Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 765a; ZPO § 885 Abs. 2; ZPO § 885 Abs. 3; BGB § 280 Abs. 1; BGB § 562 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1
Instanzenzug: LG Berlin, 81 T 309/05 vom AG Berlin-Wedding, 34 M 8029/05 vom
Gründe
I.
Die Schuldner waren durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wedding vom verurteilt, die Wohnung K. straße Berlin, zu räumen und geräumt herauszugeben.
Die Gläubiger erteilten dem Gerichtsvollzieher zunächst einen Auftrag zur Herausgabe- und Räumungsvollstreckung. Der Gerichtsvollzieher forderte für die Räumung dieser und einer weiteren Wohnung (Parallelverfahren I ZB 80/05) einen Kostenvorschuss in Höhe von 4.000 EUR an. Darauf beschränkten die Gläubiger den Vollstreckungsauftrag zur Vermeidung von Kosten auf die Herausgabe der Wohnungen und machten von ihrem Vermieterpfandrecht an sämtlichen in den Wohnungen befindlichen Sachen Gebrauch. Sie sahen einen Kostenvorschuss in Höhe von 500 EUR je Wohnung als ausreichend an. Der Gerichtsvollzieher weigerte sich, den beschränkten Vollstreckungsauftrag durchzuführen, weil er von dem Vorhandensein von unpfändbaren Sachen der Schuldner in den Wohnungen ausging.
Die gegen diese Weigerung eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen hat sich die zugelassene Rechtsbeschwerde gerichtet.
Zwischenzeitlich haben die Gläubiger den Besitz an der Mietsache durch einen gesonderten Vollstreckungsauftrag zurückerlangt und das Rechtsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Schuldner haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde war zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet. Erledigendes Ereignis ist die Räumung der Wohnung durch gesonderten Vollstreckungsauftrag und die Besitzerlangung durch die Gläubiger.
1.
Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass eine isolierte Herausgabevollstreckung gesetzlich nicht geregelt und damit nicht rechtmäßig sei. Sie liefe dem Herausgabeanspruch des Schuldners nach § 885 Abs. 3 Satz 2 ZPO zuwider. In § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO sei vorgesehen, dass der Gerichtsvollzieher die Fortschaffung der dort genannten Sachen zu veranlassen und unpfändbare Sachen ohne weiteres an die Schuldner auf deren Verlangen herauszugeben habe. Der Gerichtsvollzieher habe zu prüfen, auf welche Sachen sich das Vermieterpfandrecht erstrecke. Diese Sachen habe er in der Wohnung zu belassen, während er die unpfändbaren Sachen einzulagern und gegebenenfalls an die Schuldner herauszugeben habe. Dieser Herausgabeanspruch der Schuldner werde vereitelt, wenn der Gerichtsvollzieher sämtliche Sachen in der Wohnung belassen müsse. Nach der Lebenserfahrung befänden sich in fast jeder Wohnung Sachen, die wegen Unpfändbarkeit von dem Vermieterpfandrecht nicht betroffen seien. Deshalb habe der Gerichtsvollzieher zu Recht die durch die Räumung mit Hilfe eines Transportunternehmens entstehenden Kosten bei der Bestimmung der Höhe des Vorschusses berücksichtigt.
2.
Der von dem Gerichtsvollzieher verlangte, 500 EUR übersteigende Kostenvorschuss ist nicht gerechtfertigt, weil er die Kosten für die Räumung der Wohnung einschließlich Kosten für das Wegschaffen der beweglichen Sachen der Schuldner umfasst, obwohl die Gläubiger die Zwangsvollstreckung zulässigerweise auf eine Herausgabe der Wohnungen beschränkt haben.
Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass die Gläubiger die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf die Herausgabe der Wohnung beschränken können, wenn sie an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend machen (, NJW 2006, 848; Beschl. v. - I ZB 135/05, NJW 2006, 3273; zustimmend Kellner, Grundeigentum 2006, 95, 96; Körner, ZMR 2006, 201 ; ablehnend Flatow, NJW 2006, 1396; dies., NJW 2006, 3274; Seip, DGVZ 2006, 24).
Das Vermieterpfandrecht hat - worauf der Senat zur Begründung seiner Entscheidung hingewiesen hat - Vorrang gegenüber der in § 885 Abs. 2 und 3 Satz 1 ZPO bestimmten Entfernung der beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind. Der Gerichtsvollzieher hat nicht zu prüfen, ob die bei Durchführung der Herausgabevollstreckung in der Wohnung befindlichen Gegenstände vom Vermieterpfandrecht erfasst werden. Er ist als Vollstreckungsorgan grundsätzlich nicht für die Klärung materiellrechtlicher Ansprüche der Parteien im Rahmen der Zwangsvollstreckung zuständig. Dies gilt auch für die Frage, ob die in Rede stehenden Gegenstände wegen Unpfändbarkeit nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieterpfandrecht unterliegen oder nicht. Auch hierüber haben bei Streit der Parteien die Gerichte und nicht die Vollstreckungsorgane zu entscheiden (BGH NJW 2006, 848 Tz. 14; NJW 2006, 3273 Tz. 11 ff.).
Wird ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht, werden die schutzwürdigen Belange des Vollstreckungsschuldner nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf die Herausgabe begrenzten Zwangsvollstreckung abzusehen ist (dazu im Einzelnen BGH NJW 2006, 848 Tz. 15 f.; NJW 2006, 3273 Tz. 12 ff. m.w.N.). Der Schuldner ist zunächst dadurch geschützt, dass er die unpfändbaren, dem Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht unterliegenden Gegenstände vor Durchführung der Herausgabevollstreckung aus der noch in seinem Besitz befindlichen Wohnung entfernen kann. Auch steht dem Schuldner der Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zur Verfügung. Im Anschluss an die Herausgabevollstreckung hat der Gläubiger dem Schuldner auf Verlangen die dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegenden Gegenstände herauszugeben. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, ist er nach Maßgabe der § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
Dies gilt grundsätzlich auch, wenn sich ein Schuldner - wie der Schuldner zu 2 - zur Zeit der Herausgabevollstreckung in Strafhaft befindet. Er muss die unpfändbaren Gegenstände nicht persönlich aus der Wohnung entfernen, sondern kann damit auch einen Dritten beauftragen. Der Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO kann auch von einem in Strafhaft befindlichen Schuldner geltend gemacht werden, ebenso ein ihm nach einer Herausgabevollstreckung möglicherweise zustehender Herausgabeanspruch, der sich auf dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegende, im Besitz der Gläubiger befindliche Gegenstände bezieht. Besondere Umstände, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
3.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist in der Hauptsache erledigt. Die Gläubiger haben den Besitz an der Mietsache im Wege der Herausgabevollstreckung aufgrund eines weiteren Vollstreckungsauftrags zurückerlangt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO (vgl. , NJW-RR 1989, 125; Beschl. v. - IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979, 2980 f.). Soweit dem Beschluss vom (I ZB 53/06, MDR 2008, 832 Tz. 19) entnommen werden kann, dass im Erinnerungsverfahren nach § 766 Abs. 2 ZPO generell keine Kostenentscheidung zu Lasten des Schuldners in Betracht kommt, hält der Senat daran nicht fest.
Fundstelle(n):
MAAAD-26514
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein