BGH Beschluss v. - 5 StR 141/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 32 Abs. 2

Gründe

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Kriegswaffen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz zweier verbotener Gegenstände und mit unerlaubtem Besitz von Munition in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Damit sind die Schuldsprüche wegen des Betäubungsmittel- und des Waffendelikts rechtskräftig einschließlich der dafür verhängten Strafen (sechs Monate Freiheitsstrafe und 150 Tagessätze zu je 15 EUR Geldstrafe).

1.

Das Landgericht hat die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung im Wesentlichen auf folgende Feststellungen und Wertungen gestützt:

a)

Der 31 Jahre alte, nicht vorbestrafte Angeklagte betreibt auf einem größeren Gartengrundstück ökologischen Nutzpflanzenanbau, Kleintierzucht und eine Imkerei. Er baute in einem Gewächshaus unter anderem auch Cannabis an und setzte das gewonnene Haschisch - wie das Landgericht festgestellt hat - zur Förderung der eigenen Gesundheit und bei der Imkerei - zur Beruhigung der Bienen durch Raucherzeugung - ein.

Bereits im Herbst 2007 war das Anwesen des Angeklagten mehrfach von Dieben aufgesucht worden. Unter anderem hatten drei junge Männer, E. , M. und der Nebenkläger Me. den Zaun des Grundstücks des Angeklagten überstiegen, die Folie des Gewächshauses durchschnitten und Hanfpflanzen gestohlen.

Am frühen Nachmittag des überstieg E. erneut den Zaun, schnitt das Gewächshaus auf und wollte wiederum Cannabispflanzen stehlen. Der Angeklagte stellte ihn und setzte Pfefferspray ein. E. flüchtete über das Feld und ließ sein am Rande des Nachbargrundstückes abgestelltes Fahrrad zurück. Der Angeklagte versteckte dieses später in einem angrenzenden Gebüsch.

E. informierte seine Freunde M. und den Nebenkläger. Alle drei beschlossen, das Fahrrad zurückzuholen, dem Angeklagten eine Abreibung zu verpassen und weitere Hanfpflanzen zu stehlen. M. parkte den Pkw abrufbereit; der zierliche E. wartete zunächst außerhalb des Grundstücks. Der 90 kg schwere und durchtrainierte Nebenkläger drang auf das Grundstück des Angeklagten ein, um nach dem Fahrrad sowie dem dort vermuteten Angeklagten zu suchen. Vor dem Eingang des Gewächshauses traf der sich anschleichende Nebenkläger auf den mittlerweile aufmerksam gewordenen Angeklagten, der sein bei der Arbeit verwendetes Messer (15 cm Länge; Klingenlänge 5,5 cm) in der rechten Hand hielt. Es entstand sogleich ein Gerangel. Dabei fasste der Nebenkläger dem Angeklagten an den Kragen und ging zum direkten Angriff über. Er umklammerte den Angeklagten von vorn und drückte ihm die Luft ab. Der Angeklagte geriet in Todesangst und setzte das Messer ein. "Er stieß das Messer wuchtig zunächst in den Bereich der linken Flanke oberhalb des Beckenkammes, sodann fügte er ihm durch einen weiteren Stich eine Verletzung der Zwischenrippenmuskulatur und des Rippenfelles sowie durch einen dritten Stich eine Verletzung am Kinn sowie durch eine Kopfbewegung des Nebenklägers nach links hinten zugleich an der linken Halsseite hinter dem Kopfwendermuskel zu" (UA S. 16).

b)

Das Landgericht hat dem Angeklagten zugebilligt, dass er sich gegen die Umklammerung zur Wehr gesetzt und sein Eigentum und sein Hausrecht verteidigt habe (UA S. 39). Indes habe er an dem Zustandekommen der Notwehrlage durch die im Verstecken des Fahrrades des E. enthaltene Provokation mitgewirkt. Der massive Einsatz des Messers habe dem Angeklagten im Rahmen seines eingeschränkten Notwehrrechts nicht zugestanden.

2.

Diese Wertung hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar ist anerkannt, dass eine schuldhafte Provokation zur Einschränkung des Notwehrrechts führen kann, wenn bei vernünftiger Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls der Angriff als adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheint (vgl. BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 11 und 18 jeweils m.w.N.). Solches ist hier jedoch nicht der Fall.

Es ist schon zweifelhaft, ob das Verstecken des Fahrrades überhaupt zu einer Einschränkung des Notwehrrechts des Angeklagten hinsichtlich eines Angriffs auf die körperliche Integrität führen kann. Jedenfalls stand der Angriff des Nebenklägers damit in keinem Zusammenhang. Er beruhte auf dessen Entscheidung und der seiner Freunde, dem Angeklagten wegen der Vertreibung des E. eine Abreibung zu erteilen. Hierdurch war das Notwehrrecht des Angeklagten nicht eingeschränkt.

3.

Die drei Messerstiche des Angeklagten stellten noch eine erforderliche Verteidigung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB dar. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Sie waren geeignet, den Angriff zu beenden. Zwar muss der Angegriffene das mildeste Mittel gegen einen Angriff wählen. Zur Beurteilung der Frage, welches Mittel wie wirksam ist, um die endgültige Beseitigung der Gefahr zu gewährleisten, kommt es auf die Stärke des Angriffs, die Gefährlichkeit des Angreifers und die zur Verfügung stehenden Abwehrmittel an. Hierbei muss sich der Angegriffene nicht auf das Risiko einer nur unzureichenden Abwehrhandlung und des Eintritts eines mehr als belanglosen Schadens an seiner körperlichen Unversehrtheit einlassen. Die Erforderlichkeit der Verteidigung ist im Wege einer exante Betrachtung objektiv zu bestimmen. Maßgebend ist, wie ein besonnener Dritter in der Lage des Angegriffenen die im Zeitpunkt des Angriffs gegebenen und objektiv erkennbaren Umstände beurteilt hätte, wobei § 32 StGB (im Prinzip) keine Güterabwägung voraussetzt. Nach diesen Grundsätzen war der Einsatz des Messers, selbst wenn man wie das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz annehmen wollte, gerechtfertigt: Der Angeklagte befand sich durch die Umklammerung des Me. nicht mehr in einer Lage, in der es ihm zumutbar gewesen wäre, den Einsatz des Messers anzukündigen (UA S. 41) oder in eine ?weniger gefährdete' Körperregion zu stechen. Die Umklammerung verringerte nach der unwiderlegten Einlassung (UA S. 26) des Angeklagten dessen Luftzufuhr, so dass er in Todesangst geriet."

Dem stimmt der Senat zu, zumal es dem Angeklagten angesichts der eindeutigen Feststellungen zur fortdauernden Umklammerung des körperlich überlegenen Nebenklägers nicht zumutbar war, die Wirkung des ersten oder zweiten Stiches abzuwarten.

4.

Der Senat schließt aus, dass eine neue Hauptverhandlung Umstände ergeben kann, die eine Einschränkung des Notwehrrechts gebieten könnten, und spricht den Angeklagten insoweit auf Antrag des Generalbundesanwalts frei. Die Sache ist zur Bestimmung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe an eine allgemeine Strafkammer zurückzuverweisen (BGH NJW 1994, 3304, 3305).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
XAAAD-25090

1Nachschlagewerk: nein