BGH Urteil v. - VIII ZR 231/08

Leitsatz

[1] Auf eine Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters findet die Kündigungsbeschränkung des § 577a BGB keine Anwendung, wenn nach der Kündigung Wohnungseigentum der Gesellschafter begründet wird. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft das Wohnanwesen zu dem Zweck erworben hat, die vorhandenen Wohnungen in Wohnungseigentum der Gesellschafter umzuwandeln.

Gesetze: BGB § 566; BGB § 573 Abs. 2; BGB § 577a

Instanzenzug: LG München I, 14 S 20441/07 vom AG München, 472 C 7757/07 vom

Tatbestand

Die Beklagte ist seit 1983 Mieterin einer Wohnung im 3. Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses in M. . Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehend aus acht Gesellschaftern, erwarb das gesamte Anwesen; sie wurde am 18. Januar/ im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.

Zweck der Gesellschaft war die Eigennutzung der vermieteten Wohnungen in dem Anwesen durch die Gesellschafter. Jedem Gesellschafter war entsprechend seinem Gesellschaftsanteil das alleinige Sondernutzungsrecht für bestimmte Wohnungen zugewiesen.

Mit Schreiben vom kündigte die Klägerin wegen Eigenbedarfs des Gesellschafters K. das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung zum . Die Beklagte widersprach der Kündigung und zog nicht aus.

Nach dem Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist das gesamte Anwesen, wie von Anfang an geplant, mittlerweile in Eigentumswohnungen aufgeteilt und sind aufgrund der Auflassung vom die Gesellschafter K. und Dr. R. als Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung im Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungsbegehren weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht (LG München I, WuM 2008, 731) hat im Wesentlichen ausgeführt:

Das Mietverhältnis sei durch die Eigenbedarfskündigung vom nicht beendet. Die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil es der Klägerin im konkreten Fall verwehrt sei, die Kündigung auf einen Eigenbedarf für den Gesellschafter K. zu stützen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass eine BGB-Gesellschaft für einen Gesellschafter wegen Eigenbedarfs kündigen könne. Eine wirksame Kündigung wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters setze jedoch voraus, dass dieser bereits bei Abschluss des Mietvertrages Gesellschafter gewesen sei, um den Mieter vor dem unkalkulierbaren Risiko von Eigenbedarfskündigungen durch einen nicht überschaubaren Personenkreis zu bewahren.

Dieser Schutzgedanke aus § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei auch bei Eintritt einer BGB-Gesellschaft in das Mietverhältnis aufgrund § 566 BGB zu berücksichtigen. Auch § 566 BGB sei eine Schutznorm zugunsten des Mieters, die diesen davor bewahren solle, dass er durch den Verkauf des Anwesens Nachteile grundsätzlicher Art habe, mit denen er nicht habe rechnen müssen. Zwar müsse ein Mieter damit rechnen, dass an die Stelle seines bisherigen Vermieters beispielsweise eine Erbengemeinschaft trete. In der Regel sei aber eine dadurch eintretende Vergrößerung des Vermieterkreises überschaubar. Insbesondere sei damit nicht zugleich zu befürchten, dass diese Rechtsnachfolger nach Eintritt in das Mietverhältnis sofort zum Mittel der Eigenbedarfskündigung griffen. Demgegenüber habe der Eintritt einer BGB-Gesellschaft mit einer Vielzahl von Gesellschaftern, die - wie hier - ein Mehrfamilienhaus objektiv mit der vorrangigen Absicht erworben hätten, die einzelnen Wohnungen selbst zu nutzen, eine ganz andere und für den Mieter "bedrohliche Qualität".

Das Berufungsgericht verkenne nicht, dass nach dieser Auffassung die Kündigung wegen Eigenbedarfs für einen Gesellschafter sehr erschwert werde. Mit Schwierigkeiten müsse die Gesellschaft angesichts der gewählten Rechtskonstruktion jedoch rechnen. Außerdem sei es ihr unbenommen, nach entsprechender Umwandlung der Wohnungen in Eigentumswohnungen für die bisherigen Gesellschafter unmittelbar die Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung zu eröffnen. Dass damit dann die Sperrfrist des § 577a BGB eingreife, sei vom Gesetzgeber so gewollt. Offenbleiben könne, ob die Kündigung auch wegen der Verletzung der Sperrfrist des § 577a BGB unwirksam sei.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nicht verneint werden. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachvortrag der Klägerin ist ihre Kündigung vom wegen Eigenbedarfs des Gesellschafters K. wirksam (§ 546 i.V.m. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

1.

Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass nach dem Senatsurteil vom (VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845, Tz. 10 ff.) eine BGB-Gesellschaft als Vermieterin einem Mieter grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen darf. Das gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch dann, wenn die BGB-Gesellschaft durch Veräußerung gemäß § 566 Abs. 1 BGB in den Mietvertrag eingetreten ist. § 566 BGB schützt den Mieter, indem der Erwerber anstelle des alten Vermieters in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt. Die Vorschrift des § 566 BGB schützt den Mieter aber nicht davor, dass eine Personenmehrheit als Erwerberin in den Mietvertrag eintritt, unabhängig davon, ob es sich um eine Eigentümergemeinschaft, eine Erbengemeinschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt.

Deshalb kommt es auch nicht auf die Zahl der Gesellschafter an. Ebenso wenig wie in dem Fall, dass die BGB-Gesellschaft selbst den Mietvertrag abgeschlossen hat, gibt es einen Grund, Vermieter, die sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen haben, schlechter zu stellen als eine einfache Mehrheit von Vermietern, bei denen die Berechtigung der nach § 566 Abs. 1 BGB in den Mietvertrag eingetretenen Gemeinschaft, sich auf einen Eigenbedarf an der Wohnung zu berufen, ebenfalls nicht von der Zahl der Vermieter abhängt. Gegen eine Differenzierung aufgrund einer mehr oder weniger überschaubaren Zahl von Gesellschaftern sprechen zudem Gründe der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit (Senatsurteil vom , aaO, Tz. 16).

Ob auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung durch eine BGB-Gesellschaft, die gemäß § 566 BGB erst später in den Mietvertrag eingetreten ist, an der Auffassung festzuhalten ist, dass eine Eigenbedarfskündigung durch eine bürgerlichrechtliche Gesellschaft, die den Mietvertrag abgeschlossen hat, nur wegen des Wohnbedarfs von Gesellschaftern - oder von deren Familienangehörigen oder Haushaltsangehörigen - in Betracht kommt, die bereits bei Abschluss des Mietvertrages Gesellschafter waren (Senatsurteil vom , aaO, Tz. 17), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

2.

Zu Recht weist die Revision auch darauf hin, dass die Eigenbedarfskündigung vom hier weder gemäß § 577a BGB direkt noch gemäß § 577a BGB analog in Verbindung mit der Verordnung der Bayerischen Staatsregierung über die Gebiete mit gefährdeter Wohnungsversorgung (Wohnungsgebieteverordnung - WoGeV) vom (BayGVBl. S. 368) mangels Einhaltung einer Wartefrist von zehn Jahren unwirksam ist, was das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - offen gelassen hat. Nach den genannten Vorschriften kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vor Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung an ihn berufen, falls an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden ist.

a)

Eine unmittelbare Anwendung von § 577a BGB scheidet aus, weil im Zeitpunkt der Kündigung durch die Klägerin eine Umwandlung in Wohnungseigentum noch nicht erfolgt war. Die Klägerin selbst hat nicht Wohnungseigentum, sondern das bebaute Grundstück als solches erworben. Die Aufteilung des Anwesens in Wohnungseigentum und die Eintragung des Gesellschafters K. als Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung im Grundbuch sind auch nach dem Vortrag der Beklagten erst nach Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist am durchgeführt worden. § 577a BGB setzt für den Ausschluss einer Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB voraus, dass nach der Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet und danach dieses Wohnungseigentum veräußert worden ist (Senatsurteil vom - VIII ZR 26/03, NJW 2003, 3265, unter II 1).

b)

Für eine analoge Anwendung von § 577a BGB fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Beklagte hält eine Analogie zu § 577a BGB für geboten, weil dem Gesamtgeschehen ein auf die Umgehung der Schutzvorschrift des § 577a BGB ausgerichtetes modellhaftes Vorgehen eines Bauträgers zugrunde liege. Dieser habe Interessenten für eine Wohnung (nicht für einen Gesellschaftsanteil) geworben, mit den Interessenten eine BGB-Gesellschaft gegründet, in der bestimmte Wohnungen einzelnen Gesellschaftern schuldrechtlich zugewiesen würden mit dem Hinweis darauf, dass eine Aufteilung in Wohnungseigentum erfolgen werde, das Objekt durch die BGB-Gesellschaft erworben, sodann die Kündigung wegen Eigenbedarfs des Gesellschafters in Bezug auf die ihm schuldrechtlich zugewiesene Wohnung ausgesprochen und das Objekt saniert, um nach Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung und Aufteilung des Anwesens nach dem Wohnungseigentumsgesetz die BGB-Gesellschaft im Wege der Veräußerung des Wohnungseigentums von der BGB-Gesellschaft an den einzelnen Interessenten auseinanderzusetzen. Dabei handelt es sich um eine Gestaltung, die vom Schutzzweck des § 577a BGB nicht erfasst wird.

aa)

Die Bestimmung hat den Zweck, dem durch die Umwandlung in Wohnungseigentum gefährdeten Bestandsschutzinteresse des Mieters Rechnung zu tragen (Senat, BGHZ 126, 357, 365) . Mit der Kündigungssperrfrist für Eigenbedarfskündigungen wollte der Gesetzgeber den Mieter besonders davor schützen, dass umgewandelte Eigentumswohnungen häufig zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs erworben werden, der durch die Kündigungsschutzbestimmungen erstrebte Bestandsschutz für den Mieter dadurch also besonders gefährdet ist. Gerade die erhöhte Gefahr einer Eigenbedarfskündigung nach Umwandlung des vermieteten Wohnraums in eine Eigentumswohnung und Veräußerung an einen neuen Eigentümer stellt nach der Auffassung des Gesetzgebers auch die Rechtfertigung für die mit der (verlängerten) Kündigungssperrfrist verbundene Beschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentümerbefugnisse (Art. 14 GG) sowohl des Veräußerers als auch des Erwerbers dar (Senatsurteil vom - VIII ZR 127/08, NJW 2009, 1808, Tz. 14). Auf den Schutz vor einer unabhängig von der Umwandlung bestehenden Eigenbedarfslage ist die Vorschrift nach ihrem Normzweck nicht zugeschnitten (BGHZ, aaO, 365). So greift die Wartefristregelung aus § 577a BGB für eine Eigenbedarfskündigung nicht schon bei der Begründung von Wohnungseigentum durch den bisherigen Eigentümer ein, sondern erst nach Veräußerung der Eigentumswohnung an deren Erwerber.

bb)

Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 126, 357 ) darf sich deshalb der Eigentümer einer Wohnung als Vermieter grundsätzlich auf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (Eigenbedarf) ohne Rücksicht auf die Wartefrist berufen, wenn er erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter das Hausgrundstück als Miteigentümer in einer Bruchteilsgemeinschaft mit Dritten erworben hat und die Erwerber das Miteigentum gemäß § 3 WEG in der Weise beschränkt haben, dass jedem Miteigentümer Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung eingeräumt wird. Dem ist die hier zu entscheidende Fallgestaltung vergleichbar.

Eine Veräußerung im Sinne von § 577a BGB setzt einen tatsächlichen Wechsel in der Person des Wohnungseigentümers voraus (Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 577a Rdnr. 8). Daran fehlt es, wenn die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft diese in der Weise auseinandersetzen, dass das Eigentum der BGB-Gesellschaft unter den Gesellschaftern aufgeteilt wird. Zwar ist ein Grundstück, als dessen Eigentümer mehrere natürliche Personen mit dem Zusatz "als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" eingetragen sind, nicht (gesamthänderisch gebundenes) Eigentum dieser natürlichen Personen, sondern Eigentum der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (, NJW 2006, 3716, Tz. 11). Dennoch findet mit der Übertragung des Wohnungseigentums auf einen einzelnen Gesellschafter kein Wechsel in der Rechtsträgerschaft statt, der geeignet ist, neuen, bis zu diesem Zeitpunkt für den Mieter nicht zu befürchtenden Eigenbedarf zu schaffen. Die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung durch die Klägerin zugunsten ihres Gesellschafters K. wie auch der übrigen Gesellschafter bestand, wie dargelegt, schon vor der Begründung von Wohnungseigentum. Es fehlt deshalb an dem nach dem Schutzzweck von § 577a BGB vorausgesetzten erhöhten Risiko einer Eigenbedarfskündigung, das gerade durch die Begründung und Veräußerung von Wohnungseigentum geschaffen worden ist.

cc)

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung liegt auch keine unzulässige Umgehung von § 577a BGB durch die Klägerin vor. Wie ausgeführt, hat der Gesetzgeber mit § 577a BGB nur für eine ganz bestimmte Fallkonstellation - nach Umwandlung des vermieteten Wohnraums in eine Eigentumswohnung und Veräußerung der Wohnung an einen neuen Eigentümer -eine Eigenbedarfskündigung verboten beziehungsweise erschwert. Diese Fallgestaltung ist hier nicht gegeben. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung nicht verhindern, dass eine Mehrheit von Personen, sei es in Form einer Miteigentümergemeinschaft, sei es in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ein größeres Anwesen zum Zwecke der Eigennutzung erwirbt, auch wenn dadurch eine vergleichbare Gefährdung des Bestandsschutzinteresses der Mieter eintreten mag, wie sie im Falle der Bildung und Veräußerung von Wohnungseigentum besteht. Daran, dass diese Fallgestaltung von § 577a BGB nicht erfasst wird, ändert sich nichts dadurch, dass die Erwerber die Absicht haben, früher oder später Wohnungseigentum zu bilden.

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig -keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob Eigenbedarf für den Gesellschafter K. besteht. Der Rechtsstreit ist daher an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2009 S. 1761 Nr. 34
DStR 2009 S. 2210 Nr. 43
NJW 2009 S. 2738 Nr. 37
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2009 S. 2393
ZIP 2009 S. 1671 Nr. 35
WAAAD-26917

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja