsverordnung zu den Artikeln 81 und 82
des Vertrags
, wurden die Voraussetzungen
für die Entwicklung einer Gemeinschaftspolitik im Bereich des
Wettbewerbsrechts geschaffen, die zur Verbreitung einer Wettbewerbskultur in
der Gemeinschaft beigetragen hat. Es ist nunmehr jedoch an der Zeit, vor dem
Hintergrund der gewonnenen Erfahrung die genannte Verordnung zu ersetzen und
Regeln vorzusehen, die den Herausforderungen des Binnenmarkts und einer
künftigen Erweiterung der Gemeinschaft gerecht werden.
(2) Zu überdenken ist
insbesondere die Art und Weise, wie die in Artikel 81 Absatz 3 des
Vertrags enthaltene Ausnahme vom Verbot wettbewerbsbeschränkender
Vereinbarungen anzuwenden ist. Dabei ist nach Artikel 83 Absatz 2
Buchstabe b) des Vertrags dem Erfordernis einer wirksamen Überwachung
bei möglichst einfacher Verwaltungskontrolle Rechnung zu tragen.
(3) Das durch die
Verordnung Nr. 17 geschaffene zentralisierte System ist nicht mehr
imstande, diesen beiden Zielsetzungen in ausgewogener Weise gerecht zu werden.
Dieses System schränkt die Gerichte und die Wettbewerbsbehörden der
Mitgliedstaaten bei der Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln ein,
und das mit ihm verbundene Anmeldeverfahren hindert die Kommission daran, sich
auf die Verfolgung der schwerwiegendsten Verstöße zu konzentrieren.
Darüber hinaus entstehen den Unternehmen durch dieses System erhebliche
Kosten.
(4) Das zentralisierte
Anmeldesystem sollte daher durch ein Legalausnahmesystem ersetzt werden, bei
dem die Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur zur
Anwendung der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften direkt anwendbaren Artikel 81 Absatz 1 und
Artikel 82 des Vertrags befugt sind, sondern auch zur Anwendung von
Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags.
(5) Um für die
wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft zu sorgen
und zugleich die Achtung der grundlegenden Verteidigungsrechte zu
gewährleisten, muss in dieser Verordnung die Beweislast für die
Artikel 81 und 82 des Vertrags geregelt werden. Der Partei oder
Behörde, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81
Absatz 1 oder Artikel 82 des Vertrags erhebt, sollte es obliegen,
diese Zuwiderhandlung gemäß den einschlägigen rechtlichen
Anforderungen nachzuweisen. Den Unternehmen oder Unternehmensverbänden,
die sich gegenüber der Feststellung einer Zuwiderhandlung auf eine
Rechtfertigung berufen möchten, sollte es obliegen, im Einklang mit den
einschlägigen rechtlichen Anforderungen den Nachweis zu erbringen, dass
die Voraussetzungen für diese Rechtfertigung erfüllt sind. Diese
Verordnung berührt weder die nationalen Rechtsvorschriften über das
Beweismaß noch die Verpflichtung der Wettbewerbsbehörden und
Gerichte der Mitgliedstaaten, zur Aufklärung rechtserheblicher
Sachverhalte beizutragen, sofern diese Rechtsvorschriften und Anforderungen im
Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts
stehen.
(6) Die wirksame Anwendung
der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft setzt voraus, dass die
Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten stärker an der Anwendung
beteiligt werden. Dies wiederum bedeutet, dass sie zur Anwendung des
Gemeinschaftsrechts befugt sein sollten.
(7) Die einzelstaatlichen
Gerichte erfüllen eine wesentliche Aufgabe bei der Anwendung der
gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln. In Rechtsstreitigkeiten zwischen
Privatpersonen schützen sie die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden
subjektiven Rechte, indem sie unter anderem den durch die Zuwiderhandlung
Geschädigten Schadenersatz zuerkennen. Sie ergänzen in dieser
Hinsicht die Aufgaben der einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden. Ihnen
sollte daher gestattet werden, die Artikel 81 und 82 des Vertrags in
vollem Umfang anzuwenden.
(8) Um die wirksame
Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und das reibungslose
Funktionieren der in dieser Verordnung enthaltenen Formen der Zusammenarbeit zu
gewährleisten, müssen die Wettbewerbsbehörden und die Gerichte
in den Mitgliedstaaten verpflichtet sein, auch die Artikel 81 und 82 des
Vertrags anzuwenden, wenn sie innerstaatliches Wettbewerbsrecht auf
Vereinbarungen und Verhaltensweisen, die den Handel zwischen den
Mitgliedstaaten beeinträchtigen können, anwenden. Um für
Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander
abgestimmte Verhaltensweisen gleiche Bedingungen im Binnenmarkt zu schaffen,
ist es ferner erforderlich, auf der Grundlage von Artikel 83 Absatz 2
Buchstabe e) des Vertrags das Verhältnis zwischen dem
innerstaatlichen Recht und dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu bestimmen.
Dazu muss gewährleistet werden, dass die Anwendung innerstaatlichen
Wettbewerbsrechts auf Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte
Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags nur
dann zum Verbot solcher Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmten
Verhaltensweisen führen darf, wenn sie auch nach dem Wettbewerbsrecht der
Gemeinschaft verboten sind. Die Begriffe Vereinbarungen, Beschlüsse und
abgestimmte Verhaltensweisen sind autonome Konzepte des Wettbewerbsrechts der
Gemeinschaft für die Erfassung eines koordinierten Verhaltens von
Unternehmen am Markt im Sinne der Auslegung dieser Begriffe durch die Gerichte
der Gemeinschaft. Nach dieser Verordnung darf den Mitgliedstaaten nicht das
Recht verwehrt werden, in ihrem Hoheitsgebiet strengere innerstaatliche
Wettbewerbsvorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen
von Unternehmen zu erlassen oder anzuwenden. Diese strengeren einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften können Bestimmungen zum Verbot oder zur Ahndung
missbräuchlichen Verhaltens gegenüber wirtschaftlich abhängigen
Unternehmen umfassen. Ferner gilt die vorliegende Verordnung nicht für
innerstaatliche Rechtsvorschriften, mit denen natürlichen Personen
strafrechtliche Sanktionen auferlegt werden, außer wenn solche Sanktionen
als Mittel dienen, um die für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln
durchzusetzen.
(9) Ziel der
Artikel 81 und 82 des Vertrags ist der Schutz des Wettbewerbs auf dem
Markt. Diese Verordnung, die der Durchführung dieser Vertragsbestimmungen
dient, verwehrt es den Mitgliedstaaten nicht, in ihrem Hoheitsgebiet
innerstaatliche Rechtsvorschriften zu erlassen, die andere legitime Interessen
schützen, sofern diese Rechtsvorschriften im Einklang mit den allgemeinen
Grundsätzen und übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts stehen.
Sofern derartige Rechtsvorschriften überwiegend auf ein Ziel gerichtet
sind, das von dem des Schutzes des Wettbewerbs auf dem Markt abweicht,
dürfen die Wettbewerbsbehörden und Gerichte in den Mitgliedstaaten
solche Rechtsvorschriften in ihrem Hoheitsgebiet anwenden. Dementsprechend
dürfen die Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Verordnung in ihrem
Hoheitsgebiet innerstaatliche Rechtsvorschriften anwenden, mit denen unlautere
Handelspraktiken – unabhängig davon, ob diese einseitig ergriffen
oder vertraglich vereinbart wurden – untersagt oder geahndet werden.
Solche Rechtsvorschriften verfolgen ein spezielles Ziel, das die
tatsächlichen oder vermuteten Wirkungen solcher Handlungen auf den
Wettbewerb auf dem Markt unberücksichtigt lässt. Das trifft
insbesondere auf Rechtsvorschriften zu, mit denen Unternehmen untersagt wird,
bei ihren Handelspartnern ungerechtfertigte, unverhältnismäßige
oder keine Gegenleistungen umfassende Bedingungen zu erzwingen, zu erhalten
oder den Versuch hierzu zu unternehmen.
(10) Aufgrund von
Verordnungen des Rates wie 19/65/EWG
, (EWG) Nr. 2821/71
,
(EWG) Nr. 3976/87
,
(EWG) Nr. 1534//91
oder (EWG) Nr. 479/92
ist die Kommission befugt, Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags durch
Verordnung auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen von
Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen
anzuwenden. In den durch derartige Verordnungen bestimmten Bereichen hat die
Kommission so genannte Gruppenfreistellungsverordnungen erlassen, mit denen sie
Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags auf Gruppen von Vereinbarungen,
Beschlüssen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen für nicht
anwendbar erklärt, und sie kann dies auch weiterhin tun. Soweit
Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen,
auf die derartige Verordnungen Anwendung finden, dennoch Wirkungen haben, die
mit Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags unvereinbar sind, sollten die
Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten die Befugnis
haben, in einem bestimmten Fall den Rechtsvorteil der
Gruppenfreistellungsverordnung zu entziehen.
(11) Zur Erfüllung
ihrer Aufgabe, für die Anwendung des Vertrags Sorge zu tragen, sollte die
Kommission an Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen Entscheidungen mit dem
Ziel richten können, Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 81 und 82
des Vertrags abzustellen. Sie sollte, sofern ein berechtigtes Interesse
besteht, auch dann Entscheidungen zur Feststellung einer Zuwiderhandlung
erlassen können, wenn die Zuwiderhandlung beendet ist, selbst wenn sie
keine Geldbuße auferlegt. Außerdem sollte der Kommission in dieser
Verordnung ausdrücklich die ihr vom Gerichtshof zuerkannte Befugnis
übertragen werden, Entscheidungen zur Anordnung einstweiliger
Maßnahmen zu erlassen.
(12) Mit dieser Verordnung
sollte der Kommission ausdrücklich die Befugnis übertragen werden,
unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit alle
strukturellen oder auf das Verhalten abzielenden Maßnahmen festzulegen,
die zur effektiven Abstellung einer Zuwiderhandlung erforderlich sind.
Maßnahmen struktureller Art sollten nur in Ermangelung einer
verhaltensorientierten Maßnahme von gleicher Wirksamkeit festgelegt
werden, oder wenn letztere im Vergleich zu Maßnahmen struktureller Art
mit einer größeren Belastung für das betroffene Unternehmen
verbunden wäre. Änderungen an der Unternehmensstruktur, wie sie vor
der Zuwiderhandlung bestand, sind nur dann verhältnismäßig,
wenn ein erhebliches, durch die Struktur eines Unternehmens als solcher
bedingtes Risiko anhaltender oder wiederholter Zuwiderhandlungen gegeben
ist.
(13) Bieten Unternehmen im
Rahmen eines Verfahrens, das auf eine Verbotsentscheidung gerichtet ist, der
Kommission an, Verpflichtungen einzugehen, die geeignet sind, die Bedenken der
Kommission auszuräumen, so sollte die Kommission diese
Verpflichtungszusagen durch Entscheidung für die Unternehmen bindend
erklären können. Ohne die Frage zu beantworten, ob eine
Zuwiderhandlung vorgelegen hat oder noch vorliegt, sollte in solchen
Entscheidungen festgestellt werden, dass für ein Tätigwerden der
Kommission kein Anlass mehr besteht. Entscheidungen bezüglich
Verpflichtungszusagen lassen die Befugnisse der Wettbewerbsbehörden und
der Gerichte der Mitgliedstaaten, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung
festzustellen und über den Fall zu entscheiden, unberührt.
Entscheidungen bezüglich Verpflichtungszusagen sind für Fälle
ungeeignet, in denen die Kommission eine Geldbuße aufzuerlegen
beabsichtigt.
(14) In
Ausnahmefällen, wenn es das öffentliche Interesse der Gemeinschaft
gebietet, kann es auch zweckmäßig sein, dass die Kommission eine
Entscheidung deklaratorischer Art erlässt, mit der die Nichtanwendung des
in Artikel 81 oder Artikel 82 des Vertrags verankerten Verbots
festgestellt wird, um die Rechtslage zu klären und eine einheitliche
Rechtsanwendung in der Gemeinschaft sicherzustellen; dies gilt insbesondere in
Bezug auf neue Formen von Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, deren
Beurteilung durch die bisherige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis noch nicht
geklärt ist.
(15) Die Kommission und
die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sollen gemeinsam ein Netz von
Behörden bilden, die die EG-Wettbewerbsregeln in enger Zusammenarbeit
anwenden. Zu diesem Zweck müssen Informations- und Konsultationsverfahren
eingeführt werden. Nähere Einzelheiten betreffend die Zusammenarbeit
innerhalb des Netzes werden von der Kommission in enger Abstimmung mit den
Mitgliedstaaten festgelegt und überarbeitet.
(16) Der Austausch von
Informationen, auch solchen vertraulicher Art, und die Verwendung solcher
Informationen zwischen den Mitgliedern des Netzwerks sollte ungeachtet anders
lautender einzelstaatlicher Vorschriften zugelassen werden. Diese Informationen
dürfen für die Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrags
sowie für die parallel dazu erfolgende Anwendung des nationalen
Wettbewerbsrechts verwendet werden, sofern letztere Anwendung den gleichen Fall
betrifft und nicht zu einem anderen Ergebnis führt. Werden die
ausgetauschten Informationen von der empfangenden Behörde dazu verwendet,
Unternehmen Sanktionen aufzuerlegen, so sollte für die Verwendung der
Informationen keine weitere Beschränkung als nur die Verpflichtung gelten,
dass sie ausschließlich für den Zweck eingesetzt werden, für
den sie zusammengetragen worden sind, da Sanktionen, mit denen Unternehmen
belegt werden können, in allen Systemen von derselben Art sind. Die
Verteidigungsrechte, die Unternehmen in den einzelnen Systemen zustehen,
können als hinreichend gleichwertig angesehen werden. Bei natürlichen
Personen dagegen können Sanktionen in den verschiedenen Systemen erheblich
voneinander abweichen. In solchen Fällen ist dafür Sorge zu tragen,
dass die Informationen nur dann verwendet werden, wenn sie in einer Weise
erhoben wurden, die hinsichtlich der Wahrung der Verteidigungsrechte
natürlicher Personen das gleiche Schutzniveau wie nach dem für die
empfangende Behörde geltenden innerstaatlichen Recht
gewährleistet.
(17) Um eine einheitliche
Anwendung der Wettbewerbsregeln und gleichzeitig ein optimales Funktionieren
des Netzwerks zu gewährleisten, muss die Regel beibehalten werden, dass
die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten automatisch ihre
Zuständigkeit verlieren, sobald die Kommission ein Verfahren einleitet.
Ist eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats in einem Fall bereits
tätig und beabsichtigt die Kommission, ein Verfahren einzuleiten, sollte
sie sich bemühen, dies so bald wie möglich zu tun. Vor der Einleitung
eines Verfahrens sollte die Kommission die betreffende nationale Behörde
konsultieren.
(18) Um eine optimale
Verteilung der Fälle innerhalb des Netzwerks sicherzustellen, sollte eine
allgemeine Bestimmung eingeführt werden, wonach eine
Wettbewerbsbehörde ein Verfahren mit der Begründung aussetzen oder
einstellen kann, dass sich eine andere Behörde mit demselben Fall befasst
hat oder noch befasst. Ziel ist es, dass jeder Fall nur von einer Behörde
bearbeitet wird. Diese Bestimmung sollte nicht der der Kommission durch die
Rechtsprechung des Gerichtshofs zuerkannten Möglichkeit entgegenstehen,
eine Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses abzuweisen, selbst wenn
keine andere Wettbewerbsbehörde die Absicht bekundet hat, sich des Falls
anzunehmen.
(19) Die Arbeitsweise des
durch die Verordnung Nr. 17 eingesetzten Beratenden Ausschusses für
Kartell- und Monopolfragen hat sich als sehr befriedigend erwiesen. Dieser
Ausschuss fügt sich gut in das neue System einer dezentralen Anwendung des
Wettbewerbsrechts ein. Es gilt daher, auf der Grundlage der Bestimmungen der
Verordnung Nr. 17 aufzubauen und gleichzeitig die Arbeit effizienter zu
gestalten. Hierzu ist es zweckmäßig, die Möglichkeit eines
schriftlichen Verfahrens für die Stellungnahme vorzusehen. Der Beratende
Ausschuss sollte darüber hinaus als Diskussionsforum für die von den
Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten gerade bearbeiteten Fälle
dienen können, um auf diese Weise dazu beizutragen, dass die
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft einheitlich angewandt werden.
(20) Der Beratende
Ausschuss sollte sich aus Vertretern der Wettbewerbsbehörden der
Mitgliedstaaten zusammensetzen. In Sitzungen, in denen allgemeine Fragen zur
Erörterung stehen, sollten die Mitgliedstaaten einen weiteren Vertreter
entsenden dürfen. Unbeschadet hiervon können sich die Mitglieder des
Ausschusses durch andere Experten des jeweiligen Mitgliedstaats
unterstützen lassen.
(21) Die einheitliche
Anwendung der Wettbewerbsregeln erfordert außerdem, Formen der
Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und der Kommission
vorzusehen. Dies gilt für alle Gerichte der Mitgliedstaaten, die die
Artikel 81 und 82 des Vertrags zur Anwendung bringen, unabhängig
davon, ob sie die betreffenden Regeln in Rechtsstreitigkeiten zwischen
Privatparteien anzuwenden haben oder ob sie als Wettbewerbsbehörde oder
als Rechtsmittelinstanz tätig werden. Insbesondere sollten die
einzelstaatlichen Gerichte die Möglichkeit erhalten, sich an die
Kommission zu wenden, um Informationen oder Stellungnahmen zur Anwendung des
Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft zu erhalten. Der Kommission und den
Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten wiederum muss die Möglichkeit
gegeben werden, sich mündlich oder schriftlich vor einzelstaatlichen
Gerichten zu äußern, wenn Artikel 81 oder 82 des Vertrags zur
Anwendung kommt. Diese Stellungnahmen sollten im Einklang mit den
einzelstaatlichen Verfahrensregeln und Gepflogenheiten, einschließlich
derjenigen, die die Wahrung der Rechte der Parteien betreffen, erfolgen. Hierzu
sollte dafür gesorgt werden, dass die Kommission und die
Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten über ausreichende
Informationen über Verfahren vor einzelstaatlichen Gerichten
verfügen.
(22) In einem System
paralleler Zuständigkeiten müssen im Interesse der Rechtssicherheit
und der einheitlichen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft einander
widersprechende Entscheidungen vermieden werden. Die Wirkungen von
Entscheidungen und Verfahren der Kommission auf Gerichte und
Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten müssen daher im Einklang mit
der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt werden. Von der Kommission
angenommene Entscheidungen bezüglich Verpflichtungszusagen berühren
nicht die Befugnis der Gerichte und der Wettbewerbsbehörden der
Mitgliedstaaten, die Artikel 81 und 82 des Vertrags anzuwenden.
(23) Die Kommission sollte
die Befugnis haben, im gesamten Bereich der Gemeinschaft die Auskünfte zu
verlangen, die notwendig sind, um gemäß Artikel 81 des Vertrags
verbotene Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte
Verhaltensweisen sowie die nach Artikel 82 des Vertrags untersagte
missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung aufzudecken.
Unternehmen, die einer Entscheidung der Kommission nachkommen, können
nicht gezwungen werden, eine Zuwiderhandlung einzugestehen; sie sind auf jeden
Fall aber verpflichtet, Fragen nach Tatsachen zu beantworten und Unterlagen
vorzulegen, auch wenn die betreffenden Auskünfte dazu verwendet werden
können, den Beweis einer Zuwiderhandlung durch die betreffenden oder
andere Unternehmen zu erbringen.
(24) Die Kommission sollte
außerdem die Befugnis haben, die Nachprüfungen vorzunehmen, die
notwendig sind, um gemäß Artikel 81 des Vertrags verbotene
Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen
sowie die nach Artikel 82 des Vertrags untersagte missbräuchliche
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung aufzudecken. Die
Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sollten bei der Ausübung
dieser Befugnisse aktiv mitwirken.
(25) Da es zunehmend
schwieriger wird, Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln aufzudecken,
ist es für einen wirksamen Schutz des Wettbewerbs notwendig, die
Ermittlungsbefugnisse der Kommission zu ergänzen. Die Kommission sollte
insbesondere alle Personen, die eventuell über sachdienliche Informationen
verfügen, befragen und deren Aussagen zu Protokoll nehmen können.
Ferner sollten die von der Kommission beauftragten Bediensteten im Zuge einer
Nachprüfung für die hierfür erforderliche Zeit eine Versiegelung
vornehmen dürfen. Die Dauer der Versiegelung sollte in der Regel 72
Stunden nicht überschreiten. Die von der Kommission beauftragten
Bediensteten sollten außerdem alle Auskünfte im Zusammenhang mit
Gegenstand und Ziel der Nachprüfung einholen dürfen.
