Leitsatz
[1] Eine Beweiserhebung (hier: durch Zeugenvernehmung) ist nicht deshalb entbehrlich, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen durch ein Privatgutachten belegt sind, dessen Richtigkeit der Gegner bestreitet, ohne die Unzulänglichkeit des Gutachtens substantiiert darzulegen.
Gesetze: BGB § 315 Abs. 3; AVBGasV § 4 Abs. 1; AVBGasV § 4 Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 4; ZPO § 540 Abs. 1; GWB § 19 Abs. 4
Instanzenzug: LG Oldenburg, 9 S 574/06 vom AG Delmenhorst, 4 A 4063/06 IV vom
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen, die von der Beklagten einseitig vorgenommen wurden. Die in D. wohnenden Kläger bezogen als Tarifkunden Erdgas von der Beklagten, einem kommunalen Versorgungsunternehmen, das zum Zeitpunkt der streitigen Preiserhöhungen als einziges Unternehmen Privathaushalten im Stadtgebiet D. die leitungsgebundene Lieferung von Erdgas anbot.
Die Beklagte erhöhte den Arbeitspreis für Erdgas im Heizgastarif zum von 3,18 Cent/kWh auf 3,58 Cent/kWh, zum auf 4,16 Cent/kWh und zum auf 4,52 Cent/kWh (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer). Die Kläger widersprachen der Preiserhöhung.
Mit ihrer Klage haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass die von der Beklagten im dem zwischen den Parteien geschlossenen Gaslieferungsvertrag zum , und vorgenommenen Erhöhungen des Arbeitspreises Erdgas unbillig und unwirksam seien. Die Beklagte hat Klageabweisung, hilfsweise die Bestimmung des zwischen den Parteien geltenden Arbeitspreises Erdgas zum und beantragt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt, mangels Darlegung der Preiskalkulation der Beklagten könne es auch deren Hilfsantrag nicht entsprechen. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Das Feststellungsbegehren der Kläger sei zulässig, aber unbegründet. Die von der Beklagten festgesetzten Gaspreise unterlägen in - zumindest entsprechender - Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Billigkeitskontrolle, die stattfinde, wenn einer Vertragspartei ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt sei; ein solches Leistungsbestimmungsrecht ergebe sich aus § 4 AVBGasV. Die streitigen Preiserhöhungen hätten noch unter den in den fraglichen Zeiträumen liegenden Bezugskostensteigerungen gelegen und hätten sich im Preisvergleich mit anderen Gasversorgern im Bundesgebiet als durchaus marktüblich erwiesen, so dass die erfolgten Erhöhungen im Entscheidungsrahmen der Beklagten noch den Billigkeitsgrundsätzen des § 315 Abs. 3 BGB entsprochen hätten.
Im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 315 Abs. 3 BGB sei anerkannt, dass jedenfalls die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an die Tarifkunden im Grundsatz der Billigkeit entspreche. Vorliegend habe die Beklagte zu den Bezugskostensteigerungen, die den Preiserhöhungen zum , und zu Grunde lägen, dezidiert vorgetragen und ihre Bezugskostensteigerungen durch Vorlage eines entsprechenden Wirtschaftsprüfungsberichts unabhängiger Wirtschaftsprüfer nachgewiesen. Die Bescheinigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die Preisentwicklung in der Zeit vom bis vermöge durchaus darzulegen und zu beweisen, dass eine entsprechende Bezugskostensteigerung stattgefunden habe. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen habe klargestellt, auf der Basis welcher vorgelegten Verträge, insbesondere der Erdgaslieferverträge, und Buchungsbelege die Prüfung erfolgt sei. Warum diese Unterlagen nicht aussagekräftig sein sollten beziehungsweise welche weiteren Unterlagen sie für erforderlich gehalten hätten, sei von den Klägern nicht substantiiert dargelegt worden. Das pauschale Bestreiten der ermittelten Ergebnisse sei in diesem Zusammenhang daher nicht beachtlich. Es bestehe keine Verpflichtung der Beklagten, ihre gesamten betriebswirtschaftlichen Unterlagen, insbesondere die Kalkulation des Gesamtpreises, offen zu legen.
Aus den vorgelegten Preisvergleichen zum , und ergebe sich für die Beklagte, dass sie im Vergleich zwischen rund 600 Gasversorgungsunternehmen im Bundesgebiet mit dem für sie ermittelten Gaspreisindex jeweils auch im Landesdurchschnitt im Mittelfeld der Anbieter angesiedelt sei. Insoweit habe die Beklagte durch die Vorlage dieser unbestrittenen Preisvergleiche zudem nachgewiesen, dass ihr Preis als marktüblich anzusehen sei. Damit entspreche der von der Beklagten verlangte Gaspreis dem regelmäßig für vergleichbare Leistungen auf dem Markt verlangten Entgelt. Die verlangten Preiserhöhungen lägen also im Rahmen des Marktüblichen. Auch unter diesem Gesichtspunkt bewege sich die Beklagte mit den von ihr verlangten Erhöhungen im Rahmen des ihr durch § 315 BGB eingeräumten Entscheidungsspielraumes.
Auch der Umstand, dass der von der Beklagten an ihre Lieferanten zu zahlende Gaspreis an den Preis für leichtes Heizöl gekoppelt sei, lasse die streitigen Preiserhöhungen nicht als unbillig im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB erscheinen. Entspreche der einseitig bestimmte Preis - wie hier - für sich genommen der Billigkeit, so könne die nur für das Vertragsverhältnis zwischen der die Leistung bestimmenden und der dieser Bestimmung unterworfenen Partei geltende Regelung des § 315 BGB nicht herangezogen werden, um auch die auf einer vorgelagerten Stufe der Lieferkette vereinbarten Preise einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.
Schließlich seien die Preiserhöhungen nicht deshalb unbillig, weil etwa die bereits vor der Preiserhöhung geforderten Tarife der Beklagten unbillig überhöht gewesen wären. Voraussetzung für die Berücksichtigung auch des Sockeltarifs bei der Entscheidung über die Billigkeit der Preiserhöhungen sei, dass es sich auch insoweit um Tarife handele, die von der Beklagten einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen gewesen seien. Eine Überprüfung auch der bis zum geltenden Tarife komme somit nicht in Betracht, weil es sich um vereinbarte Preise gehandelt habe.
Auch eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB scheide aus. Es fehle insoweit an einer Monopolstellung der Beklagten als Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB. Zwar möge die Beklagte im Einzugsbereich von leitungsgebundener Versorgung mit Gas keinen unmittelbaren Wettbewerber gehabt haben; sie habe aber - wie alle Gasversorgungsunternehmen - auf dem Wärmemarkt in einem Substitutionswettbewerb mit Anbietern konkurrierender Heizenergieträger wie Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme gestanden.
II.
Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die von den Klägern geltend gemachte Unbilligkeit der streitigen Gaspreiserhöhungen nicht verneint werden.
1.
Zutreffend hat das Berufungsgericht die Klage für zulässig gehalten. Insbesondere haben die Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Gaspreiserhöhungen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Auf eine Leistungsklage können sie schon deshalb nicht verwiesen werden, weil das Rechtsschutzziel der hier gegebenen negativen Feststellungsklage mit einer Leistungsklage nicht erreicht werden kann (BGHZ 172, 315, Tz. 10).
2.
Zu Recht hat das Berufungsgericht die streitigen Erhöhungen der Gastarife einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterzogen. Die Vorschrift findet Anwendung, denn mit den einseitig vorgenommenen Tariferhöhungen auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV vom , BGBl. I S. 676), die auf den Streitfall noch anzuwenden ist, hat die Beklagte von einem ihr zustehenden Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB Gebrauch gemacht (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 13, 17; Senatsurteil vom - VIII ZR 138/07, NJW 2009, 502, zur Veröffentlichung in BGHZ 178, 362 vorgesehen, Tz. 26).
a)
Zutreffend hat das Berufungsgericht nur die von der Beklagten zum , und vorgenommenen Tariferhöhungen, denen die Kläger widersprochen hatten, einer Billigkeitskontrolle unterzogen. Entgegen der Auffassung der Revision erfasst die Billigkeitskontrolle im Streitfall nicht den gesamten von der Beklagten in Rechnung gestellten Gastarif einschließlich des Preissockels, der durch die Tarife gebildet wird, die vor dem gegolten haben. Eine Preiserhöhung kann zwar auch deshalb der Billigkeit widersprechen, weil die bereits zuvor geltenden Tarife des Gasversorgers unbillig überhöht waren. Das gilt jedoch nicht, wenn die Preise bis zu der streitgegenständlichen Preiserhöhung von dem Versorger nicht einseitig festgesetzt, sondern zwischen den Parteien vereinbart worden sind (BGHZ 172, 315, Tz. 28 f.; Senatsurteil vom , aaO, Tz. 15). Um solche - vereinbarte - Preise handelt es sich im Verhältnis zwischen den Parteien bei den bis zum geltenden Tarifen.
Vertraglich vereinbart haben die Parteien hier zunächst den bei Abschluss des Gasversorgungsvertrages von der Beklagten geforderten Preis, auch wenn es sich bei diesem Preis um den allgemeinen Tarif der Beklagten für die leitungsgebundene Versorgung mit Gas handelte. Soweit die Beklagte in der Folgezeit gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV einseitig Preiserhöhungen vorgenommen hat, haben die Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresrechnungen unbeanstandet hingenommen. Indem sie weiterhin Gas bezogen haben, ohne in angemessener Zeit eine Überprüfung der Billigkeit etwaiger Preiserhöhungen nach § 315 BGB zu verlangen, ist entgegen der Auffassung der Revision auch über die von der Beklagten vor dem geforderten - gegenüber dem bei Vertragsschluss geltenden allgemeinen Tarif erhöhten - Preise konkludent eine vertragliche Einigung der Parteien zustande gekommen (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 36; Senatsurteil vom , aaO, Tz. 16).
b)
Für eine Billigkeitskontrolle der von den Parteien bei Vertragsschluss oder später vereinbarten Preise in entsprechender Anwendung von § 315 BGB wegen einer Monopolstellung der Beklagten ist kein Raum. Allerdings stand den Klägern nach den Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen hat, im maßgeblichen Zeitraum ein anderer Gasanbieter nicht zur Verfügung. Die Beklagte war deshalb auf dem für die kartellrechtliche Beurteilung sachlich und räumlich relevanten Gasversorgungsmarkt marktbeherrschend (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 12; BGHZ 151, 274, 282) . Gleichwohl ist eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB nach der zu dieser Vorschrift entwickelten "Monopolrechtsprechung" (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 33 m.w.N.) nicht gerechtfertigt. Einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle von allgemeinen Tarifen (Preisen) eines Gasversorgungsunternehmens in analoger Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB steht entgegen, dass sie der Intention des Gesetzgebers zuwider liefe, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt abgelehnt hat. Auch bei der gerichtlichen Kontrolle der Billigkeit der Tariffestsetzung fände für das betroffene Gasversorgungsunternehmen eine Preisregulierung statt, wenn der Tarif nach Auffassung des Gerichts unbillig überhöht und deshalb durch Urteil zu bestimmen wäre (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom , aaO, Tz. 17 - 23).
3.
Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung von § 315 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensentscheidung versperrt hat (BGHZ 172, 315, Tz. 20; Senatsurteil vom , aaO, Tz. 28). Im Streitfall ist bereits die Feststellung der für die Ermessensausübung erheblichen Tatsachen durch das Berufungsgericht - wie die Revision mit Recht rügt (vgl. dazu Senatsurteil vom - VIII ZR 140/90, WM 1992, 32, unter II 1 b cc) - von Rechtsfehlern beeinflusst.
a)
Das Berufungsgericht hat allerdings die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die streitigen Preiserhöhungen der Billigkeit entsprechen, zutreffend der Beklagten als derjenigen auferlegt, die die Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen hat (Senatsurteil vom , aaO, Tz. 28 m.w.N.).
Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Billigkeit bei einer bloßen Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten, wie sie die Beklagte hier geltend macht, grundsätzlich zu bejahen ist (BGHZ 172, 315, Tz. 21 f.; Senatsurteil vom , aaO, Tz. 30). Die Beklagte hat dazu behauptet, die Steigerungen ihrer eigenen Bezugskosten nicht in vollem Umfang an ihre Kunden weitergegeben zu haben. Sie sei aufgrund einer langjährigen Bezugsverpflichtung an die Vorlieferantin s. AG gebunden; der an die Vorlieferantin zu zahlende Gaspreis sei an die Preisentwicklung des Ölpreises gekoppelt. Aufgrund dessen sei ihr Bezugspreis wie folgt gestiegen (jeweils bezogen auf den Bezugspreis vom ): Am um 0,06 Cent/kWh, am um 0,14 Cent/kWh, am um 0,41 Cent/kWh, am um 0,71 Cent/kWh, am um 0,79 Cent/kWh, am um 0,90 Cent/kWh und am um 1,33 Cent/kWh. Demgegenüber habe sie den Tarifpreis in diesem Zeitraum (bezogen auf den Preis vom ; ohne Berücksichtigung einer zum erfolgten Preissenkung um 0,1 Cent/kWh) nur am um 0,30 Cent/kWh, am um 0,85 Cent/kWh und am um 1,24 Cent/kWh erhöht.Zur Substantiierung ihres Vortrags hat die Beklagte eine Bestätigung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgelegt.
aa)
Damit hat die Beklagte den Anforderungen an die schlüssige Darlegung einer Bezugskostensteigerung als Grundlage einer im Sinne von § 315 BGB billigem Ermessen entsprechenden Preiserhöhung genügt. Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es nicht der Offenlegung sämtlicher Unterlagen, insbesondere der Kalkulation des Gesamtpreises. Auch auf die absolute Höhe der von dem Energieversorgungsunternehmen mit seinem Vorlieferanten vereinbarten und von ihm gezahlten Bezugspreise kommt es für das Vorliegen einer Bezugskostensteigerung in einem bestimmten Zeitraum und für die sich daran anknüpfende Beurteilung der Billigkeit einer Preiserhöhung gegenüber dem Abnehmer nach § 315 BGB nicht unmittelbar an. Ob die Preisänderungsklausel im Vorlieferantenverhältnis richtig angewandt, das heißt, die Bezugskostensteigerung danach zutreffend berechnet wurde, ist keine Rechtsfrage, für deren Beantwortung der Tatrichter die Ausgangspreise kennen und die Preisänderungsklausel selbst auslegen und anwenden müsste, sondern eine tatsächliche Frage, die er im Wege der Beweisaufnahme klären kann (vgl. Senatsurteil vom , aaO, Tz. 36).
Die Beklagte hat auch in zulässiger Weise (vgl. Senatsurteil vom , aaO, Tz. 37 f.) Beweis für die dargelegte Bezugskostensteigerungen durch die Benennung eines ihrer Mitarbeiter sowie des Wirtschaftsprüfers, der die genannte Bestätigung unterzeichnet hat, als Zeugen angetreten. Allerdings vermag die Wirtschaftsprüferbestätigung als solche, anders als das Berufungsgericht meint, die Bezugskostensteigerungen nicht zu beweisen. Die Bestätigung ist einem Privatgutachten vergleichbar, bei dem es sich um Parteivortrag, nicht um ein Beweismittel im Sinne der §§ 355 ff. ZPO handelt. Die Bezugnahme des Gerichts auf eine als Parteivortrag zu behandelnde Bestätigung zu bestrittenen Tatsachen kann nicht dessen eigene Überzeugungsbildung durch Erhebung der angebotenen Beweise (hier: Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen) ersetzen (vgl. auch BVerfGE 91, 176, 181 ff. ; BGHZ 116, 47, 58) .
bb)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die Kläger, wie die Revision mit Recht geltend macht, den Vortrag der Beklagten zu den Bezugskostensteigerungen einschließlich des Inhalts der Bestätigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in prozessual ausreichender Weise bestritten. Eine Partei darf sich über Tatsachen, die - wie hier die Entwicklung der Bezugskosten der Beklagten für die Kläger - nicht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, nach § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären. Sie ist grundsätzlich nicht verpflichtet, diese Tatsachen zu überprüfen, um sich näher zu ihnen äußern zu können. Eine so genannte sekundäre Behauptungslast, bei der die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und es deshalb dem Prozessgegner ausnahmsweise zumutbar ist, sich die benötigten Informationen zu verschaffen, kommt im Streitfall von vornherein nicht in Betracht, weil die primär darlegungsbelastete Beklagte die maßgeblichen Tatsachen aus eigener Anschauung kennt (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 127/04, [...], Tz. 14 m.w.N.). Die Kläger mussten daher nicht weiter substantiiert darlegen, warum die in der Bestätigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft benannten Unterlagen nicht aussagekräftig sein sollen und welche weiteren Unterlagen sie für erforderlich hielten. Die Klage hätte mithin nicht ohne Beweisaufnahme über die von der Beklagten behaupteten Bezugskostensteigerungen abgewiesen werden dürfen.
b)
Mit Recht beanstandet die Revision ferner die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte bewege sich mit den von ihr verlangten Erhöhungen im Rahmen des ihr durch § 315 BGB eingeräumten Ermessensspielraums, weil die Preiserhöhungen im Rahmen des Marktüblichen lägen. Dabei kann offen bleiben, ob die Billigkeitskontrolle einer einseitigen Preiserhöhung nach § 315 BGB auf der Basis eines Vergleichs mit den Gaspreisen anderer Versorgungsunternehmen erfolgen kann. Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an geeigneten Vergleichspreisen.
Ein Marktpreis auf dem regionalen Gasversorgungsmarkt, den die Beklagte bedient, scheidet als Vergleichsmaßstab von vornherein aus, weil die Beklagte in dem hier maßgeblichen Zeitraum die alleinige Anbieterin leitungsgebundener Versorgung mit Erdgas war. Auch eine Beurteilung der Billigkeit der Preiserhöhung der Beklagten unter Heranziehung des Vergleichsmarktkonzeptes im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 2 GWB kommt nicht in Betracht. Unerheblich ist insoweit, dass die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Vergleich zwischen rund 600 Gasversorgungsunternehmen im Bundesgebiet mit dem für sie ermittelten Gaspreisindex - jeweils auch im Landesdurchschnitt - im Mittelfeld der Anbieter angesiedelt ist. Denn es fehlt an Feststellungen dazu, inwiefern die in den Vergleich einbezogenen Versorgungsunternehmen mit der Beklagten und insbesondere die Räume, in denen diese ihre Leistungen anbieten, mit dem von der Beklagten versorgten Gebiet vergleichbar sind (vgl. Senatsurteil vom , aaO, Tz. 48 - 51).
c)
Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings ausgeführt, dass die nur für das Vertragsverhältnis zwischen der die Leistung bestimmenden und der dieser Bestimmung unterworfenen Partei geltende Regelung des § 315 BGB nicht herangezogen werden kann, um auch die auf einer vorgelagerten Stufe der Lieferkette vereinbarten Preise einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (BGHZ 172, 315, Tz. 27).
Das schließt indessen nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe solcher Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte. Das Recht zur Preiserhöhung nach § 4 AVBGasV kann nicht dazu dienen, dass das Energieversorgungsunternehmen zu beliebigen Preisen einkauft, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen, und im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und Preissteigerungen akzeptiert, die über das hinausgehen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist (Senatsurteil vom , aaO, Tz. 43 m.w.N.).
Dafür, dass es sich bei den von der Beklagten geltend gemachten Bezugskostensteigerungen um im vorgenannten Sinne "unnötige" Kosten handelt, ergeben sich aber keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Wenn sich die Beklagte, wie sie vorträgt, als kommunales Gasversorgungsunternehmen mit geringer Nachfragemacht der - branchenüblichen - Ölpreisbindung nicht entziehen konnte, scheidet die Möglichkeit eines Gasbezugs ohne eine solche Preisbindung als günstigere Beschaffungsalternative aus, sofern eine solche nach den Marktgegebenheiten überhaupt besteht. Ob die Ölpreisbindung in dem Vorlieferantenverhältnis korrekt umgesetzt worden ist, die Beklagte die von ihr geltende gemachte Preiserhöhung durch den Vorlieferanten nach den Bezugsverträgen also tatsächlich schuldete, wird im Rahmen der Beweisaufnahme über die von der Beklagten behauptete Bezugskostensteigerung zu klären sein (vgl. Senatsurteil vom , aaO, Tz. 44).
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es weiterer tatsächlicher Feststellungen zur Erhöhung des Bezugspreises für die Beklagte und gegebenenfalls zur Entwicklung ihrer sonstigen Kosten der Gasversorgung bedarf, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1.
Es ist offen, ob die von der Beklagten angebotene Beweisführung ausreichen wird, um die Überzeugung des Tatrichters von einer Bezugskostensteigerung in dem von der Beklagten behaupteten Umfang zu begründen (§ 286 ZPO). Sollte es im weiteren Verlauf des Rechtsstreits - beispielsweise aufgrund eines von der Beklagten angebotenen Sachverständigenbeweises - darauf ankommen, macht die Revision allerdings ohne Erfolg geltend, die Beklagte müsse im Rechtsstreit uneingeschränkt ihre gesamte Kalkulation offen legen. Das hängt vielmehr davon ab, bezüglich welcher Daten im Einzelnen ein geschütztes Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung gegenüber dem Gericht, einem Sachverständigen, den Klägern oder der Öffentlichkeit besteht und inwiefern für die Beweisführung - auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der beantragten Zeugenvernehmung - gerade solche geschützten Daten einem Sachverständigen zugänglich gemacht werden müssten. Dafür bedarf es gegebenenfalls weiteren substantiierten Sachvortrags der Beklagten, bei Offenlegung welcher konkreten Geheimnisse sie welche Nachteile zu befürchten hätte.
Unterstellt, die Beklagte müsste im Rahmen der Beweiserhebung Daten offen legen, an denen sie ein geschütztes Geheimhaltungsinteresse hat, bedürfte es sodann einer Abwägung zwischen dem Gebot effektiven Rechtsschutzes und dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die auf einen weitestgehenden Ausgleich gerichtet sein muss. Dabei ist zunächst eine Inanspruchnahme der prozessualen Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit und der - strafbewehrten (§ 353d Nr. 2 StGB) - Verpflichtung der Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung nach § 172 Nr. 2, § 173 Abs. 2, § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsurteil vom , aaO, Tz. 47 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich dem nicht entgegenhalten, die Beklagte sei nicht grundrechtsfähig, weil sie zu 100 Prozent der Stadt D. gehöre. Selbst wenn die Beklagte sich nicht auf die Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG berufen könnte (vgl. dazu BVerfG, NJW 1990, 1783 m.w.N.), bedeutete das nicht, dass ihr Interesse an der Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Sinne des § 172 Nr. 2 GVG von vornherein außer Betracht zu bleiben hätte. Denn das vorstehend dargestellte Gebot der Abwägung und des Ausgleichs zwischen dem Gebot effektiven Rechtsschutzes und dem Geheimnisschutz erfasst das rechtliche Interesse am Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unabhängig davon, ob dieses auch verfassungsrechtlich abgesichert ist (vgl. BVerwGE 90, 96, 101 zur Berücksichtigung der Belange einer Gemeinde als Grundstückseigentümerin in der abfallrechtlichen Planfeststellung).
Eine auf eine Bezugskostensteigerung gestützte Preiserhöhung kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (BGHZ 172, 315, Tz. 26; Senatsurteil vom , aaO, Tz. 39). Auf diesen Gesichtspunkt sind die Parteien bisher nicht eingegangen.
2.
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Preiserhöhungen nicht der Billigkeit entsprechen, ist der Hilfsantrag der Beklagten auf Bestimmung des zwischen den Parteien geltenden Arbeitspreises Erdgas zum und zu berücksichtigen.
Eine gegebenenfalls dem Kartellsenat des Bundesgerichtshofs vorbehaltene Stellungnahme zu der von den Klägern aufgeworfenen Frage eines etwaigen Preismissbrauchs der Beklagten (§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB) ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht veranlasst.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WM 2009 S. 1957 Nr. 41
QAAAD-27327
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja