Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZRBG § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b
Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 8 R 187/07 vom SG Düsseldorf, S 53 (27, 51) R 321/05 vom
Gründe
I
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung von im Ghetto Starachowice (Polen) von April 1941 bis Oktober 1942 zurückgelegten Ghetto-Beitragszeiten.
Die 1928 in Starachowice geborene Klägerin ist Jüdin und wurde aus diesem Grunde Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Sie ist als Verfolgte nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und erhielt eine Entschädigung für ihren in der Zeit von Dezember 1939 bis April 1945 erlittenen Freiheitsschaden. Seit Juni 1949 lebt sie in Israel; sie besitzt die dortige Staatsangehörigkeit. Nach einem vom israelischen National Insurance Institute bestätigten Versicherungsverlauf verfügt sie über insgesamt 94 Versicherungsmonate in der israelischen Rentenversicherung.
Im Oktober 2002 stellte die Klägerin einen Antrag auf Altersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom (BGBl I 2074). Sie gab an, während ihres Aufenthalts im Ghetto Starachowice durch eigene Bemühungen von 1940 bis Ende Oktober 1942 in der Munitionsfabrik der Hermann-Göring-Werke MG-2-Abteilung gearbeitet und hierfür als Entgelt Lebensmittelcoupons und Zloty erhalten zu haben. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einsichtnahme in die beim Amt für Wiedergutmachung in Saarburg geführten Entschädigungsakten der Klägerin mit Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom mit der Begründung ab, es habe sich bei der Arbeitsverrichtung im Ghetto Starachowice um eine für die damalige Zeit nationalsozialistischer Verfolgung typische Form der Zwangsarbeit gehandelt; auch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Lohn erhalten habe.
Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide am verurteilt, der Klägerin ab dem Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten für den Zeitraum von November 1940 bis zum nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren (Urteil vom ).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten nach Einholung und Auswertung eines zeitgeschichtlichen Gutachtens des Historikers Dr. Z. mit Urteil vom mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor neu gefasst werde. Aufgrund des im Berufungsverfahren zeitlich eingeschränkten Klageantrags hat es die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids zu einer Gewährung von Altersrente unter Berücksichtigung einer Ghettobeitragszeit erst vom bis zum verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Jedenfalls ab April 1941 könne in Starachowice von einem Ghetto im Sinne des ZRBG ausgegangen werden. Glaubhaft sei, dass sich die Klägerin in der streitbefangenen Zeit im Ghetto Starachowice aufgehalten habe und in den außerhalb des Ghettos gelegenen Hermann-Göring-Werken in der MG-2-Abteilung beschäftigt gewesen sei. Abgesehen davon, dass auch eine Beschäftigung beim Judenrat einen Anspruch nach dem ZRBG begründen könne, habe der örtliche Judenrat in Starachowice nach Auswertung des Gutachtens von Dr. Z. bei der Organisation der Arbeit nur eine Vermittlerrolle inne gehabt, so dass das Beschäftigungsverhältnis der jüdischen Arbeiter zu den Hermann-Göring-Werken bestanden habe. Dass die Klägerin selbst in einem solchen Verhältnis gestanden habe, sei durch ihre eigene Aussage sowie durch die Bekundungen glaubwürdiger Zeuginnen im BEG-Verfahren glaubhaft. Auch das damals jugendliche Alter der Klägerin von zwölf Jahren spreche nicht gegen ihre Beschäftigung. Diese sei ferner nach allen zum ZRBG vertretenen höchstrichterlichen Auffassungen aus eigenem Willensentschluss verrichtet worden.
Der Sachverständige Dr. Z. habe überzeugend dargestellt, dass der Judenrat und die Ghettobewohner in Starachowice-Wierzbnik die Deutschen um Arbeitsgelegenheiten hätten bitten müssen und ständig auf ihre Ausweitung gedrängt hätten. Auch die Tatsache, dass alle im BEG-Verfahren zum Schicksal der Klägerin gehörten Zeuginnen deutlich zwischen der Zeit des Ghettos und des Zwangsarbeitslagers von Starachowice unterschieden hätten, spreche dafür, dass es im Charakter der Beschäftigung tatsächlich einen Bruch gegeben haben müsse. Allein die Verwendung des Begriffs der Zwangsarbeit im BEG-Verfahren stehe der Annahme eines eigenen Willensentschlusses ebenso wenig entgegen wie die Bewachung auf dem Weg vom Ghetto zu den Werken und zurück sowie die Sicherung des Werks durch einen Werkschutz aus Ukrainern. Überdies sei das Entgelt regelmäßig (monatlich) gezahlt worden. Die Beweisaufnahme ergebe ein klares Bild über die in bar bzw in Natur für die Beschäftigung im Ghetto als Entgelt gewährte Gegenleistung. Insbesondere habe die Klägerin im ZRBG-Grundfragebogen ausdrücklich den Erhalt von "Lebensmittelcoupons und Zloty" angegeben. Dass es möglicherweise gelegentlich zu teilweiser Abzweigung von Lohnbestandteilen an den Judenrat gekommen sei, stehe der Entgeltlichkeit der Beschäftigung nicht entgegen. Hinsichtlich der Höhe des Entgelts sei maßgebend, dass eine Entgeltlichkeit nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) und dem ZRBG jedenfalls bis zu einer Untergrenze von einem Sechstel des Ortslohns gegeben sei. Unterhalb dieser Grenze sei im Einzelfall und ohne starre Regeln zu prüfen, ob die Geringfügigkeit des Entgelts ein Indiz für Zwangsarbeit darstelle. Unter Anrechnung ihrer israelischen Versicherungszeiten nach dem Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen (Abk Israel SozSich, BGBl 1975 II 246) habe die Klägerin die erforderliche Wartezeit von 60 Monaten erfüllt.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b ZRBG - gegen Entgelt). Es sei nicht festgestellt worden, dass die Klägerin ein ausreichendes Entgelt im Sinne des ZRBG erhalten habe. Sie habe keine Entlohnung erhalten, die nach Maßgabe der §§ 1226, 1227 RVO aF zur Versicherungspflicht geführt hätte. Das LSG habe festgestellt, dass der Judenrat die Löhne zentral in Empfang genommen habe und die Auszahlung des Barlohns nicht immer gewährleistet gewesen sei, weil der Judenrat nicht selten einen Teil davon in Lebensmittel für die Allgemeinheit investiert habe. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung liege aber nur dann vor, wenn die Entlohnung dem Beschäftigten selbst zugeflossen sei. Eine Zahlung an den Judenrat könne auch nicht als Zahlung an Erfüllungs statt gewertet werden. Das LSG habe offen gelassen, ob und für welche Zeiträume der an die Klägerin ausgezahlte Geldbetrag das Ortslohnsechstel erreicht habe. Zu niedrige Zahlungen überschritten die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Ferner sei die Lebensmittelversorgung der Klägerin nicht über die Grenze des nicht versicherungspflichtigen freien Unterhalts im Sinne des § 1227 RVO aF hinausgegangen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend; hilfsweise stellt sie Anträge zur Beweiserhebung.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Regelaltersrente (§ 35 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ab . Zu diesem Zeitpunkt hatte sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit (als Voraussetzung für eine Rente aufgrund von Ghetto-Beitragszeiten: Senatsurteil vom , SozR 4-5075 § 1 Nr 4 LS 1, RdNr 25 ff; Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts [BSG] vom - B 5 R 70/06 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) erfüllt (§ 35 SGB VI).
Gemäß §§ 50 Abs 1 Nr 1, 51 Abs 1 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten und nach § 51 Abs 4 SGB VI solche mit Ersatzzeiten angerechnet. Nach § 55 Abs 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Beiträge gezahlt worden sind oder aber als gezahlt gelten. Zwar hat die Klägerin keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung geleistet. Jedoch gelten für die Zeit von April 1941 bis Oktober 1942 nach § 2 Abs 1 des - als Art 1 des "Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch" vom (ZRBG/SGB VI-ÄndG) verkündeten - ZRBG Beiträge als gezahlt. Zusammen mit den in der israelischen Nationalversicherung zurückgelegten Beitragszeiten wird damit die Wartezeit erfüllt (hierzu unter 5).
Zu Recht hat das LSG eine Ghetto-Beitragszeit der Klägerin im zugesprochenen Umfang festgestellt. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die die Revision nicht angegriffen hat, sind für den Zeitraum von April 1941 bis Oktober 1942 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 ZRBG erfüllt. Nach dieser Vorschrift gilt das ZRBG
"für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben [hierzu unter 1], wenn
1. die Beschäftigung
a) aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist [2],
b) gegen Entgelt ausgeübt wurde [3] und
2. das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war [1],
soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird [1]".
Das ZRBG ist auch nicht verfassungswidrig [4]. Auf seiner Grundlage ergibt sich für die Klägerin der Anspruch auf eine nach Israel zu zahlende Rente [5].
1. Die Klägerin ist Verfolgte iS des BEG. Sie hat sich, wie vom LSG festgestellt, im Zeitraum von April 1941 bis Oktober 1942 zwangsweise im Ghetto Starachowice aufgehalten, das damals im deutsch besetzten Gebiet (Generalgouvernement) lag.
Es liegt ferner eine "Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto" iS des § 1 Abs 1 Satz 1 ZRBG vor. Der Senat liest diese Formulierung so, dass jegliche Beschäftigung innerhalb und außerhalb des räumlichen Bereichs eines Ghettos darunter fällt, die von Verfolgten ausgeübt wurde, während sie sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben (vgl Senatsurteil vom - B 13 R 81/08 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Schließlich werden die geltend gemachten Ghetto-Beitragszeiten auch nicht in der israelischen Nationalversicherung oder in einem anderen System der sozialen Sicherheit rentensteigernd berücksichtigt (§ 1 Abs 1 Satz 1 letzter Halbsatz ZRBG).
2. Die Klägerin hat im fraglichen Zeitraum auch eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung ausgeübt (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a ZRBG). Dies ergibt sich aus den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (ausführlich Senatsurteil vom - B 13 R 81/08 R) ist die aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a ZRBG von einer Zwangsarbeit iS des Gesetzes über die Errichtung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) vom (BGBl I 1263) abzugrenzen (ebenso BSG 4. Senat vom , BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3, RdNr 100 f).
Zwangsarbeit ist die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichem) Zwang, wie zB bei Strafgefangenen und Kriegsgefangenen. Typisch ist dabei zB die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeitern an bestimmte Unternehmen, ohne dass die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben. Eine verrichtete Arbeit entfernt sich um so mehr von dem Typus des Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses und nähert sich dem Typus der Zwangsarbeit an, je weiter sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann (Senatsurteil vom , SozR 3-5070 § 14 Nr 2 S 8 f mwN; so auch Senatsurteil vom - B 13 R 81/08 R).
Eine aus eigenem Willensentschluss aufgenommene Beschäftigung liegt hingegen vor, wenn der Ghetto-Bewohner hinsichtlich des Zustandekommens oder der Durchführung der Arbeit noch eine Dispositionsbefugnis zumindest dergestalt hatte, dass er die Annahme oder Ausführung der Arbeit auch ohne Gefahr für Leib, Leben oder seine Restfreiheit ablehnen konnte (Senatsurteil vom - B 13 R 81/08 R, mwN).
Auch die Annahme einer vom Judenrat angebotenen Arbeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal der "aus eigenem Willensentschluss" zustande gekommenen Beschäftigung (Senatsurteil vom - B 13 R 81/08 R -, vgl auch schon Urteil des 5. Senats des - in Juris nicht dokumentiert). Sofern dem Urteil des Senats vom (BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1, RdNr 26) strengere Anforderungen zu entnehmen sind, hält er hieran nicht fest.
b) Die tatsächlichen Feststellungen des LSG tragen seine Schlussfolgerung, die streitige Beschäftigung der Klägerin in der Munitionsfabrik der Hermann-Göring-Werke sei aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen. Das LSG hat sich insoweit auf die eigenen Angaben der Klägerin gestützt, wonach sie ua durch eigene Bemühungen in den Hermann-Göring-Werken gearbeitet habe. Ferner hat das LSG festgestellt, dass der Judenrat in Starachowice nach dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. Z. bei der Arbeitsorganisation eine Vermittlerrolle eingenommen hat. Auch ist seitens des Judenrats und der Ghettobewohner auf die Schaffung weiterer Arbeitsgelegenheiten gedrängt worden.
c) Darüber hinaus steht das Alter der Klägerin im streitigen Zeitraum von zwölf bis vierzehn Jahren der Annahme einer aus eigenem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 ZRBG nicht entgegen. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom (SozR 3-5070 § 14 Nr 2 S 4 f) deutlich gemacht, dass im Zuge der Ghetto-Rechtsprechung keine Lebensalters-Untergrenze von vierzehn Jahren, wie nach der BSG-Rechtsprechung zu Ersatzzeiten, zugrunde zu legen ist. Ein Mindestalter war überdies seit dem Gesetz über Änderung des Versicherungsgesetzes für Angestellte und der Reichsversicherungsordnung vom (RGBl I 849) auch nicht mehr in der RVO (§ 1226 RVO [aF]) geregelt, weil wegen des Schutzcharakters der Rentenversicherungspflicht auch verbotswidrige Kinderarbeit zur Versicherungspflicht führen sollte (vgl Hanow/Lehmann, RVO/Invalidenversicherung, Berlin 1925, § 1226 Anm 2 V, 9).
3. Die Klägerin hat die Beschäftigung auch "gegen Entgelt" ausgeübt (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b ZRBG).
Das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin für ihre Tätigkeit regelmäßig (monatlich) Bargeld sowie Lebensmittelcoupons erhielt. Eine Entlohnung in dieser Form reicht als Entgelt im obigen Sinne aus.
Denn "Entgelt" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b ZRBG ist jede Entlohnung, nicht nur in Geld, sondern auch in Form von Nahrungsmitteln oder entsprechenden Gutscheinen (Coupons). Weitergehende Erfordernisse (zB Einhaltung einer Mindesthöhe; Miternährung einer anderen Person) müssen nicht erfüllt werden. Unerheblich ist,
- ob das Entgelt nur "geringfügig" war oder zum Umfang der geleisteten Arbeit in keinem angemessenen Verhältnis stand,
- ob als Entgelt nur Sachbezüge in Form freien Unterhalts (oder eines Teils davon) gewährt wurden,
- ob das Entgelt unmittelbar von der Beschäftigungsstelle ("Arbeitgeber") oder von einer anderen Instanz (zB dem Judenrat) gewährt wurde.
Nur auf dieser Grundlage können Sinn und Zweck des ZRBG erfüllt werden. Das Gesetz soll Verfolgten für deren Beschäftigung während ihres Zwangsaufenthalts in einem vom Deutschen Reich zu verantwortenden Ghetto eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung ermöglichen. Es knüpft an die sog Ghetto-Rechtsprechung des BSG an, erweitert jedoch in mehrfacher Hinsicht deren Reichweite (Senatsurteil vom - B 13 R 81/08 R, mwN). Nach wie vor bleibt jedoch erheblich, ob die Ghetto-Beschäftigung "gegen" Entgelt ausgeübt wurde, also ob ein Austauschverhältnis bestand. Hiervon ist auszugehen. Denn das LSG hat - unangegriffen - festgestellt, dass die Klägerin für ihre Arbeit in Form von Bargeld und Lebensmittelcoupons vergütet wurde.
Die Lösung des Senats trägt auch dem Anliegen Rechnung, in Anbetracht des vorgerückten Alters der Berechtigten über ihre Leistungsansprüche möglichst bald und ohne langwierige Ermittlungen entscheiden zu können (hierzu bereits Senatsurteil vom , BSGE 99, 35 = SozR 4-5075 § 1 Nr 4, RdNr 20 mwN).
Sein Auslegungsergebnis enthebt den Senat ferner der verfassungsrechtlichen Prüfung, ob eine unterschiedliche Behandlung der für Ghettobeschäftigungen vorstellbaren Arten von "Entgelt" (zB Barlohn, um Essensgeld gekürzter Barlohn, lediglich Nahrungsmittel am Arbeitsplatz) oder auch seiner Höhe dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes [GG]) widerspricht (Senatsurteil vom - B 13 R 81/08 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, mwN).
4. Überdies hat der Senat - anders als der 4. Senat des (BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 § 1 Nr 3 RdNr 118) keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung der ZRBG-Leistungen (Senatsurteil vom - B 13 R 81/08 R, mwN).
5. Auf der geschilderten Grundlage ist der Klägerin eine auf Ghetto-Beitragszeiten beruhende Regelaltersrente zu zahlen.
Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (60 Monaten) erfüllt sie mit 19 Monaten (April 1941 bis Oktober 1942) an Ghetto-Beitragszeiten nicht. Ungeachtet der noch von der Beklagten festzustellenden Ersatzzeiten erfüllt sie die Wartezeit jedoch zusammen mit ihren in Israel erworbenen Versicherungszeiten von 94 Monaten. Beide Zeiten sind gemäß Art 20 Abs 1 Abk Israel SozSich für die Wartezeit zusammen zu berücksichtigen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
XAAAD-27274