Sanierungskosten als Gegenleistung bei vertraglich übernommener Verpflichtung zur Bodensanierung
Leitsatz
Ist Gegenstand des Erwerbs ein mit Altlasten kontaminiertes Grundstück und verpflichtet sich der Erwerber im Grundstückskaufvertrag zu dessen Sanierung, gehören die entstandenen Kosten nicht zur Gegenleistung, wenn bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags noch keine Sanierungsverfügung an den Veräußerer ergangen war.
Gesetze: GrEStG § 8 Abs. 1GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: GrE (EFG 2007, 283) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom von der Bundesrepublik Deutschland (Verkäuferin) ein in der Stadt H (Stadt) gelegenes, vormals militärisch genutztes und mit Altlasten kontaminiertes Grundstück. Der Kaufpreis betrug 2 150 000 DM (1 099 277,50 €). Bei der Einigung auf diesen Kaufpreis wurden die Bodenverunreinigungen, „die der vorgesehenen Nutzung zur Wohnbebauung entgegenstanden”, preismindernd berücksichtigt. Eine Beteiligung der Verkäuferin an den Sanierungskosten wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Sie übernahm insbesondere im Hinblick auf die Bodenverunreinigungen keine Gewähr für eine bestimmte Beschaffenheit des Baugrundes. Das Grundstück sollte in dem gegenwärtigen, den Vertragsparteien bekannten Zustand verkauft werden.
Dem Grundstückskaufvertrag war ein Schriftverkehr zwischen der Stadt und der Verkäuferin über die Vornahme von Sanierungsmaßnahmen auf dem Grundstück vorausgegangen. Die in den Schreiben der Stadt in den Jahren 1995 und 1996 geforderten vorläufigen Sofortmaßnahmen (Umzäunung des Grundstücks, Abdecken des Bodens mit Folie) und Untersuchungsmaßnahmen (Entnahme von Bodenproben, Einrichtung von Grundwassermessstellen) führte die Verkäuferin durch. Für den Fall einer künftigen Wohnnutzung des Grundstücks kündigte die Stadt im Schreiben vom die Notwendigkeit weitergehender Sanierungsmaßnahmen an; eine entsprechende Sanierungsverfügung erließ sie jedoch nicht.
Die Klägerin verpflichtete sich „zum Ausschluss jeglichen Haftungsrisikos nach § 24 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG)” in dem Grundstückskaufvertrag ferner, der Verkäuferin die ordnungsgemäße Sanierung durch Gutachten und andere Unterlagen nachzuweisen. Sie war zudem verpflichtet, „erforderliche Sanierungs- oder Sicherungsmaßnahmen zur Beseitigung…ordnungsrechtlich relevanter Gefahren unverzüglich durchzuführen” und die Verkäuferin von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen frei zu stellen, soweit vor Eigentumsumschreibung eine entsprechende Ordnungsverfügung ergehen sollte. Die Klägerin beauftragte in der Folgezeit einen Unternehmer mit der Grundstückssanierung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte gegen die Klägerin zuletzt mit Bescheid vom Grunderwerbsteuer in Höhe von 194 745 DM (99 571,54 €) fest und bezog neben dem Kaufpreis die der Klägerin entstandenen Kosten der Bodensanierung in Höhe von 3 414 162 DM in die Bemessungsgrundlage ein. Der Einspruch, mit dem sich die Klägerin gegen diese Erweiterung der Bemessungsgrundlage wandte, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Aufwendungen für die Altlastensanierung seien in die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung einzubeziehen, weil im Hinblick auf die geplante Wohnbebauung als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das „sanierte Grundstück” anzusehen sei. Die Sanierungskosten seien als „sonstige Leistung” zu berücksichtigen, weil die Klägerin „eine hinreichend konkretisierte Verpflichtung des Veräußerers zur Altlastensanierung durch ausdrückliche vertragliche Vereinbarung” übernommen habe. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 283 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer unter Änderung des Bescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom auf 38 474,71 € herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Steuer (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Soweit das FG bei seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, dass als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das sanierte Grundstück anzusehen sei, vermag der erkennende Senat dem FG nicht zu folgen.
Ausgangspunkt für die Bestimmung des Gegenstands des Erwerbsvorgangs ist deshalb zunächst immer das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die kaufvertraglich begründete Übereignungsverpflichtung (Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 9 Rz 161; Pahlke in Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2005, § 9 Rz 4).
Entgegen der Auffassung des FG war im Streitfall die Verkäuferin des Grundstücks zivilrechtlich nicht verpflichtet, der Klägerin das Grundstück in einem noch herzustellenden (boden-) sanierten Zustand zu übereignen. Die Vertragsparteien haben ausdrücklich vereinbart, dass das Grundstück im gegenwärtigen und damit im unsanierten Zustand auf die Klägerin übergehen, die Verkäuferin wegen der Bodenverunreinigungen keine Gewährleistung übernehmen und sich nicht an dem Sanierungsaufwand beteiligen sollte. Dass vor der geplanten Errichtung von Wohnungen eine umfangreiche Bodensanierung notwendig war, war den Vertragsparteien bekannt und hatte sich in einer Minderung des Kaufpreises niedergeschlagen.
b) Nach den vom FG getroffenen und den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den von der Klägerin zum Zwecke der Bodensanierung mit Dritten abgeschlossenen Verträgen eine rechtliche Bestandsverknüpfung kraft Parteiwillens oder ein so enger sachlicher Zusammenhang bestanden hat, dass die Klägerin im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BFH zum „einheitlichen Leistungsgegenstand” bei objektiver Betrachtung ein (künftig) saniertes Grundstück erhalten hat (vgl. , BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331; vom II R 39/05, BFH/NV 1998, 213; vom II R 34/98, BFH/NV 2000, 1240, unter II. 1. c, und vom II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446, sowie , BFH/NV 2006, 123).
2. Auch soweit das FG in der Sanierung des Grundstücks durch die Klägerin eine „sonstige”, neben dem vereinbarten Kaufpreis zu erbringende „Leistung” i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an die Grundstücksveräußerin gesehen hat, kann der Senat dem FG nicht folgen. Denn allein aus dem Umstand, dass sich die Klägerin im Grundstückskaufvertrag vertraglich verpflichtet hat, die Bodensanierung auf eigene Kosten durchzuführen, den Nachweis ordnungsgemäßer Sanierung und Entsorgung zu erbringen, ordnungsrechtlich relevante Gefahren unverzüglich zu beseitigen und die Verkäuferin von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen frei zu stellen, soweit vor Eigentumsumschreibung eine entsprechende Ordnungsverfügung ergehen sollte, ergibt sich entgegen der Auffassung des FG noch nicht, dass es sich bei der Bodensanierung um eine mit der Übereignungsverpflichtung verknüpfte Leistung der Klägerin an die Verkäuferin handelt.
a) Die nach Abschluss des Grundstückskaufvertrages von der Klägerin durchgeführte Bodensanierung kommt nämlich ihr selbst als neuer Eigentümerin zu Gute. Dies gilt gerade auch für diejenigen boden- und altlastenbezogenen Sanierungspflichten, die sie im Zusammenhang mit einer von ihr angestrebten (neuen) Grundstücksnutzung (Wohnbebauung) treffen und deren genauer Umfang unter anderem durch diese künftige Nutzung bedingt ist (vgl. auch § 4 Abs. 4 des Bundes-Bodenschutzgesetzes). Als solche handelt es sich nicht um eine fremdnützige, der Verkäuferin zu Gute kommende, sondern um eine eigennützige Leistung der Klägerin, die keine Gegenleistung darstellt (, BFHE 213, 246, BStBl II 2006, 720).
b) Auch mit der Übernahme der Verpflichtung, ordnungsrechtlich relevante Gefahren unverzüglich zu beseitigen, hat die Klägerin keine zusätzliche Leistung an die Verkäuferin erbracht. Denn mit einer vertraglichen Verpflichtung zur Bodensanierung übernimmt der Erwerber —nicht anders als bei einer Verpflichtung zur Übernahme künftiger Erschließungskosten— grundsätzlich nur eine ihn ohnehin treffende (latente) öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Die von dem Erwerber ggf. noch durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen können daher nicht ohne weiteres dem Veräußerer zugerechnet werden.
c) Schließlich hat die Klägerin —entgegen der Auffassung des FG— mit der Sanierung des Grundstücks auch keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Verkäuferin übernommen und deshalb auch insoweit keine „sonstige Leistung” an diese erbracht.
Grundsätzlich kann eine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks auch darin liegen, dass der Erwerber vertraglich eine bereits durch Sanierungsverfügung konkretisierte Verpflichtung des Grundstücksverkäufers übernimmt. Unter „sonstige Leistungen” fallen nämlich alle Verpflichtungen des Käufers, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind (, BFH/NV 2002, 1612, m.w.N.). Dazu gehört auch die Übernahme von Verpflichtungen des Veräußerers durch den Erwerber (, BFHE 210, 372, BStBl II 2005, 613). Voraussetzung ist allerdings, dass die Verpflichtung bereits in der Person des Veräußerers entstanden ist (zur Verpflichtung des Erwerbers zur Übernahme bereits entstandener Erschließungskosten vgl. , BFHE 93, 183, BStBl II 1968, 690, m.w.N.; vom II R 16/68, BFHE 94, 160, BStBl II 1969, 90; vom II R 56/74, BFHE 128, 92, BStBl II 1979, 577).
Bei Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast entsteht eine öffentlich-rechtliche Sanierungsverpflichtung erst und ausschließlich dann, wenn sich die materielle, aus dem einschlägigen Bodenschutzrecht ergebende Sanierungsverantwortlichkeit durch Erlass einer formellen Sanierungsverfügung einzelfallbezogen konkretisiert hat. Demgegenüber ist das in den Verwaltungserlassen (z.B. Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom S 4521-26-V A 2, Deutsches Steuerrecht 1993, 1223) herangezogene Merkmal einer „hinreichend konkretisierten Verpflichtung” —soweit Umstände neben dem Erlass eines Verwaltungsakts berücksichtigt werden sollen— zu unbestimmt, um genügend trennscharf die vertraglich übernommenen Sanierungsverpflichtungen, die als Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu berücksichtigen sind, von solchen abzugrenzen, die die Bemessungsgrundlage unberührt lassen.
An einer formellen Sanierungsverfügung, die sich gegen die Verkäuferin des Grundstücks richtete, fehlt es im Streitfall, sodass die Klägerin auch keine öffentlich-rechtlichen Pflichten der Verkäuferin übernommen und damit keine „sonstige Leistung” an diese erbracht hat.
3. Die Sache ist spruchreif. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das FA in die Bemessungsgrundlage auch die Sanierungskosten einbezogen hat. Der angefochtene Bescheid ist gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von 2 150 000 DM (1 099 277,50 €) auf 38 474,71 € festgesetzt wird.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 854
BFH/NV 2009 S. 1707 Nr. 10
BFH/PR 2009 S. 441 Nr. 11
BStBl II 2009 S. 854 Nr. 21
DStRE 2009 S. 1073 Nr. 17
DStZ 2009 S. 707 Nr. 19
EStB 2009 S. 346 Nr. 10
HFR 2009 S. 1218 Nr. 12
KÖSDI 2009 S. 16640 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2009 S. 2717
StB 2009 S. 343 Nr. 10
StBW 2009 S. 7 Nr. 18
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2009 S. 928
WPg 2009 S. 987 Nr. 19
MAAAD-26994