(26) Die Erfahrung hat
gezeigt, dass in manchen Fällen Geschäftsunterlagen in der Wohnung
von Führungskräften und Mitarbeitern der Unternehmen aufbewahrt
werden. Im Interesse effizienter Nachprüfungen sollten daher die
Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Personen
zum Betreten aller Räumlichkeiten befugt sein, in denen sich
Geschäftsunterlagen befinden können, einschließlich
Privatwohnungen. Die Ausübung der letztgenannten Befugnis sollte jedoch
eine entsprechende gerichtliche Entscheidung voraussetzen.
(27) Unbeschadet der
Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es sinnvoll, die Tragweite der Kontrolle
darzulegen, die das nationale Gericht ausüben kann, wenn es, wie im
innerstaatlichen Recht vorgesehen und als vorsorgliche Maßnahme, die
Unterstützung durch Verfolgungsbehörden genehmigt, um sich über
einen etwaigen Widerspruch des betroffenen Unternehmens hinwegzusetzen, oder
wenn es die Vollstreckung einer Entscheidung zur Nachprüfung in anderen
als Geschäftsräumen gestattet. Aus der Rechtsprechung ergibt sich,
dass das nationale Gericht insbesondere von der Kommission weitere
Klarstellungen anfordern kann, die es zur Ausübung seiner Kontrolle
benötigt und bei deren Fehlen es die Genehmigung verweigern könnte.
Ferner bestätigt die Rechtsprechung die Befugnis der nationalen Gerichte,
die Einhaltung der für die Durchführung von Zwangsmaßnahmen
geltenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zu kontrollieren.
(28) Damit die
Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten mehr Möglichkeiten zu einer
wirksamen Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrags erhalten, sollten
sie einander im Rahmen von Nachprüfungen und anderen Maßnahmen zur
Sachaufklärung Unterstützung gewähren können.
(29) Die Beachtung der
Artikel 81 und 82 des Vertrags und die Erfüllung der den Unternehmen
und Unternehmensvereinigungen in Anwendung dieser Verordnung auferlegten
Pflichten sollten durch Geldbußen und Zwangsgelder sichergestellt werden
können. Hierzu sind auch für Verstöße gegen
Verfahrensvorschriften Geldbußen in angemessener Höhe
vorzusehen.
(30) Um für eine
tatsächliche Einziehung der Geldbußen zu sorgen, die
Unternehmensvereinigungen wegen von ihnen begangener Zuwiderhandlungen
auferlegt werden, müssen die Bedingungen festgelegt werden, unter denen
die Kommission von den Mitgliedern der Vereinigung die Zahlung der
Geldbuße verlangen kann, wenn die Vereinigung selbst zahlungsunfähig
ist. Dabei sollte die Kommission der relativen Größe der der
Vereinigung angehörenden Unternehmen und insbesondere der Lage der kleinen
und mittleren Unternehmen Rechnung tragen. Die Zahlung der Geldbuße durch
eines oder mehrere der Mitglieder einer Vereinigung erfolgt unbeschadet der
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die einen Rückgriff auf andere
Mitglieder der Vereinigung zur Erstattung des gezahlten Betrags
ermöglichen.
(31) Die Regeln über
die Verjährung bei der Auferlegung von Geldbußen und Zwangsgeldern
sind in der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates
enthalten, die darüber
hinaus Sanktionen im Verkehrsbereich zum Gegenstand hat. In einem System
paralleler Zuständigkeiten müssen zu den Handlungen, die die
Verjährung unterbrechen können, auch eigenständige
Verfahrenshandlungen der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten gerechnet
werden. Im Interesse einer klareren Gestaltung des Rechtsrahmens empfiehlt es
sich daher, die Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 so zu ändern, dass sie
im Anwendungsbereich der vorliegenden Verordnung keine Anwendung findet, und
die Verjährung in der vorliegenden Verordnung zu regeln.
(32) Das Recht der
beteiligten Unternehmen, von der Kommission gehört zu werden, sollte
bestätigt werden. Dritten, deren Interessen durch eine Entscheidung
betroffen sein können, sollte vor Erlass der Entscheidung Gelegenheit zur
Äußerung gegeben werden, und die erlassenen Entscheidungen sollten
auf breiter Ebene bekannt gemacht werden. Ebenso unerlässlich wie die
Wahrung der Verteidigungsrechte der beteiligten Unternehmen, insbesondere des
Rechts auf Akteneinsicht, ist der Schutz der Geschäftsgeheimnisse. Es
sollte sichergestellt werden, dass die innerhalb des Netzwerks ausgetauschten
Informationen vertraulich behandelt werden.
(33) Da alle
Entscheidungen, die die Kommission nach Maßgabe dieser Verordnung
erlässt, unter den im Vertrag festgelegten Voraussetzungen der
Überwachung durch den Gerichtshof unterliegen, sollte der Gerichtshof
gemäß Artikel 229 des Vertrags die Befugnis zu
unbeschränkter Ermessensnachprüfung bei Entscheidungen der Kommission
über die Auferlegung von Geldbußen oder Zwangsgeldern
erhalten.
(34) Nach den Regeln der
Verordnung Nr. 17 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82
des Vertrags niedergelegten Grundsätze kommt den Organen der Gemeinschaft
eine zentrale Stellung zu. Diese gilt es zu bewahren, doch müssen
gleichzeitig die Mitgliedstaaten stärker an der Anwendung der
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft beteiligt werden. Im Einklang mit dem in
Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritäts- und
Verhältnismäßigkeitsprinzip geht die vorliegende Verordnung
nicht über das zur Erreichung ihres Ziels einer wirksamen Anwendung der
Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Erforderliche hinaus.
(35) Um eine
ordnungsgemäße Anwendung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts zu
erreichen, sollten die Mitgliedstaaten Behörden bestimmen, die sie
ermächtigen, Artikel 81 und 82 des Vertrags im öffentlichen
Interesse anzuwenden. Sie sollten die Möglichkeit erhalten, sowohl
Verwaltungsbehörden als auch Gerichte mit der Erfüllung der den
Wettbewerbsbehörden in dieser Verordnung übertragenen Aufgaben zu
betrauen. Mit der vorliegenden Verordnung wird anerkannt, dass für die
Durchsetzung der Wettbewerbsregeln im öffentlichen Interesse in den
Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Systeme bestehen. Die Wirkung von
Artikel 11 Absatz 6 dieser Verordnung sollte sich auf alle
Wettbewerbsbehörden erstrecken. Als Ausnahme von dieser allgemeinen Regel
sollte, wenn eine mit der Verfolgung von Zuwiderhandlungen betraute
Verwaltungsbehörde einen Fall vor ein von ihr getrenntes Gericht bringt,
Artikel 11 Absatz 6 für die verfolgende Behörde nach
Maßgabe der Bedingungen in Artikel 35 Absatz 4 dieser
Verordnung gelten. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, sollte die
allgemeine Regel gelten. Auf jeden Fall sollte Artikel 11 Absatz 6
nicht für Gerichte gelten, soweit diese als Rechtsmittelinstanzen
tätig werden.
(36) Nachdem der
Gerichtshof in seiner Rechtsprechung klargestellt hat, dass die
Wettbewerbsregeln auch für den Verkehr gelten, muss dieser Sektor den
Verfahrensvorschriften der vorliegenden Verordnung unterworfen werden. Daher
sollte die Verordnung Nr. 141 des Rates vom 26. November 1962
über die Nichtanwendung der Verordnung Nr. 17 des Rates auf den
Verkehr aufgehoben werden und die
Verordnungen des Rates (EWG) Nr. 1017/68
, (EWG)
Nr. 4056/86
und (EWG) Nr. 3975/87
sollten so geändert
werden, dass die darin enthaltenen speziellen Verfahrensvorschriften aufgehoben
werden.
(37) Diese Verordnung
wahrt die Grundrechte und steht im Einklang mit den Prinzipien, die
insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
verankert sind. Demzufolge ist diese Verordnung in Übereinstimmung mit
diesen Rechten und Prinzipien auszulegen und anzuwenden.
(38) Rechtssicherheit
für die nach den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft tätigen
Unternehmen trägt zur Förderung von Innovation und Investition bei.
In Fällen, in denen ernsthafte Rechtsunsicherheit entsteht, weil neue oder
ungelöste Fragen in Bezug auf die Anwendung dieser Regeln auftauchen,
können einzelne Unternehmen den Wunsch haben, mit der Bitte um informelle
Beratung an die Kommission heranzutreten. Diese Verordnung lässt das Recht
der Kommission, informelle Beratung zu leisten,
unberührt –
HAT FOLGENDE VERORDNUNG
ERLASSEN:
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