BSG Urteil v. - B 11 AL 34/07 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB III § 59; SGB III § 60; SGB III § 77 Abs 2 Nr 1

Instanzenzug: LSG Berlin-Brandenburg, L 30 AL 217/02 vom SG Cottbus, S 2 AL 327/01 vom

Gründe

I

Die Klägerin begehrt Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) ab .

Die 1978 geborene Klägerin besuchte vom bis zum das Oberstufenzentrum E und erwarb dort nach einer zweijährigen Ausbildung an einer Berufsfachschule für Wirtschaft bis zum zunächst den Abschluss in dem Bildungsgang "Berufsfachschule für Wirtschaft/Wirtschaftsassistent/in Schwerpunkt Bürowirtschaft/Sekretariat", anschließend nach einem weiteren Bildungsgang in Vollzeitform die Fachhochschulreife.

Am beantragte die Klägerin BAB ab für eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, die sie inzwischen abgeschlossen hat. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Förderungsfähig sei lediglich eine erstmalige Ausbildung. Erstmalige Ausbildung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei stets nur die erste zu einem Abschluss führende Bildungsmaßnahme nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG), der Handwerksordnung (HwO) oder sonstigen bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften mit einer Mindestausbildungszeit von zwei Jahren. Diesen Anforderungen genüge bereits die nach Landesrecht zweijährige Berufsausbildung zum Wirtschaftsassistenten, so dass eine Förderung der weiteren Ausbildung zur Hotelfachfrau nicht in Betracht komme (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts vom , Urteil des Landessozialgerichts [LSG] vom ). Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt:

Die Förderung der Ausbildung zur Hotelfachfrau scheitere unbeschadet der weiteren Förderungsvoraussetzungen, weil nach § 60 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) lediglich die erstmalige Ausbildung förderungsfähig sei, die Klägerin aber bereits 1997 die Ausbildung zur staatlich geprüften Wirtschaftsassistentin erfolgreich abgeschlossen habe. Hierbei handele es sich ihren Rechtsgrundlagen nach um eine zweijährige berufliche Erstausbildung nach dem Schulrecht für das Land Brandenburg. Auch das Tätigkeitsfeld einer Wirtschaftsassistentin spreche für die Erlangung einer Ausbildung, die den Eintritt in das Erwerbsleben ermögliche. Dahinstehen könne, dass die Ausbildung keine berufliche Ausbildung iS des § 60 Abs 1 SGB III sei. Denn die erstmalige Ausbildung müsse keine berufliche Ausbildung sein. Auch unter Gleichheitsgesichtspunkten bestehe weder ein Anspruch auf Förderung für jedwede Berufsausbildung noch bestehe ein Förderanspruch auf eine Erstausbildung, wenn bereits eine Ausbildung absolviert worden sei.

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das BSG habe im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung den Begriff der Ausbildung iS des § 60 Abs 2 SGB III nicht abweichend von der beruflichen Ausbildung iS des § 60 Abs 1 SGB III bewertet.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom und des Sozialgerichts Cottbus vom sowie den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Berufsausbildungsbeihilfe für die Ausbildung zur Hotelfachfrau ab zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält den Standpunkt der Vorinstanz für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

1. Gegenstand der Revision ist der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , mit welchem die Beklagte die von der Klägerin begehrte BAB für die Zeit ab dem abgelehnt hat. Weitere Bescheide sind nicht ergangen.

2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die §§ 59 ff SGB III. Nach § 59 SGB III haben Auszubildende während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme Anspruch auf BAB, wenn eine ausbildungsbezogene und persönliche Förderungsfähigkeit bestehen (§ 59 Nr 1 und 2 SGB III) und die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen (§ 59 Nr 3 SGB III). Unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen scheitert der Anspruch danach jedenfalls an der fehlenden ausbildungsbezogenen Förderungsfähigkeit.

Eine berufliche Ausbildung ist förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem BBiG, der HwO oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist (§ 60 Abs 1 SGB III). Förderungsfähig ist jedoch nur die erstmalige Ausbildung (§ 60 Abs 2 Satz 1 SGB III). Es unterliegt keinem Zweifel, dass die auf der Grundlage des Berufsausbildungsvertrags vom durchgeführte und inzwischen abgeschlossene Ausbildung zur Hotelfachfrau eine betriebliche Ausbildung iS des § 60 Abs 1 SGB III darstellt. Gleichwohl scheitert die ausbildungsbezogene Förderungsfähigkeit an der fehlenden Erstmaligkeit dieser Ausbildung. Denn ein Anspruch auf BAB ist nach § 60 Abs 2 Satz 1 SGB III nicht erst ausgeschlossen, wenn zuvor unter den Voraussetzungen des § 60 Abs 1 SGB III ausgebildet wurde, also eine Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich auf der Grundlage eines Berufsausbildungsvertrags durchgeführt wurde. Ein Anspruch auf BAB entfällt vielmehr bereits dann, wenn der Auszubildende zuvor eine schulische Ausbildung absolviert hat, die in Ausbildungszeit und Ausbildungsabschluss einer betrieblichen Ausbildung gleichwertig ist. Dies hat der 7. Senat bereits in seinem Urteil vom - B 7/7a AL 68/06 R (= SozR 4-4300 § 60 Nr 1, zur Veröffentlichung vorgesehen auch in BSGE) entschieden. Wesentlich ist danach entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, ob die zuvor schon durchlaufene Ausbildung als rein schulische Maßnahme ausgestaltet war. Maßgeblich ist allein die Gleichwertigkeit der Ausbildungszeit und des Ausbildungsabschlusses. Hinsichtlich der Ausbildungszeit liegt es nahe, auf den Grenzwert von "mindestens zwei Jahren" abzustellen, den § 77 Abs 2 Nr 1 SGB III (ab § 77 Abs 2 Nr 2 Satz 1 SGB III) als Voraussetzung der Förderungsfähigkeit einer beruflichen Weiterbildung wegen fehlenden Berufsabschlusses verlangt. Die Vergleichbarkeit des Abschlusses erfüllt jedenfalls eine auf landesrechtlichen Vorschriften beruhende und landesrechtlich anerkannte Ausbildung.

Dieser funktionsdifferenten Auslegung von § 60 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB III schließt sich der erkennende Senat in vollem Umfang an. Nach den bindenden Feststellungen des LSG zum nichtrevisiblen brandenburgischen Landesrecht (vgl § 162 SGG) und zur arbeitsmarktlichen Verwertbarkeit des erworbenen Abschlusses (§ 163 SGG) entsprach die von der Klägerin zuvor durchlaufene zweijährige Ausbildung mit anerkanntem Abschluss "Wirtschaftsassistentin" den Anforderungen an die Gleichwertigkeit von Ausbildungszeit und Ausbildungsabschluss. Unerheblich ist, ob der Ausbildungsgang auf besonderen staatlichen Sonderprogrammen zur Bekämpfung des Lehrstellenmangels beruhte. Die weitere Ausbildung zur Hotelfachfrau war dementsprechend bereits eine "zweite Ausbildung".

Eine zweite Ausbildung ist - im Rahmen einer Ermessensleistung - erst seit Inkrafttreten des Fünften SGB III-Änderungsgesetzes vom (BGBl I 1728) am förderungsfähig, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird (§ 60 Abs 2 Satz 2 SGB III idF des Fünften SGB III-Änderungsgesetzes, aaO). Die Regelung ist indessen nicht rückwirkend auf den Fall der Klägerin anwendbar. Die Gesetzesmaterialien lassen keinen Zweifel daran, dass mit dieser Änderung in besonders gelagerten Fällen eine bis dahin bestehende Lücke im Arbeitsförderungsrecht für die Zukunft geschlossen werden sollte (BT-Drucks 16/9456 S 7). Aus diesem Grund kommt eine Förderung für die Vergangenheit nicht in Betracht (zur Problematik im Rahmen des § 7 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch vgl auch , zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR).

Die von der Klägerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Weder verstößt § 60 Abs 2 SGB III in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Fünften SGB III-Änderungsgesetzes (aaO) gegen das Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 Grundgesetz [GG]) noch bestehen Vorbehalte im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Auch insoweit schließt sich der erkennende Senat dem 7. Senat an, der in seiner Entscheidung vom (aaO) bereits darauf hingewiesen hat, dass das Sozialstaatsprinzip einen weiten Gestaltungsspielraum begründet und angesichts der - damaligen - Entscheidung des Gesetzgebers zur Förderung (allein) von Erstausbildungen auch unter Gleichheitsgesichtspunkten keine Förderung einer Zweitausbildung beansprucht werden kann. Anders als die Klägerin meint, muss nicht bereits deshalb eine weitere Ausbildung gefördert werden, weil schon ihre Erstausbildung ohne Förderung geblieben ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NAAAD-26181