BFH Beschluss v. - VII B 204/08

Vollstreckungsmaßnahmen kurz vor dem Verhandlungstermin

Gesetze: AO § 284, ZPO § 227

Instanzenzug:

Gründe

I. Nach vergeblichen Vollstreckungsversuchen forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 284 der Abgabenordnung (AO) auf. Im erfolglosen Einspruchs- und nachfolgenden Klageverfahren machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, die angefochtenen Verfügungen seien rechtswidrig, da dem FA nach einer erfolglosen Wohnungsdurchsuchung, der Pfändung sämtlicher Konten und einer mittlerweile bestandskräftigen Gewerbeuntersagung bekannt sei, dass pfändbare Erwerbseinkünfte nicht bestünden. Unmittelbar vor dem vom Finanzgericht (FG) anberaumten Verhandlungstermin bat der Vertreter der Klägerin im Hinblick auf einen weiteren erfolglosen Vollstreckungsversuch des FA am Freitag vor dem Verhandlungstag per Fax um Vertagung. Dem gab das FG nicht statt und verhandelte ohne die Klägerin. Die Klage blieb erfolglos. Die Vertagung sei nicht geboten, da die Klägerin insoweit keine erheblichen Gründe vorgetragen habe. Der weitere Vollstreckungsversuch könne die Vertagung nicht rechtfertigen, da es für das Gericht gemäß § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankomme und die Auswirkungen dieser Maßnahmen in der mündlichen Verhandlung hätten besprochen und geklärt werden können. Die Klage sei unbegründet, da die vom FA insbesondere in der Einspruchsentscheidung dargelegten Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden seien.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin, das Urteil des FG beruhe auf Verfahrensmängeln i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Die unterlassene Vertagung stelle eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar und das Urteil beruhe auf einem im Hinblick auf vorhandenes bzw. unpfändbares Vermögen unvollständig ermittelten Sachverhalt sowie auf einer diesbezüglich unzulässig vorweggenommenen Beweiswürdigung.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

2. Mit der Beschwerde ist auch nicht schlüssig dargelegt, dass das Urteil des FG auf einer unzureichenden Sachaufklärung und damit auf einer Verletzung des § 76 FGO beruht. Die Klägerin hätte darlegen müssen, inwieweit das Urteil —ausgehend von der sachlich-rechtlichen Auffassung des FG— auf der unterbliebenen weiteren Aufklärung ihrer Vermögenssituation beruhen kann (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 958). Der Beschwerde ist sinngemäß nur zu entnehmen, dass das FA aufgrund der erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen in der Vergangenheit vollständige Kenntnis von der Vermögenslage der Klägerin gehabt habe und das FG die Ermessensentscheidung des FA deshalb nicht ohne weiteres habe bestätigen dürfen. Sie verkennt dabei, dass das FA das Verfahren nach § 284 AO nach der —zutreffenden (vgl. Grundsatzentscheidung des Senats vom VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57)— Rechtsauffassung des FG nach erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen ermessensfehlerfrei betreiben darf, weil diese —anders als das unter dem psychologischen Druck des Verfahrens nach § 284 AO erwirkte Vermögensverzeichnis— regelmäßig keine zuverlässige Kenntnis über die Vermögensverhältnisse bringen. Das FG hatte dabei nicht aufzuklären, ob bei der Klägerin noch pfändbares Vermögen vorhanden war, sondern lediglich die Ausübung des Ermessens des FA im Rahmen des § 102 FGO zu überprüfen. Dies hat es zutreffend getan.

3. Aus dem Vorhalt einer unzulässig vorweggenommenen Beweiswürdigung, weil das FG in der Annahme einer Verzögerungsabsicht der Klägerin „Ergebnisse (unterstellt habe), die bei ordnungsgemäßem Verfahrensablauf mit der gebotenen Sachaufklärung und Tatsachenwürdigung zumindest zweifelhaft erscheinen”, ergibt sich schon deshalb kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO, weil die vermeintlich gebotene Sachaufklärung und Tatsachenwürdigung für die Entscheidung des FG nicht entscheidungserheblich war.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1780 Nr. 11
JAAAD-28281