BSG Urteil v. - B 8 SO 8/08 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB XII § 36

Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 9 SO 18/06 vom SG Detmold, S 6 SO 146/05 vom

Gründe

I

Im Streit ist (noch) ein höherer Regelsatz der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom bis zum .

Die am geborene Klägerin lebt in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem 1969 geborenen Sohn, dem Beigeladenen zu 1. Dieser erhält seit Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) unter Berücksichtigung einer Regelleistung in Höhe von 345 Euro. Auch die Klägerin bezog bis einschließlich Mai 2005 Alg II mit einer Regelleistung in Höhe von 345 Euro. Auf Antrag der Klägerin hat der Beklagte zunächst für die Zeit vom bis zum als Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII (in Höhe von insgesamt 410,51 Euro) neben den Unterkunftskosten einen Regelsatz entsprechend 80 vH des Regelsatzes einer alleinstehenden Person in Höhe von 276 Euro bewilligt (Bescheid vom ). Der Beklagte erließ in der Folgezeit weitere Bescheide, mit denen er ua berücksichtigte, dass die Klägerin ab eine Rente wegen Alters in Höhe von 136,43 Euro, für August 2005 - unter Berücksichtigung eines Rentennachzahlungsbetrags - in Höhe von 139,63 Euro und ab September 2005 in Höhe von 138,03 Euro bezog:

- Bescheid vom mit Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für Juli 2005 in Höhe von 274,08 Euro,

- Bescheid vom mit Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für August 2005 in Höhe von 270,88 Euro,

- Bescheid vom mit Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für September 2005 bis März 2006 in Höhe von 272,48 Euro,

- Widerspruchsbescheid vom "betreffend ...Widerspruch vom gegen den Bescheid vom ",

- Bescheid vom mit Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für April und Mai 2006 in Höhe von 272,48 Euro,

- Widerspruchsbescheid vom "betreffend...Widersprüche gegen die Bescheide vom 22.06. und ".

Alle Bescheide enthielten neben den Unterkunftskosten den Regelsatz in Höhe von 276 Euro.

Während das Sozialgericht (SG) Detmold die Klage abgewiesen hat (Urteil vom ), hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG geändert und den Beklagten "unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , der Bescheide vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom und des Bescheides vom verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab bis zum Leistungen der Grundsicherung im Alter unter Zugrundelegung eines Regelsatzes von 345,00 Euro zu gewähren" (Urteil vom ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand sei nur die Höhe des Regelsatzes, weil die Klägerin ihr Begehren hierauf beschränkt habe und es sich bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 29 SGB XII) einerseits und dem Regelsatz andererseits (§ 28 SGB XII) um abtrennbare Verwaltungsakte handele. Anstelle des nur anteiligen Regelsatzes in Höhe von 80 vH habe die Klägerin in dem streitigen Zeitraum einen Anspruch auf den vollen Regelsatz in Höhe von 345 Euro. Entgegen der Annahme des SG lebten die Klägerin und der Beigeladene zu 1 nicht in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft nach § 36 Satz 1 SGB XII, weil angesichts des Einkommens des Beigeladenen gerade nicht vermutet werden könne, dass die Klägerin von ihm Leistungen zum Lebensunterhalt erhalte. Vielmehr bilde der Beigeladene zu 1 eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II. Die Höhe des an die Klägerin zu zahlenden Regelsatzes richte sich daher gemäß § 28 Abs 1 und 2 SGB XII iVm § 3 Abs 1 und 2 Regelsatzverordnung (RSV) allein danach, ob sie als Haushaltsvorstand oder als sonstige Haushaltsangehörige anzusehen sei. Sie habe danach Anspruch auf einen monatlichen Regelsatz in Höhe von 345 Euro, weil sie als Haushaltsvorstand die Generalunkosten des Haushalts trage.

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es sei nicht mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) vereinbar, dass eine Mutter und ihr Sohn, der das 25. Lebensjahr vollendet habe, insgesamt 200 % des Eckregelsatzes beanspruchen könnten, während Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II, nach dem SGB XII leistungsberechtigte Personen und Angehörige einer "gemischten Bedarfsgemeinschaft" insgesamt nur 180 % des Eckregelsatzes bzw der vollen Regelleistung erhielten. Auch eine Mutter und ihr in Haushaltsgemeinschaft lebendes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, erhielten insgesamt nur 180 % des Eckregelsatzes. Weiter rügt der Beklagte eine Verletzung des § 36 SGB XII. Der Ansicht des LSG, auf Grund des Einkommens des Beigeladenen zu 1 könne nicht vermutet werden, dass die Klägerin von ihm Leistungen zum Lebensunterhalt erlange und beide deshalb nicht in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft lebten, könne nicht gefolgt werden. Da die Klägerin und der Beigeladene zu 1 gemeinsam in einer Wohnung lebten, werde vermutet, dass sie "aus einem Topf wirtschafteten" und eine Haushaltsgemeinschaft bildeten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Für die Zeit vom 1. bis hat sie die Klage zurückgenommen.

Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben keine Anträge gestellt.

Die Beigeladene zu 2 ist der Auffassung, dass es sich bei den von dem Revisionskläger in Bezug genommenen Vergleichsgruppen nicht um wesentlich gleiche Sachverhalte handele. Auch bestehe bei einer gemeinsamen Wohnsitznahme von erwachsenen Kindern mit ihren Eltern nicht ohne weiteres eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft.

II

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das LSG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin in dem (noch streitigen) Zeitraum vom bis höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zustehen, weil sie Anspruch auf einen Regelsatz für den Haushaltsvorstand und für Alleinstehende in Höhe von 100 vH (Eckregelsatz) anstelle des Regelsatzes für Haushaltsangehörige in Höhe von nur 80 vH des Eckregelsatzes hat.

Zu Recht ist die Klage gegen den Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld gerichtet. Die Stadt Bielefeld ist als kreisfreie Stadt zuständiger örtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl §§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen [NRW] vom - Gesetz und Verordnungsblatt [GVBl] NRW 816 - iVm § 2 der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW vom - GVBl NRW 817). Der Beklagte ist als Behörde der Stadt Bielefeld beteiligtenfähig (§ 70 Nr 3 SGG iVm § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Land NRW vom - GVBl 412 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom - GVBl 646 - iVm § 62 Abs 1 und § 63 Abs 1 Satz 1 Gemeindeordnung für das Land NRW idF der Bekanntmachung vom - GVBl 666).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid vom , mit dem der Beklagte Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den 12 Kalendermonate umfassenden Zeitraum vom bis bewilligt hat. Neben diesem Bescheid sind auch die weiteren Bescheide vom , und (Folgebescheide) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom und vom (§ 95 SGG) gemäß § 86 bzw § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Gegen diese Bescheide wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG).

Allerdings beschränkt sich die Überprüfung im Revisionsverfahren auf die Höhe des Regelsatzes, weil nur dieser Gegenstand des angefochtenen LSG-Urteils ist. Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren so ausgelegt (§ 123 SGG), dass die Klägerin eine gerichtliche Entscheidung nur über die Höhe des Regelsatzes begehrt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Abtrennbarkeit von rechtlich eigenständigen Leistungen und Verfügungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende und des Sozialhilferechts (vgl BSGE 97, 217 ff RdNr 19 = BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1; B 8/9b SO 10/06 R - RdNr 13 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) stand einer derartigen Auslegung nicht die fehlende rechtliche Abtrennbarkeit des Regelsatzes entgegen (vgl zum Erfordernis abgrenzbarer Streitgegenstände auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 96 RdNr 11a). § 28 SGB XII unterscheidet ausdrücklich zwischen dem Regelsatz, den Leistungen für Unterkunft und Heizung und den Sonderbedarfen nach den §§ 30 bis 34 SGB XII (vgl Urteil des Senats vom - B 8/9b SO 10/06 R - RdNr 14). Die Bewilligungsbescheide enthielten auch entsprechende gesonderte Verfügungssätze (vgl zu dieser Voraussetzung BSG aaO). Zwar ist dem Inhalt des Sitzungsprotokolls vom nicht zu entnehmen, ob das LSG mit der unvertretenen Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Konsequenzen der Beschränkung des Klagegegenstandes (etwa im Hinblick auf die Frage der Anrechnung des Renteneinkommens) erörtert hat (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 8). Da die Klägerin sich jedoch nicht mit dem ihr möglichen Rechtsmittel der Revision gegen die Auslegung ihres Klagebegehrens durch das LSG gewandt hat, ist dies für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung.

Nach Rücknahme der Klage für die Zeit vom 1. bis ist in der Sache nur noch die Höhe des Regelsatzes in dem Zeitraum vom bis Gegenstand des Verfahrens. Es kann daher offen bleiben, ob einem Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in dem Zeitraum vom 1. bis entgegenstand, dass die Klägerin bis zur Vollendung ihres 65. Lebensjahres wegen § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II iVm § 21 SGB XII dem Grunde nach weiterhin leistungsberechtigt nach dem SGB II war (so Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII - Sozialhilfe mit AsylbLG, 4. Aufl 2009, § 21 SGB XII RdNr 1; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 21 SGB XII RdNr 5; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 21 RdNr 18, Stand Dezember 2007; aA Niewald in Lehr- und Praxiskommentar [LPK-SGB XII], 8. Aufl 2008, § 21 RdNr 3; aA wohl auch Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 21 SGB XII RdNr 9; vgl aber zum Vorrang der Leistungen der Grundsicherung gegenüber dem Sozialgeld § 5 Abs 2 Satz 2 SGB II und § 28 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II) und welche Bedeutung der Regelung des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII (Beginn des Bewilligungszeitraums bei Erstbewilligungen mit dem Monatsersten) in diesem Zusammenhang zukommt (vgl hierzu Bieback in Gagel, SGB II/SGB III, § 5 SGB II RdNr 76, Stand Januar 2008).

Der Beklagte konnte dem Grunde nach auf höhere Leistungen verurteilt werden (§ 130 Abs 1 SGG), weil sich - unbesehen der Frage, in welcher Weise das Renteneinkommen der Klägerin auf den Regelsatz und die Kosten der Unterkunft rechnerisch zu verteilen ist - wegen der geringen Höhe des Renteneinkommens nach den gegebenen Umständen in jedem Fall höhere Regelsatzleistungen ergeben. Der Tenor des LSG-Urteils war unter Berücksichtigung des SG-Urteils im Sinne eines entsprechenden Klagebegehrens auszulegen.

Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 19 Abs 2 SGB XII iVm § 41 Abs 1 und 2 SGB XII (idF, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom - BGBl I 3022 - erhalten haben) haben ua Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen gemäß §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen können. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass die Klägerin hilfebedürftig ist, da sie nur über Renteneinkommen in nicht bedarfsdeckender Höhe verfügt und tatsächliche Leistungen des Beigeladenen nicht erbracht werden (vgl zur hier nicht anwendbaren "widerlegbaren Unterstützungsvermutung" des § 43 Abs 1 Halbsatz 2 SGB XII). Auch die weiteren Leistungsvoraussetzungen liegen vor, weil die Klägerin im Zeitpunkt des Leistungsbeginns das 65. Lebensjahr vollendet (§ 41 Abs 1 Nr 1 SGB XII) sowie einen Antrag gestellt hat (§ 41 Abs 1 SGB XII) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) für die Aufhebung des Ausgangsbescheids vom durch die Folgebescheide liegen vor.

Der Klägerin stehen höhere Regelsatzleistungen schon deshalb zu, weil sie nach § 42 Satz 1 Nr 1 SGB XII (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB erhalten hat) sowie § 28 SGB XII (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom - BGBl I 3305 f - erhalten hat) iVm der auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 40 SGB XII (idF des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom - BGBl I 818) zur näheren Bestimmung der Regelsätze erlassenen RSV idF vom (BGBl I 1067) und der Verordnung über die Regelsätze der Sozialhilfe vom (GVBl NRW 612) Anspruch auf den Eckregelsatz in Höhe von 345 Euro hat. Dies ergibt sich aus einer - gegenüber der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - einschränkenden Auslegung der mit der typisierenden Annahme einer Haushaltsersparnis verbundenen Begriffe des "Haushaltsvorstands" und "Haushaltsangehörigen" in der RSV. Der Senat lässt insofern dahinstehen, ob der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl hierzu BSGE 99, 131 ff RdNr 16 = BSG SozR 4-3500 § 28 Nr 1) für die Auslegung der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bis zum in vollem Umfang zu folgen ist und die Klägerin - wie vom LSG angenommen - bereits nach den bisher entwickelten Kriterien als Haushaltsvorstand anzusehen war. Jedenfalls können seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB (aaO) und des SGB II durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BGBl I 2954) mit Wirkung zum nach Maßgabe des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem SGB II und dem SGB XII Einsparungen bei gemeinsamen Haushalt nur angenommen werden, wenn die zusammenlebenden Personen eine Bedarfsgemeinschaft iS des SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft iS des § 19 Abs 1 SGB XII bilden.

§ 28 Abs 1 SGB XII regelt, dass der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 SGB XII nach Regelsätzen erbracht wird. Nach § 3 Abs 1 der auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung des § 40 SGB XII erlassenen RSV idF vom (BGBl I 1067) sind Regelsätze für den Haushaltsvorstand und für sonstige Haushaltsangehörige festzusetzen (Satz 1). Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand beträgt 100 vH des Eckregelsatzes (Satz 2). Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand gilt auch für Alleinstehende (Satz 3). Die Regelsätze für sonstige Haushaltsangehörige betragen nach § 3 Abs 2 RSV bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 vH (Nr 1) und ab Vollendung des 14. Lebensjahres 80 vH des Eckregelsatzes (Nr 2).

Nach der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum BSHG (vgl im Einzelnen BSGE 99, 131 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 28 Nr 1 mwN) ist Haushaltsvorstand iS des § 3 Abs 1 RSV - neben einem Alleinstehenden - derjenige, der die "Generalunkosten", dh die "zur allgemeinen Haushaltsführung" gehörenden Aufwendungen, trägt (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom - V B 152.65 -, FEVS 14, 241, 242). Dabei war die Annahme einer Eigenschaft als Haushaltsvorstand oder als Haushaltsangehöriger iS des § 3 Abs 2 RSV und die damit verbundene Zuordnung zu unterschiedlich hohen Regelsätzen nicht auf bestimmte Konstellationen des Zusammenlebens von Personen, etwa in Anlehnung an die Einsatzgemeinschaft von Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern nach § 11 Abs 1 Satz 2 BSHG oder die Haushaltsgemeinschaft zwischen Verwandten oder Verschwägerten nach § 16 BSHG, beschränkt worden (vgl insofern BVerwGE 15, 306 ff zur eheähnlichen Lebensgemeinschaft; Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom - 12 S 1588/04 -, FEVS 56, 190 ff: Zusammenleben von früheren Eheleuten; Bayerischer 12 ZB 99.3780 -, BayVBl 2001, 473, 474: Behindertenwohngemeinschaft; OVG Lüneburg, Urteil vom - 4 L 3002/94 -, FEVS 47, 407 ff: eheähnliche Gemeinschaft). Entsprechend diesen Grundsätzen sind das LSG und der Beklagte in seiner Revisionsbegründung davon ausgegangen, dass für die Annahme einer Eigenschaft der Klägerin als Haushaltsvorstand oder Haushaltsangehörige das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft iS des § 36 SGB XII erforderlich und ausreichend ist.

Der bisherigen Rechtsprechung kann nach der Neuordnung der Leistungen zur Sicherstellung des Existenzminimums durch SGB II und SGB XII jedoch nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden. Ausgangspunkt für die Bestimmung der Regelsatzhöhe und die Möglichkeit, diese zu modifizieren, bildet die Regelung des § 40 SGB XII, nach der das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Vorschriften über Inhalt, Bemessung und Aufbau der Regelsätze nach § 28 SGB XII sowie ihre Fortschreibung erlässt. Nach den gesetzlichen Vorgaben für die Regelsatzbemessung sind die Regelsätze so zu bemessen, dass der Bedarf nach § 28 Abs 1 SGB XII unter Berücksichtigung des Standes und der Entwicklung des Nettoeinkommens, des Verbraucherverhaltens und der Lebenshaltungskosten dadurch gedeckt werden kann. Weder in den Regelungen des SGB XII noch in denjenigen der Regelsatzverordnung finden sich inhaltliche Vorgaben dazu, in welchem Umfang, bei welchen Bedarfen und in welchen Konstellationen des Zusammenlebens der Gesetzgeber des SGB XII von einem geringeren Bedarf wegen der Ersparnisse einer gemeinsamen Haushaltsführung ausgeht. In Anlehnung an die bisherigen Bestimmungen zur Regelsatzbemessung nach dem BSHG (vgl BT-Drucks 15/1514 S 59, 62; BR-Drucks 206/04 S 10) hat der Gesetzgeber die Annahme eines in bestimmter Höhe verminderten Bedarfs wegen Haushaltsersparnis dabei in der Gesetzesbegründung zwar weiterhin mit dem Begriff des Haushaltsangehörigen verknüpft, und allein nach dem Wortlaut des § 3 RSV könnte davon ausgegangen werden, dass - entsprechend der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - eine Zuordnung als Haushaltsangehöriger in allen Formen von Haushalten von verwandten und nicht verwandten Personen möglich ist. Dies wäre jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, weil bezogen auf die Minderung des Regelsatzes bzw der Regelleistung wegen Annahme einer Haushaltsersparnis zwischen der Personengruppe der SGB-XII- und SGB-II-Leistungsempfänger keine sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung erkennbar sind. Im SGB II wird aber die Haushaltsersparnis normativ an das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft geknüpft (dazu später).

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72, 88; 93, 386, 397). Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Gesetzgeber also, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 112, 164, 174 = SozR 4-7410 § 32 Nr 1 RdNr 13, unter Bezug auf BVerfGE 98, 365, 385). Zwar hat der Gesetzgeber bei Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 16). Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen aber in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 111, 160, 171 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 51). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal reichen die Anforderungen an den Differenzierungsgrund dabei vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (BVerfGE 107, 27, 45 f; 112, 164, 174 = SozR, aaO, RdNr 14; ). Differenzierungen, die dem Gesetzgeber verboten sind, dürfen auch von den Gerichten im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften nicht für Recht erkannt werden (BVerfGE 84, 197, 199; 112, 164, 174 = SozR, aaO, RdNr 13). Ist von mehreren Auslegungen nur eine mit dem Grundgesetz vereinbar, muss diese gewählt werden (BVerfGE 112, 164, 182 f = SozR, aaO, RdNr 32; vgl auch - mwN).

Entsprechend muss unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) auch bei der Bestimmung des Begriffs des Haushaltsangehörigen in der RSV berücksichtigt werden, dass die Annahme einer Haushaltsersparnis nach den Regelungen des SGB II einer gegenüber den bisherigen BSHG-Regelungen abweichenden gesetzgeberischen Konzeption folgt. Während die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Zuordnung als Haushaltsvorstand oder Haushaltsangehöriger in allen Konstellationen des Zusammenlebens für möglich hielt und dies allein von einer gemeinsamen Wirtschaftsführung im Sinne einer "Wirtschaftsgemeinschaft" abhängig machte, deren Vorliegen allerdings bei nicht miteinander verwandten oder verschwägerten Personen besonders sorgfältig zu prüfen war ( V B 152.65 -, FEVS 14, 241, 242; OVG Lüneburg, Urteil vom - 4 A 137/87 -, FEVS 41, 63, 64 f; W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 3 RSV RdNr 12), hat der Gesetzgeber des SGB II die Annahme einer Haushaltsersparnis und Kürzung der Regelleistung nicht mehr mit einer individuellen Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse der zusammen lebenden Personen verbunden. Vielmehr geht § 20 SGB II typisierend von prozentualen Abschlägen von der Regelleistung wegen Haushaltsersparnis nur bei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft aus (BSGE 97, 211 ff RdNr 19 = SozR 4-4200 § 20 Nr 2). Im Unterschied zur Rechtslage nach dem Sozialhilferecht hat der Gesetzgeber des SGB II insofern bewusst auf die Normierung der Rechtsfigur eines "Haushaltsvorstands" verzichtet (BSGE 97, 211 RdNr 19 = SozR 4-4200 § 20 Nr 2 RdNr 19). Entsprechend erhielten der Beigeladene und die Klägerin bis einschließlich Mai 2005 auch Regelleistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 200 vH, weil sie keine Bedarfsgemeinschaft bildeten, sondern als "allein stehend" iS des § 20 Abs 2 SGB II angesehen wurden (vgl zum Begriff "allein stehend": BSGE 97, 211 ff RdNr 18 = SozR 4-4200 § 20 Nr 2).

Ein sachlicher Grund für eine Absenkung der existenzsichernden Leistungen bei Übergang der Klägerin in das System des SGB XII ist nicht erkennbar. Wendete man die Regelung des § 3 RSV nach Maßgabe der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an, stünden der Klägerin entweder 100 vH (als Haushaltsvorstand) oder 80 vH (als Haushaltsangehörige) des Eckregelsatzes zu. Eine Verminderung des Regelsatzes gegenüber der Höhe der Regelleistung im Falle der Zuordnung als Haushaltsangehörige ist jedoch wegen der identischen sozialrechtlichen Funktion beider Leistungen, nämlich derjenigen der Sicherstellung des Existenzminimums, nicht gerechtfertigt. Vielmehr dürfen - soweit keine unterschiedlichen Funktionen beider Leistungen betroffen sind - auch keine unterschiedlichen Maßstäbe und Kriterien einer verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung herangezogen werden (BVerfGE 110, 412, 433; vgl auch BVerfGE 112, 164, 175 = SozR, aaO, RdNr 15 zu den unterschiedlichen Funktionen des Anspruchs auf Kinderfreibeträge gemäß § 32 Abs 6 Einkommensteuergesetz [EStG] und den Regelungen zum Kindergeld gemäß §§ 62 ff EStG iVm § 32 Abs 4 Satz 2 EStG). Dementsprechend hat der Senat bereits in seinem Urteil vom (BSGE 99, 131 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 1), in dem er über die Höhe des Regelsatzes in der Konstellation einer gemischten Bedarfsgemeinschaft eines Empfängers von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit und einer Alg-II-Empfängerin (vgl hierzu Berendes, NZS 2008, 634 ff) zu entscheiden hatte, die Wertungen des SGB II in die Auslegung der Vorschriften des SGB XII einfließen lassen und unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) zur Gewährleistung einer einheitlichen - nicht nur dem Einzelfall gerecht werdenden - Leistungshöhe eine analoge Heranziehung des § 20 Abs 3 SGB II für erforderlich gehalten.

Im Hinblick auf die im SGB II normativ-typisierend unterstellten Kosten einer Haushaltsersparnis lässt sich ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Leistungsempfänger des SGB II und des SGB XII weder den Gesetzesmaterialien entnehmen noch ist er sonst erkennbar. Insbesondere findet sich ein sachlicher Grund nicht in dem Umstand, dass die Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II grundsätzlich erwerbsfähig iS des § 8 SGB II sind. Die Annahme einer Haushaltsersparnis in bestimmten Konstellationen des Zusammenlebens hat keinen Bezug zur Erwerbsfähigkeit. Sie hat vielmehr die Funktion, die Ersparnisse für ein gemeinsames Wirtschaften zu berücksichtigen. Die Minderung des Regelsatzes bei Annahme des Status als Haushaltsangehöriger wird auch nicht durch sozialhilferechtliche Vorteile kompensiert. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die enge Verknüpfung der Regelleistung des SGB II mit dem Sozialhilferecht (vgl hierzu auch den Vorlagebeschluss des 14. Senats des BSG an das Bundesverfassungsgericht [BVerfG] vom - B 14 AS 5/08 R - RdNr 29) auf die Auslegung der SGB-XII-Vorschriften zurückwirkt. Der Gesetzgeber des SGB II wollte sich hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der Regelleistung weitgehend an das Sozialhilferecht anlehnen (BT-Drucks 15/1516 S 56) und hat sich von dem Gedanken leiten lassen, dass die Regelleistung des § 20 SGB II im Rahmen des Alg II das soziokulturelle Existenzminimum der insoweit als Referenzsystem für alle bedarfsorientierten und bedürftigkeitsabhängigen staatlichen Fürsorgeleistungen fungierenden Sozialhilfe abbilden sollte. Die gegenseitigen Ausgrenzungsregeln des § 5 Abs 2 SGB II bzw des § 21 SGB XII erschienen dem Gesetzgeber nur vor dem Hintergrund eines "abgestimmten Leistungsniveaus zwischen den Leistungen der Sozialhilfe und denen des SGB II" gerechtfertigt (BT-Drucks 15/1514 S 57; BT-Drucks 15/1516 S 46).

Die Anwendung des § 3 Abs 1 Satz 3 RSV mit der Annahme des Eckregelsatzes für einen Haushaltsvorstand bzw Alleinstehende im Falle der Klägerin ist auch nicht - wie der Beklagte offenbar meint - mit einer nach den Wertmaßstäben des Art 3 GG nicht zu vereinbarenden Besserstellung der Klägerin gegenüber den von dem Beklagten benannten Vergleichsgruppen verbunden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (stRspr; vgl nur BVerfGE 109, 96, 123 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 69; 101, 239, 269). Insofern bestehen aber zwischen der hier vorliegenden Konstellation des Zusammenwohnens zwischen einer Empfängerin von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und ihrem über 25jährigen Sohn auf der einen Seite und den von dem Beklagten bezeichneten Konstellationen eines Ehepaares in gemischter Bedarfsgemeinschaft (vgl BSGE 99, 131 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 1) bzw anderen Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II eine die unterschiedliche "Gesamtleistungshöhe" nach dem SGB II/SGB XII rechtfertigende sachliche Gründe. Diese liegen in der dem Gesetzgeber erlaubten typisierenden Annahme einer mit einem engeren Zusammenleben bestimmter Personen verbundenen Haushaltsersparnis (vgl BVerfGE 87, 234, 256 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 30 f).

Bei der Ermittlung des nachzuzahlenden Betrags sind - bezogen auf den Monat Juni 2005 - nur die noch streitigen Tage zu berücksichtigen. Da der Monat Juni 30 Tage hat, musste der Senat nicht entscheiden, ob die für die Umrechnung einer monatlichen SGB-II-Leistung geltende Regelung des § 41 Abs 1 Satz 2 SGB II analog auch für das SGB XII heranzuziehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
ZAAAD-26501