Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 307 Abs. 2
Instanzenzug: OLG München, vom
Gründe
Mit Beschluss vom hat es das Oberlandesgericht München abgelehnt, die Anklage des Generalbundesanwalts vom zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten zu eröffnen. Zugleich hat es - neben der Aufhebung des Haftbefehls und der Freigabe der Sicherheitsleistung - die in der Entscheidungsformel genannten Beschlagnahme- und Arrestbeschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs aufgehoben und die Anordnung der Beschlagnahme einer Reihe von Gegenständen abgelehnt, die als Beweismittel und Einziehungsgegenstände in Betracht kommen könnten.
Der Generalbundesanwalt hat am gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens sofortige Beschwerde und gegen die Nebenentscheidungen Beschwerde eingelegt und dies mit dem Antrag verbunden, gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Vollziehung der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidungen auszusetzen. Der Beschwerde hat das nicht abgeholfen und zugleich den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verworfen. Gegen die letztgenannte Entscheidung hat der Generalbundesanwalt am Beschwerde eingelegt, soweit sie "die Aufhebung von Beschlagnahme- und Arrestbeschlüssen" betrifft. In diesem Umfang hat der Senat daraufhin mit Beschluss vom die Vollziehung des ausgesetzt.
Der Beschluss des Senats ist aus Gründen der Eilbedürftigkeit ohne Anhörung des Angeschuldigten und seiner Verteidiger ergangen; ihnen ist nachträglich rechtliches Gehör gewährt worden (§ 311 a StPO). Die daraufhin erhobenen Einwände der Verteidiger gegen den Senatsbeschluss vom führen zu dessen teilweiser Abänderung, soweit er sich auf den Arrestbeschluss des Ermittlungsrichters des ) bezieht. Die Vollziehung der Aufhebung dieser Arrestanordnung durch das Oberlandesgericht wird nur noch in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang ausgesetzt. Hinsichtlich des überschießenden Betrages von 133.364,31 EUR liegen die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung des oberlandesgerichtlichen Beschlusses dagegen nicht vor. In diesem Umfang erweist sich die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Entscheidung des daher als unbegründet. Im Übrigen verbleibt es bei dem Beschluss des Senats vom . Im Einzelnen ist, namentlich mit Blick auf die erhobenen Einwände der Verteidigung, im jetzigen Verfahrensstadium lediglich folgendes auszuführen:
1.
Der Senat ist befugt, im Beschwerdewege über die vom Generalbundesanwalt erstrebte Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 307 Rdn. 4). Er ist dabei weder an die rechtliche Bewertung der dem Angeschuldigten vorgeworfenen Handlungen durch das Oberlandesgericht gebunden, noch kommt dem Zeitraum, der zwischen dem Beschluss des Oberlandesgerichts über die Aufhebung der Arrestbeschlüsse und der Vorlage der Beschwerde durch den Generalbundesanwalt an den Senat liegt, eine die Sachentscheidung des Senats ausschließende Wirkung zu. Auch durch § 120 Abs. 2 StPO wird eine Entscheidung über die Fortdauer der Arrestierungen und der Beschlagnahmen nicht gehindert. Diese Regelung betrifft allein die Freilassung eines Beschuldigten aus der Untersuchungshaft. Sie stellt eine Ausnahme von § 307 Abs. 2 StPO dar, die auf weitere Eingriffe nicht ausdehnend anwendbar ist.
2.
Hinsichtlich eines arrestierten Betrags von 575.093,72 EUR sowie hinsichtlich der Beschlagnahmebeschlüsse verbleibt es bei der Aussetzung der Vollziehung des oberlandesgerichtlichen Beschlusses vom . Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass gemäß § 111 b Abs. 3 Satz 3 StPO ohne das Vorliegen dringender Gründe eine Arrestanordnung über zwölf Monate hinaus nicht aufrechterhalten werden darf.
Ob hier dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz vorliegen, ist eine Frage, die erst mit der Beschlussfassung des Senats über die Rechtsmittel des Generalbundesanwalts gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens sowie der Nebenentscheidungen zu beantworten ist. Diese Entscheidung kann im Verfahren nach § 307 Abs. 2 StPO grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Hebt das Ausgangsgericht einen Arrestbeschluss lediglich isoliert auf, weil es dringende Gründe im Sinne des § 111 b Abs. 3 Satz 3 StPO nicht (mehr) als gegeben ansieht, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Beschwerdegericht über das Vorliegen der dringenden Gründe erst in der Hauptsache zu entscheiden hat und durch § 111 b Abs. 3 Satz 3 StPO nicht gehindert ist, bis zu dieser Entscheidung den Vollzug des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses auszusetzen. Nichts anderes kann aber gelten, wenn sich die Aufhebung eines Arrestbeschlusses lediglich als folgerichtige Annexentscheidung zu der Nichtzulassung einer Anklage darstellt mit der Folge, dass die Beantwortung der Frage, ob die für die weitere Arrestierung notwendigen dringenden Gründe weiterhin vorliegen, untrennbar mit der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens verknüpft ist.
Anders liegt es nur dann, wenn sich die Beschwerde gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens schon bei vorläufiger Prüfung als aller Voraussicht nach unbegründet erweist, so dass es schon aus diesem Grund nicht sachgerecht ist, den Vollzug des Nichteröffnungsbeschlusses sowie der daran anknüpfenden Annexentscheidungen auszusetzen. Dies ist hier indes - mit der unter 3. dargelegten Einschränkung - nicht der Fall; denn die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Nichtzulassung der von ihm erhobenen Anklage ist nicht von vorneherein aussichtslos.
Bei dieser Sachlage hat der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Arrestierung und der Beschlagnahmen das Interesse des Angeschuldigten am sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung und der Freigabe seiner Vermögenswerte und der Beweismittel überwiegt (vgl. Matt in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 307 Rdn. 5; Engelhardt in KK-StPO 6. Aufl. § 307 Rdn. 7). Dabei ist für den Fall, dass - wie hier - der Erfolg der sofortigen Beschwerde weder auf der Hand liegt noch äußerst unwahrscheinlich ist, von Bedeutung, ob durch die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung (oder durch die Aussetzung des Vollzugs) irreparable Nachteile entstehen würden (vgl. Frisch in SK-StPO § 307 Rdn. 12 m. w. N.).
Diese Abwägung ergibt, dass vorliegend in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang die Gründe für eine Aussetzung der Vollziehung überwiegen. Würden die arrestierten Geldbeträge und die Beweismittel freigegeben werden und würde der Senat sodann in der Hauptsache der sofortigen Beschwerde des Generalbundesanwalts stattgeben, dann ging im Fall einer Verurteilung die Vollstreckung einer Wertersatzverfallsanordnung mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Leere, Beweismittel stünden im Verfahren nicht mehr zur Verfügung. Würde andererseits die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Nichteröffnung des Hauptverfahrens bestätigt oder das Hauptverfahren nur in geringerem Umfang eröffnet, als es dem Anklagevorwurf entspricht, so hätte der Angeschuldigte bis zur Entscheidung des Senats in der Hauptsache für einen gewissen Zeitraum den vorläufigen Entzug seines Vermögens und der Beweisgegenstände weiter zu dulden; ihm stünden dann aber Entschädigungsansprüche zu, die diesen Nachteil jedenfalls in einem solchen Umfang ausgleichen würden, dass die trotz einer derartigen Entschädigung zu befürchtenden verbleibenden Nachteile die weitere Arrestierung im jetzigen Zeitpunkt nicht unangemessen erscheinen lassen (vgl. Frisch aaO Rdn. 12 aE).
3.
Jedoch ist auch im Falle eines umfassenden Erfolgs der sofortigen Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens schon jetzt nicht damit zu rechnen, dass im Falle einer Verurteilung des Angeschuldigten gegen ihn Wertersatzverfall in einer Höhe angeordnet werden wird, die der Gesamtsumme der in den beiden Arrestbeschlüssen bezeichneten Teilbeträgen entspricht. Hierzu gilt:
Wie der Generalbundesanwalt im Beschwerdeverfahren selbst dargelegt hat, beträgt die Summe des vom Angeschuldigten im Fall 3 der Anklage Erlangten nur 13.530,00 EUR. Insgesamt hat der Angeschuldigte danach nach dem Anklagevorwurf aus allen Taten 575.093,72 EUR erlangt (589.779,86 EUR abzüglich des der Anklage irrtümlich zugrunde gelegten Mehrbetrags von 14.686,14 EUR). In Höhe dieses Betrages verbleibt es bei der Arrestierung. Indes sind entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts die Voraussetzungen für die Arrestierung des darüber hinausgehenden Betrages nicht gegeben. Für die vom Beschwerdeführer insoweit vorgenommene Schätzung gezogener Nutzungen ist kein Raum. Zwar können auch Nutzungen für verfallen erklärt und dieser Ausspruch durch Arrestbeschluss gesichert werden, indes setzt eine Schätzung die sichere Überzeugung davon voraus, dass überhaupt Nutzungen gezogen worden sind. Darüber hinaus bedarf es einer gesicherten Schätzungsgrundlage. Zumindest die letztgenannte Voraussetzung ist, wie die wahlweisen Mutmaßungen in der Beschwerdeschrift über die Konditionen verschiedener Geldanlagemöglichkeiten zeigen, nicht gegeben. Danach ist der Betrag von 133.364,31 EUR nunmehr freizugeben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
wistra 2009 S. 364 Nr. 9
YAAAD-24433
1Nachschlagewerk: nein