BSG Urteil v. - B 6 KA 65/07 R

Leitsatz

Für die Honorierung der Psychotherapeuten im Jahr 1999 war ein Mindesthonorarniveau gewährleistet, das an die Auszahlungspunktwerte für ärztliche Beratungs- und Betreuungsleistungen anknüpfte und quartalsbezogen zu berechnen war.

Gesetze: SGB V § 85; SGB V § 87 Abs 2; PsychThG/SGB V u a ÄndG F: Art 11 Abs 1; PsychThG/SGB V u a ÄndG F: Art 11 Abs 2; EBM-Ä Kap B Abschn II

Instanzenzug: SG Hannover, S 16 KA 1034/00 vom LSG Celle-Bremen, L 3 KA 118/04 vom

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Honorierung psychotherapeutischer Leistungen im Jahr 1999.

Die Klägerin ist als Psychologische Psychotherapeutin mit Praxissitz in H. im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen. Sie erhob gegen die Honorarbescheide für die Quartale II, III und IV/1999 jeweils Widerspruch, weil der ihnen zugrunde liegende Punktwert keine 10 Pf erreiche, wie dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderlich sei. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, unter Hinweis auf die besonderen gesetzlichen Regelungen für das Jahr 1999 durch Art 11 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze ([PsychThGEG] vom , BGBl I 1311; Widerspruchsbescheid vom ).

Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht (SG) hat die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale III und IV/1999 geändert und die Beklagte verurteilt, den Honoraranspruch der Klägerin für die Behandlung von Versicherten der Primärkassen in diesen Quartalen neu zu berechnen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin könne für die Quartale des Jahres 1999 - anders als für die früheren Jahre - keinen Punktwert von 10 Pf beanspruchen. Für das Jahr 1999 sei die gesetzliche Regelung des Art 11 PsychThGEG maßgebend. Durch dessen Abs 1 sei das Gesamtausgabenvolumen für psychotherapeutische Leistungen im Jahr 1999 kraft Gesetzes begrenzt; Honoraransprüche bestünden nur nach Maßgabe des Art 11 Abs 2 PsychThGEG, wie das (BSGE 90, 111 = SozR 3-2500 § 85 Nr 49) ausgeführt habe. Danach könnten die Psychotherapeuten für die von ihnen im Jahr 1999 erbrachten psychotherapeutischen Leistungen nur einen Punktwert in Höhe von 90 % desjenigen beanspruchen, der im Durchschnitt für die Vergütung der Leistungen nach Abschnitt B II des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) gelte. Dementsprechend reichten für die psychotherapeutischen Leistungen die Punktwerte aus, die den Vergütungen in den Quartalen I und II/1999 im Primär- und Ersatzkassenbereich sowie in den Quartalen III und IV/1999 im Ersatzkassenbereich zugrunde gelegen hätten, sodass insoweit die Klage abzuweisen sei. In den Quartalen III und IV/1999 seien dagegen im Primärkassenbereich die der Honorierung zugrunde gelegten Punktwerte nicht ausreichend gewesen. Deshalb sei insoweit der Klage auf Neuberechnung des Honorars stattzugeben (Urteil vom ).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom ). Es hat ausgeführt, Gegenstand des Berufungsverfahrens sei nur die Höhe der Vergütung für die psychotherapeutischen Leistungen der Quartale III und IV/1999 im Primärkassenbereich, weil das Urteil des SG im Übrigen rechtskräftig geworden sei. Hinsichtlich der Quartale III und IV/1999 im Primärkassenbereich habe das SG zu Recht das gewährte Honorar als unzureichend beanstandet. Der Vergleichsberechnung gemäß Art 11 Abs 2 PsychThGEG seien diejenigen Punktwerte zugrunde zu legen, mit denen die psychotherapeutischen Leistungen bzw die Leistungen nach Abschnitt B II EBM-Ä tatsächlich vergütet würden, und entgegen der Ansicht der Beklagten nicht diejenigen Punktwerte, auf deren Grundlage die KÄV und die Krankenkassen (KKn) in ihrem Verhältnis zueinander die Gesamtvergütungen berechneten. Der Mindestpunktwert müsse in jedem einzelnen Quartal konkret erreicht werden, eine nur auf das Gesamtjahr 1999 bezogene Durchschnittsberechnung sei nicht zulässig.

Mit ihrer Revision beanstandet die Beklagte eine Verletzung der Vorgaben des Art 11 PsychThGEG. Gemäß dessen Abs 1 sei eine auf das Gesamtjahr 1999 bezogene Durchschnittsbetrachtung vorzunehmen. Entsprechend der jahresbezogenen Regelung des Abs 1 sei auch die Vorgabe eines Mindesthonorarniveaus in Abs 2 auf das Gesamtjahr zu beziehen. Dabei seien nicht diejenigen Punktwerte maßgebend, die den tatsächlichen Honorarzahlungen für die psychotherapeutischen Leistungen bzw für die Leistungen nach Abschnitt B II EBM-Ä zugrunde gelegen hätten, sondern diejenigen, auf deren Grundlage die KÄV und die KKn in ihrem Verhältnis zueinander die Gesamtvergütungen berechnet hätten. Dies folge aus Art 11 Abs 2 PsychThGEG, der bei den zum Vergleich heranzuziehenden Leistungen nach Abschnitt B II EBM-Ä auf den "durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der beteiligten KKn" verweise. Gegen ein Abstellen auf die Punktwerte, die für die tatsächliche Honorierung maßgebend gewesen seien, spreche auch, dass diese häufig - zB aufgrund späterer Nachgewährungen für frühere Quartale oder nachträglicher Neuberechnungen infolge zB sachlich-rechnerischer Richtigstellungen - faktisch lange in der Schwebe blieben, sodass das Abstellen auf sie "sich auf ein unmögliches Vorgehen richte". Die realen Auszahlungspunktwerte seien zudem in dem Fall, dass die Honorarverteilung gegliedert nach verschiedenen sog Honorartöpfen erfolge, kaum errechenbar.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom und des Sozialgerichts Hannover vom zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zu Recht habe das LSG diejenigen Punktwerte als maßgebend angesehen, die den tatsächlichen Honorarzahlungen einerseits für die psychotherapeutischen Leistungen und andererseits für die Leistungen nach Abschnitt B II EBM-Ä zugrunde lägen. Die Richtigkeit dieser Berechnungsweise ergebe sich vor allem aus den Erwägungen des Vermittlungsausschusses bei seiner dem Gesetz zugrunde liegenden Beschlussempfehlung (mit Hinweis auf den Berichtsabdruck in Wolfs Sozial-Leitfäden, Die Gesundheitsreform 2007, 13. Aufl 2007, S 337).

II

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. SG und LSG haben zu Recht die von der Beklagten vorgenommenen Honorarfestsetzungen für die Quartale III und IV/1999 beanstandet. Die in deren Urteilen vorgenommene Auslegung des Art 11 PsychThGEG ist zutreffend.

1. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom ausgeführt hat (BSGE 90, 111 = SozR 3-2500 § 85 Nr 49), hat der Gesetzgeber mit dem PsychThGEG und dem als dessen Art 1 geschaffenen Psychotherapeutengesetz (PsychThG) erstmals berufsrechtliche Voraussetzungen für die Ausübung der Psychotherapie durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten normiert und als Voraussetzung der Berufsausübung die Approbation eingeführt (siehe §§ 1, 2 und 12 PsychThG). Weiterhin hat er das Verfahren über deren Arztregistereintrag geregelt (Art 2 Nr 12 PsychThGEG mit entsprechender Änderung des § 95c SGB V); und vor allem hat er diesen Berufsgruppen die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ermöglicht (Art 2 Nr 11 Buchst c PsychThGEG mit Anfügung der Absätze 10 ff in § 95 SGB V) und damit für sie die Berechtigung eröffnet, unmittelbar - ohne Vermittlung eines Vertragsarztes - Versicherte der gesetzlichen KKn zu behandeln (BSGE aaO S 111 f bzw SozR aaO S 415).

Ergänzend zu diesen Neuregelungen hat der Gesetzgeber, wie der Senat in seinem Urteil vom ausgeführt hat, in Art 11 PsychThGEG für das Jahr 1999 besondere Regelungen für die Honorierung der psychotherapeutischen Leistungen normiert. Diese Bestimmungen sollten in diesem ersten Jahr der Integration der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in das System der vertragsärztlichen Versorgung die Auswirkungen kanalisieren, die sich aus dem Zugangsrecht einer neuen Gruppe von Heilberufen zur vertragsärztlichen Versorgung für die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ergeben könnten. Den möglichen Umfang an Honorarausgaben hat der Gesetzgeber durch die Vorgabe eines Rahmens eingegrenzt: Er hat einerseits die Honorarforderungen für psychotherapeutische Leistungen begrenzt, aber andererseits ein Mindesthonorarniveau garantiert (BSGE aaO S 112 f bzw SozR aaO S 415 ff. Er hat zum einen durch Art 11 Abs 1 PsychThGEG eine Ausgabenobergrenze festgelegt, die der Senat in seinem Urteil vom als verfassungsgemäß anerkannt hat (aaO S 114 ff bzw S 418 ff - Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG [Kammer], Beschluss vom - 1 BvR 664/03). Zum anderen hat er durch Art 11 Abs 2 PsychThGEG Regelungen für ein Mindesthonorar geschaffen. Dort ist festgelegt, dass die KÄV und die KKn geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Punktwertdifferenz treffen müssen, falls "der für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen geltende Punktwert den für die Vergütung der Leistungen nach Kapitel B II EBM-Ä geltenden durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der beteiligten KKn um mehr als 10 % unterschreitet". Mit dieser Regelung hat sich der Senat bereits in seinem Urteil vom befasst. Diese Entscheidung betrifft - neben dem in ihrem Zentrum stehenden Abs 1 - auch den Abs 2 des Art 11 Abs 1 PsychThGEG, dessen Auslegung im vorliegenden Verfahren streitig ist.

2. Schon aus den Ausführungen des Senats im Urteil vom lässt sich ableiten, dass es bei der Vergleichsberechnung gemäß Art 11 Abs 2 PsychThGEG auf diejenigen Punktwerte ankommt, die den tatsächlichen Honorarzahlungen zugrunde lagen. Für den Vergleich zwischen der Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen und der Honorierung der Leistungen nach Abschnitt B II EBM-Ä ist auf die jeweiligen Punktwerte abzustellen, die für die real gewährten Vergütungen maßgebend waren. Der Senat hat nämlich in dem Urteil vom die Funktion des Art 11 Abs 2 PsychThGEG dahingehend beschrieben, dass damit ein "Mindesthonorarniveau" bestimmt wird, aus dem sich eine "Vergütungsuntergrenze" für die Honorierung psychotherapeutischer Leistungen im Sinne eines "Interventionspunktwertes" ergibt (BSGE 90, 111, 113, 115 = SozR 3-2500 § 85 Nr 49 S 417, 418, 419; ebenso BSG SozR 4-5500 Art 11 Nr 1 RdNr 13).

Mit diesen Ausführungen hat der Senat das Ziel des Gesetzgebers herausgestellt, eine untere Grenze für die Honorierung zu normieren. Dieser Intention entspricht das Abstellen auf nur theoretische - weil nur für KÄV und KKn in ihrem Verhältnis zueinander real relevante - Punktwerte weniger als die Anknüpfung an die Punktwerte, die den tatsächlichen Honorarzahlungen zugrunde lagen.

Für das Abstellen auf die Punktwerte, die für die real gewährten Vergütungen maßgebend waren, sprechen auch die Entstehungsgeschichte der Regelung und ihre Zielsetzung. Diese ist einem ministeriellen Bericht über die dem Gesetz zugrunde liegende Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu entnehmen (vgl Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks 13/9770 vom , und dazu den Bericht vom Ministerium an die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den diese an die KÄVen weiterleitete; Bericht abgedruckt in Wolfs Sozial-Leitfäden, Gesetzliche Krankenversicherung, seit 6. Aufl 1998, S 141, ebenso noch jüngst 14. Aufl 2009, S 310). Danach sollten die Honorarausschüttungen erhöht werden, wenn "der Punktwert, der für die Auszahlung an die psychotherapeutischen Leistungserbringer im Rahmen der Honorarverteilung maßgeblich ist", um mehr als 10 % den rechnerischen Punktwert unterschreitet, der für haus- und fachärztliche Beratungs- und Betreuungsleistungen gilt (Bericht aaO Abschnitt C. II. 5. am Ende). Hierin wird also hervorgehoben, dass Maßstab der Punktwert sein sollte, der für die "Auszahlung ... im Rahmen der Honorarverteilung" gilt, was von der Terminologie her für einen Vergleich derjenigen Punktwerte spricht, die den tatsächlichen Honorarzahlungen zugrunde lagen.

Diese Auslegung entspricht vor allem auch der Gesamtzielsetzung der Regelung, für psychotherapeutische Leistungen ein "Mindesthonorarniveau" zu bestimmen und dafür eine "Vergütungsuntergrenze" im Sinne eines "Interventionspunktwertes" festzulegen (BSGE 90, 111, 113, 115 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 49 S 417, 418, 419). Der Sinn der Bestimmung eines Mindesthonorars lag darin, für das erste Jahr der Integration der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in das System der vertragsärztlichen Versorgung die möglichen honorarmäßigen Auswirkungen zu kanalisieren, dh diese einerseits der Höhe nach zu begrenzen, aber andererseits auch zu verhindern, dass psychotherapeutische Leistungen erheblich geringer als andere (ähnliche) Leistungen vergütet werden (s oben RdNr 11 f). Das Ziel, den Abstand zu anderen Vergütungen nicht über einen bestimmten Betrag hinaus wachsen zu lassen, wird durch die Anknüpfung an diejenigen Punktwerte, die den tatsächlichen Honorarzahlungen zugrunde liegen, eher abgesichert als durch eine Anknüpfung an Punktwerte, die nur im Verhältnis von KÄV und KKn real relevant sind.

Eine andere Beurteilung kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht daraus hergeleitet werden, dass Art 11 Abs 2 PsychThGEG beim Vergleichspunktwert auf den "durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der beteiligten KKn" abstelle und im Falle von dessen Unterschreiten um mehr als 10 % "die Vertragsparteien ... geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Punktwertdifferenz zu treffen" haben. Dieser Formulierung lässt sich nämlich keine ausreichend deutliche gegenteilige Aussage entnehmen. Die Vorgabe des durchschnittlichen Punktwerts "der beteiligten KKn" muss nicht im Sinne der intern zwischen KÄV und KKn zugrunde gelegten Punktwerte verstanden werden, zumal die insoweit ebenfalls beteiligte KÄV nicht mitbenannt ist. Der Passus ist vielmehr im Sinne einer Klarstellung zu verstehen, in dem Sinne, dass die Vergleichsberechnung sich nicht auf den Punktwert nur einer KK beschränken darf, sondern dass in jedem Honorierungsbereich - Primär- und Ersatzkassen - alle zu ihm gehörenden KKn bei der Ermittlung des durchschnittlichen Punktwerts einzubeziehen sind.

Der Ausrichtung des Vergleichs an den Punktwerten, die den tatsächlichen Honorarzahlungen zugrunde lagen, kann entgegen der Ansicht der Beklagten schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dies sei auf ein "unmögliches Vorgehen" gerichtet. So wie in anderen Bereichen die Gewährung uU späterer Nachzahlungen möglich ist und häufiger Praxis entspricht, ist nicht ersichtlich, warum eine gleiche Vorgehensweise bei der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen unmöglich sein sollte.

3. Das SG und das LSG haben zu Recht auch gefordert, dass der Vergleich zwischen denjenigen Punktwerten, die der Honorierung der psychotherapeutischen Leistungen zugrunde lagen, und denjenigen, die für die Vergütung der Leistungen nach Abschnitt B II EBM-Ä maßgebend waren, für jedes Quartal einzeln durchzuführen ist.

Dies entspricht dem auch sonst für die vertragsärztliche Honorierung geltenden Quartalsprinzip (vgl hierzu zuletzt - SozR 4-1300 § 44 Nr 17 RdNr 43 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Honorarverteilung erfolgt im vertragsärztlichen Bereich typischerweise für jedes Quartal gesondert, indem die jahresbezogen festgelegten Gesamtvergütungen auf die Quartale eines Jahres aufgeteilt werden und das so einem Quartal zugeordnete Gesamtvergütungsvolumen für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet wird (siehe dazu BSG aaO und § 85 Abs 3 und 4 SGB V).

Eine quartalsbezogene Berechnung wird entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Gesamtausgabenvolumen in Art 11 Abs 1 PsychThGEG jahresbezogen festgelegt worden war und dies es nahelege, Abs 2 in gleicher Weise jahresbezogen auszulegen. Ein solcher Gleichlauf ist nicht veranlasst. Wie oben ausgeführt, erfolgt auch sonst die Honorarverteilung im vertragsärztlichen Bereich je Quartal, während die Gesamtvergütungen im Allgemeinen für ein Jahr vereinbart werden. Dementsprechend liegt es vielmehr nahe, ungeachtet der jahresbezogenen Regelung des Art 11 Abs 1 PsychThGEG bei der Honorierung gemäß Abs 2 eine Quartalsbetrachtung zugrunde zu legen.

Auch Wortlaut und Sinngehalt des Art 11 Abs 2 PsychThGEG sprechen für die quartalsbezogene Beurteilung. Gerade die Formulierung "soweit" ("soweit der für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen geltende Punktwert ... unterschreitet") ist ein Indiz dafür, dass das Jahr nicht insgesamt einheitlich zu bewerten ist, sondern teilbar ist in dem Sinne, dass die Mindesthonorargarantie nur für Teile des Jahres zur Geltung kommt. Hierfür spricht auch das Abstellen auf "Punktwert"e ("den für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen geltende(n) Punktwert" und "den für die Vergütung der Leistungen nach Kapitel B II EBM-Ä geltenden ... Punktwert"), denn Punktwerte gelten typischerweise jeweils nur für ein Quartal.

Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus den Urteilen des und vom (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2 und BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40). Das BSG hat in diesen Urteilen seine Überprüfung, ob die Honorierung angehoben werden müsse, nicht auf die Honorarsituation in dem vermeintlich unzureichend vergüteten Teilbereich beschränkt, sondern eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung auch anderer Quartale sowie der übrigen Leistungs- und Honorierungsbereiche vorgenommen (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 128 f iVm 140 f, und BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 20 ff). Diese Urteile betrafen aber übergreifende Rechtsmaßstäbe wie die Frage der Unangemessenheit der Vergütung bzw die sog Beobachtungs- und Reaktionspflicht. Vorliegend geht es dagegen um die Auslegung der konkreten normativen Vorgabe des Art 11 Abs 2 PsychThGEG, die keinen Ansatzpunkt für übergreifende Betrachtungen der vorerwähnten Art gibt.

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Frage einer Eingreifenspflicht gemäß Art 11 Abs 2 PsychThGEG konkret nach den Verhältnissen jeden einzelnen Quartals zu beurteilen ist. Es ist kein Raum für eine Gesamtjahresbetrachtung in dem Sinne, dass ein höheres Honorarniveau in einigen Quartalen des Jahres 1999 mit dem geringeren in anderen Quartalen dieses Jahres verrechnet werden könnte (im Ergebnis ebenso zB - RdNr 34 ff, in juris dokumentiert; vgl auch Bayerisches - Breithaupt 2005, 911, 916 f).

4. Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen zur Auslegung des Art 11 Abs 2 PsychThGEG sind keine Einwände gegen die Folgerung von SG und LSG zu erheben, dass die Honorare für psychotherapeutische Leistungen in den Quartalen III und IV/1999 im Primärkassenbereich unzureichend waren. Die der Honorierung zugrunde liegenden Punktwerte waren zu niedrig. Wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt (s oben RdNr 19 - 21), ist für eine Verrechnung mit Honoraren, die für die Leistungen in anderen Quartalen gewährt wurden und über das Mindestniveau des Art 11 Abs 2 PsychThGEG hinausgingen, kein Raum. Auch Nachzahlungen, die für andere Quartale gewährt wurden und die Vergütung über das vorgeschriebene Mindestniveau hinaus anhoben, können nicht nachträglich auf die Quartale III und IV/1999 bezogen werden.

Dementsprechend sind nunmehr Neufestlegungen der Punktwerte für die psychotherapeutischen Leistungen, die in den Quartalen III und IV/1999 im Primärkassenbereich erbracht wurden, vorzunehmen. Die Bemessung muss so erfolgen, dass das Mindestniveau des Art 11 Abs 2 PsychThGEG erreicht wird. Dafür muss der Punktwert bestimmt werden, der in diesen Quartalen im Primärkassenbereich für die Vergütung der Leistungen nach Abschnitt B II EBM-Ä durchschnittlich galt. Hierfür reicht es aus, den Durchschnitt lediglich aus denjenigen Punktwerten zu errechnen, nach denen die Ärzte der verschiedenen Fachgruppen - in jeweils unterschiedlicher Höhe - ihre "übrigen Leistungen" vergütet erhielten, zu denen nach dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten auch deren Leistungen nach Abschnitt B II EBM-Ä gehörten. Entsprechend der Funktion des Art 11 Abs 2 PsychThGEG als Garantie eines Mindesthonorarniveaus ist dabei dieser Punktwert mit dem Punktzahlvolumen, das diese Arztgruppe im Bereich der B II-Leistungen erbrachte, zu multiplizieren. Diese Gesamtbeträge der Fachgruppen sind zu addieren und durch die Punkt z a h l summe, die alle nach Abschnitt B II EBM-Ä erbrachten Leistungen zusammen ergeben, zu dividieren. Den so ermittelten "gewichteten Durchschnittspunktwert" (zu vorstehender Berechnung ebenso - außer dem vorinstanzlichen Urteil des LSG Bremen-Niedersachsen - BayLSG Breithaupt 2005, 911, 913 f) darf der Punktwert für die psychotherapeutischen Leistungen höchstens um 10 % unterschreiten.

Einen Anspruch darauf, dass eine Stützung über diese 90 % hinaus erfolgt, hat die Klägerin nicht. Das lässt sich aus Art 11 Abs 2 PsychThGEG nicht ableiten.

5. Im vorliegenden Verfahren ist nicht darüber zu entscheiden, ob bzw in welchem Verhältnis zueinander die KÄV und/oder die KKn für die Nachzahlungsbeträge aufzukommen haben (vgl dazu BSG SozR 4-5500 Art 11 Nr 1 RdNr 15 ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG in der bis zum geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Fundstelle(n):
TAAAD-28029