BGH Beschluss v. - V ZB 190/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZVG § 57a; ZVG § 57c; ZVG § 57d; ZVG § 95; ZVG § 100 Abs. 1; ZVG § 186

Instanzenzug: LG Stuttgart, 19 T 275/08 vom AG Esslingen, 3 K 286/05 vom

Gründe

I.

Das Vollstreckungsgericht ordnete mit Beschluss vom die Zwangsversteigerung des eingangs bezeichneten Grundstücks an. Mit Beschluss vom setzte es den Verkehrswert des Grundstücks auf 813.000 EUR fest. In dem Termin zur Versteigerung am kam zur Sprache, wie sich die Aufhebung des § 57c ZVG auf das Kündungsrecht des Erstehers nach § 57a ZVG auswirke. Dazu erteilte der Rechtspfleger den Beteiligten einen Hinweis, zu dem das Terminsprotokoll folgendes ausweist:

"Das Gericht wies sodann auf folgendes hin:

...

- §§ 56, 57 ZVG wurden erläutert. Vor allem wurde die Problematik hinsichtlich des Baukostenzuschusses erläutert und erklärt, dass die Vorschrift des § 57c ZVG nicht mehr anwendbar sei."

In dem Termin blieb der Beteiligte zu 1 mit einem Gebot von 600.000 EUR Meistbietender.

Das Vollstreckungsgericht hat ihm in dem Versteigerungstermin den Zuschlag erteilt. Gegen den Zuschlagsbeschluss hat, soweit hier noch von Interesse, der Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde erhoben. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, deren Zurückweisung die Beteiligte zu 3 beantragt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1.

Das Beschwerdegericht meint, die Zuschlagsbeschwerde des Beteiligten zu 1 sei zwar zulässig, weil ein Bieter die Wirksamkeit seines Gebots im Verfahren über eine Zuschlagsbeschwerde zur Überprüfung stellen könne. Sie sei aber unbegründet. Dafür brauche nicht entschieden zu werden, ob ein Gebot nach § 119 BGB oder § 123 BGB angefochten werden könne. Ein Anfechtungsgrund liege jedenfalls nicht vor. Der Hinweis des Rechtspflegers im Versteigerungstermin sei zutreffend gewesen. §§ 57c und 57d ZVG seien durch Art. 11 Nr. 5 des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes vom (BGBl. I S. 3416) mit Wirkung ab dem aufgehoben worden. Eine Fortgeltung für bereits anhängige Verfahren sei nicht vorgesehen worden.

2.

Die Rechtsbeschwerde meint, hierauf komme es nicht an. Der Zuschlag habe schon deshalb nicht erteilt werden dürfen, weil dem Vollstreckungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen sei. Der Rechtspfleger habe mit dem protokollierten Hinweis die weitere Anwendbarkeit des § 57c ZVG auf Altfälle als geklärt dargestellt, obwohl sie umstritten gewesen sei. Wäre der Beteiligte zu 1 darauf hingewiesen worden, hätte er sein Gebot nicht abgegeben. Ob er sein Gebot nach § 119 BGB anfechten könne, könne deshalb offen bleiben. In der Sache liege ein Erklärungsirrtum nach § 119 BGB aber vor. Die Überleitungsvorschriften des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes seien verfassungskonform dahin auszulegen, dass die §§ 57c und 57d ZVG für Altfälle fortgelten.

3.

Dem folgt der Senat nicht. Ein Bieter kann zwar mit der Zuschlagsbeschwerde nach §§ 95, 100 Abs. 1 ZVG geltend machen, dass das von ihm im Versteigerungstermin abgegebene Gebot unwirksam gewesen sei (Senat, BGHZ 177, 62, 64). Hier liegt aber kein Verfahrensfehler des Vollstreckungsgerichts vor. Der von dem Rechtspfleger erteilte Hinweis traf zu und war auch nicht unvollständig oder irreführend.

a)

Der Hinweis des Vollstreckungsgerichts, die Vorschrift des § 57c ZVG sei nicht mehr anwendbar, entsprach der Rechtslage. Artikel 11 Nr. 5 des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes, der die Aufhebung von §§ 57c und 57d ZVG vorsieht, ist nach Artikel 28 Abs. 2 dieses Gesetzes am in Kraft getreten. Eine besondere Überleitungsvorschrift für die Aufhebung von §§ 57c und 57d ZVG ist weder im Zweiten Justizmodernisierungsgesetz selbst vorgesehen noch in das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) eingestellt worden. Die darin eingefügte Überleitungsregelung des § 186 ZVG befasst sich mit den übrigen Änderungen des Zwangsversteigerungsgesetzes, jedoch nicht mit der Aufhebung der §§ 57c und 57d ZVG. Das hat zur Folge, dass die Aufhebung mit ihrem Inkrafttreten sofort Wirkung erlangt hat und deshalb auch in laufenden Verfahren zu berücksichtigen ist (, WuM 2009, 367, 368; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engel/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 186 Rdn. 3; Stöber, ZVG, 19. Aufl., Anm. zu §§ 57c und 57d sowie § 186 Rdn. 1; ders. schon in ZVG-Handbuch, 8. Aufl., S. VII; Hintzen/Alff, Rpfleger 2007, 233, 239; a. M. Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., S. 98).

b)

Das Vollstreckungsgericht hatte auch keine Veranlassung, auf die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Klärung der Anwendung der aufgehobenen Vorschriften auf Altfälle oder auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Überleitungsregelung hinzuweisen.

aa)

Anlass, auf die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Klärung hinzuweisen, bestand nicht. Die Überleitungsvorschrift in § 186 ZVG mag nicht in jeder Hinsicht klar und eindeutig sein (vgl. Hintzen/Alff, Rpfleger 2007, 233, 239). Dass sie die aufgehobenen §§ 57c und 57d ZVG nicht erwähnt und ihre Fortgeltung für Altfälle nicht anordnet, ist ihr aber eindeutig zu entnehmen. Das bestätigt auch die Begründung, die der Regierungsentwurf des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes für die Überleitungsvorschrift gegeben hat. Sie sollte lediglich sicherstellen, dass für bereits laufende Verfahren den Zahlungspflichtigen und denjenigen, die eine Sicherheitsleistung zu erbringen haben, genügend Zeit verblieb, sich auf die Ausschließung der Barzahlung einzustellen (BT-Drs. 16/3038 S. 43). Daran, dass der Wegfall der §§ 57c und 57d ZVG unmittelbar mit dem Inkrafttreten der Aufhebungsvorschrift wirksam wurde, sollte sie nichts ändern. Darüber gab und gibt es auch keinen Streit. Hintzen/Alff und Stöber (aaO) gehen ohne Einschränkungen von dieser Rechtslage aus. Storz/Kiderlen (aaO) vertreten zwar die gegenteilige Ansicht. Das gab dem Vollstreckungsgericht jedoch keinen Anlass zu einem Hinweis. Diese Autoren haben ihre Meinung nicht näher begründet und sich auf den Beitrag von Hintzen/Alff bezogen, den sie in diesem Punkt missverstanden haben.

bb)

Das Vollstreckungsgericht musste auch nicht auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Überleitungsregelung im Sinne des Beschwerdeführers hinweisen. Sie drängte sich nicht auf und ist auch in der Sache nicht geboten, weil das Vertrauen der Mieter in den Fortbestand der §§ 57c und 57d ZVG nicht schutzwürdig ist. Die Vorschriften waren seit langem überholt und missbrauchsanfällig (Entwurfsbegründung in BT-Drs. 16/3038 S. 42). Anders als in der Nachkriegszeit und in der Situation des Wiederaufbaus, in der und für die diese Vorschriften geschaffen worden sind, hat ein Mieter heute regelmäßig keinen nachvollziehbaren Anlass, seinen Vermieter durch eine Mietvorauszahlung oder einen Baukostenzuschuss in die Lage zu versetzen, den Mietraum erst zu schaffen oder instand zu setzen, und auf die Stellung von Sicherheiten zu verzichten.

4.

Ein Erklärungsirrtum des Beschwerdeführers scheidet schon von vornherein aus. Ein Irrtum über die Möglichkeiten einer Kündigung nach § 57a ZVG wäre ebenso wie ein Irrtum über andere Versteigerungsbedingungen ein unbeachtlicher Motivirrtum (vgl. Senat, BGHZ 177, 62, 68) und ist auch nicht eingetreten, weil der Hinweis des Rechtspflegers zutraf.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (Senat , Beschl. v. , V ZB 188/05, NJW-RR 2007, 194, 198; Beschl. v. , V ZB 95/06, NJW-RR 2007, 1005). Der Gegenstandswert bestimmt sich nach dem Wert des Zuschlags; dieser wiederum entspricht dem Meistgebot des Rechtsbeschwerdeführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG).

Fundstelle(n):
JAAAD-27698

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein