BGH Beschluss v. - StB 32/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 55; StPO § 241; StPO § 304 Abs. 4; GG Art. 2 Abs. 2; GG Art. 104 Abs. 2

Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main, vom

Gründe

I.

In der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten M. und C. vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat der Vertreter des Generalbundesanwalts dem als Zeugen vernommenen Beschwerdeführer am die Frage gestellt "Wurden Sie oder Ihre Familie seit Ihren Aussagen bei der Polizei bis heute in Deutschland oder der Türkei von irgendjemandem aufgefordert oder gebeten, nicht oder in einem bestimmten Sinn in dem vorliegenden Strafverfahren auszusagen?" Der Beschwerdeführer hat die Beantwortung mit der Begründung verweigert, eine wahrheitsgemäße Aussage würde ihn selbst und seine Ehefrau der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen.

Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer die durch seine Zeugnisverweigerung entstandenen Kosten auferlegt, zur Erzwingung des Zeugnisses gegen ihn Ordnungsgeld in Höhe von 250 EUR, ersatzweise für je 50 EUR einen Tag Ordnungshaft, verhängt sowie zur Erzwingung des Zeugnisses Beugehaft bis zu einer Höchstdauer von zwei Monaten angeordnet. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Zeugen.

II.

1.

Die Beschwerde ist nur zulässig, soweit sie sich gegen die Anordnung der Beugehaft richtet.

Soweit sich der Zeuge gegen die Auferlegung der Kosten sowie die Verhängung des Ordnungsgeldes, ersatzweise der Ordnungshaft, wendet, ist das Rechtsmittel unstatthaft. Ein in § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO geregelter Fall, in dem ausnahmsweise die Beschwerde gegen einen Beschluss des im ersten Rechtszug zuständigen Oberlandesgerichts zulässig ist, liegt insoweit nicht vor. Im Gegensatz zur Anordnung von Beugehaft ist die Verhängung von Ersatzordnungshaft keine Verhaftung im Sinne des § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO, weil diese lediglich für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, sofort festgesetzt wird (§ 70 Abs. 1 Satz 2 StPO). Sie hat daher keine Verhaftung zum Inhalt, sondern eine an die Bedingung der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes anknüpfende Entscheidung (vgl. BGHSt 36, 192, 197 ; BGH NStZ 1994, 198; ; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 304 Rdn. 13).

2.

Die gegen die Anordnung der Beugehaft gerichtete Beschwerde ist begründet. Dabei kann dahinstehen, ob der Zeuge die Beantwortung der gestellten Frage ohne gesetzlichen Grund verweigert hat, weil es an der Glaubhaftmachung fehlt, dass ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zusteht. Die Anordnung von Beugehaft ist jedenfalls unverhältnismäßig.

Das Oberlandesgericht hat bei der Anordnung der Beugehaft sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

Da § 70 StPO keine speziellen materiellen Voraussetzungen zum Schutz des Freiheitsgrundrechts vorsieht, kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu. Danach muss die Beugehaft nach den Umständen des Falles unerlässlich sein und darf zur Bedeutung der Strafsache und der Aussage für den Ausgang des Verfahrens nicht außer Verhältnis stehen (vgl. BVerfG NJW 2007, 1865, 1868; Meyer-Goßner aaO § 70 Rdn. 13).

Den Angeklagten liegen zwar sehr schwere Straftaten zur Last. Die Beantwortung der gestellten Frage hat jedoch für den Ausgang des Verfahrens nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts in dem nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen Beschluss vom , mit dem es den gegen den Angeklagten C. bestehenden Haftbefehl aufgehoben hat, keinerlei Bedeutung mehr. Denn im Beschluss vom hat das Oberlandesgericht u. a. ausgeführt: "... Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand besteht keine große Wahrscheinlichkeit mehr dafür, dass der Angeklagte C. die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat. ... Die allein noch ausstehende Beantwortung der Frage nach dem Versuch einer Beeinflussung des Zeugen oder seiner Familie im Zusammenhang mit dem vorliegenden Strafverfahren ist jedoch für die Beurteilung des dringenden Tatverdachts ohne Bedeutung. Selbst wenn der Zeuge bestätigen sollte, dass irgendjemand einen solchen Versuch unternommen habe, ließe sich nicht darauf schließen, dass sich die angeklagte Tat so zugetragen hat, wie von dem Zeugen bei seinen polizeilichen Vernehmungen geschildert. ... Dafür, dass der Zeuge A. die Angeklagten gegenüber der Polizei zu Unrecht der angeblichen Tat aus dem März 2007 bezichtigt hat, sprechen schwer wiegende Umstände. ..."

Diese Einschätzung durch das Oberlandesgericht, das die vom Vertreter des Generalbundesanwalts gestellte Frage nicht wegen Bedeutungslosigkeit als ungeeignet im Sinne des § 241 Abs. 2 StPO zurückweisen kann (Meyer-Goßner aaO § 241 Rdn. 13 m. w. N.), hat der Senat, der an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat und deshalb die Beweissituation nicht kennt, hinzunehmen. Die Beantwortung einer Frage, die nach der Beurteilung des erkennenden Gerichts den Ausgang des Strafverfahrens nicht mehr beeinflussen kann, darf nicht durch Beugehaft erzwungen werden. In einem solchen Fall ist das in § 70 Abs. 2 StPO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
JAAAD-28041

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