Leitsatz
[1] Der Ausgleichsanspruch des Gesamtschuldners, der den Anspruch des Gläubigers erfüllt hat, wird grundsätzlich nicht davon berührt, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den anderen Gesamtschuldner verjährt ist (Fortführung von , BGHZ 58, 216).
Gesetze: BGB § 426 Abs. 1; BGB § 426 Abs. 2
Instanzenzug: OLG München, 9 U 5089/07 vom LG München I, 15 O 5356/07 vom
Tatbestand
Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer der Ingenieurgemeinschaft H & S (künftig: Versicherungsnehmerin). Sie macht gegen den Beklagten aus nach § 67 VVG a.F. übergegangenem Recht einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB geltend.
Die Versicherungsnehmerin war von der L. GmbH (künftig: Auftraggeberin) mit der Objektüberwachung eines Bauvorhabens in D. beauftragt. Der Beklagte erbrachte für dieses Bauvorhaben Dachdecker- und Spenglerarbeiten, die am abgenommen wurden.
Ende 1999 holte die Auftraggeberin ein Privatgutachten ein, aus dem sich die Mangelhaftigkeit der Werkleistung des Beklagten ergab. Mit Antrag vom leitete sie ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Versicherungsnehmerin ein. Diese verkündete dem Beklagten mit Schriftsatz vom den Streit. Das selbständige Beweisverfahren kam am zum Abschluss. Am erhob die Auftraggeberin gegen die Versicherungsnehmerin Klage auf Schadensersatz vor dem Landgericht D. Die Versicherungsnehmerin verkündete dem Beklagten mit Schriftsatz vom wiederum den Streit. Sie wurde durch Urteil vom verurteilt, an die Streithelfer der Auftraggeberin 61.417,20 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Von dem ausgeurteilten Betrag entfielen 14.300 EUR nebst Zinsen auf Bauausführungsmängel der vom Beklagten erbrachten Leistungen.
Die Klägerin hat den vom Landgericht D. ausgeurteilten Betrag nebst Zinsen an die Berechtigten im November 2006 bezahlt.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 19.817,84 EUR verurteilt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht erkennt der Klägerin unter Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil aus nach § 67 VVG a.F. übergegangenem Recht einen Anspruch nach § 426 Abs. 1 BGB zu. Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Beklagten bestehe ein Gesamtschuldverhältnis. Die Verantwortlichkeit des Beklagten für die streitgegenständlichen Mängel und die Höhe der Schadensersatzpositionen stünden aufgrund der Streitverkündung der Versicherungsnehmerin gegenüber dem Beklagten im Schadensersatzprozess zwischen der Auftraggeberin und der Versicherungsnehmerin fest. Im Innenverhältnis hafte der Beklagte gegenüber dem Architekten allein. Der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Gewährleistungsanspruch der Auftraggeberin gegen den Beklagten bereits bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens gegen die Versicherungsnehmerin verjährt gewesen sei. Der Ausgleichsanspruch selbst sei nicht verjährt. Dieser sei frühestens mit der im November 2006 erfolgten Zahlung an die Auftraggeberin fällig geworden.
II.
Dies hält in einem entscheidungserheblichen Punkt der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1.
Die Revision nimmt hin, dass das Berufungsgericht die Versicherungsnehmerin und den Beklagten als Gesamtschuldner ansieht und dem Beklagten im Innenverhältnis die alleinige Haftung zuweist. Auch gegen die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Höhe der Mängelbeseitigungskosten und der Zinsen erinnert die Revision nichts.
2.
Zu Recht misst das Berufungsgericht dem Umstand, dass die Gewährleistungsansprüche der Auftraggeberin gegen den Beklagten bereits im Jahr 2000 verjährt sind, für den nach § 67 VVG a.F. auf die Klägerin übergegangenen Ausgleichsanspruch der Versicherungsnehmerin keine Bedeutung zu.
a)
§ 426 Abs. 1 BGB gewährt einen selbständigen Ausgleichsanspruch zwischen mehreren Gesamtschuldnern, der auch der selbständigen Verjährung unterliegt (, BGHZ 58, 216, 218; Urteil vom - VII ZR 14/69, BauR 1971, 60, 61; Staudinger/ Noack (2005), § 426 BGB Rdn. 7 f.; a.A. Stamm, BauR 2004, 240). Die Verjährungsfrist bestimmt sich nach der allgemeinen Vorschrift über die regelmäßige Verjährung (§ 195 BGB) und ist von der Verjährung des nach § 426 Abs. 2 BGB übergeleiteten Anspruchs des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen unabhängig (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/7052, S. 195). Eine Anpassung der Verjährungsfrist dahingehend, dass der Ausgleichsanspruch mit dem übergeleiteten Anspruch des Gläubigers verjährt (so Rüssmann, JuS 1974, 292, 296), findet im Gesetz keine Grundlage (vgl. Kniffka, BauR 2005, 274, 280).
b)
Der Ausgleichsanspruch wird auch nicht in anderer Weise davon berührt, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen verjährt ist (vgl. , BGHZ 175, 221, 229; Urteil vom - VII ZR 178/70, BGHZ 58, 216, 218; RGZ 69, 422, 476).
aa)
Entgegen der Auffassung der Revision ist der Ausgleichspflichtige nicht wie hinsichtlich des nach § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruchs berechtigt, dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner alle Einreden entgegenzuhalten, die sich aus dessen Verhältnis zum Gläubiger ergeben (a.A. Stamm, BauR 2004, 240). Indem das Gesetz in § 426 Abs. 1 BGB einen selbständigen Ausgleichsanspruch schafft, gewährt es dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner eine Rechtsposition, die er allein durch die Überleitung des Gläubigeranspruchs nach § 426 Abs. 2 BGB nicht erhielte. Diese Begünstigung würde dem Anspruchberechtigten wieder genommen, wenn der Anspruch denselben Beschränkungen unterläge wie der übergeleitete Gläubigeranspruch.
bb)
Die Verjährung des gegen den Beklagten gerichteten Gläubigeranspruchs kann nicht zum Nachteil des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners wirken. Dieser ist an der Rechtsbeziehung zwischen dem Gläubiger und dem weiteren Gesamtschuldner nicht beteiligt. Die Disposition, die der Gläubiger innerhalb dieses Rechtsverhältnisses durch (bewusstes oder unbewusstes) Verjährenlassen seiner Forderung gegenüber dem einen Gesamtschuldner trifft, kann nicht das Innenverhältnis der Gesamtschuldner zum Nachteil des anderen gestalten (vgl. MünchKommBGB-Bydlinsky, 5. Aufl., § 426 Rdn. 58; , BGHZ 58, 216, 219 f.; Kniffka, BauR 2005, 274, 280).
cc)
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dem Gläubiger, dessen Forderung gegen einen Gesamtschuldner schon vor der Leistung des anderen Gesamtschuldners verjährt sei, stehe deswegen unter Umständen gegen den anderen Gesamtschuldner nur ein reduzierter Anspruch zu (, Textziffer 71, zitiert nach [...]; Staudinger/Noack (2005), § 426 Rdn. 10; Weise, BauR 1992, 685, 692; Esser/Schmidt, Schuldrecht Allgemeiner Teil, § 39 III 2 a; Keuk, JZ 1972, 528, 529). Dem Ausgleichsberechtigten könnte dann entgegengehalten werden, er habe (ganz oder teilweise) auf eine nicht bestehende Schuld geleistet und müsse insoweit den Gläubiger auf Rückzahlung in Anspruch nehmen.
Ob dies aufgrund besonderer Umstände der Fall sein kann, bedarf keiner Entscheidung. Umstände, die eine Reduzierung des Gläubigeranspruchs rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
Der Gläubiger kann nach § 421 Satz 1 BGB die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder teilweise verlangen. Die Regelung trägt seinem Interesse Rechnung, nicht dadurch beeinträchtigt zu werden, dass mehrere Beteiligte auf der Schuldnerseite stehen (Glöckner, BauR 2005, 251). Macht er von seinem Recht Gebrauch, nur gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern vorzugehen, und verjährt infolge seiner Untätigkeit gegenüber dem anderen Gesamtschuldner seine gegen diesen bestehende Forderung, kann ihm dies grundsätzlich nicht zum Nachteil gereichen. Allenfalls wenn sich das Verhalten des Gläubigers als rechtsmissbräuchlich darstellt, könnte eine Wirkung für den Anspruch gegen den anderen Gesamtschuldner bejaht werden. Allein das Verstreichenlassen der Verjährungsfrist, sei es wissentlich, aus Unkenntnis oder aus mangelnder Sorgfalt, genügt hierfür nicht. Andernfalls wäre der Gläubiger gehalten, gegen jeden Gesamtschuldner verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen, wovon ihn die Vorschriften über die Gesamtschuld, insbesondere § 425 BGB, gerade freistellen.
dd)
Es muss daher hingenommen werden, dass der Ausgleichsverpflichtete im Innenausgleich im Endergebnis zur Leistung herangezogen werden kann, obwohl er sich dem Gläubiger gegenüber auf die Verjährung des Anspruchs berufen kann. Das ist ersichtlich im Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts nicht anders gesehen worden. So hat sich der Rechtsausschuss mit der Frage beschäftigt, ob die neuen Verjährungsregeln auch beim Gesamtschuldnerausgleich zu zweckmäßigen Ergebnissen führen. Er hat darauf hingewiesen, dass die Verkürzung der Verjährung von dreißig Jahren auf drei Jahre sachgerecht ist. Änderungsvorschläge, wie sie im Vorfeld der Schuldrechtsmodernisierung im Abschlussbericht der Schuldrechtskommission aus dem Jahre 1992 erarbeitet worden sind (Abschlussbericht S. 108 f.), sind im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgenommen worden. Im Abschlussbericht war eine Regelung vorgeschlagen worden, wonach der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB wie der Anspruch des Gläubigers gegen den ausgleichsverpflichteten Gesamtschuldner verjährt. Es sollten jedoch Ausnahmetatbestände gelten, die es dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner für kurze Zeit erlauben, den ausgleichspflichtigen Gesamtschuldner auch dann noch in Anspruch zu nehmen, wenn der Anspruch des Gläubigers gegen den ausgleichspflichtigen Gesamtschuldner verjährt ist (§ 426a-KE).
3.
Keinen Bestand hat das Berufungsurteil, soweit das Berufungsgericht meint, der Ausgleichsanspruch sei nicht verjährt.
a)
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist für den Beginn der Verjährung des Ausgleichsanspruchs dessen Entstehung in Form der Mitwirkung und Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber der L. GmbH und nicht erst die Zahlung der Klägerin an die Berechtigten maßgeblich.
aa)
Nach gefestigter Rechtsprechung entsteht der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB bereits in dem Augenblick, in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, also mit der Begründung der Gesamtschuld (vgl. , BGHZ 11, 170, 174; Urteil vom - IX ZR 286/90, BGHZ 114, 117, 122; Urteil vom - VII ZR 73/93, BauR 1994, 621 = ZfBR 1994, 209; Urteil vom - II ZR 136/06, BauR 2008, 381 = NZBau 2008, 121). Er besteht zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und wandelt sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um.
bb)
Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (Urteil vom - VII ZR 167/08, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), folgt hieraus, dass der Ausgleichsanspruch unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Auch soweit er auf Zahlung gerichtet ist, ist er mit der Begründung der Gesamtschuld im Sinne des § 199 BGB entstanden.
b)
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die für die Beurteilung der Hemmung der Verjährung erforderlichen Feststellungen fehlen.
Festgestellt sind zwar die Daten der Schriftsätze, mit denen dem Beklagten der Streit verkündet worden ist. Es fehlen jedoch die Daten der für die Hemmung maßgeblichen Zustellungszeitpunkte. Das hat die Revision ausdrücklich gerügt. Diese Daten ergeben sich zwar aus den Akten des selbständigen Beweisverfahrens und aus den Akten des Vorprozesses. Diese konnten jedoch nicht zum Gegenstand der Revisionsverhandlung gemacht werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 62 Nr. 1
WM 2009 S. 1854 Nr. 39
ZIP 2009 S. 2299 Nr. 48
CAAAD-27323
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja