Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB V § 240 Abs 4
Instanzenzug: LSG Schleswig-Holstein, L 5 KR 93/06 vom SG Schleswig, S 8 KR 27/06 vom
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der für die Zeit vom bis zu zahlenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung.
Die als Hundepflegerin selbstständig tätige Klägerin war vom April 1998 bis September 2002 bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert. Mit mehreren Bescheiden (vom , , , August 2001, Januar 2002 und ) setzte die Beklagte die ab von der Klägerin zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge jeweils vorläufig in Höhe der von hauptberuflich selbstständig Tätigen zu zahlenden Mindestbeiträge nach beitragspflichtigen Einnahmen von täglich 1/40stel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV fest. Ergänzend bat sie in zwei der Bescheide für die endgültige Beitragsfestsetzung um Vorlage des letzten Einkommenssteuer- bzw Einkommenssteuervorauszahlungsbescheides des Finanzamtes und mit weiteren Schreiben vom August und Oktober 2002 um Übersendung der Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001. Mit Schreiben vom forderte sie die Klägerin erneut zur Vorlage des aktuellen Einkommenssteuerbescheides auf und wies darauf hin, dass sie verpflichtet sei, rückwirkend ab den Höchstbetrag mangels Nachweises niedrigeren Einnahmen festzusetzen, wenn die Unterlagen nicht bis zum vorlägen.
Mit Bescheid vom setzte die Beklagte endgültig ua die Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit vom bis fest. Zur Berechnung der Beitragshöhe legte sie nunmehr monatliche beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der jeweils geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde. Die Klägerin legte Widerspruch ein und übersandte am die Einkommenssteuerbescheide für 2000 vom sowie für 2001 und 2002 vom , die jeweils negative Einkünfte auswiesen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, für die endgültige Beitragsfestsetzung seien grundsätzlich Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze und niedrigere Einnahmen zukunftsbezogen nach Vorlage entsprechender Nachweise zu berücksichtigen. Den Nachweis niedrigerer Einnahmen habe die Klägerin erst nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses und nach der mit dem angefochtenen Bescheid vom erfolgten endgültigen Beitragsfestsetzung geführt.
Die Klägerin rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung des § 240 Abs 4 SGB V. Für die endgültige Beitragsberechnung seien keine höheren als die tatsächlichen in den Steuerunterlagen für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2002 ausgewiesenen Einnahmen zugrunde zu legen und deshalb - wie bisher vorläufig festgesetzt - nur die für hauptberuflich Selbstständige geltenden Mindestbeiträge nach beitragspflichtigen täglichen Einnahmen von 1/40stel der jeweils geltenden Bezugsgröße zu erheben. Sie habe auf die Mahnungen der Beklagten am darauf hingewiesen, dass ihr die Einkommensteuerbescheide 2000 bzw 2001 noch nicht vorlägen. Nach deren Erhalt habe sie sie der Beklagten zugeleitet. Auch hätte die Beklagte sie darauf hinweisen müssen, dass der Nachweis niedrigerer Einnahmen auch anders, zB durch eine vorläufige Steuerberechnung des Steuerberaters oder Vorlage der Steuererklärung, hätte geführt werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom , das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom und den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben, soweit die Beklagte die Krankenversicherungsbeiträge nach höheren täglichen beitragspflichtigen Einnahmen als 1/40stel der jeweils geltenden monatlichen Bezugsgröße iS von § 18 SGB IV festgesetzt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ist rechtswidrig, soweit die Beklagte die Krankenversicherungsbeiträge nach höheren täglichen beitragspflichtigen Einnahmen als 1/40stel der jeweils geltenden monatlichen Bezugsgröße iS von § 18 SGB IV festgesetzt hat.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Anfechtung der Beitragsfestsetzung im Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , soweit die Beklagte für die Zeit vom bis zum endgültig die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge nach höheren täglichen beitragspflichtigen Einnahmen als 1/40stel der jeweils geltenden monatlichen Bezugsgröße iS von § 18 SGB IV festgesetzt hat. Soweit die festgesetzten Krankenversicherungsbeiträge die Höhe der für hauptberuflich Selbstständige geltenden Mindestbeiträge - wie bereits vorläufig festgesetzt - erreichen, wird die Festsetzung von der Klägerin mit der von ihr zulässig erhobenen Teilanfechtungsklage nicht angefochten. Die Regelung zur Höhe der Pflegeversicherungsbeiträge im angefochtenen Bescheid hat die Beklagte während des Revisionsverfahrens aufgehoben.
2. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die Krankenversicherungsbeiträge nach höheren täglichen beitragspflichtigen Einnahmen als 1/40stel der jeweils geltenden monatlichen Bezugsgröße iS von § 18 SGB IV festgesetzt hat.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtete sich seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes vom (BGBl I 2477) am nach § 240 SGB V. Nach dieser Vorschrift in der bis zum geltenden Fassung wurde die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs 1 Satz 1), wobei sicherzustellen war, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigte (Abs 1 Satz 2). Die Satzung musste mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen waren (Abs 2 Satz 1). Nach § 240 Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V in der hier anzuwendenden, seit dem geltenden Fassung (angefügt durch Art 1 Nr 137 Buchst c des Gesundheitsstrukturgesetzes vom [BGBl I 2266]) galten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Veränderungen der Beitragsbemessung konnten aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (Satz 3). Die Satzung der Beklagten in der hier anzuwendenden Fassung enthält in § 10 III Nr 1g eine inhaltsgleiche Regelung.
Die Beklagte hat auf der Grundlage des § 240 Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V iVm § 10 III Nr 1g ihrer Satzung für die Zeit vom bis zum die Beiträge endgültig festgesetzt, zu Unrecht jedoch die Krankenversicherungsbeiträge nach Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze berechnet und damit die Höchstbeiträge erhoben. Zwar war sie berechtigt, trotz der in der Zeit von 2000 bis 2002 erlassenen Bescheide, die die Beitragshöhe vorläufig regelten, erneut die Beitragshöhe festzusetzen (dazu unter a), zu Unrecht hat sie jedoch die Beiträge nach höheren Einnahmen als dem vierzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße berechnet, denn die Klägerin hatte bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides niedrigere Einnahmen nachgewiesen (dazu unter b). Die nach Verstreichen der von der Beklagten gesetzten Frist zur Vorlage von Einkommensnachweisen im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen waren für den Nachweis der Einnahmen zu berücksichtigen (dazu unter c).
a. Die Beklagte war berechtigt, mit Bescheid vom die Beiträge rückwirkend für den Zeitraum vom bis neu festzusetzen. Dem stand nicht entgegen, dass sie bereits mit den für die Beteiligten bindend geworden Bescheiden aus den Jahren 2000 bis 2002 über die Höhe der für diesen Zeitraum zu zahlenden Beiträge entschieden hatte. Diese Bescheide enthielten keine endgültigen Regelungen, sondern setzten die Beitragshöhe nur vorläufig durch einstweilige Verwaltungsakte fest. Hinreichend deutlich war ihnen zu entnehmen, dass die Regelung der Beitragshöhe nur einstweilig für eine Übergangszeit bis zur Vorlage des die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit festsetzenden Einkommensteuerbescheides sowie bis zum Abschluss der dann möglichen umfassenden Sachprüfung erfolgte. Die Beklagte berücksichtigte damit, dass der Klägerin bei Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit zunächst der Nachweis der Höhe ihrer Einnahmen nicht möglich war. Diese Beitragsbescheide entfalteten damit keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung (vgl hierzu Urteil des Senats vom , B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5).
b. Der endgültigen Festsetzung waren - wie bereits bei der vorläufigen Beitragsfestsetzung - nicht als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), sondern wegen des Nachweises niedrigerer Einnahmen lediglich der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße zugrunde zu legen. Damit waren lediglich die für hauptberuflich Selbstständige geltenden Mindestbeiträge festzusetzen. Allerdings waren nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom die für hauptberuflich selbstständig Tätige grundsätzlich geltenden Höchstbeiträge festzusetzen. Nach den Feststellungen des LSG lagen der Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt keine Steuerbescheide und auch keine sonstigen Nachweise über die Einnahmen der Klägerin vor. Es kann dahinstehen, ob durch die nach Angaben der Klägerin von ihr an die Beklagte übersandte Einkommenssteuerberechnung vom für das Jahr 2000 ihres Steuerberaters für das Finanzamt niedrigere Einnahmen hätten nachgewiesen werden können, da diese nach den Feststellungen des LSG der Beklagten bis zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides nicht zuging. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am lagen dagegen der Beklagten Nachweise über die Einnahmen der Klägerin vor, die lediglich die Erhebung von Mindestbeiträgen rechtfertigten. Die vorgelegten Steuerbescheide wiesen alle jeweils negative Einkünfte auf. Diese Unterlagen waren von der Beklagten zu berücksichtigen.
Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung ist im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungsklage regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren durch den Widerspruchsausschuss abzustellen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines endgültigen Beitragsbescheides gilt nichts anderes. Auch hier ist im Widerspruchsverfahren der Ausgangsbescheid in dem Umfang, in dem er mit dem Widerspruch angefochten wurde, zu überprüfen. Der Ausgangsbehörde und bei Nichtabhilfe der Widerspruchsbehörde steht die Kompetenz zu, zu Gunsten des Widerspruchsführers einen rechtswidrigen Bescheid zu ändern, wenn nunmehr aufgrund neuer Tatsachen der Ausgangsbescheid nicht mehr rechtmäßig ergehen könnte. Wird erstmals über die endgültige Beitragsfestsetzung entschieden, nachdem zunächst lediglich eine vorläufige Beitragsfestsetzung durch einstweilige Regelung erfolgte, sind Beiträge gerade auch rückwirkend aufgrund nunmehr vorliegender Nachweise festzusetzen und im Widerspruchsverfahren zu überprüfen, ob solche Nachweise vorliegen.
c. Die von der Beklagten zur Vorlage der Einkommenssteuerbescheide gesetzte Frist ändert daran nichts. Sie war keine materiell-rechtliche die Berücksichtigung eines danach erfolgten Einkommensnachweises ausschließende Frist, sondern lediglich eine von ihr selbst gesetzte Verfahrensfrist. Deshalb konnte die Klägerin die versäumte Verfahrenshandlung nachholen und die vorgelegten Steuerbescheide konnten noch im Widerspruchsverfahren für die endgültige Beitragsfestsetzung für den hier streitigen Zeitraum vom bis berücksichtigt werden. Zwar ist der Nachweis geringerer Einnahmen ein Tatbestandsmerkmal des materiellen Rechts, dessen Vorliegen Voraussetzung für die Erhebung niedrigerer Beiträge als der Höchstbeiträge ist, § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V aF regelt jedoch nicht, dass bei der erstmaligen Beitragsfestsetzung trotz des Nachweises geringerer Einnahmen für den Zeitraum bis zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen Höchstbeiträge zu erheben sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen lässt sich eine solche Nichtberücksichtigung vorgelegter Einkommensnachweise auch nicht aus § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V aF entnehmen. Diese Vorschrift regelt, dass Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden können. Damit führt der Nachweis geringerer Einkünfte zur Beitragsänderung nur mit Wirkung für die Zukunft und wirken sich insbesondere Einkommensänderungen sowohl positiv als auch negativ nur zeitverzögert auf die Beitragshöhe aus (Urteil des Senats vom , B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5). Beitragskorrekturen für die Vergangenheit aufgrund der Vorlage eines Steuerbescheides sollten durch diese Regelung vermieden werden (vgl BT-Drucks 12/3937 S 17). Diese Regelung erfasst weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die erstmalige endgültige Feststellung der Beitragshöhe eines hauptberuflich Selbstständigen, wenn zunächst zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit vorläufig lediglich Mindestbeiträge festgesetzt worden waren, weil ein Nachweis über die Höhe der Einnahmen wegen fehlender Steuerbescheide nicht möglich war, und nunmehr für die Vergangenheit die vorläufige durch eine endgültige Beitragsfestsetzung ersetzt wird. In diesem Fall war gerade auf eine endgültige, bei Nachweis geringerer Einnahmen nur mit Wirkung für die Zukunft abänderbare Beitragsfestsetzung verzichtet worden, weil kein Nachweis über die Höhe der Einnahmen bei Beginn der selbstständigen Tätigkeit geführt werden konnte. Dem würde es widersprechen, bei der endgültigen Beitragsfestsetzung bis zum Tag der Vorlage von Steuerbescheiden dennoch für die Vergangenheit Höchstbeiträge festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2009 S. 913
PAAAD-26484